Arbeitsjournal. Donnerstag, der 31. August 2006. Bamberg. Berlin.
5.18 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Pünktlich um fünf hoch; seltsam, ich erinner mich, aufgelacht zu haben beim zweiten Weckerklingeln, das das Klingeln des zweiten Weckers war, in diesem Fall meines Mobilchens. Ich weiß jetzt aber schon nicht mehr, worüber ich eigentlich lachte; es scheint ein Scherz gewesen zu sein, den mein Schlaf mit meinem Wachsein spielte: ich merkte ihn und lachte. Und stand amüsiert auf.
Nachtschwarz ist’s draußen, nahezu unmerklich dreht sich das Jahr für jeden, der später aufsteht als ich. Ich werd gleich die Sachen für Berlin zusammenstellen, alle Pettersson CDs aus den Hüllen in ein CD-Etui zusammenstellen, die Booklets gleich mit. Der tragbare CD-Spieler liegt bereits neben mir, während der ICE-Fahrt werd ich weiterhören, weiterlesen. Jemand hat nach dem langen langen „Auf die Plätze – fertig - - -“ nun endlich auch „- - - los!“ gebrüllt. Knapp einen Monat Zeit hab ich von nun an fürs Typoskript des >>>> Petterson-Requiems, erfahrungsgemäß ist das genug. Kaum eines meiner >>>> Hörstücke hat mehr als drei Wochen gebraucht, um zu entstehen; weshalb sollte es diesmal anders sein? Schon ist sowas wie eine Tür hinter den Bamberger Elegien zugegangen wie zuvor hinter ARGO. Ich hoff nur, es hat sie niemand zugeschlossen und den Schlüssel vor mir versteckt. Nicht daß ich den, wenn der Pettersson steht, erst wieder lange suchen muß…
Zu diesem Arbeitsjournal fiel mir noch – und, ich glaube, wieder einmal – auf, daß es für mich auch die Funktion einer Selbstkontrolle hat, die ich sozusagen auf Sie, meine internalisierten Leser, projiziere. Derer es auch objektiv einige gibt, wie dieser screenshot zeigt, der die Zugriffe auf Die Dschungel statistisch festhält (2814 Besucher vom 24. bis 30. August 2006, also in genau eine Woche):
Für ein Literarisches Weblog, das zu großen Teilen auch theoretischer Natur ist, scheint mir das ganz und gar nicht unerfolgreich zu sein. Um so größer der Aspekt von Selbstkontrolle; allzu zwanghaft bin ich drauf fixiert, pünktlich und möglichst früh je meine Einträge zu machen und die Arbeitsfortschritte zu dokumentieren: Das Weblog, sozusagen, als Stechuhr. Darüber sollte ich vielleicht nachher ein nächstes Kapitelchen der >>>> Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens formulieren, die mittlerweile auf >>>> 69 Kapitel angewachsen ist, was ihrerseits ein ganz veritables Bücherl ergäbe.
So, ich leg einen Pettersson ein und pack jetzt. Geduscht wird in Berlin, bevor ich meinen Jungen von der Schule abhole und zu seinem Fußballtraining begleite.
Es war gestern ein echter Cronenberg-Abend, vergaß ich noch zu erzählen. Nach "A History of Violence" holte >>>> Stuart MacRae nämlich noch den unheimlichen, ausgesprochen bedeutsamen Streifen >>>> „Crash“ von 1996, auf den ich mich theoretisch schon einige Male bezogen habe, aus seiner Privatsammlung heraus. So saßen wir im Fernsehraum zu viert und schauten bis gegen zwölf.
14.43 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung, Küchentisch.]
Ich lese mich durch die >>>> Aufsätze über Allan Pettersson, und immer wieder, wird sein Werk auf seine Person und seine, man muß sagen, elende Biographie zurückgebunden (woran er selbst einigen Anteil hat), wird mir etwas übel; es trieft ein Schmalz da heraus, das mit dieser Musik irgendwie zu tun, aber irgendwie auch gar nichts zu tun hat. Sie hat sich doch längst von ihrem Anlaß gelöst - wobei, wiederum umgekehrt, zu sagen ist, daß es ja nun eigentlich nicht angehen kann, den nachher bellenden - hier eher: klagenden - Hund dafür verantwortlich zu machen, daß man ihn trat. Das geschieht aber, vermittels bewußter Ignoranz, und führt zu dem furchtbaren Ergebnis, daß sich Pettersons eigene negativ-prophetische Haltung selber noch einmal verwickelt und in diesen Verwicklungen bestätigt. Davon genau muß mein Stück weg, auch wenn ich dem Komponisten damit sozusagen einen dritten Tort antu. Andererseits war meine eigene erste Hörerfahrung, die eine unmittelbar ergriffene war und es bis heute geblieben ist, lange Zeit völlig sowohl unbe- wie ungerührt von Petterssons Lebensgeschichte: Künstlerbiografien interessierten mich insgesamt nicht, auch keine Tagebücher. Sondern diese Musik schien aus mir zu sprechen und viel mehr von mir selbst preiszugeben, als von einem Musiker aus einem Land, das mir bis heute sehr fremd ist. Um die Rezeptionshaltung meiner jedenfalls ersten Pettersson-Jahre (um 1982) noch einmal zu verwickeln: Es war nicht, als identifizierte ich mich mit der Musik, sondern umgekehrt sie sich mit mir – als spräche s i e und drängte in mich ein.
Das geht mir grad durch den Kopf. Anderes mehr. Doch dazu, Leser, ‚draußen’ später.
[Villa Concordia Bamberg.]
Pünktlich um fünf hoch; seltsam, ich erinner mich, aufgelacht zu haben beim zweiten Weckerklingeln, das das Klingeln des zweiten Weckers war, in diesem Fall meines Mobilchens. Ich weiß jetzt aber schon nicht mehr, worüber ich eigentlich lachte; es scheint ein Scherz gewesen zu sein, den mein Schlaf mit meinem Wachsein spielte: ich merkte ihn und lachte. Und stand amüsiert auf.
Nachtschwarz ist’s draußen, nahezu unmerklich dreht sich das Jahr für jeden, der später aufsteht als ich. Ich werd gleich die Sachen für Berlin zusammenstellen, alle Pettersson CDs aus den Hüllen in ein CD-Etui zusammenstellen, die Booklets gleich mit. Der tragbare CD-Spieler liegt bereits neben mir, während der ICE-Fahrt werd ich weiterhören, weiterlesen. Jemand hat nach dem langen langen „Auf die Plätze – fertig - - -“ nun endlich auch „- - - los!“ gebrüllt. Knapp einen Monat Zeit hab ich von nun an fürs Typoskript des >>>> Petterson-Requiems, erfahrungsgemäß ist das genug. Kaum eines meiner >>>> Hörstücke hat mehr als drei Wochen gebraucht, um zu entstehen; weshalb sollte es diesmal anders sein? Schon ist sowas wie eine Tür hinter den Bamberger Elegien zugegangen wie zuvor hinter ARGO. Ich hoff nur, es hat sie niemand zugeschlossen und den Schlüssel vor mir versteckt. Nicht daß ich den, wenn der Pettersson steht, erst wieder lange suchen muß…
Zu diesem Arbeitsjournal fiel mir noch – und, ich glaube, wieder einmal – auf, daß es für mich auch die Funktion einer Selbstkontrolle hat, die ich sozusagen auf Sie, meine internalisierten Leser, projiziere. Derer es auch objektiv einige gibt, wie dieser screenshot zeigt, der die Zugriffe auf Die Dschungel statistisch festhält (2814 Besucher vom 24. bis 30. August 2006, also in genau eine Woche):

So, ich leg einen Pettersson ein und pack jetzt. Geduscht wird in Berlin, bevor ich meinen Jungen von der Schule abhole und zu seinem Fußballtraining begleite.
[Allan Pettersson, Sinfonie Nr. 15.]
6.02 Uhr:Es war gestern ein echter Cronenberg-Abend, vergaß ich noch zu erzählen. Nach "A History of Violence" holte >>>> Stuart MacRae nämlich noch den unheimlichen, ausgesprochen bedeutsamen Streifen >>>> „Crash“ von 1996, auf den ich mich theoretisch schon einige Male bezogen habe, aus seiner Privatsammlung heraus. So saßen wir im Fernsehraum zu viert und schauten bis gegen zwölf.
14.43 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung, Küchentisch.]
Ich lese mich durch die >>>> Aufsätze über Allan Pettersson, und immer wieder, wird sein Werk auf seine Person und seine, man muß sagen, elende Biographie zurückgebunden (woran er selbst einigen Anteil hat), wird mir etwas übel; es trieft ein Schmalz da heraus, das mit dieser Musik irgendwie zu tun, aber irgendwie auch gar nichts zu tun hat. Sie hat sich doch längst von ihrem Anlaß gelöst - wobei, wiederum umgekehrt, zu sagen ist, daß es ja nun eigentlich nicht angehen kann, den nachher bellenden - hier eher: klagenden - Hund dafür verantwortlich zu machen, daß man ihn trat. Das geschieht aber, vermittels bewußter Ignoranz, und führt zu dem furchtbaren Ergebnis, daß sich Pettersons eigene negativ-prophetische Haltung selber noch einmal verwickelt und in diesen Verwicklungen bestätigt. Davon genau muß mein Stück weg, auch wenn ich dem Komponisten damit sozusagen einen dritten Tort antu. Andererseits war meine eigene erste Hörerfahrung, die eine unmittelbar ergriffene war und es bis heute geblieben ist, lange Zeit völlig sowohl unbe- wie ungerührt von Petterssons Lebensgeschichte: Künstlerbiografien interessierten mich insgesamt nicht, auch keine Tagebücher. Sondern diese Musik schien aus mir zu sprechen und viel mehr von mir selbst preiszugeben, als von einem Musiker aus einem Land, das mir bis heute sehr fremd ist. Um die Rezeptionshaltung meiner jedenfalls ersten Pettersson-Jahre (um 1982) noch einmal zu verwickeln: Es war nicht, als identifizierte ich mich mit der Musik, sondern umgekehrt sie sich mit mir – als spräche s i e und drängte in mich ein.
Das geht mir grad durch den Kopf. Anderes mehr. Doch dazu, Leser, ‚draußen’ später.
albannikolaiherbst - Donnerstag, 31. August 2006, 05:41- Rubrik: Arbeitsjournal
Trackback URL:
http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/2604179/modTrackback