Nachgetragen: Meere und der feminismus-ideologische Veganismus. Neunter bis elfter Ranhadam. Das Arbeitsjournal vom Dienstag des 24. bis zum Donnerstag des 26. Mais 2016.
[Arbeitswohnung, 8.54 Uhr
Wasser fällt, die Löwin duscht]
Wasser fällt, die Löwin duscht]
Dies fand ich heute morgen zu >>>> Meere vor:
Leider habe ich mich an der fünf Sterne-Bewertung
des anderen Rezensenten hier bei Amazon orientiert,
den Kauf aber sehr schnell bereut und die letzten
20 Seiten nicht mehr gelesen. In dem Buch geht es
leider nicht um Liebe, sondern um Sadomasochismus
in seinen ekelhaftesten Ausprägungen (Anpinkeln etc.).
Zudem werden Frauenkörper extrem abwertend beschrie-
ben (z.B. die ausgeleierten Brüste einer Affäre des Prota-
gonisten...). Machismo ist hier ein noch zu wohlwollendes
Wort, Menschenverachtung trifft es besser. Ich kann
nur sagen, dass ich die Lektüre bereue und jedem
von (dem) Kauf abrate.
>>>> Quelle
Schaut man sich die anderen Rezensionen dieser Autorin an, weiß man, >>>> woher der Wind weht („Ich habe die gemahlenen Flohsamenschalen vor allem für die Herstellung von veganem Mozarella benutzt und dafür sind sie gut geeignet.“). Erstaunlich ist nur, daß derart politisch Korrekte bei amazon einkaufen, wiewohl sie doch wissen...
Jedenfalls war ich nicht, erstaunlicherweise, wütend, auch nicht verletzt, eher amüsiert – mal davon abgesehen, daß die Rezension dem Buch offenbar neue Käufer gebracht hat; plötzlich hat amazon zwar immer noch nicht viele, aber doch mehr Exemplare im Angebot als alle Zeit davor. Dennoch weiß ich nicht, ob man den Vorwurf der „Menschenverachtung“ unkommentiert stehen lassen sollte, ebenso wie den allerdings nur noch ermüdenden des Machismo oder die nun wirklich falsche Behauptung, es gehe in dem Buch gar nicht im Liebe, sondern „nur“ um Sadomasochismus, der, ja, eine Rolle spielt in dem – beiderseitigen – Versuch, die Ichgrenzen zu übertreten, quasi jede/r in den Leib des/r anderen einzudringen, völlig mit ihm zu verschmelzen. Das ist ja wahr, daß es sich nicht um eine „normale“, sagen wir bourgeoise Liebesgeschichte handelt. Indessen halte ich dafür, daß gerade in der Leidenschaft politische, bzw. erotische „Correctness“ völlig fehl am Platz ist. Jede und jeder weiß das auch. Aber es ist in den letzten dreißig Jahren wieder etwas hochgestiegen, daß davor aufgelöst worden zu sein schien: ‚Man tut es, aber sagt es nicht.‘ Dagegen, in der Tat, verstößt mein Roman. Ich erinnere mich, wie mich seinerzeit, als >>>> der Buchprozeß brandete, eine Filmregisserin, die einen Fernsehbeitrag über Meere drehte, mich fragte: „Warum müssen Sie immer so genau hinsehen?“
Leider habe ich mich an der fünf Sterne-Bewertung
des anderen Rezensenten hier bei Amazon orientiert,
den Kauf aber sehr schnell bereut und die letzten
20 Seiten nicht mehr gelesen. In dem Buch geht es
leider nicht um Liebe, sondern um Sadomasochismus
in seinen ekelhaftesten Ausprägungen (Anpinkeln etc.).
Zudem werden Frauenkörper extrem abwertend beschrie-
ben (z.B. die ausgeleierten Brüste einer Affäre des Prota-
gonisten...). Machismo ist hier ein noch zu wohlwollendes
Wort, Menschenverachtung trifft es besser. Ich kann
nur sagen, dass ich die Lektüre bereue und jedem
von (dem) Kauf abrate.
>>>> Quelle
Schaut man sich die anderen Rezensionen dieser Autorin an, weiß man, >>>> woher der Wind weht („Ich habe die gemahlenen Flohsamenschalen vor allem für die Herstellung von veganem Mozarella benutzt und dafür sind sie gut geeignet.“). Erstaunlich ist nur, daß derart politisch Korrekte bei amazon einkaufen, wiewohl sie doch wissen...
Jedenfalls war ich nicht, erstaunlicherweise, wütend, auch nicht verletzt, eher amüsiert – mal davon abgesehen, daß die Rezension dem Buch offenbar neue Käufer gebracht hat; plötzlich hat amazon zwar immer noch nicht viele, aber doch mehr Exemplare im Angebot als alle Zeit davor. Dennoch weiß ich nicht, ob man den Vorwurf der „Menschenverachtung“ unkommentiert stehen lassen sollte, ebenso wie den allerdings nur noch ermüdenden des Machismo oder die nun wirklich falsche Behauptung, es gehe in dem Buch gar nicht im Liebe, sondern „nur“ um Sadomasochismus, der, ja, eine Rolle spielt in dem – beiderseitigen – Versuch, die Ichgrenzen zu übertreten, quasi jede/r in den Leib des/r anderen einzudringen, völlig mit ihm zu verschmelzen. Das ist ja wahr, daß es sich nicht um eine „normale“, sagen wir bourgeoise Liebesgeschichte handelt. Indessen halte ich dafür, daß gerade in der Leidenschaft politische, bzw. erotische „Correctness“ völlig fehl am Platz ist. Jede und jeder weiß das auch. Aber es ist in den letzten dreißig Jahren wieder etwas hochgestiegen, daß davor aufgelöst worden zu sein schien: ‚Man tut es, aber sagt es nicht.‘ Dagegen, in der Tat, verstößt mein Roman. Ich erinnere mich, wie mich seinerzeit, als >>>> der Buchprozeß brandete, eine Filmregisserin, die einen Fernsehbeitrag über Meere drehte, mich fragte: „Warum müssen Sie immer so genau hinsehen?“
Vielleicht wäre es ganz gut, die Autorin der Rezension einmal darauf hinzuweisen, daß es eben andere Spielarten von Liebe gibt als allein die „vanillen“ und daß, etwa über die Hängebrüste einer Geliebten zu schreiben, keine emotionale Abwertung ist, sondern schlichtweg Beobachtung – auch dessen, was der Anblick auslöst – in Meere ja durchaus nicht Abgestoßensein oder ähnliches, sondern sexuell fast das Gegenteil. So mag der Machismovorwurf hingehen, an den ich überdies, so mißverstanden-falsch er ist, gewöhnt bin; die meisten Menschen sind naiv und dann schnell geschockt, wenn die Dichtung ihre aus Verdrängung entstandene moralische Anthropologie stört. N i c h t hin aber geht der Vorwurf der Menschenverachtung; schon gar nicht in einem Buch, das Verfallenheiten darstellt und vor allem die Not der Geliebten, der Frau eben, so sehr in den Mittelpunkt stellt: Es ist ja nicht Fichte, der hier obsiegt, sondern Irene geht unangefochten, zumal und zurecht bewundert, aus dem Buch.
Wir haben unterdessen nicht nur noch die Tendenz, nicht mehr sagen zu dürfen, was ist. Wir halten uns daran aus – einer sehr berechtigten – Furcht vor Sanktionen und leben so in einem Konsens, weitestgehend, der jeden unserer Schritte mit Regeln und Regulationen vergittert hat. Sich vorzustellen, daß es einmal die Schriften de Sades, Sacher-Masochs, Lautréamonts, Genets gab und dennoch ein vergleichsweise harmloses Buch wie Meere, das zudem eben aus Leidenschaft geschrieben wurde und vor allem vom Verlust angetrieben wird, abgesehen von den politischen Belangen, die zur Darstellung kommen, und von dem erzählten Künstlertum – sich dies also vorzustellen, hat, wenn man die Rezension liest, etwas ziemlich Beklemmendes. Oder eben böse-Bizarres. Unterm Strich wird affirmierte Unfreiheit deutlich.
Ironisch war dann noch, daß ich heute früh, bevor ich die Rezension las, genau dieses Thema bearbeitete, in XV der >>>> Brüste der Béart (die folgenden Verse sind noch nicht gebaut, sondern folgen in dem Beispiel allein den Reimen; es ist eine Arbeitsdatei zum Zweck der besseren Übersicht vor dem eigentlichen Versbau):
(.....)
Freisinn und Mythen enthandet // |
ihre Musen schon urheberechtlich in Ketten gelegt //
wie selbst des weichen, noch ungenormten, //
fast, Béart, sentimentalen//
noch// | doch// jugendlich entbrannten//
Schwärmers, der bewegt //
auf seinen Ballen wippt,//
in der nervösen, ungerichtet suchenden Sehnsucht, der du, Deville, //
La femme un bleau, der Fantasien trunkene Euphorie //
niemals wieder schüren darfst, noch ihre Qualen//,
die süßen //,
zu den Nachtigallen, Serenaden //
singen lassen; wer einst ins Hoffnungswams gewandet //
mit Katers Federkappe auf dem Kopf und einer Mandoline
sich unters Fenster schlich,
gilt heut für einen Stalker und soll mit Ordnungsgeldern büßen //;
die Frauen selbst, Béart, solln sich | um den Gesang betrügen//
der draußen unterm Zimmer //
ihnen huldigt//,
und sie tun‘s und mögen doch noch immer //
das Gewicht//
auf ihrem Leib und die Verführung spüren //,
die, wie von Liebesschwüren //
mit Versprechen aufgeladen //,
sich leichthin um sie schlingt,//
bis sie Erlösung bringt //
und die Ersehnte eben nicht //,
zusammenschnüren will //
ins Genderkorsett //
vielmehr, Béart, dem Gender und den Spielen
gespielter Abwehr huldigt
den kalten Schultern des Elfenbeins //
und des Kinns zur Seite geworfenen, heimlich fordernden Neins //,
worin schon längst das Nimm mich! keimt
eines unpragmatisch gehauchten, dahingegossenen Drängens
(.....)
Wir haben unterdessen nicht nur noch die Tendenz, nicht mehr sagen zu dürfen, was ist. Wir halten uns daran aus – einer sehr berechtigten – Furcht vor Sanktionen und leben so in einem Konsens, weitestgehend, der jeden unserer Schritte mit Regeln und Regulationen vergittert hat. Sich vorzustellen, daß es einmal die Schriften de Sades, Sacher-Masochs, Lautréamonts, Genets gab und dennoch ein vergleichsweise harmloses Buch wie Meere, das zudem eben aus Leidenschaft geschrieben wurde und vor allem vom Verlust angetrieben wird, abgesehen von den politischen Belangen, die zur Darstellung kommen, und von dem erzählten Künstlertum – sich dies also vorzustellen, hat, wenn man die Rezension liest, etwas ziemlich Beklemmendes. Oder eben böse-Bizarres. Unterm Strich wird affirmierte Unfreiheit deutlich.
Ironisch war dann noch, daß ich heute früh, bevor ich die Rezension las, genau dieses Thema bearbeitete, in XV der >>>> Brüste der Béart (die folgenden Verse sind noch nicht gebaut, sondern folgen in dem Beispiel allein den Reimen; es ist eine Arbeitsdatei zum Zweck der besseren Übersicht vor dem eigentlichen Versbau):
Freisinn und Mythen enthandet // |
ihre Musen schon urheberechtlich in Ketten gelegt //
wie selbst des weichen, noch ungenormten, //
fast, Béart, sentimentalen//
noch// | doch// jugendlich entbrannten//
Schwärmers, der bewegt //
auf seinen Ballen wippt,//
in der nervösen, ungerichtet suchenden Sehnsucht, der du, Deville, //
La femme un bleau, der Fantasien trunkene Euphorie //
niemals wieder schüren darfst, noch ihre Qualen//,
die süßen //,
zu den Nachtigallen, Serenaden //
singen lassen; wer einst ins Hoffnungswams gewandet //
mit Katers Federkappe auf dem Kopf und einer Mandoline
sich unters Fenster schlich,
gilt heut für einen Stalker und soll mit Ordnungsgeldern büßen //;
die Frauen selbst, Béart, solln sich | um den Gesang betrügen//
der draußen unterm Zimmer //
ihnen huldigt//,
und sie tun‘s und mögen doch noch immer //
das Gewicht//
auf ihrem Leib und die Verführung spüren //,
die, wie von Liebesschwüren //
mit Versprechen aufgeladen //,
sich leichthin um sie schlingt,//
bis sie Erlösung bringt //
und die Ersehnte eben nicht //,
zusammenschnüren will //
ins Genderkorsett //
vielmehr, Béart, dem Gender und den Spielen
gespielter Abwehr huldigt
den kalten Schultern des Elfenbeins //
und des Kinns zur Seite geworfenen, heimlich fordernden Neins //,
worin schon längst das Nimm mich! keimt
eines unpragmatisch gehauchten, dahingegossenen Drängens
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Im übrigen habe ich ein paar Jahre später, >>>> in den Bamberger Elegien, zwar rhythmisiert, aber von einer fiktiven Erzählung unverstellt deutlichst gesagt, worum es geht und nehme davon nicht ein Wort zurück.

***

***
Ich habe in den vergangenen zwei Tage in Der Dschungel nicht geschrieben, weil die Löwin zu Besuch ist; wir sprachen und sprachen und sprachen; ich schwamm meine Bahnen; auch sie trinkt derzeit keinen Alkohol. Morgens um sechs stehe ich auf, arbeite etwas an dem Béartzyklus, um acht wecke ich die Frau mit einem Latte macchiato, und wir reden wieder. Gestern abend kam mein Sohn, wir aßen zusammen; vorvorgestern abend war ich bei Broßmann zu Gast und seiner, als solche, fast noch neuen ungemein schönen und lebhaften Partnerin. Ich sah die beiden an und dachte, sie sind zwanzig Jahre jünger, wie das paßt. Riesiges Wetterleuchten war, bevor das Gewitter loskrachte.
Sozusagen sah ich zurück, dort auf dem Balkon. Was ein seltsames Gefühl für einen wie mich ist.
„Hat was Buddhistisches“, sagte ich, und die Löwin kommentierte nicht ohne Spott: „Vielleicht werden Sie doch noch ein Asket.“ Allerdings wäre das zu früh.
Wir arbeiten dran, es zu verhindern.
Aber den Körper erstmal wieder in Form bringen.
Spannkraft.
ANH
Sozusagen sah ich zurück, dort auf dem Balkon. Was ein seltsames Gefühl für einen wie mich ist.
„Hat was Buddhistisches“, sagte ich, und die Löwin kommentierte nicht ohne Spott: „Vielleicht werden Sie doch noch ein Asket.“ Allerdings wäre das zu früh.
Wir arbeiten dran, es zu verhindern.
Aber den Körper erstmal wieder in Form bringen.
Spannkraft.
ANH
albannikolaiherbst - Freitag, 27. Mai 2016, 06:51- Rubrik: Arbeitsjournal
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