Durchschaut zu sein ODER Dammbrüche ABER „Zu lieben, bis Vernunft verbrennt“. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 24. Januar 2013.
4.57 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pettersson, Dreizehnte.]
Wir seien durchschaut, hörte ich, ein Kollege und ich, womit gemeint war, unsere eigentlichen, ja, Absichten seien erkannt, die in Wahrheit hinter unseren Bedenken stünden, in Büchern nicht mehr opportune (und selbstverständlich nie opportun gewesene) Begriffe nachträglich durch andere, unerachtet der jeweiligen Zeitgeschichten moralisch einwandfreie zu ersetzen; diese eigentlichen Absichten werden freilich nicht genannt, aber das Wort „durchschauen“, das gegenüber Verbrechern, wenigstens Halunken, Verwendung findet, indiziert, daß es böse sein müssen, also sehr wahrscheinlich rassistische tatsächlich selbst. Darunter wird dann automatisch, notwendigerweise, die gesamte Diskussion gleich mitbefaßt, die hier um die Frage Erbschuld und deutsche Völkerverbrechen ausgetragen wurde und wird. Man kann so offen und klar sprechen, wie man nur will, es wird sich immer jemand und schließlich werden sich ganze Gruppierungen finden, die einem das Ungeheuer anhängen, schlichtweg deshalb, weil Tabus und OnNeDitPas‘ angerührt sind, die ein Zeit„geist“ oder die politische Opportunität oder eine bestimmte Ideologie soeben machtvoll durchsetzen will, was sich dazu selbstverständlich, auch das hat nicht nur deutsche Tradition, der guten Masse bedient. Mein rhetorischer Titel >>>> dort hatte schon recht, auf seine Weise zu agitieren.
Kein sachliches Argument, das auf den Spuren der Geschichte beharrt, verfängt. Geschichte soll getilgt werden. Die dadurch dreivier Generationen später auf die Menschen zukommende Gefahr wird nicht gesehen, schlichtweg, weil es der allzu guten moralischen Überzeugung an Fantasie gebricht. Die Leute sind halt alle keine Dichter und wie geblendet von der Gegenwart ihrer Unmittelbarkeit, aus der sie als Volkserzieher wirken wollen. Denn das steht dahinter. Derart gut sind sie in ihren Gesinnungen, daß sie nicht ahnen, wie ein j e d e s Wort sich diskriminierend umverwenden läßt; dazu >>>> schrieb Tinius in Iris‘ Blütenblättern ausgesprochen Kluges; er macht es dort am Beispiel von „Krüppel“ und „Behinderte“ deutlich. Ob wir nun „Neger“, „Farbiger“ oder „Schwarzer“ sagen, ist dem Rassisten tatsächlich egal; er wird noch das vorgeblich neutralste Wort in seinem Sinn verdrehen können und verdrehen, und wir, dann, werden wie auf der Flucht alle drei Generationen die jeweils neuen, noch nicht belasteten Wörter in die Kinderbücher schreiben, bis aller Zusammenhang verloren ist. Auf der Flucht bezeichnet, was geschieht, sehr gut; anstatt daß wir uns Rassisten einfach nur entgegenstellen, gestehen wir ihnen Macht zu, indem wir uns unserer Sprache begeben und ihnen ihre Wörter überlassen, anstelle sie drum zu enteignen. Wahrlich, das ist ein Weg, auch jeglich eigen Hab und Gut zu verlieren. Da muß einer nur zäh genug mit dem Schlamm werfen. Auf den Gedanken kommen wir gar nicht, daß doch auch w i r Wörter umbesetzen, sie ihm entreißen könnten. Nein, wir fliehen.
Einige doch objektiv bedenkliche Wörter sind dabei seltsam gefeit, „Jude“ etwa. Das war ganz sicher, und wird noch immer, manchmal, so gebraucht, auch ein Schimpfwort von schlimmster rassistischer Natur. Dennoch können wir unbedenklich schreiben, Karl Kraus sei ein Jude gewesen, und es wird wohl auch niemand aus Walter Scott den Juden wirklich streichen wollen. Woran liegt das? Daran vielleicht, daß Menschen mosaischer Abkunft selbst das Wort verwenden, weiterverwenden, unabhängig von seinem so häufigen Mißbrauch? In dem Sinn haben Schwarze (die meist schwarz überhaupt nicht sind, sondern von einer insgesamt märchenhaft schönen Differenziertheit brauner Hauttöne - schrieb ich schon, daß ich unsere blasse Haut unschön finde? unerotisch?: fad wie einen Teller Spucke?), - in dem Sinn haben Schwarze das Wort „Nigger“ längst okkupiert - untereinander, spöttisch mit sich selbst, befreit. Da ließ‘ ich mich gern einen Weißhäuter nennen oder rosa Schweinderl, wenn ich solche Freiheit hätte.
Ich sagte gestern am Telefon der Löwin: Es wird nicht mehr aufzuhalten sein, die Bücher werden umgeschrieben werden. Mit den Kinderbüchern wird es beginnen, ganze Schnüffeltrupps werden, übers Netz ist das leicht, die Literaturen nach Anstößigem durchforsten, und ein Buch nach dem anderen wird moralisch gesäubert werden. Der Damm ist gebrochen, und die Schleusen, zugleich, wurden geöffnet. Dieses Wasser k o m m t, ja bis zu den Waden sind wir schon naß.
Es ist ein trübes Wasser und hebt i m m e r mit dem Jugendschutz an. Das Wort von der drohenden Jugendverderbnis ist zu allen Zeiten das allererste gewesen, wenn moralisch durchgegriffen wurde. Als Jugendverderber wurde Sokrates der Schierlingsbecher gereicht. So nimmt es nicht Wunder, daß die Bewegung bei den Kinderbüchern ansetzt, autoritär gegenüber allen Eltern, denen abgesprochen wird, sie könnten ihre Kinder Ambivalenzen lehren; ja, die Ambivalenzen selbst stehen auf der Liste. Die anderen Bücher, die für Erwachsene, werden folgen, es muß sich nur jemand von einem diskriminiert fühlen und, sagen wir, klagen, um sein oder ihr Persönlichkeitsrecht; denn die Gebräuchlichkeit ist ja dann gegeben, Bücher umzuschreiben. Hannah Arendt wird nicht mehr über die „Negerfrage und Equality“, sondern über die Frage „Dunkel Pigmentierter und Equality“ geschrieben haben; so lesen‘s die Studenten dann, und die Rassisten werden Andersfarbigen höhnisch „Piggy!“ hinterherschrein, weil man von da sehr einfach >>>> auf das Schwein gelangen kann, so daß schon ein nächstes Wort wird gesucht werden müssen. Und die Wortschnüffler und -innen haben lebenslang zu tun, bigott, wie sie zunehmend werden; ein riesiges Begeisterungsfeld verschobner Denunzianten. Die Tartufferie ist ja jetzt schon gewaltig.
Was mich freilich ebenfalls wurmt, ist das Meinungsbild der Geschlechter, das die Diskussion auch in Der Dschungel zu spiegeln scheint: tendenziell sind Frauen für die Veränderungen in den Büchern, Männer aber dagegen. Das punktet auf die feministische Ideologie, das „Beharren“ auf „Unrechtswörtern“ der sogenannten patriarchalen Besitzstandswahrung anzulasten; wahrscheinlich ist so auch schon argumentiert worden, irgendwo, ich weiß es nicht. Privat bietet sich mir aber ein anderes Bild, in Emails und Telefonaten vertreten auch viele Frauen eine Position, die sich gegen das Umschreiben wendet; sie machen‘s nur nicht öffentlich. Mich ärgert das tatsächlich, ich komme mir sogar ein bißchen benutzt vor, vorgeschoben, um die Kohlen aus dem Feuer des Dammbruchs zu holen, weil‘s draußen ja so kalt ist und Frauen schneller als Männer frieren; das hat physiologische, nicht machistische Gründe, kalte Hände, kalte Brustspitzen, kaltes Gesäß, kalte Füße: insoweit versteh ich‘s aber auch... - s‘ ist momentan wirklich unwirtlich draußen. Dennoch, liebe Freundinnen, es wäre schön, schrieben Sie auch öffentlich, was Sie nur mir geschrieben. Das gäbe einfach ein besseres Bild, als wenn immer ich allein, der Unhold...
Aber ich fürchte, es hat keinen Sinn mehr. Der Dammbruch ist erfolgt, wir können nur noch die Wunden verarzten und der Kranken, dem Wort, das Leid ein bißchen weniger unerträglich machen. Es gibt ja das Morphin des Gedichts und der Sehnsucht, und wir können vögeln. Noch dürfen wir‘s, auch wenn uns AIDS eine Schranke gesetzt und hat uns mit einem Latex verschlossen, das in den Bäckere i en selbst Verkäuferinnen sogar schon an den Fingern haben, wenn sie die Brötchen in die Tüten tun. Reinheit, wohin man nur blickt. Deshalb, wenn ich „vögeln“ schrieb, so meine ich das - schmutzig. Denn was uns draußen ist verboten, werden wir, mit umso größren Lüsten, in unserem Intimen tun: nicht eine Übertretung von Moral, die wir darin nicht kosten werden.
6.30 Uhr:
Also wieder an die Gerichtsvollzieher-Interviews für das neue Hörstück. Öde. Öde Abipperei. Weil ich dazu auch gar keine Musik hören kann. Bis gestern 22.30 Uhr saß ich an den Transkriptionen und werde jetzt gleich damit weitermachen, unterbrochen mittags von einer Aufsicht in der Wohnung लक्ष्मीs, die nicht da sein kann, wenn der Handwerker kommt, um die ausgerechnet zu dieser Kälte ausgefallene Heizung zu reparieren. Aber ich werd den Laptop mit hinübernehmen und da Am Terrarium arbeiten, während die Leute in der Küche wurschteln. Außerdem muß ich mich um ein Hotel für die Leipziger Messe kümmern. Ich habe vier Lesungen wegen des Kinderbuchs, dessen Fortsetzung der Verlag zwar verschoben hat, aber die Schulen wollten den schreibenden Troll unbedingt wieder bei sich haben.; so zahlt man nun die Unterkunft, zwar, aber kümmern möge, bitte, er sich selbst. Gestern guckte ich bereits zwei Stunden lang, wurde auch fündig, warte aber jetzt auf eine Bestätigung und muß nachhaken. Da die Löwin mit dabei sein möchte, muß die Bleibe luxuriös sein; man schämt sich sonst als Mann, denn hat es doch so gerne, wenn sie sich auf der Ottomane wohlig streckt: Ich sehe ihre Vordertatzen zucken.
Guten Morgen. Gleich ist die Sinfonie zuende. Dann leg ich mit dem Tippen los. Ah ja: >>>> Norbert Schlinkert hat Geburtstag. Gratuliern Sie ihm. Das würd ihn, hoffe ich, ein bißchen glücklich machen, so zwischen Stein und Wasser - und „Ah ja!“ ein weitres Mal: Ich h a b es wieder, dieses Buch:
Fugue
Une joie éclate en trois
temps mesuré de la lyre
Une joie éclate au bois
que je ne saurais pas dire
Tournez têtes Tournez rires
pour l‘amour de qui
pour l‘amour de quoi
pour l‘amour de moi
(Eine Freude bricht auf in drei
Zeiten der Leier gemessen
Eine Lust im Gehölz vogelfrei
doch ich hab ihren Namen vergessen
Köpfe dreht euch Lachen lauf Kür
zur Liebe wessen
zu Liebe wem
zu Liebe mir)
[Dtsch. von Paul Wiens.]
[Arbeitswohnung. Pettersson, Dreizehnte.]
Wir seien durchschaut, hörte ich, ein Kollege und ich, womit gemeint war, unsere eigentlichen, ja, Absichten seien erkannt, die in Wahrheit hinter unseren Bedenken stünden, in Büchern nicht mehr opportune (und selbstverständlich nie opportun gewesene) Begriffe nachträglich durch andere, unerachtet der jeweiligen Zeitgeschichten moralisch einwandfreie zu ersetzen; diese eigentlichen Absichten werden freilich nicht genannt, aber das Wort „durchschauen“, das gegenüber Verbrechern, wenigstens Halunken, Verwendung findet, indiziert, daß es böse sein müssen, also sehr wahrscheinlich rassistische tatsächlich selbst. Darunter wird dann automatisch, notwendigerweise, die gesamte Diskussion gleich mitbefaßt, die hier um die Frage Erbschuld und deutsche Völkerverbrechen ausgetragen wurde und wird. Man kann so offen und klar sprechen, wie man nur will, es wird sich immer jemand und schließlich werden sich ganze Gruppierungen finden, die einem das Ungeheuer anhängen, schlichtweg deshalb, weil Tabus und OnNeDitPas‘ angerührt sind, die ein Zeit„geist“ oder die politische Opportunität oder eine bestimmte Ideologie soeben machtvoll durchsetzen will, was sich dazu selbstverständlich, auch das hat nicht nur deutsche Tradition, der guten Masse bedient. Mein rhetorischer Titel >>>> dort hatte schon recht, auf seine Weise zu agitieren.
Kein sachliches Argument, das auf den Spuren der Geschichte beharrt, verfängt. Geschichte soll getilgt werden. Die dadurch dreivier Generationen später auf die Menschen zukommende Gefahr wird nicht gesehen, schlichtweg, weil es der allzu guten moralischen Überzeugung an Fantasie gebricht. Die Leute sind halt alle keine Dichter und wie geblendet von der Gegenwart ihrer Unmittelbarkeit, aus der sie als Volkserzieher wirken wollen. Denn das steht dahinter. Derart gut sind sie in ihren Gesinnungen, daß sie nicht ahnen, wie ein j e d e s Wort sich diskriminierend umverwenden läßt; dazu >>>> schrieb Tinius in Iris‘ Blütenblättern ausgesprochen Kluges; er macht es dort am Beispiel von „Krüppel“ und „Behinderte“ deutlich. Ob wir nun „Neger“, „Farbiger“ oder „Schwarzer“ sagen, ist dem Rassisten tatsächlich egal; er wird noch das vorgeblich neutralste Wort in seinem Sinn verdrehen können und verdrehen, und wir, dann, werden wie auf der Flucht alle drei Generationen die jeweils neuen, noch nicht belasteten Wörter in die Kinderbücher schreiben, bis aller Zusammenhang verloren ist. Auf der Flucht bezeichnet, was geschieht, sehr gut; anstatt daß wir uns Rassisten einfach nur entgegenstellen, gestehen wir ihnen Macht zu, indem wir uns unserer Sprache begeben und ihnen ihre Wörter überlassen, anstelle sie drum zu enteignen. Wahrlich, das ist ein Weg, auch jeglich eigen Hab und Gut zu verlieren. Da muß einer nur zäh genug mit dem Schlamm werfen. Auf den Gedanken kommen wir gar nicht, daß doch auch w i r Wörter umbesetzen, sie ihm entreißen könnten. Nein, wir fliehen.
Einige doch objektiv bedenkliche Wörter sind dabei seltsam gefeit, „Jude“ etwa. Das war ganz sicher, und wird noch immer, manchmal, so gebraucht, auch ein Schimpfwort von schlimmster rassistischer Natur. Dennoch können wir unbedenklich schreiben, Karl Kraus sei ein Jude gewesen, und es wird wohl auch niemand aus Walter Scott den Juden wirklich streichen wollen. Woran liegt das? Daran vielleicht, daß Menschen mosaischer Abkunft selbst das Wort verwenden, weiterverwenden, unabhängig von seinem so häufigen Mißbrauch? In dem Sinn haben Schwarze (die meist schwarz überhaupt nicht sind, sondern von einer insgesamt märchenhaft schönen Differenziertheit brauner Hauttöne - schrieb ich schon, daß ich unsere blasse Haut unschön finde? unerotisch?: fad wie einen Teller Spucke?), - in dem Sinn haben Schwarze das Wort „Nigger“ längst okkupiert - untereinander, spöttisch mit sich selbst, befreit. Da ließ‘ ich mich gern einen Weißhäuter nennen oder rosa Schweinderl, wenn ich solche Freiheit hätte.
Ich sagte gestern am Telefon der Löwin: Es wird nicht mehr aufzuhalten sein, die Bücher werden umgeschrieben werden. Mit den Kinderbüchern wird es beginnen, ganze Schnüffeltrupps werden, übers Netz ist das leicht, die Literaturen nach Anstößigem durchforsten, und ein Buch nach dem anderen wird moralisch gesäubert werden. Der Damm ist gebrochen, und die Schleusen, zugleich, wurden geöffnet. Dieses Wasser k o m m t, ja bis zu den Waden sind wir schon naß.
Es ist ein trübes Wasser und hebt i m m e r mit dem Jugendschutz an. Das Wort von der drohenden Jugendverderbnis ist zu allen Zeiten das allererste gewesen, wenn moralisch durchgegriffen wurde. Als Jugendverderber wurde Sokrates der Schierlingsbecher gereicht. So nimmt es nicht Wunder, daß die Bewegung bei den Kinderbüchern ansetzt, autoritär gegenüber allen Eltern, denen abgesprochen wird, sie könnten ihre Kinder Ambivalenzen lehren; ja, die Ambivalenzen selbst stehen auf der Liste. Die anderen Bücher, die für Erwachsene, werden folgen, es muß sich nur jemand von einem diskriminiert fühlen und, sagen wir, klagen, um sein oder ihr Persönlichkeitsrecht; denn die Gebräuchlichkeit ist ja dann gegeben, Bücher umzuschreiben. Hannah Arendt wird nicht mehr über die „Negerfrage und Equality“, sondern über die Frage „Dunkel Pigmentierter und Equality“ geschrieben haben; so lesen‘s die Studenten dann, und die Rassisten werden Andersfarbigen höhnisch „Piggy!“ hinterherschrein, weil man von da sehr einfach >>>> auf das Schwein gelangen kann, so daß schon ein nächstes Wort wird gesucht werden müssen. Und die Wortschnüffler und -innen haben lebenslang zu tun, bigott, wie sie zunehmend werden; ein riesiges Begeisterungsfeld verschobner Denunzianten. Die Tartufferie ist ja jetzt schon gewaltig.
Was mich freilich ebenfalls wurmt, ist das Meinungsbild der Geschlechter, das die Diskussion auch in Der Dschungel zu spiegeln scheint: tendenziell sind Frauen für die Veränderungen in den Büchern, Männer aber dagegen. Das punktet auf die feministische Ideologie, das „Beharren“ auf „Unrechtswörtern“ der sogenannten patriarchalen Besitzstandswahrung anzulasten; wahrscheinlich ist so auch schon argumentiert worden, irgendwo, ich weiß es nicht. Privat bietet sich mir aber ein anderes Bild, in Emails und Telefonaten vertreten auch viele Frauen eine Position, die sich gegen das Umschreiben wendet; sie machen‘s nur nicht öffentlich. Mich ärgert das tatsächlich, ich komme mir sogar ein bißchen benutzt vor, vorgeschoben, um die Kohlen aus dem Feuer des Dammbruchs zu holen, weil‘s draußen ja so kalt ist und Frauen schneller als Männer frieren; das hat physiologische, nicht machistische Gründe, kalte Hände, kalte Brustspitzen, kaltes Gesäß, kalte Füße: insoweit versteh ich‘s aber auch... - s‘ ist momentan wirklich unwirtlich draußen. Dennoch, liebe Freundinnen, es wäre schön, schrieben Sie auch öffentlich, was Sie nur mir geschrieben. Das gäbe einfach ein besseres Bild, als wenn immer ich allein, der Unhold...
Aber ich fürchte, es hat keinen Sinn mehr. Der Dammbruch ist erfolgt, wir können nur noch die Wunden verarzten und der Kranken, dem Wort, das Leid ein bißchen weniger unerträglich machen. Es gibt ja das Morphin des Gedichts und der Sehnsucht, und wir können vögeln. Noch dürfen wir‘s, auch wenn uns AIDS eine Schranke gesetzt und hat uns mit einem Latex verschlossen, das in den Bäckere i en selbst Verkäuferinnen sogar schon an den Fingern haben, wenn sie die Brötchen in die Tüten tun. Reinheit, wohin man nur blickt. Deshalb, wenn ich „vögeln“ schrieb, so meine ich das - schmutzig. Denn was uns draußen ist verboten, werden wir, mit umso größren Lüsten, in unserem Intimen tun: nicht eine Übertretung von Moral, die wir darin nicht kosten werden.
6.30 Uhr:
Also wieder an die Gerichtsvollzieher-Interviews für das neue Hörstück. Öde. Öde Abipperei. Weil ich dazu auch gar keine Musik hören kann. Bis gestern 22.30 Uhr saß ich an den Transkriptionen und werde jetzt gleich damit weitermachen, unterbrochen mittags von einer Aufsicht in der Wohnung लक्ष्मीs, die nicht da sein kann, wenn der Handwerker kommt, um die ausgerechnet zu dieser Kälte ausgefallene Heizung zu reparieren. Aber ich werd den Laptop mit hinübernehmen und da Am Terrarium arbeiten, während die Leute in der Küche wurschteln. Außerdem muß ich mich um ein Hotel für die Leipziger Messe kümmern. Ich habe vier Lesungen wegen des Kinderbuchs, dessen Fortsetzung der Verlag zwar verschoben hat, aber die Schulen wollten den schreibenden Troll unbedingt wieder bei sich haben.; so zahlt man nun die Unterkunft, zwar, aber kümmern möge, bitte, er sich selbst. Gestern guckte ich bereits zwei Stunden lang, wurde auch fündig, warte aber jetzt auf eine Bestätigung und muß nachhaken. Da die Löwin mit dabei sein möchte, muß die Bleibe luxuriös sein; man schämt sich sonst als Mann, denn hat es doch so gerne, wenn sie sich auf der Ottomane wohlig streckt: Ich sehe ihre Vordertatzen zucken.
Guten Morgen. Gleich ist die Sinfonie zuende. Dann leg ich mit dem Tippen los. Ah ja: >>>> Norbert Schlinkert hat Geburtstag. Gratuliern Sie ihm. Das würd ihn, hoffe ich, ein bißchen glücklich machen, so zwischen Stein und Wasser - und „Ah ja!“ ein weitres Mal: Ich h a b es wieder, dieses Buch:
Fugue
Une joie éclate en trois
temps mesuré de la lyre
Une joie éclate au bois
que je ne saurais pas dire
Tournez têtes Tournez rires
pour l‘amour de qui
pour l‘amour de quoi
pour l‘amour de moi
(Eine Freude bricht auf in drei
Zeiten der Leier gemessen
Eine Lust im Gehölz vogelfrei
doch ich hab ihren Namen vergessen
Köpfe dreht euch Lachen lauf Kür
zur Liebe wessen
zu Liebe wem
zu Liebe mir)
[Dtsch. von Paul Wiens.]
15 Uhr:
[Am Terrarium.]
Ich schreibe dies jetzt Am Terrarium, wohin ich den Laptop mitgenommen habe, direkt in die Maske, während nebenan der Handwerker arbeitet und oft schimpft; er war sehr pünktlich und werkt jetzt seit einer Stunde an der Therme herum. An dem Hörstück wollte ich weiterarbeiten, aber dann las ich >>>> Iris' sehr, finde ich, wichtigen Kommentar, auf den ich nunmehr geantwortet habe, direkt darunter. An das Hörstück komme ich hier jedenfalls nicht, dazu ist nicht genug Ruhe. Ich muß ja die Stimmen in mir hören, um die Texte vorzubereiten.
[Am Terrarium.]
Ich schreibe dies jetzt Am Terrarium, wohin ich den Laptop mitgenommen habe, direkt in die Maske, während nebenan der Handwerker arbeitet und oft schimpft; er war sehr pünktlich und werkt jetzt seit einer Stunde an der Therme herum. An dem Hörstück wollte ich weiterarbeiten, aber dann las ich >>>> Iris' sehr, finde ich, wichtigen Kommentar, auf den ich nunmehr geantwortet habe, direkt darunter. An das Hörstück komme ich hier jedenfalls nicht, dazu ist nicht genug Ruhe. Ich muß ja die Stimmen in mir hören, um die Texte vorzubereiten.
18 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pettersson, Vierzehnte (zum Zweiten).]
Wieder zurück, und drüben geht die Heizung jetzt wieder. Dann hier noch schnell etwas gegessen, das vierte Mal Eintopf; nun ist er wirklich alle (von „allez“). Kurz mit meinem Sohn geplauscht, der fürs Cello noch hier war; mittlerweile kann ich kaum noch „mit meinem Jungen“ schreiben, so erwachsen wirkt er bisweilen. Obwohl er doch (noch für eine knappe Woche) erst zwölf ist.
Und wieder an das Gerichtsvollzieher-Hörstück. Daran, daß ich soeben >>>> einen ersten gesonderten Beitrag dazu eingestellt habe, sehen Sie, daß es nun ernst wird. Sehr schön, übrigens, ist, daß nun auch >>>> Frau Frankenberg einen kleinen Part sprechen wird, aber nach dem Studiotermin, hier bei mir am Sonntag abend. Das Stück rundet sich in meinen Ohren. Und morgen früh kommt jemand für ein weiteres Schuldner-Interview hierher. Dann dürfte ich insgesamt wirklich genügend Tonmaterial haben.
Vorhin hatte ich wieder den Impuls, die Musik abermals selbst am Akkordeon, nicht aber mit dem Cello, einzuspielen; wahrscheinlich werde ich fertige Musiken und meine Improvisationen mischen. Wie, das wird die Arbeit nach erstem Anlegen der Montage ergeben.
(Wie gewaltig diese Sinfonie rauscht!)

[Arbeitswohnung. Pettersson, Vierzehnte (zum Zweiten).]
Wieder zurück, und drüben geht die Heizung jetzt wieder. Dann hier noch schnell etwas gegessen, das vierte Mal Eintopf; nun ist er wirklich alle (von „allez“). Kurz mit meinem Sohn geplauscht, der fürs Cello noch hier war; mittlerweile kann ich kaum noch „mit meinem Jungen“ schreiben, so erwachsen wirkt er bisweilen. Obwohl er doch (noch für eine knappe Woche) erst zwölf ist.
Und wieder an das Gerichtsvollzieher-Hörstück. Daran, daß ich soeben >>>> einen ersten gesonderten Beitrag dazu eingestellt habe, sehen Sie, daß es nun ernst wird. Sehr schön, übrigens, ist, daß nun auch >>>> Frau Frankenberg einen kleinen Part sprechen wird, aber nach dem Studiotermin, hier bei mir am Sonntag abend. Das Stück rundet sich in meinen Ohren. Und morgen früh kommt jemand für ein weiteres Schuldner-Interview hierher. Dann dürfte ich insgesamt wirklich genügend Tonmaterial haben.
Vorhin hatte ich wieder den Impuls, die Musik abermals selbst am Akkordeon, nicht aber mit dem Cello, einzuspielen; wahrscheinlich werde ich fertige Musiken und meine Improvisationen mischen. Wie, das wird die Arbeit nach erstem Anlegen der Montage ergeben.
(Wie gewaltig diese Sinfonie rauscht!)
albannikolaiherbst - Donnerstag, 24. Januar 2013, 18:10- Rubrik: Arbeitsjournal
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