Zu FRINGE und der Freiheit als einer poetischen Kategorie. Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 17. Februar 2013. Dazu von Schoeck und Hesse mit einer Einleitung Matthias Claudius‘. Gerichtsvollzieher (10).
9 Uhr:
[Arbeitsjournal. Othmar Schoeck, Wandsbecker Liederbuch, op.52.]
[Arbeitsjournal. Othmar Schoeck, Wandsbecker Liederbuch, op.52.]
Die Liebe hemmet nichts;
sie kennt nicht Tür noch Riegel
und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn‘ Anbeginn,
schlug ewig ihre Flügel
und schlägt sie ewiglich.
Matthias Claudius
sie kennt nicht Tür noch Riegel
und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn‘ Anbeginn,
schlug ewig ihre Flügel
und schlägt sie ewiglich.
Matthias Claudius
Nein, das ist momentan nichts mit dem frühen Aufstehen mehr: mal sechs Uhr, mal halb acht, mal sogar acht. Seltsam. Ich träume sehr schwer, schachtelig, manchmal ist gar kein Herauskommen. Momentan bestimmt jedenfalls das Organ den Geist.
Aber es macht mich nicht unruhig. Die „Dinge“ laufen ja, und mit etwas ganz Neuem kann ich momentan nicht anfangen; dazu sind zu sehr die „alten“ Belange zu besorgen, bzw. vorzubereiten, außerdem Unsicherheiten auszuhalten. Überall, imgrunde, Baustellen, bzw. zum Betreten noch nicht freigegebene öffentliche Gebäude.
Gestern die Neu-Montage des Gerichtsvollzieher-Hörstücks fertigbekommen, aber lediglich als Abfolge der „reinen“ Sprecher- und Interviewstellen; daraus dann eine mp3 erstellt und meiner Redakteurin geschickt. Bevor ich mich jetzt an die Feinarbeit setze, muß sie gehört und mir das Okay gegeben haben. Ich habe aber ein gutes Gefühl jetzt, insgesamt; möglicherweise braucht es die untergelegten Atmos auch gar nicht mehr, sondern kann im Zustand einer reinen Sprechsendung verbleiben; dann wären nur noch die Schnitte zu perfektionieren, was eine Frage der Beherrschung des Handwerks, nicht aber mehr eine künstlerischer, bzw. journalistischer Inspiration ist.
Bis jedenfalls keine Nachricht von der Redakteurin da ist, so daß diese Arbeit insgesamt abgeschlossen werden kann, ist es wenig sinnvoll, sich an die nächsten Projekte zu setzen. Vielleicht kann ich zwischendurch ein bißchen an dem einen und/oder anderen Gedicht basteln, ansonsten bin ich im Dulde-, also Wartemodus, in den ich dann, nach langer Zeit wieder, >>>> Fringe eingeschoben habe; was im deutschen Zusatztitel („Grenzfälle des FBI“) nach einer draufgehüpften Neuauflage von >>>> „Akte X“ wirkte und wenigstens während der ersten Staffel so auch noch gesehen werden konnte, hat sich zu einem - mit >>>> Twin Peaks und >>>> Lost - der intelligentesten und raffiniertesten Phantastischen Projekte der Gegenwart entwickelt, aus dessen Welt, bzw. Welten man nicht so ganz leicht mehr herauskommt. Mir kommt das besonders nahe, weil Differenz hier ganz wie bei mir auf Ähnlichkeit gebaut ist und die Personage insgesamt unter einem Möglichkeitengesetz steht; etwa sind mögliche Zukünfte simultan wahr, der einzelne Character auf je seine eigene Zeitlinie verpflichtet, deren Übertretung zu einem Zusammenfallen der Systeme, eigentlich Matrices führt. Die Serie ist, so gesehen, einer der härtesten Attacken auf den naturalistischen Realismus, die ich kenne. Da dieser notwendigerweise strikt deterministische ist, steht sie auch für den Begriff einer möglichen Freiheit, nicht anders, als ich selbst ihn immer wieder in meinen Romanen zu entwickeln versucht habe und auch weiterversuche. Dummerweise komme ich aber nicht darum herum, mich an die Steuererklärung zu setzen.
Ja, ich stelle den letzten Satz mit voller, einer fast agitativen Absicht direkt hinter den vorletzten.
Gut, die Othmar-Schoeck-Lieder zu hören, gesungen von Dieter Henschel und der tief ins Herz greifenden >>>> Juliane Banse. Aber ich werd den Schreibtisch heute mal für dreivier Stunden verlassen, um über des Mauerparks Flohmarkt zu schlendern; will nach einem schwarzen Hut schaun.
Othmar Schoeck, Im Nebel op. 45, auf Hermann Hesses Gedicht:
Aber es macht mich nicht unruhig. Die „Dinge“ laufen ja, und mit etwas ganz Neuem kann ich momentan nicht anfangen; dazu sind zu sehr die „alten“ Belange zu besorgen, bzw. vorzubereiten, außerdem Unsicherheiten auszuhalten. Überall, imgrunde, Baustellen, bzw. zum Betreten noch nicht freigegebene öffentliche Gebäude.
Gestern die Neu-Montage des Gerichtsvollzieher-Hörstücks fertigbekommen, aber lediglich als Abfolge der „reinen“ Sprecher- und Interviewstellen; daraus dann eine mp3 erstellt und meiner Redakteurin geschickt. Bevor ich mich jetzt an die Feinarbeit setze, muß sie gehört und mir das Okay gegeben haben. Ich habe aber ein gutes Gefühl jetzt, insgesamt; möglicherweise braucht es die untergelegten Atmos auch gar nicht mehr, sondern kann im Zustand einer reinen Sprechsendung verbleiben; dann wären nur noch die Schnitte zu perfektionieren, was eine Frage der Beherrschung des Handwerks, nicht aber mehr eine künstlerischer, bzw. journalistischer Inspiration ist.
Bis jedenfalls keine Nachricht von der Redakteurin da ist, so daß diese Arbeit insgesamt abgeschlossen werden kann, ist es wenig sinnvoll, sich an die nächsten Projekte zu setzen. Vielleicht kann ich zwischendurch ein bißchen an dem einen und/oder anderen Gedicht basteln, ansonsten bin ich im Dulde-, also Wartemodus, in den ich dann, nach langer Zeit wieder, >>>> Fringe eingeschoben habe; was im deutschen Zusatztitel („Grenzfälle des FBI“) nach einer draufgehüpften Neuauflage von >>>> „Akte X“ wirkte und wenigstens während der ersten Staffel so auch noch gesehen werden konnte, hat sich zu einem - mit >>>> Twin Peaks und >>>> Lost - der intelligentesten und raffiniertesten Phantastischen Projekte der Gegenwart entwickelt, aus dessen Welt, bzw. Welten man nicht so ganz leicht mehr herauskommt. Mir kommt das besonders nahe, weil Differenz hier ganz wie bei mir auf Ähnlichkeit gebaut ist und die Personage insgesamt unter einem Möglichkeitengesetz steht; etwa sind mögliche Zukünfte simultan wahr, der einzelne Character auf je seine eigene Zeitlinie verpflichtet, deren Übertretung zu einem Zusammenfallen der Systeme, eigentlich Matrices führt. Die Serie ist, so gesehen, einer der härtesten Attacken auf den naturalistischen Realismus, die ich kenne. Da dieser notwendigerweise strikt deterministische ist, steht sie auch für den Begriff einer möglichen Freiheit, nicht anders, als ich selbst ihn immer wieder in meinen Romanen zu entwickeln versucht habe und auch weiterversuche. Dummerweise komme ich aber nicht darum herum, mich an die Steuererklärung zu setzen.
Ja, ich stelle den letzten Satz mit voller, einer fast agitativen Absicht direkt hinter den vorletzten.
Gut, die Othmar-Schoeck-Lieder zu hören, gesungen von Dieter Henschel und der tief ins Herz greifenden >>>> Juliane Banse. Aber ich werd den Schreibtisch heute mal für dreivier Stunden verlassen, um über des Mauerparks Flohmarkt zu schlendern; will nach einem schwarzen Hut schaun.
Othmar Schoeck, Im Nebel op. 45, auf Hermann Hesses Gedicht:
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam steht jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern.
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein,
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Einsam steht jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern.
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein,
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Auch einer derjenigen Texte, die man auswendig können sollte. Um sie wirklich bei sich zu haben. Wichtiger noch, aber, ist das für das Kunstlied: Um es wirklich sich in uns entfalten zu lassen, müssen wir den vertonten Text in uns haben; schon, ihn mitzulesen, ist zuviel der Ablenkung.

Zweiter Latte macchiato.
14 Uhr:
[Zurück. Schoeck, Der Gott und die Bajadere, auf Goethe, op. 34 (Niklaus Tüller, Christoph Keller.]
So, der neue Hut ist da:
14 Uhr:
[Zurück. Schoeck, Der Gott und die Bajadere, auf Goethe, op. 34 (Niklaus Tüller, Christoph Keller.]
So, der neue Hut ist da:
Ich dachte mir schon, daß ich fündig werden würde; gut, ein Borsalino ist es nicht, nur Filz aus Lammwolle, nicht aus Pelz. Aber in Ordnung.
Auch der Eintopf steht schon auf der Flamme, das darf im Wortsinn gemeint sein, wenn man mit Gas kocht. Links brodelt erst einmal, in meinem uralten Zauberkessel, der Gemüsefond, aber rechts ist auch bereits der Weißkohl geschnitten:

Auch der Eintopf steht schon auf der Flamme, das darf im Wortsinn gemeint sein, wenn man mit Gas kocht. Links brodelt erst einmal, in meinem uralten Zauberkessel, der Gemüsefond, aber rechts ist auch bereits der Weißkohl geschnitten:
Wunderbare Gewürze hab ich auf dem Flohmarkt noch gegriffen, darunter arabisches Satar.
Noch keine Nachricht von der Redakteurin, also kann ich mich eigentlich mal an das Gedicht machen.
17 Uhr:
Jetzt ist mein Junge hier und übt Cello. Vorher endlich das Telefonat mit der Redakteurin: Abermals starke Einwände. Es ist einfach so, daß das Thema selbst nicht ergebig ist, schon wohl auch deshalb, weil kein Gerichtsvollzieher zu sprechen bereit war. Und die Schuldnererzählungen bleiben alle in einem Bereich, der nicht wirklich interessant ist, bzw. über das hinausweist, was man eh kennt: wie man sich so fühlt, wenn der Gerichtsvollzieher kommt, was für Arten Mensch diese Gerichtsvollzieher waren usw. Man bleibt da nicht wirklich mit Interesse hängen. Also muß ich noch irgend etwas anderes hineinbringen, das Hörer wirklich fesseln kann; es sollte etwas Gesellschaftspolitisches sein, da sind wir einig. Etwas, zum Beispiel, das die Moral der „kleinen“ Leute, die vom Gerichtsvollzieher besucht werden, ins Verhältnis zu der ganz anderen Moral überschuldeter Konzerne und auch Staaten setzt. Etwas in die Richtung muß ich mir jetzt überlegen.
Bin nicht sehr glücklich grad, weil mich dieses Stück jetzt derart weit von allem entfernt, das mir eigentlich wichtig ist. Ich kann es einfach nicht mehr als künstlerische Arbeit begreifen, sondern plötzlich bin ich - Journalist. Aber keiner aus Überzeugung, geschweige denn mit Lust. Mich interessiert "Aufklärung" nicht, sondern Verklärung interessiert mich, Aufladung, Transzendenz. Das bleibt jetzt alles auf der Strecke.
Vor morgen kann ich nichts mehr tun. Die Redakteurin schaut sich jetzt noch einmal das Typoskript an, und morgen wird abermals telefoniert werden. Und für anderes hab ich nun ein zu geschnürtes Herz. Das beste ist: sich ablenken. Also Fringe ff.

Noch keine Nachricht von der Redakteurin, also kann ich mich eigentlich mal an das Gedicht machen.
17 Uhr:
Jetzt ist mein Junge hier und übt Cello. Vorher endlich das Telefonat mit der Redakteurin: Abermals starke Einwände. Es ist einfach so, daß das Thema selbst nicht ergebig ist, schon wohl auch deshalb, weil kein Gerichtsvollzieher zu sprechen bereit war. Und die Schuldnererzählungen bleiben alle in einem Bereich, der nicht wirklich interessant ist, bzw. über das hinausweist, was man eh kennt: wie man sich so fühlt, wenn der Gerichtsvollzieher kommt, was für Arten Mensch diese Gerichtsvollzieher waren usw. Man bleibt da nicht wirklich mit Interesse hängen. Also muß ich noch irgend etwas anderes hineinbringen, das Hörer wirklich fesseln kann; es sollte etwas Gesellschaftspolitisches sein, da sind wir einig. Etwas, zum Beispiel, das die Moral der „kleinen“ Leute, die vom Gerichtsvollzieher besucht werden, ins Verhältnis zu der ganz anderen Moral überschuldeter Konzerne und auch Staaten setzt. Etwas in die Richtung muß ich mir jetzt überlegen.
Bin nicht sehr glücklich grad, weil mich dieses Stück jetzt derart weit von allem entfernt, das mir eigentlich wichtig ist. Ich kann es einfach nicht mehr als künstlerische Arbeit begreifen, sondern plötzlich bin ich - Journalist. Aber keiner aus Überzeugung, geschweige denn mit Lust. Mich interessiert "Aufklärung" nicht, sondern Verklärung interessiert mich, Aufladung, Transzendenz. Das bleibt jetzt alles auf der Strecke.
Vor morgen kann ich nichts mehr tun. Die Redakteurin schaut sich jetzt noch einmal das Typoskript an, und morgen wird abermals telefoniert werden. Und für anderes hab ich nun ein zu geschnürtes Herz. Das beste ist: sich ablenken. Also Fringe ff.
albannikolaiherbst - Sonntag, 17. Februar 2013, 14:15- Rubrik: Arbeitsjournal
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