In der Hölle gewesen. Das Paradies gesehen, kurz.
Und in die Hölle, ganz ergeben, zurück. Es trug mich die Sprache durch beides. Benommen tauchte ich aus dem Buch. Doch noch immer läßt das Wasser nicht los.
[Robert HP Platz, 1. Streichquartett.]
1
Ich sitze im Park auf einer Bank, mir im Rücken die abfallende Weinbergstraße, neben mir drei Obdachlose, die sich erstaunlich gebildet in meine Lektüre hinein unterhalten. Es riecht nach Bier. Es riecht nach Gras. Eine noch sehr jugendliche Frau legt sich mit allem, was sie anhat, in das von Kleinkindern durchwuselte Wasserbecken. Manchmal trägt ein Vater, die Hosenbeine hochgekrempelt, sein Kind dazu. Die Sonne scheint kräftig, ich habe das T-Shirt ausgezogen und neben mir über die Mittelstange des Fahrrads ausgehängt, habe auch meine Hosenbeine bis über die Knie heraufgezogen, bin aus den Schuhen geschlüpft, bekomme staubig schwarze Füße, überall, nicht nur an den Sohlen, zwischen den Zehen, auf dem Spann. Nachdem ich meine Füße abgeklopft habe, um sie einigermaßen rein zurück in die Schuhe zu stecken, hab ich schwarze, klebrige Hände, das b l e i b t die Stunden nachher so, auch der Schmutz unter den Nägeln.
Er preßt die Knie zusammen, er schwankt, er muß sich anlehnen. Fuß für Fuß rückt er nach hinten, wo er die Wand vermutet, ganz langsam, vorsichtig. Der Offizier springt auf, er schreit, „don’t move“ und dann „let’s go“, leise, brummig. Es trifft ihn in den unteren Rücken, ein scharfer Doppelstich, zwei Schläge auf einmal, rechts und links neben der Wirbelsäule, er kippt nach vorn, dann einer in den Bauch, direkt unter die Rippen, er kippt nach hinten, das Gesicht vor seinem Gesicht ist breit und rot, er kennt es, es sind seine beiden MP’s, sie sind bei ihm geblieben. *** keucht nur, er krümmt sich und hustet und muß nicht mehr pinkeln.
2
Mit den Wespen, während ich über eine Eidechse lese, und Gottfried Keller fällt mir ein...
Ich hielt mich reglos und mit lindem Druck
Fühlt ich den leisen Puls am Halse schlagen;
Das war der einzige und schönste Schmuck,
Den ich in meinem Leben je getragen!
... mit den Wespen also zu Mittag gegessen, im Pratergarten nun, Kastanienallee, das Praterbier vor mir, mein Gesicht in das Buch gesenkt, die schmutzigen Fingerkuppen stempeln immer wieder das Papier, man wird identifizieren können, wer hier das Paradies nach einem mißglückten Selbstmord betrat (junge duftige Frauen, ein Schwarzer, der die langen Holztische unter den Kastanien leert, pesende Kiestrittchen von Kindern).
Betäubt schiebt sich *** durch die Erd- und Kunstfarben, den Chor aus harschen Sprechlauten und jammernden Singstimmen, die fließenden Körper, vorbei an aufgesperrten Kammern, herabbaumelnden Warengirlanden und vollgestopften Behältern, Körbe, Regale, Holzfächer, Metallkessel, Vorratsgläser, Säcke, Kisten, Plastikwannen, eine Höhlenwelt voll Reichtum und Rauch, Essen und Musik, Kitsch und Rausch, der Souk, die dunklen Eingweide der Stadt, ihre prallen Adern, ihr dumpfer Puls.
3
Es ist Abend geworden. Der Pratergarten hat sich gefüllt. Ich schaue auf. Bin ertaubt fast, notiere automatisch ein paar Zeilen, ein paar Zeilen ins Buch, automatisch, ins Innencover, wie immer, in mein Notizbuch, automatisch, in den durchlaufenden Text des Romans, lese den Vorspann erneut, sehe meine unterdessen zur Gänze schwarzen Füße, überfliege abermals das grandiose, von nahtlosen Schritten rhythmisierte erste Kapitel, radle dann heim, setze mich noch vor der Dusche an den Schreibtisch, formuliere und höre immer wieder dieses lả ilảhe illallảh...
[Es gibt Zeitungen, die es nicht schätzen, wird vor Erscheinen einer Rezension bekannt, wer welches Buch bespricht. Darum hier kein Wort, um welches es sich handelt. Darum sind die Zitate noch nicht ausgewiesen. Hat mein Text in der Zeitung gestanden, werde ich diesen Eintrag revidieren, bzw. ergänzen.]
[Robert HP Platz, 1. Streichquartett.]
1
Ich sitze im Park auf einer Bank, mir im Rücken die abfallende Weinbergstraße, neben mir drei Obdachlose, die sich erstaunlich gebildet in meine Lektüre hinein unterhalten. Es riecht nach Bier. Es riecht nach Gras. Eine noch sehr jugendliche Frau legt sich mit allem, was sie anhat, in das von Kleinkindern durchwuselte Wasserbecken. Manchmal trägt ein Vater, die Hosenbeine hochgekrempelt, sein Kind dazu. Die Sonne scheint kräftig, ich habe das T-Shirt ausgezogen und neben mir über die Mittelstange des Fahrrads ausgehängt, habe auch meine Hosenbeine bis über die Knie heraufgezogen, bin aus den Schuhen geschlüpft, bekomme staubig schwarze Füße, überall, nicht nur an den Sohlen, zwischen den Zehen, auf dem Spann. Nachdem ich meine Füße abgeklopft habe, um sie einigermaßen rein zurück in die Schuhe zu stecken, hab ich schwarze, klebrige Hände, das b l e i b t die Stunden nachher so, auch der Schmutz unter den Nägeln.
Er preßt die Knie zusammen, er schwankt, er muß sich anlehnen. Fuß für Fuß rückt er nach hinten, wo er die Wand vermutet, ganz langsam, vorsichtig. Der Offizier springt auf, er schreit, „don’t move“ und dann „let’s go“, leise, brummig. Es trifft ihn in den unteren Rücken, ein scharfer Doppelstich, zwei Schläge auf einmal, rechts und links neben der Wirbelsäule, er kippt nach vorn, dann einer in den Bauch, direkt unter die Rippen, er kippt nach hinten, das Gesicht vor seinem Gesicht ist breit und rot, er kennt es, es sind seine beiden MP’s, sie sind bei ihm geblieben. *** keucht nur, er krümmt sich und hustet und muß nicht mehr pinkeln.
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Mit den Wespen, während ich über eine Eidechse lese, und Gottfried Keller fällt mir ein...
Ich hielt mich reglos und mit lindem Druck
Fühlt ich den leisen Puls am Halse schlagen;
Das war der einzige und schönste Schmuck,
Den ich in meinem Leben je getragen!
... mit den Wespen also zu Mittag gegessen, im Pratergarten nun, Kastanienallee, das Praterbier vor mir, mein Gesicht in das Buch gesenkt, die schmutzigen Fingerkuppen stempeln immer wieder das Papier, man wird identifizieren können, wer hier das Paradies nach einem mißglückten Selbstmord betrat (junge duftige Frauen, ein Schwarzer, der die langen Holztische unter den Kastanien leert, pesende Kiestrittchen von Kindern).
Betäubt schiebt sich *** durch die Erd- und Kunstfarben, den Chor aus harschen Sprechlauten und jammernden Singstimmen, die fließenden Körper, vorbei an aufgesperrten Kammern, herabbaumelnden Warengirlanden und vollgestopften Behältern, Körbe, Regale, Holzfächer, Metallkessel, Vorratsgläser, Säcke, Kisten, Plastikwannen, eine Höhlenwelt voll Reichtum und Rauch, Essen und Musik, Kitsch und Rausch, der Souk, die dunklen Eingweide der Stadt, ihre prallen Adern, ihr dumpfer Puls.
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Es ist Abend geworden. Der Pratergarten hat sich gefüllt. Ich schaue auf. Bin ertaubt fast, notiere automatisch ein paar Zeilen, ein paar Zeilen ins Buch, automatisch, ins Innencover, wie immer, in mein Notizbuch, automatisch, in den durchlaufenden Text des Romans, lese den Vorspann erneut, sehe meine unterdessen zur Gänze schwarzen Füße, überfliege abermals das grandiose, von nahtlosen Schritten rhythmisierte erste Kapitel, radle dann heim, setze mich noch vor der Dusche an den Schreibtisch, formuliere und höre immer wieder dieses lả ilảhe illallảh...
[Es gibt Zeitungen, die es nicht schätzen, wird vor Erscheinen einer Rezension bekannt, wer welches Buch bespricht. Darum hier kein Wort, um welches es sich handelt. Darum sind die Zitate noch nicht ausgewiesen. Hat mein Text in der Zeitung gestanden, werde ich diesen Eintrag revidieren, bzw. ergänzen.]
albannikolaiherbst - Mittwoch, 4. August 2004, 19:33- Rubrik: Arbeitsjournal
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