Bamberger Elegien (30). Siebte Elegie (5). Entwurf des Beschlusses.
Meinen möcht’ man, er möcht’ nicht mehr weiter; meditieren
möcht’ er, ein buddhistischer Mönch, der in sich das Nichts sucht:
nichts mehr tun, nichts fühlen, sondern die Seele öffnen
wie einen Leib, der Tür werden will oder Pforte und Fenster,
Bildern Magrittes gleich, ins Sonnengeflecht führen riesige Treppen,
hochstufig, von denen Blut fließt. All die Opferungen!
Yucatán, wir wissen’s; er ist es so leid, der Chilan,
leid die Toten, leid den Einfluß der Tolteken.
Stumpf liegt auf dem Beistelltischchen der Katana
mitten im Studio, und Wakazashi wie Notung zerbrochen:
einsam kommen wir, sagt meine Mutter, zur Welt und gehen
wieder alleine - durch die Sonnengeflechte, denk ich,
in unsren Körpern, die sich, sind wir hindurch, um uns schließen.
Alles andre ist bloß Begleitung, müßig geborgte,
sagte sie ihren zwei Söhnen - den ‚müßigen’ also, genauso,
mutterlosen Rōnins, Mütter wie die verlor’nen
Herren suchend, immer, seitdem; mein gestorbener Bruder,
er genau so wie ich fand seinem Kind eine Mutter,
aber blieb treu jener, nicht dieser. Und, wie ich selber,
stand nicht zur Mutter, der wirklichen, seines Sohnes, er konnt’s nicht,
konnte’s nur anders als ich nicht. „Gibt es ein Plätzchen im Himmel“,
rief unsre Mutter, die Grabrede haltend, ins Feuer dem Sarg nach,
„dann, mein Junge, halt es mir frei neben dir!“ So verbrannt’ er
vierzigjährig. Unbegreiflich, wie die gefundene
Mutter neben der unsren dastand, die es nie war und
höhnte (verletzt war sicher auch sie und vor Schmerzen erkaltet);
unbegreiflich verloren stand die eine Mutter,
furchtsam klein, der andren, der Herrin, hörig zur Seite,
dienernd fast selber und durfte nicht schluchzen, weil die’s nicht zuließ.
Darüber geht nun die Regnitz auch. Und läßt’s mich erkennen,
was ich suchte, was ich fand und was ich verlorn hab.
Aufgeben nun? träumen und altern? weil’s mir so wohl ist,
bitterwohl? (Unterm Quaken der Enten rauscht Wasser, und Kies schleift
raunend, wenn du summierend drauf vor der Brüstung schreitest.)
Endlich lassen, was ich verspielte aus unbegriff’nem
achtlosen Hunger - der die Acht, in die ich gefallen,
nährte und den Wellenmann, der’s nicht wußte, zum Köter
machte, der Wellen beißt und nichts als wieder und Wellen
abermals, röchelnd salzige Gischt auf der Zunge?
Nein! (Denn Klingen, die stumpf sind, lassen sich schärfen, und leichter
sind sie zu führen, weiß man endlich, Geliebte, um w e n denn.
So denn führt man sie neu und weiß e s und weiß sich selber.)
Aber das bleibende Tier? – Nun, es erhebt sich zugleich.
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möcht’ er, ein buddhistischer Mönch, der in sich das Nichts sucht:
nichts mehr tun, nichts fühlen, sondern die Seele öffnen
wie einen Leib, der Tür werden will oder Pforte und Fenster,
Bildern Magrittes gleich, ins Sonnengeflecht führen riesige Treppen,
hochstufig, von denen Blut fließt. All die Opferungen!
Yucatán, wir wissen’s; er ist es so leid, der Chilan,
leid die Toten, leid den Einfluß der Tolteken.
Stumpf liegt auf dem Beistelltischchen der Katana
mitten im Studio, und Wakazashi wie Notung zerbrochen:
einsam kommen wir, sagt meine Mutter, zur Welt und gehen
wieder alleine - durch die Sonnengeflechte, denk ich,
in unsren Körpern, die sich, sind wir hindurch, um uns schließen.
Alles andre ist bloß Begleitung, müßig geborgte,
sagte sie ihren zwei Söhnen - den ‚müßigen’ also, genauso,
mutterlosen Rōnins, Mütter wie die verlor’nen
Herren suchend, immer, seitdem; mein gestorbener Bruder,
er genau so wie ich fand seinem Kind eine Mutter,
aber blieb treu jener, nicht dieser. Und, wie ich selber,
stand nicht zur Mutter, der wirklichen, seines Sohnes, er konnt’s nicht,
konnte’s nur anders als ich nicht. „Gibt es ein Plätzchen im Himmel“,
rief unsre Mutter, die Grabrede haltend, ins Feuer dem Sarg nach,
„dann, mein Junge, halt es mir frei neben dir!“ So verbrannt’ er
vierzigjährig. Unbegreiflich, wie die gefundene
Mutter neben der unsren dastand, die es nie war und
höhnte (verletzt war sicher auch sie und vor Schmerzen erkaltet);
unbegreiflich verloren stand die eine Mutter,
furchtsam klein, der andren, der Herrin, hörig zur Seite,
dienernd fast selber und durfte nicht schluchzen, weil die’s nicht zuließ.
Darüber geht nun die Regnitz auch. Und läßt’s mich erkennen,
was ich suchte, was ich fand und was ich verlorn hab.
Aufgeben nun? träumen und altern? weil’s mir so wohl ist,
bitterwohl? (Unterm Quaken der Enten rauscht Wasser, und Kies schleift
raunend, wenn du summierend drauf vor der Brüstung schreitest.)
Endlich lassen, was ich verspielte aus unbegriff’nem
achtlosen Hunger - der die Acht, in die ich gefallen,
nährte und den Wellenmann, der’s nicht wußte, zum Köter
machte, der Wellen beißt und nichts als wieder und Wellen
abermals, röchelnd salzige Gischt auf der Zunge?
Nein! (Denn Klingen, die stumpf sind, lassen sich schärfen, und leichter
sind sie zu führen, weiß man endlich, Geliebte, um w e n denn.
So denn führt man sie neu und weiß e s und weiß sich selber.)
Aber das bleibende Tier? – Nun, es erhebt sich zugleich.
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albannikolaiherbst - Montag, 28. August 2006, 12:05- Rubrik: BambergerElegien
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