Untriest 20, darinnen Netzlieben: aus einem Brief an eine junge Kollegin (Kleine Theorie des Literarischen Bloggens, 155). Dienstag, der 3. Februar 2015. (Briefe nach Triest, 40). Sowie zu Aufstieg oder Ausschluß.
Roter Tisch, Frankfurtmain.
6.45 Uhr.
Es hat, meine Liebste, gestern gut funktioniert, die Nachaufnahme mit Chohan im ICE zu schneiden; war als Versuch gedacht, der mir aber die viereinhalbstündige Fahrt wie verfliegen ließ:
Witzigerweise mußte ich die Arbeit, als ich am hiesigen Hauptbahnhof ankam, genau an der Stelle unterbrechen, wo >>>> am Sonnabend auch der Studiotermin hat unterbrochen werden müssen, nämlich zweieinhalb Typoskriptseiten vor Ende. Heute zur Früharbeit, ab ein Viertel vor sechs Uhr, hab ich die Sprecherschnitte zum Ende gebracht – einem vorläufigen, weil die perfekten Schnitte selbstverständlich erst in der neuen, resp. „Ersatz“-Montage vorgenommen werden können. Die werde ich noch heute vormittag anlegen. Danach geht‘s zum Training, McFit diesmal in Frankfurtmain, wiederum danach zu einem Einführungsvortrag >>>> Phyllis Kiehls im Historischen Museum und danach ins Literaturforum im Mousonturm zur Jahreshauptversammlung des Vorstands, dessen Zweiter Vorsitzender ich immer noch bin.
Soweit der heutige Terminplan.
Jetzt aber erst einmal der Dir bereits >>>> dort angekündigte Auszug meines Briefes an die junge Kollegin:
(...)
Was die "Kommunikations"seite des Triestromans anbelangt, so waren SMS, Facetime, Mails usw. in diesem Fall n ö t i g (…) nach der ersten persönlichen Begegnung der beiden quasi sofort Liebenden (. Wegen) der Entfernung ihrer zumal in verschiedenen Ländern gelegenen Wohnorte (hätte sich andernfalls ihre Beziehung) niemals auch nur annähernd so austoben können (…). Die neuen Medien bringen also eine Möglichkeit h i n z u, wo die „natürliche“ Realität früher versagt hätte oder wo versucht wurde, ein leibliches Zusammen sogar zu vermeiden. Auch der „klassische“ Brief, wie liebend auch immer geschrieben, kann ein Modus der Abwehr sein und wie eine Mauer oder sagen wir Glasfront zwischen die Realitäten geschoben werden: um sinnliche Nähe eben n i c h t zuzulassen. Dafür sind etwa Milena und Kafka ein gutes Beispiel. Notwendigerweise werden die Triestbriefe so etwas mitthematisieren, aber als Verarbeitung von Trennungsschmerz: daß sie antwortlos bleiben und antwortlos bleiben auch müssen, ist je das Movens für den nächsten.
Was die sich namentlich übers Netz herstellenden Nähen sowie die Mißverstädnisse angeht, hast Du recht, wenn es bei der Schriftform bleibt (etwa auch im Chat), n i c h t mehr aber, wenn man das Bildtelefon von Facetime oder Skype nutzt. Das Problem besteht meiner Erfahrung nach vielmehr darin, daß die objektiven Entfernungen zwar psychisch unterlaufen werden, nicht aber de facto unterlaufen werden k ö n n e n. Also stellen sich Nähen her, denen die Realisierbarkeit fehlt - es sei denn, wenigstens eine beider „Parteien“ ist ungebunden und auch finanziell gesichert genug, um quasi ständig zu reisen. Tatsächlich formen sich im Netz parallele Möglichkeitenräume, zum Beispiel mehrerer Lieben zugleich, die alle tief sein können, einander dennoch, wollte man sie dauerhaft realisieren, ausschließen. Andererseits hat sich insgesamt die Monogamie nicht als sehr tragfähig erwiesen, im Gegenteil; nur wird über die psychischen Schäden ungern gesprochen, die die mit ihr einhergehenden oft permanenten Verdrängungsakte anrichten. Unser Konzept von treuer Liebes-Ehe (das auch zu f ü h l e n wir alle sozialisiert sind) ist zu fest an die Begriffe von Eigentum und Haben, und auch von ökonomischer Sicherheit, gebunden, auf denen insgesamt unser Wirtschaftssystem beruht - also unsere Gesellschaft. In Wahrheit ist aber Dauer wohl k e i n Attribut von Liebe; zuerst, nahezu immer, zeigt uns das der Sex, bzw. das sexuelle Begehren.
Es hat seinen Grund, daß die großen mythischen Lieben immer abrupt, meist mit dem Tod, enden; würden sie dem dauernden Alltag ausgesetzt, wäre es mit ihrer Mythe vorbei. Sie geben zwar - als empfundenes - ein Versprechen auf Dauer, aber lösen es nicht ein. Insofern kommen mir die vielen „neuen“ Formen von Liebesgeschichten durchaus nicht gefährdeter vor, als es die „alten“ objektiv waren und sind. Dazu kommt eine geradezu rasante Erweiterung der Intimität; es ist nach wie vor verblüffend, wie weitgehend Menschen sich in den neuen Kommunikationsmedien öffnen – u.a. deshalb, weil sie in aller Regel erst einmal anonym bleiben und aus sich mehr hinauslassen können als in der ständig von Sanktionen bedrohten Realität; oft, wenn man sich beim ersten Blinddate begegnet, wissen die eventuellen Partner mehr voneinander, als sie bei einer „normalen“ Liebesgeschichte und in ihrer Folge jemals erfahren würden, schon gar nicht nach einer jahrzehntelangen Ehe; das betrifft besonders den riesigen Raum der erotischen Fantasien. Das Netz greift die Tabus an, also normierte Denk- und Fühl- und damit Erlebnisverbote; damit macht es uns Menschen sehr viel weniger unfrei, verlangt allerdings eine um so größere Selbständigkeit, Eigenständigkeit, damit auch Verantwortlichkeit.
In den Netzmedien öffnet man sich aber auch deshalb weitergehend als anderswo, weil sie quasi direkt am Gehirn andocken und wir in unserer Imagination sehr gut miteinander verbinden können, was im „naturalistischen“ Alltag zu horrenden Konflikten führte. In Netzgesprächen paaren sich diese Imaginationen. Trifft man dann „wirklich“ aufeinander, und die Pheromone „matchen“... - nun jà... -
Hier liegt noch, von vor zehn Jahren, das Typoskript eines erotischen Romans herum, der fast nur aus Chat-, Email- und SMS- sowie den Protokollen der jeweiligen Begegnungen besteht; aus „bürgerlicher“ Moralsicht ist er heftig. X. - Y.s Cheflektor - hatte das Buch haben wollen und es, unter Beigabe von Auszügen, in der Konferenz vorgestellt. Da soll es bei Y. knallende Türen gegeben habe, sogar Schreierei usw. Das Ding war nicht durchzukriegen; allerdings war es auch die Zeit des Prozesses um >>>> Meere. (Jedenfalls gelte ich seither als Unhold).
Zur Netzkultur gehört auch ihre Abwehr; bisweilen nimmt sie irrationale Züge an. Es soll nicht gesagt werden, was ist, weil andernfalls die geglaubte und/oder gewollte Anthropologie ins Rutschen käme. Mach Dir nur einmal bewußt, daß mittlerweile wenigstens dreißig Prozent aller jungen Leute ihren ersten Geschlechtspartner/ihre erste Geschlechtspartnerin übers Netz kennenlernen, und Du bekommst eine Ahnung von dem, was bereits geschehen ist und welche Weichen hier nicht umgestellt, sondern umgewuchtet wurden – irreversibel.
Witzigerweise mußte ich die Arbeit, als ich am hiesigen Hauptbahnhof ankam, genau an der Stelle unterbrechen, wo >>>> am Sonnabend auch der Studiotermin hat unterbrochen werden müssen, nämlich zweieinhalb Typoskriptseiten vor Ende. Heute zur Früharbeit, ab ein Viertel vor sechs Uhr, hab ich die Sprecherschnitte zum Ende gebracht – einem vorläufigen, weil die perfekten Schnitte selbstverständlich erst in der neuen, resp. „Ersatz“-Montage vorgenommen werden können. Die werde ich noch heute vormittag anlegen. Danach geht‘s zum Training, McFit diesmal in Frankfurtmain, wiederum danach zu einem Einführungsvortrag >>>> Phyllis Kiehls im Historischen Museum und danach ins Literaturforum im Mousonturm zur Jahreshauptversammlung des Vorstands, dessen Zweiter Vorsitzender ich immer noch bin.
Soweit der heutige Terminplan.
Jetzt aber erst einmal der Dir bereits >>>> dort angekündigte Auszug meines Briefes an die junge Kollegin:
Was die "Kommunikations"seite des Triestromans anbelangt, so waren SMS, Facetime, Mails usw. in diesem Fall n ö t i g (…) nach der ersten persönlichen Begegnung der beiden quasi sofort Liebenden (. Wegen) der Entfernung ihrer zumal in verschiedenen Ländern gelegenen Wohnorte (hätte sich andernfalls ihre Beziehung) niemals auch nur annähernd so austoben können (…). Die neuen Medien bringen also eine Möglichkeit h i n z u, wo die „natürliche“ Realität früher versagt hätte oder wo versucht wurde, ein leibliches Zusammen sogar zu vermeiden. Auch der „klassische“ Brief, wie liebend auch immer geschrieben, kann ein Modus der Abwehr sein und wie eine Mauer oder sagen wir Glasfront zwischen die Realitäten geschoben werden: um sinnliche Nähe eben n i c h t zuzulassen. Dafür sind etwa Milena und Kafka ein gutes Beispiel. Notwendigerweise werden die Triestbriefe so etwas mitthematisieren, aber als Verarbeitung von Trennungsschmerz: daß sie antwortlos bleiben und antwortlos bleiben auch müssen, ist je das Movens für den nächsten.
Was die sich namentlich übers Netz herstellenden Nähen sowie die Mißverstädnisse angeht, hast Du recht, wenn es bei der Schriftform bleibt (etwa auch im Chat), n i c h t mehr aber, wenn man das Bildtelefon von Facetime oder Skype nutzt. Das Problem besteht meiner Erfahrung nach vielmehr darin, daß die objektiven Entfernungen zwar psychisch unterlaufen werden, nicht aber de facto unterlaufen werden k ö n n e n. Also stellen sich Nähen her, denen die Realisierbarkeit fehlt - es sei denn, wenigstens eine beider „Parteien“ ist ungebunden und auch finanziell gesichert genug, um quasi ständig zu reisen. Tatsächlich formen sich im Netz parallele Möglichkeitenräume, zum Beispiel mehrerer Lieben zugleich, die alle tief sein können, einander dennoch, wollte man sie dauerhaft realisieren, ausschließen. Andererseits hat sich insgesamt die Monogamie nicht als sehr tragfähig erwiesen, im Gegenteil; nur wird über die psychischen Schäden ungern gesprochen, die die mit ihr einhergehenden oft permanenten Verdrängungsakte anrichten. Unser Konzept von treuer Liebes-Ehe (das auch zu f ü h l e n wir alle sozialisiert sind) ist zu fest an die Begriffe von Eigentum und Haben, und auch von ökonomischer Sicherheit, gebunden, auf denen insgesamt unser Wirtschaftssystem beruht - also unsere Gesellschaft. In Wahrheit ist aber Dauer wohl k e i n Attribut von Liebe; zuerst, nahezu immer, zeigt uns das der Sex, bzw. das sexuelle Begehren.
Es hat seinen Grund, daß die großen mythischen Lieben immer abrupt, meist mit dem Tod, enden; würden sie dem dauernden Alltag ausgesetzt, wäre es mit ihrer Mythe vorbei. Sie geben zwar - als empfundenes - ein Versprechen auf Dauer, aber lösen es nicht ein. Insofern kommen mir die vielen „neuen“ Formen von Liebesgeschichten durchaus nicht gefährdeter vor, als es die „alten“ objektiv waren und sind. Dazu kommt eine geradezu rasante Erweiterung der Intimität; es ist nach wie vor verblüffend, wie weitgehend Menschen sich in den neuen Kommunikationsmedien öffnen – u.a. deshalb, weil sie in aller Regel erst einmal anonym bleiben und aus sich mehr hinauslassen können als in der ständig von Sanktionen bedrohten Realität; oft, wenn man sich beim ersten Blinddate begegnet, wissen die eventuellen Partner mehr voneinander, als sie bei einer „normalen“ Liebesgeschichte und in ihrer Folge jemals erfahren würden, schon gar nicht nach einer jahrzehntelangen Ehe; das betrifft besonders den riesigen Raum der erotischen Fantasien. Das Netz greift die Tabus an, also normierte Denk- und Fühl- und damit Erlebnisverbote; damit macht es uns Menschen sehr viel weniger unfrei, verlangt allerdings eine um so größere Selbständigkeit, Eigenständigkeit, damit auch Verantwortlichkeit.
In den Netzmedien öffnet man sich aber auch deshalb weitergehend als anderswo, weil sie quasi direkt am Gehirn andocken und wir in unserer Imagination sehr gut miteinander verbinden können, was im „naturalistischen“ Alltag zu horrenden Konflikten führte. In Netzgesprächen paaren sich diese Imaginationen. Trifft man dann „wirklich“ aufeinander, und die Pheromone „matchen“... - nun jà... -
Hier liegt noch, von vor zehn Jahren, das Typoskript eines erotischen Romans herum, der fast nur aus Chat-, Email- und SMS- sowie den Protokollen der jeweiligen Begegnungen besteht; aus „bürgerlicher“ Moralsicht ist er heftig. X. - Y.s Cheflektor - hatte das Buch haben wollen und es, unter Beigabe von Auszügen, in der Konferenz vorgestellt. Da soll es bei Y. knallende Türen gegeben habe, sogar Schreierei usw. Das Ding war nicht durchzukriegen; allerdings war es auch die Zeit des Prozesses um >>>> Meere. (Jedenfalls gelte ich seither als Unhold).
Zur Netzkultur gehört auch ihre Abwehr; bisweilen nimmt sie irrationale Züge an. Es soll nicht gesagt werden, was ist, weil andernfalls die geglaubte und/oder gewollte Anthropologie ins Rutschen käme. Mach Dir nur einmal bewußt, daß mittlerweile wenigstens dreißig Prozent aller jungen Leute ihren ersten Geschlechtspartner/ihre erste Geschlechtspartnerin übers Netz kennenlernen, und Du bekommst eine Ahnung von dem, was bereits geschehen ist und welche Weichen hier nicht umgestellt, sondern umgewuchtet wurden – irreversibel.
Soweit, mein Herz, dieses.
Doch sprachen wir, Kiehl und ich, gestern bis in die Nacht über ganz ähnliche Themen zur sozusagen „Sozial-Anthropologie“: Akzeptiert wird, wer wegschaut, verschweigt, sich einfindet, korrupt ist; befreit davon sind allenfalls von Haus aus sehr begüterte Leute, die sich eben ihres Wohlstands wegen nicht nötigen lassen müssen. Kiehl formulierte sogar, daß, wer aus armen Verhältnissen aufsteigen wolle, gar nicht darum herumkomme, korrupt zu sein; es werde von ihm/ihr „erwartet“. Werde dem nicht nachgekommen, habe man den gesellschaftlichen Ausschluß zu gewärtigen, oft auch ein - konsensuales - Mobbing, schärfer gesagt: Diskriminierung. Nichtkorrupt zu sein bedeute nämlich eine Gefahr, weil Nichtkorrupte sich nicht oder nur schwer kalkulieren ließen.
Ich mußte an meine Börsenzeit denken – in den vergangenen zweieinhalb Monaten tu ich das wieder oft -, daß nämlich dasselbe insgesamt für die „freie“ Wirtschaft gelte; etwa deshalb lassen sich, wußtest Du das?, Schmiergelder steuerlich absetzen; sie sind immanentes Teil des Systemkalküls. Das „moralische“ Ergebnis ist notwendigerweise Bigotterie, indem gegenüber der Öffentlichkeit eine „Ethik“ vertreten wird, die der praktischen Realität geradezu diametral entgegensteht. Also herrscht ein Sprechtabu. Wer es bricht, verliert die Akzeptanz.
Das führt zu einem objektiven Konflikt, jedenfalls für alle, die etwas verändern wollen. Denn Reformen lassen sich nur - Revolutionen, also physische Gewalt, einmal beiseite - von innen heraus bewirken: systemintern. Wer außen steht, hat dazu keine Chance, zumindest nicht unmittelbar, möglicherweise freilich über das „Erbe“, das sie und/oder er hinterläßt, etwa über ein Werk. Dazu braucht es allerdings eine neue Generation, die gegen die Urteile der Alten eigene setzt – so, wie das im Fall >>>> Paulus Böhmers nun geschehen ist (und nicht wenigen Künstlern erst gegen Lebensende, sondern häufig überhaupt erst posthum geschah; siehe Kleist).
Fühle Dich umarmt.
A.
P.S.: Ein Brot hab ich gebacken gestern, die Biga und Mehle aus Berlin mitgebracht. Schau einmal, wie schön es ist:

(Eine Spur zu dunkel, ich weiß.
Doch wir diskutierten derart intensiv, daß ich auf die Zeit vergaß,
bis mich ein leichter Brandgeruch aufspringen und in die Küche
eilen ließ).
Nun weiter mit der revidierten Hörstück-Montage. Daß es Laptops gibt, die uns arbeiten lassen, wo wir auch sind, ist ein mich immer wieder erstaunendes Wunder – und Grund für einige Dankbarkeit.
*
Doch sprachen wir, Kiehl und ich, gestern bis in die Nacht über ganz ähnliche Themen zur sozusagen „Sozial-Anthropologie“: Akzeptiert wird, wer wegschaut, verschweigt, sich einfindet, korrupt ist; befreit davon sind allenfalls von Haus aus sehr begüterte Leute, die sich eben ihres Wohlstands wegen nicht nötigen lassen müssen. Kiehl formulierte sogar, daß, wer aus armen Verhältnissen aufsteigen wolle, gar nicht darum herumkomme, korrupt zu sein; es werde von ihm/ihr „erwartet“. Werde dem nicht nachgekommen, habe man den gesellschaftlichen Ausschluß zu gewärtigen, oft auch ein - konsensuales - Mobbing, schärfer gesagt: Diskriminierung. Nichtkorrupt zu sein bedeute nämlich eine Gefahr, weil Nichtkorrupte sich nicht oder nur schwer kalkulieren ließen.
Ich mußte an meine Börsenzeit denken – in den vergangenen zweieinhalb Monaten tu ich das wieder oft -, daß nämlich dasselbe insgesamt für die „freie“ Wirtschaft gelte; etwa deshalb lassen sich, wußtest Du das?, Schmiergelder steuerlich absetzen; sie sind immanentes Teil des Systemkalküls. Das „moralische“ Ergebnis ist notwendigerweise Bigotterie, indem gegenüber der Öffentlichkeit eine „Ethik“ vertreten wird, die der praktischen Realität geradezu diametral entgegensteht. Also herrscht ein Sprechtabu. Wer es bricht, verliert die Akzeptanz.
Das führt zu einem objektiven Konflikt, jedenfalls für alle, die etwas verändern wollen. Denn Reformen lassen sich nur - Revolutionen, also physische Gewalt, einmal beiseite - von innen heraus bewirken: systemintern. Wer außen steht, hat dazu keine Chance, zumindest nicht unmittelbar, möglicherweise freilich über das „Erbe“, das sie und/oder er hinterläßt, etwa über ein Werk. Dazu braucht es allerdings eine neue Generation, die gegen die Urteile der Alten eigene setzt – so, wie das im Fall >>>> Paulus Böhmers nun geschehen ist (und nicht wenigen Künstlern erst gegen Lebensende, sondern häufig überhaupt erst posthum geschah; siehe Kleist).
Fühle Dich umarmt.
A.
P.S.: Ein Brot hab ich gebacken gestern, die Biga und Mehle aus Berlin mitgebracht. Schau einmal, wie schön es ist:
(Eine Spur zu dunkel, ich weiß.
Doch wir diskutierten derart intensiv, daß ich auf die Zeit vergaß,
bis mich ein leichter Brandgeruch aufspringen und in die Küche
eilen ließ).
Nun weiter mit der revidierten Hörstück-Montage. Daß es Laptops gibt, die uns arbeiten lassen, wo wir auch sind, ist ein mich immer wieder erstaunendes Wunder – und Grund für einige Dankbarkeit.
albannikolaiherbst - Dienstag, 3. Februar 2015, 09:07- Rubrik: Arbeitsjournal
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