Fahnen gegen Essen. Arbeitsjournal. Dienstag, der 18. September 2012. Darinnen ein tüchtig schummelnder Traum und die Zerknirschung seines Autors. Netzärger sodann, aber milde bald schon, wegen des Einkaufs.
6.55 Uhr:
[Arbeitswohnung, noch ohne Musik.]
Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Gleich soll ich, weil sie einen frühen Termin hat, die Löwin bereits um sieben Uhr wecken. Das ist in drei Minuten.
7.12 Uhr:
Erledigt. Daß das keine Zeit für Löwinnen sei, grollte sie löwinn'sch, was, sind diese Großkatzen noch halb im Schlaf, eine eigene Sprache ist. Die, solch eine Sprache, haben auch die Träume, wie ich heute nacht feststellen mußte, das heißt: heute morgen, weil ich mich da an die Übersetzung machte und feststellte, daß das gesamte Drehbuch aus nichts als Schummelei bestand. Es gab ein restlos fingiertes Happyend in meinem Traum, der mich anleiten wollte, des „Fremdgehn“ eines meiner Schüler vor seiner Freundin zu kaschieren, die ich, während er die andere Freundin traf, ablenken sollte - heikel, denn sie ging in dieselbe Klasse, und die Vögelei sollte in der Unterrichtszeit stattfinden... na ja, wenigstens in den Schulpausen. Es ging also nicht nur um ein fingiertes Alibi, sondern um tätige, d.h. abschirmende Komplizenschaft. Mir gelang das geradezu meisterhaft, dachte ich noch im Erwachen, bis mir an der Pavoni auffiel, daß ich für die Aktion alles ausgeblendet hatte, was mit ihrem Anlaß zusammenhing: die Dritte kam im Traum nicht vor. Ich brachte das Paar erfolgreichst wieder zusammen, flötete mir eins, war richtig stolz auf meine subversive Unmoral, doch war sie, diese Dritte, überhaupt nie erschienen, sondern mein Schülerpaar hatte lediglich die Zeit in zwei getrennten Räumen verbracht, deren einer ein Felsabhang war, in den ich den Schüler hineingehängt. Auch für die Schulleitung, muß ich nun sagen, war ich ein moralisch einwandfreier Lehrkörper geblieben - gegen alle meine auch erklärte Absicht. Möglicherweise hat meine bizarre Aktion sogar verhindert, was sie erreichen und decken wollte. So daß es mich nicht wundern würde, verliehe man mir in der nun folgenden Nacht, sollte ich meinen Traum da weiterträumen, ein Prädikat „Besonders wertvoll“ für die Wahrung der fremden partnerschaftlichen Treue. Hm.
Mir mißfällt das.
Ich beginne, mich zu fürchten vor der nächsten Nacht.
So will ich wirklich nicht dastehn. Einmal abgesehen davon, daß man auch sagen könnte, ich hätte das Vertrauen meines Schülers mißbraucht, weil ich ihm das geschützte Fremdgehn hätte zu ermöglichen versprochen und ihn dann hängen lassen. Ich weiß nicht, wie ich das moralisch tragen und ertragen kann.
Erst einmal Argo jetzt, sowas bis neun, dann der nächste >>>> Giacomo Joyce, dann wieder Argo. Die Vormittagsarbeit wird unterbrochen werden, weil ich zu >>>> Mitte Meer will; heute abend kommt meine junge Lektorin hierher, die ich für die unbezahlte Arbeit an den >>>> Essayfahnen nicht entgelten, das w ä r e ja Bezahlung, sondern einfach bekochen will. Sie wünschte sich das; „mir ist das lieber, sehr viel lieber, als wenn wir essen gehen“. Kann sein, sie will sich mit mir nicht öffentlich sehen lassen, was bestimmt mit meinem pädagogischen Versagen im Traum zusammenhängt, der, als sie das bat, allerdings noch gar nicht geträumt war. So kompliziert kann Realität sein. Auch sie, immer wieder, ist eine Phantastische Erzählung. Also. Einen Fisch kaufen. Calamari hab ich noch hier, die wird es als Vorspeise geben, zur Pasta. Für Antipasti Prosciutto e salame. Alles streng nicht-vegetarisch; in guten Gerichten muß immer ein bißchen Blut fließen. Fürs Alibi paar Oliven - und die Joghurt-Tahin-Paste, die ich ohnedies wieder ansetzen wollte. Ich hab mir schon den Kopf drum zerbrochen, aber es scheint wirklich unmöglich zu sein, da etwas nicht-Vegetarisches mit hineinzubekommen, also so, daß es auch schmeckt. Das ist wirklich einfach nicht drin. Obwohl sie so hervorragend ist. Die Welt ist bizarr.
An die Arbeit, ANH.
8.28 Uhr;
>>>> So etwas dient mir vor allem auch zur Selbstvergewisserung. Wer über Jahre an einem Text arbeitet, das gesamte Anderswelt-Projekt ist jetzt seit 16 Jahren auf dem Weg, bekommt Zweifel, starke, immer wieder. Dann braucht es einen Abstand, von dem aus man schaut.
13.18 Uhr:
Eingekauft, Fisch diesmal als Filet (da die junge Dame hier sicher mitliest, sag ich nicht, von welcher Art; auch nicht, was ich noch dazu habe, aber von den Muscheln darf ich sprechen, weil ich sie erst morgen zubereiten will, für mich allein, sofern nicht einer der Freunde „icke!“ ruft und seinen Arm hebt). Verschiedene Salami entdeckte ich und einen getrüffelten Sugo, um ihn unter die Spaghetti zu heben; auch dies ein andermal; wir wollen ja nicht platzen. Die Vorspeise verriet ich heute früh schon, da kommt‘s nicht drauf an, aber: daß ich leider keine Okras bekam. Der Prenzlauer Berg ist reich an allen asiatischen Völkern, reich auch an indischen Restaurants, arm indes an indischen Geschäften, arm an Indiens Gemüseläden, arm überhaupt am Orient. Das ist hier dringend zu ändern.
Vorher hab ich mich über >>>> das, aber tüchtig!, geärgert; die Kommentare spiegeln es wider. Guido Graf hat einmal sehr klug über >>>> Thetis geschrieben, wenngleich von Iris Radisch zsuammengestrichen. Dann war er nach mir einer der ersten, der Paulus Böhmer entdeckte. Ein kluger Mann also. Er mag mir verübelt haben, daß ich >>>> Aléa Torik beisprang, derweilen er ihre Ontologie für einen Korb hielt, den er zu unrecht erhalten. - Im Hintergrund lief, ebenfalls zum Tema, ein schneller Emailwechsel. Dennoch mit Argo auf TS 414 bei der Korrekturübertragung gekommen und auch den nächsten Giacomo Joyce übersetzt und >>>> eingestellt. Jetzt einen Cigarillo noch, zur Neige des zweiten Latte machiatos, den ich in der Erregung schließlich vergaß. Schmeckt auch kalt. Und nunmehr: eine Stunde schlafen.

[Arbeitswohnung, noch ohne Musik.]
Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Gleich soll ich, weil sie einen frühen Termin hat, die Löwin bereits um sieben Uhr wecken. Das ist in drei Minuten.
7.12 Uhr:
Erledigt. Daß das keine Zeit für Löwinnen sei, grollte sie löwinn'sch, was, sind diese Großkatzen noch halb im Schlaf, eine eigene Sprache ist. Die, solch eine Sprache, haben auch die Träume, wie ich heute nacht feststellen mußte, das heißt: heute morgen, weil ich mich da an die Übersetzung machte und feststellte, daß das gesamte Drehbuch aus nichts als Schummelei bestand. Es gab ein restlos fingiertes Happyend in meinem Traum, der mich anleiten wollte, des „Fremdgehn“ eines meiner Schüler vor seiner Freundin zu kaschieren, die ich, während er die andere Freundin traf, ablenken sollte - heikel, denn sie ging in dieselbe Klasse, und die Vögelei sollte in der Unterrichtszeit stattfinden... na ja, wenigstens in den Schulpausen. Es ging also nicht nur um ein fingiertes Alibi, sondern um tätige, d.h. abschirmende Komplizenschaft. Mir gelang das geradezu meisterhaft, dachte ich noch im Erwachen, bis mir an der Pavoni auffiel, daß ich für die Aktion alles ausgeblendet hatte, was mit ihrem Anlaß zusammenhing: die Dritte kam im Traum nicht vor. Ich brachte das Paar erfolgreichst wieder zusammen, flötete mir eins, war richtig stolz auf meine subversive Unmoral, doch war sie, diese Dritte, überhaupt nie erschienen, sondern mein Schülerpaar hatte lediglich die Zeit in zwei getrennten Räumen verbracht, deren einer ein Felsabhang war, in den ich den Schüler hineingehängt. Auch für die Schulleitung, muß ich nun sagen, war ich ein moralisch einwandfreier Lehrkörper geblieben - gegen alle meine auch erklärte Absicht. Möglicherweise hat meine bizarre Aktion sogar verhindert, was sie erreichen und decken wollte. So daß es mich nicht wundern würde, verliehe man mir in der nun folgenden Nacht, sollte ich meinen Traum da weiterträumen, ein Prädikat „Besonders wertvoll“ für die Wahrung der fremden partnerschaftlichen Treue. Hm.
Mir mißfällt das.
Ich beginne, mich zu fürchten vor der nächsten Nacht.
So will ich wirklich nicht dastehn. Einmal abgesehen davon, daß man auch sagen könnte, ich hätte das Vertrauen meines Schülers mißbraucht, weil ich ihm das geschützte Fremdgehn hätte zu ermöglichen versprochen und ihn dann hängen lassen. Ich weiß nicht, wie ich das moralisch tragen und ertragen kann.
Erst einmal Argo jetzt, sowas bis neun, dann der nächste >>>> Giacomo Joyce, dann wieder Argo. Die Vormittagsarbeit wird unterbrochen werden, weil ich zu >>>> Mitte Meer will; heute abend kommt meine junge Lektorin hierher, die ich für die unbezahlte Arbeit an den >>>> Essayfahnen nicht entgelten, das w ä r e ja Bezahlung, sondern einfach bekochen will. Sie wünschte sich das; „mir ist das lieber, sehr viel lieber, als wenn wir essen gehen“. Kann sein, sie will sich mit mir nicht öffentlich sehen lassen, was bestimmt mit meinem pädagogischen Versagen im Traum zusammenhängt, der, als sie das bat, allerdings noch gar nicht geträumt war. So kompliziert kann Realität sein. Auch sie, immer wieder, ist eine Phantastische Erzählung. Also. Einen Fisch kaufen. Calamari hab ich noch hier, die wird es als Vorspeise geben, zur Pasta. Für Antipasti Prosciutto e salame. Alles streng nicht-vegetarisch; in guten Gerichten muß immer ein bißchen Blut fließen. Fürs Alibi paar Oliven - und die Joghurt-Tahin-Paste, die ich ohnedies wieder ansetzen wollte. Ich hab mir schon den Kopf drum zerbrochen, aber es scheint wirklich unmöglich zu sein, da etwas nicht-Vegetarisches mit hineinzubekommen, also so, daß es auch schmeckt. Das ist wirklich einfach nicht drin. Obwohl sie so hervorragend ist. Die Welt ist bizarr.
An die Arbeit, ANH.
8.28 Uhr;
>>>> So etwas dient mir vor allem auch zur Selbstvergewisserung. Wer über Jahre an einem Text arbeitet, das gesamte Anderswelt-Projekt ist jetzt seit 16 Jahren auf dem Weg, bekommt Zweifel, starke, immer wieder. Dann braucht es einen Abstand, von dem aus man schaut.
13.18 Uhr:
Eingekauft, Fisch diesmal als Filet (da die junge Dame hier sicher mitliest, sag ich nicht, von welcher Art; auch nicht, was ich noch dazu habe, aber von den Muscheln darf ich sprechen, weil ich sie erst morgen zubereiten will, für mich allein, sofern nicht einer der Freunde „icke!“ ruft und seinen Arm hebt). Verschiedene Salami entdeckte ich und einen getrüffelten Sugo, um ihn unter die Spaghetti zu heben; auch dies ein andermal; wir wollen ja nicht platzen. Die Vorspeise verriet ich heute früh schon, da kommt‘s nicht drauf an, aber: daß ich leider keine Okras bekam. Der Prenzlauer Berg ist reich an allen asiatischen Völkern, reich auch an indischen Restaurants, arm indes an indischen Geschäften, arm an Indiens Gemüseläden, arm überhaupt am Orient. Das ist hier dringend zu ändern.
Vorher hab ich mich über >>>> das, aber tüchtig!, geärgert; die Kommentare spiegeln es wider. Guido Graf hat einmal sehr klug über >>>> Thetis geschrieben, wenngleich von Iris Radisch zsuammengestrichen. Dann war er nach mir einer der ersten, der Paulus Böhmer entdeckte. Ein kluger Mann also. Er mag mir verübelt haben, daß ich >>>> Aléa Torik beisprang, derweilen er ihre Ontologie für einen Korb hielt, den er zu unrecht erhalten. - Im Hintergrund lief, ebenfalls zum Tema, ein schneller Emailwechsel. Dennoch mit Argo auf TS 414 bei der Korrekturübertragung gekommen und auch den nächsten Giacomo Joyce übersetzt und >>>> eingestellt. Jetzt einen Cigarillo noch, zur Neige des zweiten Latte machiatos, den ich in der Erregung schließlich vergaß. Schmeckt auch kalt. Und nunmehr: eine Stunde schlafen.
albannikolaiherbst - Dienstag, 18. September 2012, 13:30- Rubrik: Arbeitsjournal
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