Über Lächerlichkeiten & Nähe. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 20. November 2012. Vereinigungsriten: sakrales Vögeln & kalkulierende Arbeit.
4.51 Uhr:
[Arbeitswohnung. Bohuslav Martinů, Erstes Klavierkonzert (Kopfhörer).]
Wer glücklich nicht alleine schläft, wird am Aufstehn mal gehindert, halbschlafend von Armen, denen Geräusche jenseits elaborierter Ausdrucksformen eigen sind, von traumesschweren Händen und Fingerspielen in derartiger Langsamkeit, daß es sich auf jeden, der seinerseits vom Schlafen noch geöffnet, überträgt. Es hilft ja aber nichts, man hat sein Morgenpensum, zu dem nun auch, als halberstes, gehört, daß der Kachelofen versorgt sein möchte, damit es die Arme, die noch liegenbleiben, warm haben, wenn sie dir ins Aufstehn folgen werden. So ist man denn ein konsequenter Mann und, nachdem du aufgerichtet bist, schlupfst du als dreiviertelerstes in die bereitgelegte desMorgensKleidung, zu dem jahresdieszeits wieder Leggins gehören, deren Zwickel zwackt, bis mans zurechtgezupft und die zweidrei Pullover übergezogen hat, weil ja doch, der Morgenpfeifen wegen, das Oberlicht weit klaffen bleiben soll, denn zwar ist Berlin leicht wieder wärmer geworden, aber halt November d o c h. >>>> Solche Rhythmisierungen sind Fingerübungen, mit denen ich mich morgens gerne einschreibe; auch dafür dient das Arbeitsjournal. Und oh die Prägungen! Immer wenn ich in solche Leggins gleite, denke ich an meinen Vater, der morgens genau so etwas getragen hat; mir war das damals peinlich, daß er diese Damendinger trug, die ersten Stunden meist über den Kaffee noch hin; bis er zu arbeiten begann, was bei ihm aber hieß: erst einmal einzwei Stunden vorm Kamin zu sitzen und schweigend da hineinzustarren - sprach ihn dann jemand an, gab er keine Antwort; er dachte einen schlichtweg aus seiner Welt hinaus. Starrte und starrte, wer weiß, in welcher Dimension er da herumschwirrte. Erst zum ersten Hinaus zog er sich wieder um, derbe Hosen an und die Gummistiefel, und das Lammfell hing er über den Stuhl, nahm einen schweren Anorak und kruschelte dann im Raum für die Werkzeuge herum; bald sah man ihn draußen auf seinem Feld oder an den Beeten, oder er werkelte an seinem Auto (ich lernte, niemals, wirklich niemals, einen Ölwechsel irgendwo machen zu lassen, sondern das tat man selbst, weil das Altöl allerbestes Holzschutzmittel war: nach jedem Ölwechsel rückte er der selbsterrrichzteten Pergola und den Holzteilen seiner verschiedenen Abbruchhäuser zuleibe, die er mit dem eigenen Körper wieder aufbaute, eine sehr eigene Art restaurierenden WiederTrockenwohnens ohne Auftrag, bis sie fertig waren; jedesmal dann erhielt er die Kündigung und zog weiter, meist schon das nächste Abbruchhaus - alle auf dem Land - im Blick, bis er sich für sein Lebensende in die mallorcinische Halbwüste bei Cas Concos pflanzte, und um nun g a r nicht mehr zu sprechen: oh die Mauern, die das Kakteenfeld umpreßten, dessen Gewächse sein Wasserreservoir gewesen). - Und jetzt trag ich die „Damen“dinger selbst, morgens nur, ich bitte Sie! ich mach mich doch nicht lächerlich... - später am Tag geht es dann in Anzug und, sagt man dieses Wort noch?, „Oberhemd“, gestern sogar mal wieder eine Krawatte, weil die Löwin Herren mag. Dabei sind mir die Krawatten ein wenig verleidet, seit ich von ihrerm Ursprung weiß: daß sie Zeichen von Gebundenheiten waren, also von Unfreiheit. Doch mag auch bei ihnen ein Gesetz der Verdrehungen gelten... na gut, „Gesetz“... ich meine einen Prozeß, eine Dynamik, eben jene, die ich mit dem Begriff der Perversion kennzeichne und von der ich zunehmend überzeugt bin, daß sie eine sehr besondere Fähigkeit des Menschen ist, eine ihn auszeichnende und erhebende Gabe, nämlich Segen - vorausgesetzt, man verfügt über sie in dem Sinn, den TT >>>> Selbstermächtigung genannt hat.
Guten Morgen.
Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Martinůs frühes Klavierkonzert ist von ungeheuer ansteckender guter Laune. Indes, wenn man sich abends liebt, nichts, wirklich gar nichts auch nur näherungsweise so gut paßt wie Sakralmusik. „Santa Maria“ aus der Marienvesper, ein musikalisches Opfer unter die Körper gelegt - nein: diese in ihm schwimmend. Gottesdienst. Göttinsdienst. Sollst keinen haben neben ihr. Jeweils, Leser:innen, jeweils:innen.
An Argo. BuenosAires-Liste:
[Arbeitswohnung. Bohuslav Martinů, Erstes Klavierkonzert (Kopfhörer).]
Wer glücklich nicht alleine schläft, wird am Aufstehn mal gehindert, halbschlafend von Armen, denen Geräusche jenseits elaborierter Ausdrucksformen eigen sind, von traumesschweren Händen und Fingerspielen in derartiger Langsamkeit, daß es sich auf jeden, der seinerseits vom Schlafen noch geöffnet, überträgt. Es hilft ja aber nichts, man hat sein Morgenpensum, zu dem nun auch, als halberstes, gehört, daß der Kachelofen versorgt sein möchte, damit es die Arme, die noch liegenbleiben, warm haben, wenn sie dir ins Aufstehn folgen werden. So ist man denn ein konsequenter Mann und, nachdem du aufgerichtet bist, schlupfst du als dreiviertelerstes in die bereitgelegte desMorgensKleidung, zu dem jahresdieszeits wieder Leggins gehören, deren Zwickel zwackt, bis mans zurechtgezupft und die zweidrei Pullover übergezogen hat, weil ja doch, der Morgenpfeifen wegen, das Oberlicht weit klaffen bleiben soll, denn zwar ist Berlin leicht wieder wärmer geworden, aber halt November d o c h. >>>> Solche Rhythmisierungen sind Fingerübungen, mit denen ich mich morgens gerne einschreibe; auch dafür dient das Arbeitsjournal. Und oh die Prägungen! Immer wenn ich in solche Leggins gleite, denke ich an meinen Vater, der morgens genau so etwas getragen hat; mir war das damals peinlich, daß er diese Damendinger trug, die ersten Stunden meist über den Kaffee noch hin; bis er zu arbeiten begann, was bei ihm aber hieß: erst einmal einzwei Stunden vorm Kamin zu sitzen und schweigend da hineinzustarren - sprach ihn dann jemand an, gab er keine Antwort; er dachte einen schlichtweg aus seiner Welt hinaus. Starrte und starrte, wer weiß, in welcher Dimension er da herumschwirrte. Erst zum ersten Hinaus zog er sich wieder um, derbe Hosen an und die Gummistiefel, und das Lammfell hing er über den Stuhl, nahm einen schweren Anorak und kruschelte dann im Raum für die Werkzeuge herum; bald sah man ihn draußen auf seinem Feld oder an den Beeten, oder er werkelte an seinem Auto (ich lernte, niemals, wirklich niemals, einen Ölwechsel irgendwo machen zu lassen, sondern das tat man selbst, weil das Altöl allerbestes Holzschutzmittel war: nach jedem Ölwechsel rückte er der selbsterrrichzteten Pergola und den Holzteilen seiner verschiedenen Abbruchhäuser zuleibe, die er mit dem eigenen Körper wieder aufbaute, eine sehr eigene Art restaurierenden WiederTrockenwohnens ohne Auftrag, bis sie fertig waren; jedesmal dann erhielt er die Kündigung und zog weiter, meist schon das nächste Abbruchhaus - alle auf dem Land - im Blick, bis er sich für sein Lebensende in die mallorcinische Halbwüste bei Cas Concos pflanzte, und um nun g a r nicht mehr zu sprechen: oh die Mauern, die das Kakteenfeld umpreßten, dessen Gewächse sein Wasserreservoir gewesen). - Und jetzt trag ich die „Damen“dinger selbst, morgens nur, ich bitte Sie! ich mach mich doch nicht lächerlich... - später am Tag geht es dann in Anzug und, sagt man dieses Wort noch?, „Oberhemd“, gestern sogar mal wieder eine Krawatte, weil die Löwin Herren mag. Dabei sind mir die Krawatten ein wenig verleidet, seit ich von ihrerm Ursprung weiß: daß sie Zeichen von Gebundenheiten waren, also von Unfreiheit. Doch mag auch bei ihnen ein Gesetz der Verdrehungen gelten... na gut, „Gesetz“... ich meine einen Prozeß, eine Dynamik, eben jene, die ich mit dem Begriff der Perversion kennzeichne und von der ich zunehmend überzeugt bin, daß sie eine sehr besondere Fähigkeit des Menschen ist, eine ihn auszeichnende und erhebende Gabe, nämlich Segen - vorausgesetzt, man verfügt über sie in dem Sinn, den TT >>>> Selbstermächtigung genannt hat.
Guten Morgen.
Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Martinůs frühes Klavierkonzert ist von ungeheuer ansteckender guter Laune. Indes, wenn man sich abends liebt, nichts, wirklich gar nichts auch nur näherungsweise so gut paßt wie Sakralmusik. „Santa Maria“ aus der Marienvesper, ein musikalisches Opfer unter die Körper gelegt - nein: diese in ihm schwimmend. Gottesdienst. Göttinsdienst. Sollst keinen haben neben ihr. Jeweils, Leser:innen, jeweils:innen.
An Argo. BuenosAires-Liste:
Dann aber muß ich unbedingt an den Vortrag >>>> für Marburg.
15.40 Uhr:
[Vaughan Williams, A Cotswald Romance (Hugh the Drover).]
Teichtiefer Mittagsschlaf. Kopfhörer jetzt, weil die Löwin eine Expertise für einen Kunstkauf des Wiener Kunstquartiers fertigformulieren muß, indessen ich immer noch nicht mit der Liste fertig geworden bin. Da sitz ich jetzt dran, am folgenden Punkt:
Fertig geworden mit der Liste. Jetzt leg ich Argo bis nach >>>> Marburg beiseite, dann, am Montag, beginnt der letzte Gesamtdurchlauf, bevor das Typoskropt, pünktlich, tatsächlich, an den Lektor gehen wird und ich den Kopf frei für Neues haben werde. Morgen will ich mich ausschließlich auf den Vortrag konzentrieren.
Jetzt aber wird erst einmal gegessen.
Guten Abend, Leser:innen.

15.40 Uhr:
[Vaughan Williams, A Cotswald Romance (Hugh the Drover).]
Teichtiefer Mittagsschlaf. Kopfhörer jetzt, weil die Löwin eine Expertise für einen Kunstkauf des Wiener Kunstquartiers fertigformulieren muß, indessen ich immer noch nicht mit der Liste fertig geworden bin. Da sitz ich jetzt dran, am folgenden Punkt:
- In der Cybergen muß das Illusionsparkett neu sein, denn bis BA spielt sich alles nur auf den Screens ab.
Fertig geworden mit der Liste. Jetzt leg ich Argo bis nach >>>> Marburg beiseite, dann, am Montag, beginnt der letzte Gesamtdurchlauf, bevor das Typoskropt, pünktlich, tatsächlich, an den Lektor gehen wird und ich den Kopf frei für Neues haben werde. Morgen will ich mich ausschließlich auf den Vortrag konzentrieren.
Jetzt aber wird erst einmal gegessen.
Guten Abend, Leser:innen.
albannikolaiherbst - Dienstag, 20. November 2012, 19:52- Rubrik: Arbeitsjournal
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