Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Von D. L. (Zur Bildung. Abermals wikipedia.)

Bei der Frage, ob wikipedia, ob Brockhaus, geht es letztlich darum: Glaubt man lieber den Vielen oder den Wenigen, die über Macht verfügen? Diffundiert sich aus dem gesammelten Vielen nicht letztlich ein verläßlicheres Wissen als aus den macht- und marktpolitischen Interessen derer, die für Lexikoneinträge sowohl die Aufträge vergeben als auch sie erhalten? Ich muß nur an meine Erfahrungen mit Universitätsprofessoren denken: wie viele darunter sind, die signifikant weniger Wissen haben als ich, aber - anders als ich - das gesellschaftliche (also machtinteressengefügte) Ritual der entsprechenden Universitätsabschlüsse absolviert haben. Gar keine Frage, daß es unter Professoren große, ja bedeutende Ausnahmen gibt, das (geisteswissenschaftliche) Gros aber erblaßt selbst in seinem Fachgebiet gegenüber leidenschaftlich interessierten Laien ganz erschreckend. Und ist dann erschreckt.

Morrigain (4). Arbeitsbemerkung und direkt daraus in die Erzählung.

Ich könnte diese Erzählung aus dem Character des Weblogs herausschreiben: immer wieder nur einzelne unverbundene Passagen, die ganz bewußt darauf verzichten, einen steuernden Zusammenhang herzustellen, die einander vielleicht sogar widersprechen, sei’s in der Handlungsfolge, sei’s in den Zuschreibungen. Sondern Episoden aus Melissas Leben, wie sie mir jeweils an den Tagen einfallen, da ich das Gefühl habe, es müsse ein neues Fragment formuliert werden. Tatsächlich geht mir Melissa immer mal wieder aus dem Kopf, aber taucht unversehens drin neuerlich auf. Wie eben jetzt. Da ich mich erinnere, daß sie einen Abscheu geradezu gegen die Schrift entwickelte oder vielleicht immer schon hatte. Es wäre aufschlußreich, mir ihre alten Schulhefte anzusehen; vielleicht sind ja noch welche da. „Warum schreibst du so viel?“ fragte sie mich vor drei Jahren. „Du stellst damit doch alles fest, fixierst es. Wozu soll das gut sein? Es nimmt dem Leben die Wandlung.“ Deshalb verkaufte sie ihre Bilder auch immer nur unter Eigentumsvorbehalt; das wurde vertraglich geregelt, selbst bei kleinen Blättern. Und sie nahm das Eigentumsrecht wahr, erschien bisweilen bei den Sammlern, hatte Farbe dabei, veränderte die Bilder wieder. Einmal zerschnitt sie eines: zog ein Küchenmesser und zog es dreiviermal durch Leinwand und Öl. In Fetzen blieb das Bild im Rahmen zurück. Das Bild zeigte ein Liebespaar: der Mann berührte die ungefähr gleichgroße Frau mit der Rechten an der Hüfte; so standen sie voreinander und sahen einander je über die Schulter hinweg. „Es ist noch immer nicht fertig“, soll sie gesagt haben, als sie ging. „Lassen Sie es so hängen.“
Das tat der Sammler nicht. Ich erinnere mich, daß er Oliver Senftmut hieß, weil sich an den Vorfall ein Prozeß anschloß, den freilich Melissa wegen der eindeutigen Vertragslage gewann. Senftmut schickte uns das zerstörte Bild zurück. „Dieser Idiot!“ rief Melissa aus, sie glühte vor Wut. „Jetzt ist alles dahin, jetzt ist das Bild wirklich nichts mehr wert!“ Und warf es auf den Müll.

Morrigain 3 <<<<

Bamberer Elegien (6). Zweite Elegie im Entwurf (Fortsetzung).

Frühe mythische Ängste, an Dämonen gebunden und Frauen,
gute, ersehnte (sind sie Reflexe der vorgeburtlichen
Mutter, als sie P e r s o n noch nicht war, sondern uns Körper
unseres eigenen Körpers? Umleibung und in der Nährung
Teilkörper wir?), wirken, Bilder eines alten Instinkts,
schützend weiter nah wie vergangenes Echo, das anhaltend
nachhallt, fern im Massiv unsres Kopfes. Es kann nicht hinaus,
weil die Schädeldecken es halten. Wehr es nicht ab!
W i s s e jedoch um die Prägung! Und wisse ihr Recht. Wie soeben
eingerissen und grell, aus windzerfetzten Wolken
Anahit aufsteigt, doch steigt sie nicht, sondern wir drehn uns drunter:
all die schlummernden Dächer, all die erwachenden Wipfel.
Ganz so genau kenn deine innere Astronomie zwar,
Und halt dennoch am Sonnenball fest als der Göttin Erscheinung.
S i e ist das Nahe, nicht ihre Begründung ist's. Dennoch gilt sie.
Gott ist nicht, nicht sind es Götter, nicht leiten Geister
Schicksal und Erde. Aber sie kleiden Welt in Schönheit,
Anahits Schönheit, ohne die wir verarmten. Wie karg würden wir!
Wären zugleich doch, n u r in ihr, haltlos entbeint und verloren:
flammend ging Semele auf vor Jupiters herrlichem Anblick.
Wir aber träumten, uns zur Wahrung: Asche ward Weinstock.
Wurden Prometheus und ließen ihn in uns fruchtbar von der Leine Kette,
unsren befreienden Willen, stolz wie Luzifer gegen
Götter und Bestimmung. Erfanden stirngesenkt den Asbest,
Naphtha, Polypropylene und künstliche Frucht. Und
graben ein schwarzes flüssiges Gold aus den Wüsten
hoch ans Licht, in die es aus guten Gründen gesperrt war:
infertile Utren schlossen es weg vor der Nachwelt,
die es nun, chemisch aufgeschlossen, verklappt und uns selber.
Altöl ertränkt das bleibende Tier in ergrauenden Meeren.
Wurm nicht wieder zu werden noch Pflanze, wenn wir sterben,
ausgenommen zu sein aus den währenden wandelnden Zyklen:
Alle Wissenschaft, letztlich, ist Erhebung gegen die Herkunft,
ist ein mit Wissen bewaffneter Krieg. Sohn gegen Vater,
Männer gegen die Mütter, in denen das bleibende Tier noch
Wirkt. Ist Zeugung. Empfängnis aus trainiertem Schenkel.
Wirkt. Der Logos ist Empfängnis aus trainiertem männlichem Schenkel,
Kopfgeburten gebiert er wie Athene Parthenos Zeus:
Fruchtlos hell, ihm fehlt das ungeschiedene Dunkle,
dem sich doch alles, was ist, verdankt, was noch wird und was atmet.


1 <<<<
>>>> BE 7
BE 5 <<<<

Bamberger Elegien (8). Zweite Elegie (ff). Entwurf des Endes.

Dennoch b r a u c h e n wir Formeln. Zwar nehmen hinfort sie
Wesen und Wert der Geschöpfe, subtrahieren sezierend
Ihren Character, doch wir sind befreit und betrachten verfügend:
W i r tun hinzu nun, aus uns, was die Wissenschaft ihnen genommen.
S o bleibt das bleibende Tier. (Einer frug mich, wie es gemeint sei.
Indem es bleibend ist, sagt’ ich, ist’s schon gegangen, aber
v e r gangen nicht. So beschwör ich’s. Um es erinnernd zu halten,
brauchen wir, was wir so meiden: Gefahr. Herkunft ist Teil sein,
Unfreiheit, Bindung an Chemisches. Sie löst die Seele auf in
Psychophysik. Stolz erwehren wir uns, doch verenden
Psychophysik. Stolz opponieren wir, doch verenden
ohne das bleibende Tier in grundloser Leere - allein.
Nämlich ist Herkunft auch ein vertrauter Geruch, ist die
heilende Zunge eines guten nahen Geschöpfs, das dich leckt.)


2 <<<<<
>>>> BE 9
BE 7 <<<<

Bamberger Elegien (7). Allgemeine Überlegung.

Erst einmal die Elegien streng im Versmaß - nur Hexa- und Pentameter – ausformulieren (ich weiß noch nicht einmal, wie viele dieser Langgedichte es denn werden: momentan sind Zeilen für f ü n f Elegien notiert). Es soll rhythmisch wirklich alles stimmen. Dann damit beginnen, Einzelnes bewußt aus den Zeilen herauszustreichen, bis manche Strophen fragmenthafte Leere vermitteln, uns und den Wörtern: Ungewisses, Tastendes. Das wird den Hohen Ton pragmatisch ausdünnen.
Das wäre die erste Überarbeitung. Und die zweite:
Was dann stehengeblieben ist, abermals durchrhythmisieren. Bis sich Schwellung und Bescheidung organisch durchgestaltet haben. Wichtig wird sein, daß die Herkunft aus dem Hexameter spürbar bleibt, ohne daß er selbst direkt noch klingt. Er soll nichts als die Erdung sein, die wir doch gar nicht mehr sehen, eben das „bleibende Tier“, das wir so sehr negieren.

Ah- jetzt hab ich den Titel! Wie einfach es ist! N i c h t ANAHIT, sondern

DAS BLEIBENDE TIER
E l e g i e n.
Bamberg und Berlin.


[ANAHIT werd ich aber erst einmal noch als Arbeitstitel lassen.]
>>>> BE 8
BE 6 <<<<

Nebelkammer (3). Spectrum Berlin, Technikmuseum. Argo. Anderswelt. (262). Zur Revision des Anfangs der Coda. Zugleich ein Beitrag zur Schärfung der Imaginationskraft der Leser.

Hier schoß aus der Nebelkammer das Thetismeer und ergoß sich aus den Fenstern des ersten Stockwerks, schon aus sämtlichen berstenden andren auf den Parkplatz.spectrum-1
Aus dem Eingang flohen in Panik die Menschen, rannten über den Platz.
spectrum-2spectrum-3spectrum-4
Unheimlich folgte ihnen die Flut. Sie rannten schreiend die Treppe hinauf auf die Brücke…
spectrum-5spectrum-6spectrum-7spectrum-8
Thetis floß zum Halleschen Ufer und zwischen den Bäumen zur Fahrbahn und über sie in den Landwehrkanal.
spectrum-9spectrum-10
Und endlich: - versiegte.

>>>> ARGO 263
ARGO 261 <<<<
Nebelkammer 2 <<<<

Ja, man g e w i n n t eine Frau mit der Dichtung.

Aber man h ä l t sie mit ihr nicht.

(CCCCXI).

Steuererklärung.

Ich wühle in hundert Belegen.
Da steigt tränt es aus ihnen. feucht dDer Tau
läßt Quittung und Zettel im Blick verschwimmen.

Corsa semplice:
Fahrschein aus Neapel.
Siate felici.

Die nichtgeliebte dort-Geliebte
leg ich zum Reisekosten-Stapel,
nun bist absetzbar, ach Ausgesiebte!

Über dir Durch dich wie allen andren glimmen
die währenden Blicke meiner verlorenen Frau.
Währende Kränkung e u c h. - Mir wehster Segen.

„Experiment Ficken“ (1). Zu „Ficken“ und „Pornokunst“. Rezeptionspsychologie. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (67).

Nun ist >>>> d a s* auf nahezu 10.000 Leser gekommen, doppelt so viele wie >>>> d i e s e s. Andere nicht direkt sexuell konnotierte DschungelBeiträge hingegen schaffen die 4500er Grenze n i c h t, was einerseits aufgrund der kaum zählbaren Lock- und Verweiswörter, die aus den unterdessen 7143 DschungelTiteln auf zum Beispiel Google wirken, als Leser-Diversifizierung verständlich ist, andererseits >>>> die Gegenwart des bleibenden Tieres erhärtet. Denn die Lust an - und sei’s nur vermeintlicher - Pornographie ist ja, wie Sexualität insgesamt, ein Reflex der E r d e. Insofern ist es unabdingbar und gut, sie in nahezu allen Bereichen auch des Denkens nicht nur nicht zu verleugnen, sondern allgegenwärtig im Auge und Herzen zu haben; tatsächlich treibt auf der Rezeptionsseite offenbar s i e das Netz an, wie es auf Seiten der Produktion Militärforschung und Polizei-, bzw. Sicherheitsapparat tun, bzw. deren Gegenkräfte durch zivilen ‚hackenden’ Ungehorsam. Es bewahr(heite)t sich der Venus’ Verbindung mit Mars – eine kulturell ungebrochene menschliche Kontinuität von ganz ähnlicher Valenz wie die Paarung perfekter Schönheit (und Perfektion überhaupt) mit Tod. Lediglich die Ausprägungen differieren, also w a s als erotisch, bzw. schön erlebt wird; das Phänomen selbst b l e i b t. Was übrigens beruhigen kann, weil es bedeutet, daß uns die Verbindung mit der Herkunft noch nicht verloren ging. Jede Diffamierung dieses Sachverhalts als ‚Sexismus’ ist fatal.
Um neue Leser zu animieren, scheint es also geschickt zu sein, j e d e n neuen Netz-Artikel gerade einer Literarischen Publikation möglichst bereits im Titel mit dem Beiwort „ficken“ zu versehen – ein Experiment, das ich nunmehr für ein paar Wochen durchführen und anhand der referrer-Statistiken veri-, bzw. falsifizieren will. Das ist k e i n ironisches und schon gar kein meine tatsächlichen und/oder möglichen Leser moralisch entwertendes Unternehmen. Sowieso nicht, da Die Dschungel von allem Anfang an auf der Gegenwart und Notwendigkeit eines nicht-sublimierten Eros’ beharren. Vielmehr wollen wir wissen, inwieweit diese großartig-irdische und zugleich circe’sche Lockung fähig und willens ist, sich auf bewußtes Terrain zu begeben, um darin intellektuell und überhaupt fruchtbar zu werden (‚reiner’ Netz-Sex ist hingegen infertil). Und ob sich möglicherweise - und wenn, welche - Diskussionen ergeben. Dies liegt ganz in der offensiven Linie Der Dschungel, Verdrängungen aufheben zu wollen und den verschleiernden Mechanismen entgegenzuwirken: Dazu s t e h en, was man ist. Und es g e r n sein. Es s t o l z sein. (Interessant dabei ist allerdings die Allgemeinheit des Suchbegriffs: Wer i s t das, der in Suchmaschinen das Wort ‚ficken’ eingibt, anstatt bei dem, was er - oder sie? - sucht, präziser zu sein?)

[*: Per 2. 4. 2009: 28.905 Zugriffe.]

(Experiment Ficken 1).
66 <<<<

Die Dschungel öffnen. Abermals das Tagebuch, nun vielstimmig. Zum Realitätsbegriff als einem der Wahrnehmung. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (68). Experiment Ficken (3).

Daß jetzt auch >>>> findeiss direkt in Die Dschungel eingreift - gefällt mir ausnehmend, vor allem auch mit dem Link über seinen Nick {der kein Nick, sondern Klarname ist}. Vielleicht wird der Zeitpunkt bald kommen, an dem ich Die Dschungel ö f f n e - für einige wenige, die dann ganz unabhängig von mir eigene Beiträge schreiben und ohne mein Placet in Die Dschungel einstellen dürfen. Das setzt ein sehr hohes Vertrauen voraus, aber wäre letzten Endes genau das, was Die Dschungel a u c h repräsentieren wollen: künstlerische und persönliche Vielstimmigkeit. Voraussetzung ist dafür ein hohes Niveau aller Beiträger. Und ihr gestaltender Wille.
Unter dieser Voraussetzung ließe sich >>>> das Tagebuch wieder aufnehmen: als eine Schriftenreihe im Netz, in welcher die persönlichsten Geschehen, aber unterschiedlicher Menschen, veröffentlicht würden, neben- bzw. untereinander. Allerdings könnte kein Leser sich je sicher sein, ob darunter nicht auch literarische Figuren sind, die von uns, den Tagebuchschreibern, erfunden und vor den Augen der Leser entwickelt werden. Da ich >>>> aus erklärten Gründen als Autor des Tagebuches zurückgetreten bin, ohne doch die Lust am Tagebuch verloren zu haben, wäre ich für die Gestaltung solch einer Fiktion der allererste Kandidat. Und die Dschungelleser gerieten in die Versuchung, auch tatsächliche Tagebuchschreiber für meine* Fiktionen zu halten. Das wiederum sicherte die anderen Beiträger, setzte ihnen die Maske eines insgesamt Erdichteten auf – weshalb sie ganz besonders frei agieren könnten.

{Das Possesivpronomen ist beliebig!}
[Poetologie.]

>>>> 69
67 / Experiment Ficken 1 <<<<

Bamberger Elegien (10). Dritte Elegie (1). (Entwurf des Anfangs).

Was ist die Schönheit? Bedroht sie uns nicht, ist sie leer, reine Fläche,
Hat sie Geheimnis indes, erfüllt es lockend nicht sie nur,
Uns erfüllt’s auch und f ü l l t uns, die wir’s so sehnend begehren,
s e h e n d begehren. Nicht ablassen können wir mit den Augen,
fahrn ihr Dir dahin über Ohren und Brüste, im Schoß ihr Dir versenkend
ahnungsvoll witternd die Blicke. Gierig zugleich wie beschwörend,
beten allein ihren Deinen Fuß wir an, jeder einzelnen Zehe
Nagel, den Perllack, der Perlmutter schimmernde Mutter.
Sie hebt Du hebst den herrlichen Kopf. Ihre Deine Kehle entblößend, lockt sie lockst Du,
f o r d e r s t das Raubtier in uns, sie Dich zu reißen, aber verhöhnst uns,
da wir’s nicht können, sondern versagen – weil wir wissen,
s i e Du beißt zurück, hast die stärkeren, schärferen Zähne und nutzt sie.
Wirkliche Schönheit kennt nicht Moral und nicht schützende Hemmung:
Wer erreicht mich? ruft sie statt dessen, wer sieht mich und wagt mich?
(Immer noch fährt unsre Zunge feucht ihren Deinen gliedrigen Nacken,
fährt entlang ihr Dir des seitlich gebogenen Halses Sehnen,
immer noch beißen wir nicht – ach unsre schändliche Feigheit!
Was für Produkte wir sind! Unzugegeben, die Träume
klebrig zwischen Backe und Backe heimlich verkneifend!
Wie wenig Ich! Dauernd um Zeugen besorgt und um Ansehn!)
Immer noch steht ihr Dein fordernder Blick im Raum, doch erlischt ihr Dir
voll einer Melancholie, die bitter und milde verachtet.
Jede Schönheit ist traurig darum, auch Anahits Schönheit,
deine. Du leckst am Geschmack einer kleinen währenden Blutung,
sichtbar nicht uns, aber schmerzhaft Dir auf der Lippe, Geliebte,
von einem Biß des bleibenden Tiers, das w i r ahnend scheuen.
Das wir zugleich in Deiner Schönheit verehren und brauchen,
ohne ihn, diesen Schmerz, noch selber spüren zu wollen
Deshalb sperrt Unantastbarkeit Dich so ein und quält Dich -
nicht, weil Du leer wärst! Sondern weil Du etwas geschaut hast,
Das Dein Körper b a n n t in seiner perfekten Gestaltung
Und in sich h ä l t: Das wütet in Dir. Du aber lächelst,
arrogant aus Vollendung, so lockend um Wollust wie leidend.

>>>> 2
0 <<<<
>>>> BE 11
BE 9 <<<<

Bamberger Elegien (9). Titelseite.

Alban Nikolai Herbst

DAS BLEIBENDE THIER

Bamberger Elegien. Berlin.

>>>> BE 10
BE 8 <<<<

Du schöne kleine Frau aus der Regnitz

daß ich es mir angewöhnte
nicht mehr zu baden in Flüssen
die durch die Stadt ziehn.

daß mir das selbstredend wurde
als hegte ich gegen Natur den Verdacht
und nicht gegen uns.

leicht schreckte ich deshalb zurück
da du so wundersam auftauchst
um mich wieder nach Hause zu rufen.

Autonomie.

Ist uninteressant. Sie ist für Pubertierende.

(CCCCXIII).

Bamberger Elegien (13). Vierte Elegie (1). (Entwurf des Anfangs).

Schmerz ist ein anderes noch, ein größter. Denn ja!: wir fanden,
h i e l t e n es aber nicht und versagten. Es kam so nahe,
nahm unsren Kopf in die Hände und küßte ihn lange. War d a uns.
Immer vergeht, was wir wünschen, wenn wir’s dauernd erhalten,
wenn es uns bleibt und nicht ständig uns fliehen will, um zu bleiben.
Das aber muß es tun, sonst verliert es sich gänzlich in Nöten,
die zu klein für es sind, so daß es sich duckt und erniedrigt.
Wie oft putzten wir Zähne gemeinsam, ohne zu merken,
d a ß wir das taten und w a s? und aßen sprachlos zu Abend,
abgerieben Aufmerksamkeit und das pochende Sehnen,
das uns zusammengebracht? In Alltagsläuften verschüttet,
ohne daß wir’s recht merkten. Gegessen von Sorgen um Miete,
Stromrechnung und Finanzamt, Hausordnung, täglichen Einkauf.
Wie aller bleibender Wert uns vergeht, wie Bleiben s e l b s t, das
Sehnsuchtsvolle, schwindet, w e i l es bleibt, das Ersehnte!
D o c h, wir merken’s! spüren diesen Verlust, aber schweigen.
Sprächen wir nämlich, auch das wär Verrat, der das Unheil beschwörte.
Denken wir und verdrängen’s. Und stehen plötzlich als Fremde.
Sehen uns an, und du gehst. Und ich bleibe und rase vergebens.
Erst der Verlust ist des Bleibenden Anfang. Wie wir schmecken,
nun, da du fortwarst und dadurch zurückkamst, zurückgefunden
uns in Herz und Geschlecht, deine guten Lippen wieder!
Wie umhüllt uns, Geliebte, als ein verwehter, erneut dein
Duft! Und beharrt jetzt, unerreichbar geworden in fernster
Gegenwart, n ä h e r als nahe in uns, so Abschied und Träne,
Wind so, der von der Terrasse hereinstreicht, allgegenwärtig,
aus der fließenden Regnitz’ tiefem Himmel gestiegen.
Wir sehen Kies und die Brüstung, drauf stummen Steines Figuren:
Allegorien, die dich abwehren möchten, doch dich grad reizen,
unmerklich singend heimzuwehen in dieses Zimmer.

>>>> 2
>>>> BE 14
BE 12 <<<<

Bamberger Elegien (11). Dritte Elegie (2). (Entwurf des Endes).

Das tut die Schönheit: Umhüllend erschafft sie Träume - entfernte,
das ist wahr. Denn nähern wir uns und wolln Dich berühren,
rufst Du abermals: Nimm mich! Nimm mir die Haltung, den Willen!
Rufst nach Beschmutzung, ja! nach Speichel, nach Kraft und nach Schlägen,
Dir die Besinnung a bzunehmen, die schwere, formale
Leuchtkraft, das Götzige Dir, endlich. Denn Schönheit ist einsam,
allem andren Vollendeten gleich. Sie braucht nicht ein andres.
Und braucht es d o c h. Darum ist Kampf Dein tiefster Geliebter.
Was Du nicht willst, was Dich verzweifelt, weil Du ankommen möchtest.
E r nur aber zerschlägt, was Dich derart erstarrt hat zu Marmor,
bis Du verlassenes Bild nur noch warst und nichts als Ikone,
innen die wütende ungerichtet tobende Schöpfung,
außen der Leib, der sie ruhend hält, elegant und harmonisch.
D a s ist’s, was wir bewundern, weshalb uns Berührung tabu ist.
Deshalb entweihen wir’s nicht, sondern lassen Dich stehen
in Deiner einsamen Blüte, bewundert zwar, doch so bitter.
Wir verschmähen den Austausch mit Dir, um selbst nicht, was D u trägst,
tragen zu müssen. Du sollst es tragen f ü r u n s. Versteh uns!
Wir sind zu häßlich, des bleibenden Tieres Chaos zu zähmen.
D i r drum genüg’! rufen wir, genüge doch, Schönheit, dir selber!
Niemanden brauchst Du als Dich! Was wollten wir Dich betrachten,
w ä r dem nicht so? Du wärest bedingt, wie es wir sind. Und hilflos.
U nbedingt sollst Du sein! (Wie kannst du wagen zu hoffen?
wie es uns zeigen? – Gibt Schönheit sich hin, halten wir uns schadlos:
machen uns lustig, verhöhnen sie, bis sie kleingekriegt jammert.
Bleibst drum besser Madonna.) Wir beten dich an in
Schauspielerinnen, Sängerinnen, je entfernter, je besser.
Die erreichen wir nicht, sie nicht uns, so genügen wir jedem:
Alltag, Moral und Begehren. Eine alte Bewegung ist es,
uns überkommen. Ins Maul des Begehrens steckst du die Kandare.
Ungezähmt ist das bleibende Tier, nur s o darf’s uns bleiben:
angeschirrt oder von Deiner Gestalt, Anahit, ganz erblindet.
Nicht springt es los, dich zu jagen, nicht wirft es dich nieder erbarmend,
Nicht zerstückt es dich zwischen den Klauen, stößt zeugend z u nicht,
Nicht zum Teil macht es Dich, das in anderen Stücken sich findet,
sterblich und fruchtbar, geschunden zwar, doch heimgekommen.
Nein. Er bleibt unerbarmt, fern uns und allem, Dein Schmerz auf der Lippe.

Stehst auf dem Sockel, Museum, Saal fünf. Läßt Dich betrachten.
Ich rieche Weihrauch, das Licht ist gedimmt. So schauen wir flüsternd.
Argwöhnisch sind die Wächter dem, der nicht betet, wie Küster.


1 <<<<
Das Mittelstück der Elegie wird zurückgehalten.
Nur dies vielleicht noch:

(/--/-/-) Schönheit ist darum Einspruch.
Weiblich, immer, ist sie darum. (-/-/-)


>>>> BE 12
BE 10 <<<<

Wirklichkeit.

Ist Rezeptionswirklichkeit. Was wir wahrnehmen, w i r d sie.

(CCCCXII ).
[Hierzu abermals Dalí:
„Wer lange genug Genie spielt, wird eins.“
(Dieses hintertragene Zitat verdanken
Die Dschungel >>>> Marcus Braun.)]

Bamberger Elegien (15). Jan Süselbeck, Brett Easton Ellis, die Ironie und das Pathos.

JS an ANH
Hallo Herr Herbst, sind Sie noch irgendwo da draußen?
Herzliche Grüße, Ihr Quälgeist
ANH an JSlacht bitter. Bin ich. Und schreibe >>>> Elegien.JS an ANHWie rührend, welch' Poesie!
Und wann zerlegen wir Ellis' 'hippes' Getue? Gar nicht mehr?
ANH an JSWar das jetzt ironisch?
Wir zerlegen, sowie es geht. Wir müssen Prioritäten setzen. Zu denen etwas gehört, was mich >>>> das öffentliche Tagebuch schließen ließ. Worüber ich kaum sprechen kann. Nur mit engsten Vertrauten. Es kostet all meine Kraft.
JS an ANH(Ironie?) Weiß ich nicht, habe natürlich nur überflogen und auch gerade keine Zeit,
genauer zu lesen, sorry. Merkwürdig salbungsvoller Sound, jedenfalls. Elegien eben.
ANH an JSSalbungsvoll nicht, sondern Pathos. Es wird Zeit, daß dieser Germanistenfetisch einer hämischen Uneigentlichkeit, genannt Ironie, was in die Schnauze bekommt. Niemand stirbt ironisch, niemand trauert ironisch. Psychoanalytisch formuliert, ist Ironie eine Reaktionsbildung, also unbewußte Abwehr.

>>>> BE 16
BE 14 <<<<

Bamberger Elegien (14). Vierte Elegie (2). (Entwurf der Fortsetzung).

Ganz, ach!, legst du dich a u f uns, u m uns, bis wir dich atmen,
n i c h t s mehr als dich. Und wir weinen, plötzlich, es weinen sich Tränen,
um deren Anlaß wir weder noch wissen noch wissen wollten:
hatten wir uns nicht gelöst, auch endgültig innen?
Schluchzlose Tränen sind es, langsame, stille, die nicht Wille
laufen läßt: als wär etwas leck uns hinter den Lidern,
weniges läuft nur, doch das rinnt wie Wasser über die Wangen,
willenlos traurig. Weinen denn wir diese Tränen? D e i n e
sind’s, die d u weinst in uns und u m uns, worin du daheim bist,
ohne daß du’s noch wärst, und wir sind’s in d i r noch geblieben.
Derart bin ich dir nahe, daß ich die Ferne nicht fasse,
singst du. Wir lauschen wehrlos. Es weint uns weiter. Wir sitzen.
Hören dich an, einen Nachhall aus Wäldern, in die wir verirrt sind,
Quellen, tief versteckt in der Klamm, ach! unsichtbar rufend:
Komm! So hör mich doch, komm! Und du willst. Doch suchst ganz vergeblich.
Da versiegt es. Als wir sie öffnen, trocknen die Lider.
Fragend spüren den Spuren wir nach, dehydriert, nicht verdunstet
fühln sie sich an, als bräch uns, wo Tränen liefen, die Haut auf.
Niemand mehr singt. Vergessen spielt Sonne auf Kies und auf Bänken,
blitzt in den Tröpfchen, die, ihr zur Kühlung, der Regenguß daließ.
Rückwärts geflossen zu sein schien die Regnitz, uns durchspülend
gegen die Zeit, und schwemmt’ dich ganz heraus mit den Tränen.
Nichts war’s als Täuschung. War es nicht. Denn an anderen Tagen
kehrst du zurück, wieder und wieder, Geliebte, singend,
duftvoll aus einem Bild, das wir schaffen, indem wir es sehen,
unbereit, wie wir sind, und nicht für Erfüllung bereitet.
Darum klagt es, was sich erkennt, bereits, wenn es jubelt.
Weil es das weiß. Unerkannt werden Nöte Begehren.
Nehmen zur Frau die Mutter, eine für Kindheit vermißte,
schaffen, Geliebte, dich, die ganz anders war, u m und verliern es.
Sehen nicht mehr, wie d a und w i e da du bist und wie innig
uns dein dunkles Haar umstreichelt’, als du uns liebtest,
wir in dir und, auf uns, du zu unserm Gesicht dich
niederbeugtest, es zu liebkosen. Ach wie vergangen!
Ach wie so immer noch da! Wie so wieder und wieder. Bleibend.
Endlich. In solcher Verlassenheit. Bleibend. Derartig fehlt’s uns.

1 <<<<
>>>> BE 15
BE 13 <<<<

Ungaretti übersetzen. (1). Soldati.

Soldaten.

Wir fallen
wie im Herbst
von den Bäumen
die Blätter
Soldati

Si sta come
d'autunno
sugli alberi
le foglie
Diskussion und Anlaß bei >>>> parallalie.

Geht die Verlagsbindung verloren.

Zerfällt der Werkgedanke. Nicht mehr kommt es auf den Zusammenhang an, sondern aufs einzelne Buch – das partikulierte und als solches jeweils im Markt plazierte. Es geht um product placement, nicht um kulturelles Erbe, das – als Bewegung der Tradition, als Beharrendes also – dem Warencharacter entgegensteht. Ware muß austauschbar sein, flexibel, letztlich ohne Bleibendes. Es soll sich erschöpfen, ‚leer werden’, damit neuer Bedarf entsteht.
Autoren, die ihre Verlage wechseln, nicht aber ihr ganzes Werk mit hinübernehmen, die also freiwilliger- oder gezwungenermaßen diejenigen aufsplittern, von denen ihre Bücher gegenüber dem Markt und der Öffentlichkeit vertreten und präsent gehalten werden, riskieren, spätestens nach ihrem Tod vergessen zu werden. Denn weshalb sollte ein Unternehmen, das von einem Autor sagen wir drei Bücher hat, ein anderes hat aber vier und wiedernächstes ein weitres, den Autor als solchen bewerben? Das Interesse des Verlages ist allenfalls das Buch, das er vertritt: Werbung für das W e r k bedeutete hingegen Werbung für die Konkurrenz. Vor allem Werk- geschweige Gesamtausgaben neuerer Dichter sind vor allem aus Kostengründen nicht länger interessant, da doch Lizenzen an andere Häuser bezahlt werden müssen.
Freilich ist der Werkgedanke an sich längst widerökonomisch: wo eines bleibt, sagt uns Aristoteles, da kann nichts anderes stehen; ein Werk nimmt neuem Absatz Platz weg. Insofern ist ein Werk immer Widerstand (eine Kategorie, die so unmodern wurde wie die Theorie, die sie ausformuliert hat, unmodern wie Kapitalismuskritik insgesamt und unmodern wie Anti-Pop). Die wenigen Dichter jedoch, d e n e n an Widerstand noch gelegen ist, sind in verzweifelter Lage. Denn auch, w e n n sie ein Werk im Auge haben und nicht nur jeweils das Saisonbuch - und daß man profitabel es selbst schreibt -, können sie es nicht mehr zusammenhalten. Und niemand anderes tut es für sie. Der Verleger, der für ein ästhetisches P r o g r a m m stand, ist längst von Managern abgelöst, die arbeitsteilig handeln und selbst dann, wenn ihnen an Werken gelegen ist, diese mit anderen Managern, etwa kaufmännischen Leitern, abstimmen müssen; auch hier schaden demokratische Verfahren der Kunst. Profitabilität steht an erster Stelle. Das ist verständlich. Doch i s t ein Werk nie profitabel, allenfalls einzelne Bücher sind es. Dies galt schon für Goethe, galt für Döblin und den vergessenen Hans Henny Jahnn. Daß wir diese Autoren als Werk in unserem Kulturgut behalten haben, verdanken wir Verlegern und je dem erloschenen Urheberschutz. Die neue Situation gibt kein weiteres neues Werk hinzu, die Bewegung ist in den Stillstand gefahren. Wir können einen Strich drunter ziehen.
Oder wir sind geschickt. Und legen die Romane so an, daß keiner ohne den andren verständlich ist. Dann leidet zwar die Marktgängigkeit des einzelnen „Produkts“, aber der innere ästhetische Zusammenhang einer Literatur bewahrt sich über die Grenzen der jeweiligen Editoren hinweg. Die Bücher zeigen mit den Fingern von einem Haus in das nächste. Allerdings macht solch eine Konzeption Profitabilität von vornherein unwahrscheinlich, und der widerständige Autor läuft Gefahr, nun g a r nicht mehr zu erscheinen. Zumal, wenn ohnedies ein ganzes Kunstsegment stirbt: das der erzählenden ‚Ernsten’ Künste. Das sind die, die es ernst meinen.
[ICE Bamberg-Berlin.]

(Die Rolle des am Markt verabschiedeten Verlegers hat in wenigen Fällen der Stifter übernommen, etwa >>>> im Falle Arno Schmidts. Da nur liegt Hoffnung.)

Ungaretti-Variationen. (1). Ehrenmäler.

>>>> Für Raymond Prunier.
sie hängen
wie Blätter
an Bäumen
im Spätjahr




Thema <<<<

Autonomie.

Hat in der Liebe nichts zu suchen.

(CCCCXIII).

Schneegeworden

nicht grau sondern Granvlies
mein Haar auf der Brust
nehm ich das Versmaß zur Haltung

Baumblut in Silber gefaßt*
darunter noch dunkel
das Flaumfell und voll
bis zur Zeugung hinab
[*) anderswo verwenden.]

Denn es gehet dem Menschen wie dem Vieh.

Und tragen einerlei Turnschuh.
[S1, Richtung Wannsee.]

Bamberger Elegien (17). Die fünfte Elegie (1). Entwurf des Anfangs.

Autonomie ist des Tieres, doch nicht des bleibenden, Erbteil.
Schützt Mikrobe und Nest, fühlt Ich, weil es Eindringen, feindlich,
abwehrt, auch wo’s Ich n i c h t fühlt, weil das Vermögen zu denken
fehlt. Die Leukozyte genau so. Leukozytisch
darum ist alle Autonomie. Hält für Fremdes
Nächstes noch. Braucht, sagt’s, seinen Abstand. Warum denn?
sagt: damit i c h ist - w e r sonst, w i e sonst könnte ich lieben?
was lieben? du nicht w ä r e, wäre ein Ich nicht, das liebte.
(Stehst so kühl in der Tür und wissend, lächelst versöhnlich,
wund hab ich Blicke und Atmen gemacht, die durch mich atmen wollten,
damals, als du noch glaubtest, d a u e r n d sei die Verschmelzung.
Nie verzeihen wir, waren so offen wir, warn so geöffnet:
Frauen besonders, denn, schreibt ein Freund, sie öffnen die Leiber
wirklich, tatsächlich. Und lassen den Eindringling in sich, sie füllend
bis an den Mund, der sich auftut, ihrer nassen Bereitheit
Leben zu geben, das nie gänzlich ihres, das immer auch fremd ist,
Fremdkörper derart, daß erst ihren Körper es, dann ihr Umfangen
gänzlich flieht: ihr seelisches. Mutter zu sein heißt verlieren.
Möchte da nicht zumindest der Mann ihr bleiben, e i n Ungeteiltes?
weil es geteilt ist alleine mit dir? so ins Blut dir gewoben?
Das denken Mädchen. Deshalb bluten ihre durchstoßenen Hymen,
als leukozyt sie noch waren, das Innre dem Äußeren wehrend,
aber bereit schon, sich zu zerreißen: b l i e b e das Tier denn!
Nun aber ward es Autonomie. Die deine. Im Treppenhaus
steht sie und sieht mich und selbstbewußt weint sie, aus Notwehr
Selbst geworden, nicht. Wir sprechen nicht drüber. Nicht dein Verräter,
ich, und du nicht, verraten. Trambahn-Kreischen durchs Fenster.
Wöchentlich werden die Stufen gewischt. Heute. Sie glänzen.
Wie ich das fliehe! „Ich liebe dich.“ Sitz an der sinnenden Regnitz.)

(1).

>>>> BR 18
BE 16 <<<<

Ungaretti-Variationen (2). „...jahrlang ins Ungewisse hinab“.

fällt Blatt für Glieder
gleich von Lepra hinab
aus dem Ungewissen
jahrlang von Bäumen

A n y news is good news. Brett Easton Ellis. Lunar Park (2).

Würde das schlechte Buch als ein schlechtes nochmals besprochen,
wüchsen Ellis’ beklagte Millionen noch an.
[Distichon 12.]
[Beginn des öffentlichen Briefwechsels über „Luna Park“ für >>>> lieraturkritik.de.]

Bamberger Elegien (18). Die fünfte Elegie (2). Auszug aus der Fortsetzung, Entwurf.

N e i d i s c h ist Gott und verblasen, kann saftlos zeugen durchs Ohr nur,
dürre Gebilde, die in uns Männern die Marter genießen,
Märtyrer, alle, sind wir, der Ruhm ist die Sonne des Helden*,
immer alles als ob – als ob uns gebären ließe,
wenn wir uns opfern. Für was denn? Wir opfern in Wahrheit die Frauen,
deren Schmerz wir fruchtlos kopieren, Totgeburten
gleich gebärend Totes, dauernd, und bejubelt
nur von uns selber, selbsterhoben über die Frauen.
Ahnen sie’s? Ich steh im Flur auf den Stufen. Du lächelst.
Flüchte nur die Treppen hinab! Sie ahnen’s, nein sie erfuhrn es!
Wissen bitter pragmatisch: geben wir uns völlig,
r e i ß t ihr uns völlig. Und haben nicht Nachsehen drum, sondern Elend.
Alle sind sie verlassene Mädchen. Und w e r d e n’s wieder.
Ausgeschabt wirft der Gott sie hinweg, sich des bleibenden Tieres
physikalisch und sich unsrer bedienend, die es doch fliehen.
S i e halten es, die Frauen, nicht wir! Sind davon v i e r f a c h verraten.
Könnt ich doch sagen, es werde anders! daß ich’s beschwörte
und du mir glaubtest! Ich kann’s nicht, verwundet wie du, doch am eignen
Ungenügen. Nicht einmal meine Trauer dir zeigen
mag ich noch, gab dir genug: zugleich Prophet der Verschmelzung,
glühend so, unserer, ach!, und doch schon emsig Vollstrecker
ihres Bankrotts. Und merkte es nicht, nie s p ü r e n’s wir Männer,
wie wir Organe, tödliche, sind, unsrer eigenen Sehnsucht,
schweifend, wie das bleibende Tier in uns ist, und der euren.
(„Jeder neue lover, wenn er das erste Mal eindringt,
infiziert uns“, sagt mir die Freundin. „Fast immer Mykosen,
Ureteritis sehr oft, kaum je bleibt es nur eine Reizung.
Manchmal sind’s Trychomonaden. Nicht so sehr schlimm, aber lästig.
Deshalb fragen wir immer: Ist es das wert?“ So achtsam,
leukozytisch, ganz Abwehr, ist die weibliche Seele.)
[*) Trotzki.]


>>>> BE 19
BE 17 <<<<

Ungaretti-Variationen (3). „Vater aller Dinge“.

Wangen zur Weide
wehen wie Laubwerk
Füße und Finger
Ohren und modern

Ungaretti-Variationen (4). Auferstehung.

es kehrt nichts
frühjahrs heim
kein Blatt und
kein Finger
 



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