Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Bamberger Elegien (42). Zehnte Elegie (2). Aus dem Entwurf der Fortsetzung.

Dafür sind, die nicht mehr Mütter werden, geliftet,
und sie sehen, geshaped, als wären sie fünfzehn, den Tod an;
flirten, ohne daß sie es merkten, mit dem Kristall, dem
lebenslänglichen Schnee konservierter Jugend und ebenso
kalt, verklärten Moorleichen gleichend, den Mumien Ägyptens,
aber nicht, hoffen sie, denen selbst, den D e c k e l n vielmehr auf
Sarkophagen. Zum S t e r b e n sind sie schön geblieben.
Anders nicht in Palermo Schneewittchen: Rosalia Lombardo,
immer noch schläft sie, nach einhundert Jahren, in ihrer Kindheit,
und sie spürt nichts und kennt kein Vergessen darum, nicht Nähe,
Gegenwart nicht: kein Erbarmen läßt ihr Brüste wachsen,
Milch schießt nie darin ein und tropft nicht, nie wird eine
Eichel ihre Lippen berühren und, sie durchstoßend, entfalten;
nie wird Frucht in ihr werden, nie wird das Kind sie anschaun
und die Mutter in ihr, und wird nie hegen, nie schelten,
niemals Angst verspüren, nicht Wollust, nicht Hunger,
Krankheit nicht, noch Genesung, nicht die Spuren davon
in einem Spiegel sehen und sehn: ich lebe, leb weiter,
und ich will auch, daß man das sieht und daß aus dem Hörer
meine Tochter mich fragt: ähm, Mama, kannst du heute
abend den Jungen mal nehmen? wir möchten so gern ins Konzert gehn…
Ach, Rosalia, bambina! Wie kann einer vor deinem Sarg stehn,
und er weint nicht? weint nicht der Vergänglichkeit halber,
um die du betrogen bist und darfst nicht mehr aufstehn
in einem andren, in a n d e r e r Leben? Unerfrischt bleibst du,
unumgegraben, bildhübsche Devotionalie der Starrheit,
fremden Zuschauern puppige Rührung bereitend; süßlich
denken sie, sehn sie dich an, gefälscht und flach ihrer Kindheit,
gleich der replikanten Schönheit, der, daß ihr Milch fließt,
unangenehm ist, zu wenig aseptisch und nicht hygienisch
ihrer Karriere, und sowieso: Schadstoffbelastung; besser
Milchpulver nehmen, da stehen die Brüste jungfräulich weiter,
prall vor Erwartung, und werden nicht ausgesogene Titten.

klinisch gereinigtes Milchpulver nehmen, dann stehen
jungfräulich auch die Brüste, prall vor Erwartung, weiter,
hintergangen zwar, doch werden nicht ausgesogene
Titten, denen kein chirurgischer Schnitt noch aufhilft.


>>>> BE 43
BE 41 <<<<

"Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht." Samhain ff.

Die-Strahlen-der-Sonne-vertreiben-die-Nacht-011106

Pettersson-Requiem (31). CDs herstellen. Versonnene Nacharbeit.

Pettersson-CDs-herstellen-021106
[Beethoven, opus 110, Fuga. Arrau.]
>>>> AP 32
AP 30 <<<<
>>>> CD des Pettersson-Requiems.

Bamberger Elegien (43). Zehnte Elegie (3). Entwurf des Endes.

Trollhaft angeschwollen die Backen, so h ö h n i s c h blasen
halb sie, halb blasen sie uns z u g e t a n, dramatisch unstet,
sensationelle Gesellen, durch die Troposphäre
über Regnitz und Garten, über Terrasse und Bamberg
ganz dahin und ziehen weitre Wolken, dunkler
noch, sich nach: ein aufgetürmtes Eisblei, das, sich
sträubend, wütig einen Hagel auf uns herunter
stürzen läßt. In Panik, Sohn, wehen trockne Blätter
flüchtend vor diesen Panen herein durch die Tür der Terrasse.
Nachrutschend liegen sie hier, ganz erblaßt durch den Schrecken, am Boden,
weinrot auch er; aber sie, von der Sonne, haben sich ihr Gelbes,
das langsam braun wird, zum Sterben geborgt, das Goldne von morgens,
das in ihnen, als wären sie Splitter der Fenster, worin es
derart geglüht hat, erlischt wie in zu schnell erblindeten Spiegeln.
Und diese selbst, Gesichter, durch die ein haarfeines Rißnetz
aufknisternd eilt, zerfallen rostgleich in staubende Sande
und sind dennoch gerettet, harren nicht in Vitrinen
ihres betrachteten Vakuums derer, die auferstehen
n i c h t konserviert und tragen die Male der Leidenschaften
noch in den Zügen, verschlafen entrückten; benommen ziehn sie,
an den Vitrinen vorüber, langsam aus dem Samhain,
wissen’s noch nicht, doch erwachen, sehn nicht zur Seite, entziehn,
sich und passieren, weitergelockt in neue Morgen:
Jenseits der Regnitz steht überm Hainpark, entzündet leuchtend
hinter den schwarzen Silhouetten der Bäume, orangen
unter hellerem Gelb, ein Streif Zukunft, und strahlend türkis
schlägt der Himmel die nachtblaue Decke, die diese
Toten verbarg, von ihren Leibern. Dann erhebt sie,
weiß, die Sonne. Glückhaft berührt von einer Wärme,
die noch ganz kalt scheint, hören sie den Ruf neuer Eltern,
der sie, wenn er auch kreißt (in den Vitrinen hört sich
davon nichts), bereits an die Brust legt und umarmt.
Ohne daß sie’s doch bereits wüßten, a h n e n sie neues
Sich; so folgen sie irdisch dem zeugenden Kreislauf. Und wollen's.
Reglos bleiben die Vitrinen zurück, und unbeachtet.
Drunten am Fluß steht schmiedeeisern das kostbare Gatter.Gatter-Concordia-morgens-021106>>>> BE 44
BE 42 <<<<

(Zweiter Versuch.)

Samhain.

Hätte ich jetzt eine Kerze,
ich stellte sie euch in die Tür.

Oder trüge sie, besäße ich Glauben dafür,
zu euch hinaus in die Schwärze.

Und sitze, aufhorchend, hier.

Erster Versuch <<<<

(Vierter Versuch).

Samhain

Besäße ich Glauben, eine Kerze
stellte ich euch in die Tür,
damit sie euch in die Schwärze

doch bleibe, aufhorchend, sitzen
hier

leuchtete von mir

Zweiter und dritter Versuch <<<<.

Die Dschungel und "die Nazis".

Ihnen >>>> schlüge Euka-pirates sie gern zu. Oder gar mich persönlich. Es mag sein, daß, jedenfalls für m e i n e n 'Fall', >>>> seiner Vorstellung von "Erbe" auch eine von Schuldvererbung über den Namen, also eine genetische, unbewußt unterknüpft ist. Ich habe >>>> so reagiert. Immerhin liest er Lobo Antunes; da müßt' er's doch eigentlich besser wissen...

[Man möchte s c h o n gern erfahren, wer dieser Hansel i st. Aber er gibt nur seine EmailAdresse - eukapirates@web.de - und eine Art copyright-Vermerk für sein Weblog an.]

E r d e. Zur Musik.

... mit geschlossenem Beckenboden klingt nichts.

>>>> Dort.

Scheidungsmuster.

Eltern, getrennten, ist immer die eigene Kindheit zerbrochen.
Selbst wenn er lächelt, geht so ihr unterster Blick.
Was sie, liebend bewahrt sein, den eigenen Kindern versprochen,
lächelt aus ihren Kindern zerbrochen zurück.

Die Wiederentdeckung Berlins. Novemberregen. (Entwurf).

Klitsch an den Steigen Gruben
Kräne himmelweit darüber in die
Wolkenschwere. Wannen voller Bau.
Zementmisch Latten hohes Drahtgespan,
jeder Schritt ist vertraut mit dem Werden
unvertrauter riesiger Pfützen und einem Schlamm,
in dem das Morgen voranwühlt und ein Wille
aus Regen, Hoffnung und Besuchern, deren
aufgespannte tropfende Schirme stechen
ins Aug’ dem umgegrabenen Preußen,
dem hinter linden musealen Kastanien
architektisch gespreizten, die ihre Blätter
in den nassen Umbau zum Winter verlieren
und ins fehlende Frühjahr. An dem baut jeder hier
herum; auch wer nur sitzt, auch wer nur schaut:
das Becherchen vor sich und hinter sich,
aus Ruinen, lustige Kindheit auferstanden
für den Rückbau; Blicke, die durch poröse
Ebenen irren, rutschen am Glas aus,
das, ebenso rührend, verliert; es rutscht
in die graue Masse der Spree. Ein Fluß, der
um Inseln nicht fließt, die Inseln nicht sind.
Eine Hauptstadt, die es nie war; metropole Provinz,
in deren fetten Klecksen von Ketchup Wurst ohne Pelle
erstickt wie alter Männer Schwänze, die ein schlaffes
Erbarmen in Scheiben geschnitten und mit Curry bestäubt hat.
Darüber rattern am neuen Bodemuseum die Bahnen,
allerletzte Bücher, darunter, werden verkauft, die wellen feucht ihren Einband.
Ihr Schimmeln hält an dem, was ihnen lange vorbei ist,
unter fädenpissenden Plastemarkisen querköpfig fest.
So ist hier jedes. Selbst das Elend will bleiben.
Und was werden wird, ging ebenfalls längst.
Futur II der Palast, eingerüstet ein Reiter ins Denkmal.
Rostende Löwen meditieren wie Sphingen nach Osten;
in ihrer rechten Pranke kaltgewordenen coffee to go,
schal nach dünnem Ölfilm schmeckend,
sind sie es alle müde geworden, sich den Regen,
den unentwegten, aus ihren klammen Mähnen zu schütteln.
Klamm ist mein Mantel, klamm ist der Schal,
und Rastalocken starren vor Schmutz.
Wem sein Fuß etwas wert ist, trägt auf der Seele
Gamaschen aus Traum und aus Trauer unter den Linden dahin.

Wem sein Fuß etwas wert ist, trägt von Traum und
Trauer nasse Gamaschen unter den Linden dahin.

Bamberger Elegien (44). Elfte Elegie (1). Entwurf des Beginns.

Schnee, der erste, fiel: weiße flusenkleine
Flocken setzten sich aufs Opus hundertzehn und
schmolzen, da es so von Innen warm war, und sie noch
waren zu wenige, auch wenn für einen halben Tag sie,
heuschreckne Gottesplage, in den November sich wirbelnd
stürzten; man sah nicht den Fluß mehr, nicht mehr gegenüber
Ufer und Häuser, und die gesamte Scheibenfront schaltete
vor meinen Blicken, ein riesiges Fernsehgerät meiner Kindheit,
das die Verbindung verlor, sich ab: sichtbar gemachtes
weißes Rauschen die Röhre, dann kommt der tinnitune
Testton und quält dich. Tags drauf der Thüringer Wald
spielte schon Weihnacht; (ich sah’s aus dem Zug, und suchenden Blickes
stapfte ich rein; sehr schnell ward es dunkel, und ich irrte,
bis ich ein Leuchten fand, das mich lockte und führte; unter
Tannen, dichten, gab’s ins Wurzelwerk eine Tür, die
nahm ich, es zog mich, Stimmchen, nervöses, spottendes Gewirbel,
Händchen, die fassen, Lippen, die küssen, helle Bisse,
unzüchtig züchtig, lüstern; Erde, dachte ich, Erde,
doch ich kam nicht, denn Schnee rutschte, eine ganze Verwehung,
bis zum schlürfenden Mund der Gebärmutter nach, und er schloß sich.
Es erstarben die Stimmen, verrauschten; so erschlafft’ ich
fröstelnd) und hebe die Lider, sehe den neuen Tag an;
diesig liegt er auf der Terrasse, vapomisierter
Nebel, in den der Samhain sich zerstoben, in den der Schnee selbst
fortgesprüht, und ockergrützig zieht’s die grüne
Regnitz weiter nach links hintern Schloßbau; aufgequollen
schier das Gelb seines Sandsteins und dunkel vor kriechender klammer
Nässe, die mir die Oberschenkel erkältet. Doch Arrau
spielt noch immer die Fuga; sie trägt mich nun aus dem Tagtraum
in die Musik, Geliebte, zurück. Und trägt mich weiter,
uns, mein Junge, alle. Heilsam füllt sie es an, das
Zimmer: wär’s nicht so kalt! nicht schneidend, das hätte Klarheit,
sondern feuchtsteif, ohne Willen und pulslos; schlaffsteif;
impotent ist das Jahr nun, modrig ertrinkt es gleich Pflanzen,
deren Wurzeln in Terracotta ohne Abflußloch schimmeln.

>>>> BE 45
BE 43 <<<<

Bamberger Elegien (45). Elfte Elegie (2). Entwurf der Fortsetzung.

Offenlassen wollte ich die Tür zur Terrasse,
denn es klingt nichts mit geschlossenem Beckenboden,
schrieb eine Frau und schrieb übers Cello zwischen den Beinen:
wieder dacht’ ich Erde, dachte erneut an Empfängnis,
Zeugung, Geburten. Wie konnten wir des bleibenden Tieres
so vergessen, das dich, mein Junge, schuf? und wärest
ohne Geschlecht und Sekrete und ohne Gier nicht geworden?
wühlende, ü b e r t r e t e n d e, und nicht ohne der Löwin
Schreien, wenn er, den sie rollig windend lockte, gepackt hat
sie und, sich verbeißend in ihren Nacken, hineinstößt
g a n z sich, den Mann und die Gier und die Seele, und pipettiert
nichts, sondern g r ä b t in ihr und, aufbrüllend gleichfalls, verspritzt sich –
wer denn sieht das noch, sieht er Kinder? und tut so, als wäre
reine Zärtlichkeit ihr Ursprung und nicht auch immer
Schöpfungsgewalt? Ach, Macht und Ergebung, Hingabe - Wollust,
schleimige, riechende; daraus sind wir doch a u c h! und machen’s
hinterher klein und tun es ab, als ob es schände
Kinder und Menschsein, und vor jenen sei es besonders
heimlich zu halten. Anstatt daß wir sagten: Ja! so sind wir!
sind in den höchsten Momenten sinfonisches Finale,
laut und treibend, Spucke und Votze und wollen, fickend,
Schwanz sein, nichts weiter, peitschender Trieb, der zurücktreibt ins dunkle
Sais, dem wir die Schleimhäute heben, ohne daß wir -
- noch, daß wir’s wollten -, erkennen könnten, sondern wir fühlen’s.
Das ist genug. Man muß die Spermatozoen nicht sehen
und nicht das Ei, das sie ansaugt und eines, die stärkste, auswählt;
aber erinnernd zu a c h t e n ist’s und zu wollen, daß wir
d a h e r stammen und nicht aus Geist, der ganz weg ist, sind wir
ganz ineinander und trinken voneinander, als äßen
wir und kauten uns (manche tun’s auch; sie haben nicht Unrecht)
wie es das bleibende Tier macht mit einer Beute, die erst,
wird sie gerissen, aufsteht, aufersteht. Davon, immer,
singt Musik, daraus, immer, rührt die Kraft ihr.
Eine verwandelnde ist’s, Entichung in Ich, aus Opfer
Gabe schaffend, den linken entkleideten Fuß des Engels
auf dem Kadaver und schlägt mit den riesigen Flügeln
Windwogen, so sehr klingende, daß wir vor Glück erglühen,
wenn wir sie hören, und vor Scham, daß wir’s so lästern.
Weil es uns, scheint’s, das Eigene nimmt? Oder läßt es
etwas zu Nahes erinnern, das zu vergessen er uns
aufgab, der Geist? Hybride fürchtet er seine chemische
Wahrheit und muß sie verstecken vor sich und vor uns, die ihn haben.
Untertan solln wir machen, was uns übertan ist; deshalb
steinigen wir die Mutter übers Ende der Religionen,
abgeschlossenen, hinaus im profansten Sein noch.
Ist zwar längst der Vatergott in den weltlichen Kreislauf
ökonomisch verwest, doch nährt das protestantisch
diesen weiter, inkonkrete, minerale
Spurenelemente eines Geistes, deren
nährende Wirkung wirklich erst ihr Grab entfaltet,
das ins Unbewußte ausgehobne dieser
ganzen funktionalen Mehrwertskultur, der zivilen
marktorientierten repräsentativen Demokratien.

>>>> BE 46
BE 44 <<<<

Aus dem heutigen Newsletter der Fiktionäre. Mit Nota: Kein Angebot.

(…) …nachdem mein Pettersson-Requiem am 31. Oktober vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt worden ist, stellt Ihnen Katanga nunmehr das Roh-Typoskript, sozusagen die Grundpartitur der poetischen Collage, als herunterladbare pdf-Datei auf >>>> die fiktionäre Website. Ich möchte in diesem Fall ganz besonders den Character eines Rohlings betonen, den dieses Typoskript mehr als für jedes andere meiner Hörstücke innebehalten hat: Sehr vieles ließ sich während der Produktion nicht umsetzen, und ganz neue Einfälle drängten sich vor. Das hatte teils Materialgründe, teils lag es an der Dynamik der Produktionsarbeit selbst.
Sollten Sie Interesse an einer CD-Kopie des realisierten Pettersson-Requiems haben, dann teilen Sie uns das bitte übers >>>> Kontaktformular mit.

NOTA.
Nach einem Mailwechsel teilen Die Dschungel aus urheberrechtlichen Gründen mit, daß dies, schon gar im marktwirtschaftlichen Sinn, kein Angebot ist.

Bamberger Elegien (47). Elfte Elegie (4). Entwurf des Schlusses.

Niemand mußte ihn fangen, der Spatz kam von selber. Und bleibt auch,
tschilpenden Spott im Schnabel, liebevollen, weil wir
so sehr nicht wußten, was wir vollziehen und wen wir rufen:
Wartende, die der Lustschrei weckte und anlockt. Daß wir
zärtlich werden danach, der Mann ganz besonders (es jammert
anfangs, und glücklich, immer die F r a u, die so bereit ist),
das vertraut sie: da tasten sie sich vor aus dem Spatzen in die
Nidation. Dann, als hielte sie’s im Arm schon,
liegt der neuen Mutter rein Kindliches an in dem Mann, und
lange bebt es so durch ihn hindurch, daß er die Beine
anzieht, wie jenes embryonal, das es wagte. Und wählte.
Unter Hunderten, Tausenden wählt’ es, die es erkannten,
seine Eltern, doch wohl gleichfalls, ohne zu wissen;
denn auch die Nichtgeborenen spürn nur und folgen Instinkten,
warmen, lebendigen; und als Musik ertönt es auch ihnen.
Sie ist es, der sie folgen (nicht aber alle hörn sie;
manche warten vergeblich Ären; die hören’s niemals
möglicherweise; von denen streift manchmal ungefähres
Klagen klammganz durch nachtkahle Straßen: moderne Wälder,
hallende, tiefe, metallne und wird uns irreale
Angst), und sie löst, diese Musik, sie aus Wipfel, Treppe,
Kiesel, Bachlauf, aus Hauswand, Fensterkreuz, Büscheln Grases;
nicht nur dortaus, auch aus Überleitungsmasten,
Autoreifen, Litfaßsäulen, Fernsehgeräten:
molekül in allem, das ist - ja, manchmal falln sie
regengleich, wenn die Tropfen, um Wolke zu bleiben, schon zu
schwer sind, hinab; die Luft ist schwirrend voll von ihnen.
Mag es sein, daß s i e’s sind, was das Medium wahrnimmt,
wenn die Séance es öffnet? Und: „Glaubst du’s?“ Ich glaub es, indem ich’s
schreibe – Wahrheit s c h a f f t sich auch und, neue werdend,
wirkt es durch das Verhältnis, das wir, gleichfalls wandelnd,
zu ihr haben: nicht anders geht Schöpfung. Daher der Schauer,
der durch das musizierende Weib geht; ganz ist’s derselbe,
der uns, obwohl wir nicht glauben, in manchen Kirchen erfaßt, und
wenn ein Chor drin aufbrandend singt, zu Streichern, schwerem
Blech und zur Orgel. Erdkraft selber tost drin, Erlöser
weder noch ein Gott; auch dies ist alles so irdisch,
daß wir sie, endlich, begreifen: die Zeugung durch das Ohr.
(Eben kam ein Wind, und Regen kam, dunkel, wieder.
Doch ich laß ihn ihr geöffnet, den Beckengrund, und
schließe, mein Sohn, die Tür n i c h t zur Terrasse. Noch mich, der
fröstelnd, momentlang die Augen geschlossen, ihr zulauscht:
der Bamberger Taufe. )
>>>> BE 48
BE 46 <<<<

Bamberger Elegien (46). Elfte Elegie (3). Entwurf der weiteren Fortsetzung.

Hoffnung kommt ihr nur von Maria noch, der maskierten
Demeter, Magdalena im nazarenischen Lustrausch,
einem schäumend barocken; von jeder Korrektheit entkleidet,
fallen phrynisch die Schleier, und S a f t wird, wird Tränke, F u r t dem
bleibenden Tier, das draus säuft. Und wir, wenn wir klug sind und leben
wollen, saufen mit und waschen uns drin, wie Täufer;
unasketische Sinnes-Baptisten, die dich, Regnitz,
heiligen. (Sonne steht. Auf den Dächern liegt Reif, und Rauch steigt
fasrig hoch aus den Schloten, als ob sie eben erwachten.
Wieder ist neuer Tag, und ich floß, Geliebte, nachther,
sinnend, es zu ergreifen, was ich abschließen will im Bedenken;
dann erst kehr ich zu euch zurück, mit Zukunft gewappnet,
zukunftsbereitet und weiß was zu sagen:) Und von Musik kommt
Hoffnung, annunziatischer Heiliger Geist, von oben
n i c h t aber, e r d a u f steigt er nämlich und öffnet erst den
Beckenboden, bevor die Musik Erlösung kündet
in der Empfängnis und ihrem Existánai, ohne
das sie nicht würde, und aus dem Leib tritt beider Seele
leiblich nur; so nur rufen sie Nichtgeborne zu sich,
aufstöhnend, schwitzend, derart wund das Geschlecht, und es näßt noch;
durchgewühlt ganz und gar, kurz, wie in Not, die befreit ist,
flattert der Atem und wird endlich zärtlich, und etwas flüstert
dir ins Ohr, das verklebte; Spuren trägst du von mir, und
ich trage deine, Kratzer den ganzen Rücken hinunter,
Fährten von Zähnen an den Lenden, steifgewalkt noch
beide Brüste und fangen an zu schmerzen (und das ist’s
nicht nur, was hier tobte, sondern was uns berührte,
quälte, schändete je, das bricht a u c h auf und will, sich heilend,
daß wir es nehmen und umgehn damit, nicht abgetrennt weiter,
nicht mehr verborgenes Leid, sondern angenommnes, das sich
mit uns verwandelt und endlich Wir wird; so entsteht Gänze:
gütige schließlich, mildernde, die sich weiß); Tränen
liefen, als wir kamen, dir von jenseits, so heulend
schwarz verschmierte sich Tusche, die jetzt auf den Wangen
trocknet wie Leim, den jemand auf Ästchen streicht für den Sperling;
zwitschernd trägt er, un passero annunziato, die Seele
uns, herunter von Guff, zu* (doch W e l t ist die Halle, jeder
Stein hat daran Teil, jede Wolke, die Regnitz; r o t sind
Bambergs Dächer plötzlich, strahlend, als trügen sie
meditteran). Wir liegen, und in dir, uns lösend, begibt’s sich.
[*) Talmud:
Yevamod 62a
Avodah Zarah 5a.]
>>>> BE 47
BE 45 <<<<

Bamberger Elegien (48). Zwölfte Elegie (1). Entwurf des Anfangs.


Wolf v. Ribbentrop gewidmet.
Wolken. Immer Wolken, seh ich tags hinaus, manchmal
leichte, gewattet, als hätt man ein pelziges Tier in der hohlen
Hand, es rührt’ sich, man streichelt’s, doch faßt hindurch schon und es
ist nicht mal warm; so steigt es wieder auf, als hätt man’s
weggepustet; steigt zu den seinen; winkt nicht; wir harren
scheinbar; es aber zieht in losen Verbänden und zeigt uns
(nicht sind w i r gemeint) mit den andren den Rücken, der locker
in der Luft liegt und auf ihr wie auf Wasser treibt, auf gelöstem
Hydrogenium, das er selbst ist. Darum fliegen
Vögel nicht, sondern schwimmen - so sagte der längst gestorbne
Freund einst, vergangen wie, Vater, du, ach krepiert, der mich zeugte,
ließest deine Kinder zurück wie im Leben im Tod nun.
Wolke warst du wohl selbst? doch nie leichte, wonach du,
es zu sein, traurig und trauernd neidetest, immer,
ohne Gabe, doch derart begabt, und hieltest keinem:
nicht der bitteren aufrechten Mutter, die dich verstoßen
in ihrer großen Gerechtigkeit (meiner eignen das Vorbild),
nicht dem Vater, dem feigen, der sie denunziert hat, barbarisch
aufsteigerisch ans Regime; deiner Frau nicht, die dich verachten
lernte für deine Schwäche, dein wolkiges Schwärmen, das keinen
Halt auf der Erde fand, unverantwortlich und vermessen,
warst Patriarch, dem der Stamm fehlt, Aristokrat ohne Herkunft;
hieltest nicht deinen Söhnen, die dich nicht kannten vor lauter
Abwesenheit; den einen sahest du nie mehr, schon starb er
dir hinterher, der jüngre, mit vierzig, an dir auch, Vater
(daß wir „Vater“ nie sagen durften!); und auch den Töchtern
nicht, von Alimenten verlassen, die eine verleugnet,
Wolkenvater über der Regnitz und nicht mal das Wort blieb.
Niemals sagt’ er, wie ich, mein Sohn, zu d i r , „mein Sohn“ mir.
Vaterlos selber nahm er’s nie an, entrissen schuldlos
unsrer schuldhaften patriá, wurzellos ziehend,
sucht’ er nach Wurzeln: Regen fiel, wenn er bleiben wollte,
Unwetter ward da, feuchtkühl, wenn einer sich kauert und wartet,
daß es vorbeigeht und spricht nicht und schützt nicht, es bergend, sein Nahstes.

>>>> BE 49
BE 47 <<<<

Bamberger Elegien (49). Zwölfte Elegie (2). Aus dem Entwurf der Fortsetzung.

Konnt’ ich das sehen bereits? Ich konnte es nicht, aber
heute (locker die Wolken und eine, die wie eine Straße
flockiger Milch über Bamberg halb daliegt, schmal treibt
östlich sie ab und sehr langsam), - heute, Vater, versteh ich’s,
schau in den Himmel wie immer du auf dem Land und, später,
in deiner Wüste aus Mauern Kakteen, wo dir, denk ich,
wenigstens Licht war und eine Ruhe, die dich sedierte;
Regnitz hier, dort Steine, und fragen nun tief nach unsrer
Herkunft, und ich bin selbst ein Vater längst und einer,
der es sein will, ganz anders als du – der du es so sehr
wenig konntest. Und ich kann es d a r u m vielleicht nur: eigner
Mangel an dir, Vater, machte mich fähig, mein Sohn, es zu werden.
(Ihm auch, dem Ältren, war ich es, schlecht doch, zu jung doch,
einige Zeit lang, und irrten ineinander fatal uns.)
Daran denke ich vor den Wolken, jetzt schweren, die aufziehn,
dem verschwundenen Streif nach; dunkel, ach drohend aufs
neue; schon stürmt es, schon prasselt’s, Geliebte; ungetüme
Türme einer Bereitung, die spätrer Befruchtung vorhergeht:
einstürzend drüber und stürzt darauf ein; was keinen Bestand hat,
wegstürzend, wegspülend, lächelt’s nicht weiter, sondern macht
Schluß jetzt. Da fielst du um, doch wie der Sommer, so hieltest
du dich fest, im Krankenhaus noch, daheim noch bei der
Freundin, die dein zähes Sterben - dem die Antwort
n i c h t kam, so schrecklich entwurzelt blieb es alleine - mildern
wollte, nicht konnte, und triebest sie todesböse herum noch,
keine dreißig Kilogramm schwerer Zorn mehr, zu s p ä t e r,
grausam gegen die Falsche, eine so weiche Unschuld,
daß sie blieb, ihn trug, den keifenden Mann, und lächeln
konnte, bis er dann losließ („Er wurde so leicht da, es war, wie
wenn aus ihm ein Vogel wiche und es trüge.
Da hat dein Vater nicht mehr gelitten und wurde leicht selbst,
diesem ganz ähnlich.“ – Bringen die Spatzen die Seelen wohl wieder
auch z u r ü c k nach Guff? und tragen sie in die Halle?
legen, daß sie auf nächste Eltern warten, sie milde
ab dort? und sie zerstreuen sich alle? die Spatzen, die Seelen
und das Bewußtsein? geht so: zu vergessen? und lauscht drin auf Nächstes?)
und das Bewußtsein? Ging’s, Vater, so, daß du endlich vergaßest?
nur so? und lauschst nun, drinnen ausgestreut, auf Nächstes?)

>>>> BE 50
BE 48 <<<<

Bamberger Elegien (50). Zwölfte Elegie (3). Aus dem weiteren Entwurf der Fortsetzung.

Alle Fragen nach Herkunft sind männlich; Mütterblicke
gehen schattig, einwärts innernd, ins Unten und wissen.
Fraun, die’s bestreiten, sind böse geworden an Männern, und bitter;
dennoch w a r e n gewiß sie. Daher, weil sich das beißt, weil
solcher Widerstreit in ihnen tobte, rührt ihre Härte:
um ihn, ihn leugnend, zu ersticken. Und geben sich männlich,
ohne je mannbar zu werden. Steinern straft sie die Menses,
bis das bleibende Tier in ihnen verreckt ist; gesteinigt
abermals die Frau, zu Tode, ein knochiger Blutbrei,
scheinbar hebt sich Befreites daraus von Geschlecht, wie sie sagen,
ungewiß nun, wie wir Väter sind, a l l e, selber geworden.
Aneinander, der Halt, verloren gegangen: an der
Mutter dem Vater, ihr an ihm, den Frauen an Männern,
Männern an Frauen, und ihren Kindern an beiden. Darüber
Wolken, darunter Regnitz, Kies und Garten, der Sandstein,
trudelndes Laub, wenn’s, von Erinnerung naß, herabweht.
Doch es sieht nur so aus, als bewahrte sich Zyklus darinnen;
Lange schon schleift’s ihn, und andres, ganz Neues, schob sich drüber:
Technisches, ablösend, kybernetisch, vom Grund uns und von
Gründen, die sich darin erfüllen; den Jammer, heißt es,
heilen sie und befrein uns, daß wir uns selber bestimmen:
fuglos, ungebunden; jedes Ich ist sich selbst nur,
Körper Hülle nur, ungenügend, verletzbar;
Das sollte enden. Endete. (Ich seh uns längst in Programmen,
denen nur noch Magnete Feind sind; es hebt uns heraus.)
Bamberg ist drum eine Rückkehr, die nur so tut; es geht um
Rettung, Bewahrung - ging’s immer - alter Rechte, ohne
daß wir das Neue, das kommen wird, anthropologisch
Biomechanoides, abwehrn, als käm es dann, Vater,
n i c h t – als würd nicht, was g e d a c h t werden kann, g e t a n auch
und geschäh nicht. Es geschieht uns. Geschah schon. Wir spüren’s,
suchen Zuflucht und finden sie darin grad, das wir flohen.
Oder, wie d u tatst, kehren uns ab und bauen wieder
Rüben, eigene, an und Kartoffeln. Aus der Welt ist
das doch auch! Und täuscht uns wie Vegetarismus. Veganisch
lügt er das Blut weg und idiotisiert seine blutleere Nachkunft.
Rückkehr, ach! nur im Blicken, haltend rekapitulierndem:
Du, Vater, gabst mir nichts w e i t e r; was gebe ich meinem
Sohn? nur selbst diese Liebe, eine substanzlos dörre
wie zu Vatergeist? – atemschnappenden Geistern? Verloren
drohnen sie zwischen Möse und mächtiger Hoffart, Taten
zeugend, Kultur, rein aus Notwehr; zerworfen in ihre Triebe,
die sie zugleich, sowie sie geliebt, abstrakt denunzieren
und/oder zotig. Was sie so bindet, ist ihnen peinlich.
>>>> BE 51
BE 49 <<<<

"It's not shaped like a penis."

Eine nicht unwichtige Diskussion zur erotischen Positionierung homophiler Liebe und ihres technischen Rüstzeugs ist >>>> dort begonnen.

Bamberger Elegien (51). Zwölfte Elegie (4). Entwurf der nächsten Fortsetzung.

Mir niemals wieder. (Ach Kindheit! ach furchtbares, banges
Angstsein bis in die späte Jugend, der bittren Mutter
asexuelles, hämisch Instinkten ab-, sie weggekehrtes,
nichtendes, was Natur ist, Gespöttel warf dem Spott dich
v o r!) - So sitze ich hier. Und mehr als d u, Vater,
w e i ß ich; davon gebe i c h nun weiter, als w ä r e
es von dir. Denn im Altern, Väter und Söhne,
werden sie eines; wenn einer geht, rückt der jüngre
nach, und er übernimmt es, und übernimmt dieses
Blicken, gerichtet, wolkenhinauf, das drängende, wenn er
ganz ist und bei sich und preßt’s sich nicht runter, wie zölibatär in
Frauenkleider gehüllt (und schaffen’s doch zur Frau nie:
Tunten, die nur ihre M a c h t vor Erkennung sichert – und darum
hält man sie, n u r darum, weiter für Männer und ehrt sie fürchtig.
Macht aus Versagung, Macht aus Verrat am Körper, verschoben
ungut - böse, letztlich, den Kindern, denn deren und eigenen
Ursprung verrät es und höhlt ihn aus: schält die Frucht aus der Schale:
die bewahrt es als Reliquien und betet es an; das
Fruchtfleisch hingegen wirft’s verächtend hinweg und vermüllt es.)
Wolken, Wolken. Nun wieder lose, und Sonne ist wie
seiende Väter, die dastehn und sich durchsetzen können
gegen Frauen, d i e sie und w e i l sie sie achten in ihrer
beider Tanz; so wirft sie, Sonne, die Männerblicke
auf sie geschlechtlich zurück, ausgestreckten Frauen
den sich entfaltenden Schoß erwärmend. Wußtest du’s, Vater,
nicht, daß Wolken (weiße, seltsam spermige Wehen,
die sich flockend verteilen) Wasser spiegelt, Flächen,
übereinander, untereinander schwebend, Wellen,
Höhen - Wellen auch, Höhen, Gebirge, schaut man von oben,
fliegend (schwimmend), in der weiten grellen Zerklüftung
Wildes hinunter? Und beides ist stürmisch? p a z i f i s c h pace? Wasser
– Seele – k e i n e Versagnis, sondern ein Versprechen,
das sich erneut gibt, ständig erneuernd und sich erfüllen
will und erfüllt - nicht immer in uns, das mag sein, aber
a u c h uns, dann w a r es – und: b l e i b t’s nicht: gewesen? Ich weiß doch, schwer ist’s,
wenn es vorüber und will nicht mehr w i e d e r! Wenn uns die Zeit ging.
Wären, aber, n i c h t angerührt, g e w e s e n, und sind’s drum
weiter? Steht’s n i c h t in uns drinnen und h a t uns gefüllt, bleibend?
Wär es, Vater, so schwer drum zu sagen: mir gab’s sich, öffnete
mir sich – und gibt sich nun anderen hin, die’s noch nicht durften?
Wäre, Vater, nicht loszulassen gewesen viel früher?
hätt’s nicht mit Stolz umwunden dann, was uns gelebt hat?
N i c h t wär’ dir elendes Nachschrein über deinem Sterben gelegen,
dieses lange, erbärmlich, und hätt nicht dieses Vergeblich!
über dein Leben ausgerufen. Wie gerne reiste
ich an dein Grab und stünde achtend dort, nicht voll Mitleid.
Liebe, ja, kennt es auch, doch sagen können über
seinen Vater: das war am Ende ein M a n n doch, der beugte
n i c h t s – wie hätte ich d i e s e Erbschaft geliebt! und wär es
keine andre gewesen – nun i s t’s keine andre und auch nicht
irgend eine nächste außer der verzwickten,
die den Vater aus tauber Leere sich renovierte,
weil man es wollte und w i l l’s immer weiter. So erst ersteht er,
entsteht, gebiert sich: ein Mögliches, das sich innerlich nachholt als
Wunschbild, dem wir uns dann verpflichten, ernsthaft, wie es
Männern ansteht mit Söhnen. (Zu Töchtern ist’s anders? Ich weiß nicht.)

BE 50 >>>>

Suchanfragen, die in Die Dschungel führten. D s c h u n g e l! Ecco!

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Bamberger Elegien (52). Zwölfte Elegie (5). Entwurf des Beschlusses.

Dann erst wollen sie beides, wie hinauf hinab, und
stellen sich den Erektionen, die nach oben
purpurrot zittern und wolln doch des nassen glänzenden Auges
spaltne Pupille so t i e f, als ob sie pumpte, versenken;
irdisch, nicht himmlisch, wieder auch dies – so meinen Wolken,
Vater, die wir betrachten, in Wahrheit ganz ihr sekretisch
Umgekehrtes; nur wir vergessen’s. Und leugnen’s und werden,
kopfgebärend athenen, so restlos absurd wie männliche
Bienen in ihren nutzlosen Zeiten. War ‚Vater’ je für
Andres erfunden, als sie zu füllen? Und diese Erfindung,
war sie nicht klug und ehrenvoll? war unsre Erfindung
ganz und gar? unter Kämpfen errungen, daß wir wer seien?
und wir wurden’s? das gabst du drein? dies unpragmatisch,
n i c h t-plazentisch bestimmte Sorgen, das Wollen, eins, das
nicht wollen m u ß t e, sondern man nahm’s, aus Entscheidung,
a n sich und, seine Kinder nicht fliehend, folgte ihr? Dürre,
freilich, Begründung, es sei am Anfang das Wort; schon da war
Schwäche und mußte wieder. Und warf nieder, was eigner,
nicht-fremder Wille, und denunzierte, f ü r was er da war:
sich an die Seite stolz, nicht aber ü b e r die Mütter zu stellen.
W i n d ist, nicht Wort, W a s s e r ist, nicht ein leitender Wille,
schon gar ein gütiger nicht, der sichernd das Geschick hält
und uns entlohnt nach Verhalten. Das tun wir eigen selber.
Fleisch ist, Sekret ist und ist kein S a t z, uns jemals zu nähren:
Das geleugnet zu haben und weiterzuleugnen, ist die
männliche Schande, und daß der Verantwortung, männlich gewählter,
man sich entstahl und der Kultur, die sie, aufblickend, zeugte,
ihr verlogenes Wort unterzwungenen, dienenden Frauen
weiterreichend. Die nahmen’s und transportiern’s nun manngleich
mit - sie halten es für Gleichheit. Wie denn auch anders,
wenn der Mann selbst, als Patriarch, sich nicht hält und versagt ganz
ihnen und sich? und die Frauen, aus Verachtung, lieben
nurmehr Frauen? Drohnig zurück sinken die Männer,
ohne daß sie das merkten. Gnade erbittend schaun sie
ihre eigenen Mütter in ihren Fraun an und betteln
wie um Milch um sexuelle Berührung; versorgen
noch bisweilen, doch der Phallus, der fehlte, ist technisch
längst entsorgt, ein instrumenten substitutiertes
Auslaufmodell der menschlichen Evolution, für Prothesen
Prototyp, die nicht nässen und bei Bedarf zuhand sind
allzu lässig, ach, praktikabel! Wer gewann dran?
Letztlich? Was verlorn wir? Wie schichtet es uns um!
Treiben und treiben, Regnitz, greifen an Ufer und halten’s
momentan, doch klimmen, mein Sohn, nicht hinauf, treiben
weiter, rückunter; uns überhängt, so gleichfalls treibend,
schweres Gewölk und will anderswo hin, und wir Männer greifen
hoch und fassen auch das nicht. Und sitzen doch nur am Fenster.
Könnten aufstehn. Kleideten uns mit der nötigen Haltung,
gingen hinaus und schlössen die Tür. Dann wagt' man’s aufs Neue.

BE 51 <<<<

Was vielleicht gerade bei den avantgardistischen Unternehmen daran liegt.

Daß sie begreifen, wie sehr rückgebunden ans Antike, auch Fatale dies alles ist – ja, je forcierter ich den technologischen Fortschritt zur Grundlage etwa von ANDERSWELT gemacht habe, desto konservativer wurden, letztlich, die in den Texten zu Ausdruck gelangenden Haltungen. Möglicherweise besteht da ein objektiver, vielleicht sogar geschichtslogischer Zusammenhang; ich merke, welche Wandlungen bevorstehen, etwa in der gender-Diskussion. Selbstverständlich kann ich mir ‚verschliffene Geschlechter’ vorstellen, gentechnisch schließlich wird bis zur Kreuzung von Tier und Mensch a l l e s möglich sein, Zwitterung ist da noch das geringste; bereits in THETIS liebt man sich fast nur noch in Infomaten, die eine direkte Berührung der Körper und also auch Ansteckung strikt vermeiden (eine AIDS-Fantasie), zudem ist in diesen Geräten die Realisierung nahezu jeder sexuellen Fantasie möglich, ohne daß eine Beeinträchtigung des Partners riskiert würde – allerdings greift eben w e g e n dieses Schutzes eine Monadisierung der Einzelnen um sich, und eine tatsächliche Berührung gibt es gar nicht mehr, sondern es findet eine Vereinsamung statt, deren Hauptcharacterzug sich durch unentwegte Kommunikation – mithin dem Gegenteil von Vereinsamung – auszeichnet und die deshalb gar nicht mehr empfunden wird. Was ich sehr genau spüre, ist die zunehmende Entfernung von Naturzusammenhängen; die von >>>> Harraway konstatierte Cyborgisierung des Menschen, die bereits mit dem Auftrag, sich Natur untertan zu machen, begann, schreitet auf geradem Weg fort: stetig. Dagegen ist prinzipiell erst einmal wenig zu sagen, außer, daß man das mag oder nicht. Der Cyborgisierung entsprechen - in den westlichen Zivilisationen, die es vorantreiben – die aus sogenannten primitiven Kulturen übernommenen mutilations, deren stärkste, weil verbreitetste Ausprägung gegenwärtig das Piercing ist. Was in diesen aber noch Ausdruck magischer Verfügung über sich selbst und über einem fremde, einen bedrohende Kräfte war und weiterhin ist, wird im hochtechnologischen Zusammenhang zum Stoffwechsel mit Anorganischem; Piercing h i e r ist ja eine profane Erscheinung, die den (gemachten, quasi bewußtseinsindustriellen) Gesetzen der Ökonomie folgt und nicht etwa naturmagischen Ritualen. Beim Piercing wird der organische Körper mit Dingen, körperfremdesten, v e r s c h n i t t e n. Daß dem ein Reiz anhängt, auch für mich, will ich gar nicht bestreiten; er entspricht, wie in der Naturmagie, der Notwendigkeit, sich irgendwie mit den uns bestimmenden Kräften, die h i e r technologisch-ökonomische sind, ins Einvernehmen zu setzen: Entfremdung wird erotisiert und als erotisch erfahren, auch von mir. Wenn man diesen Prozeß aber einmal begriffen hat, dann wird das Fatale geradezu evident, Schicksalhaftes, Geworfenes. Und es ist gut, werden Gegenpositionen bezogen, die gar nicht scharf g e n u g ausformuliert, H a l t u n g e n, die gar nicht b r ü s k genug dagegengestemmt werden können. Deshalb gehören die technologisch forcierte Erzählung, die die Auflösung fester Identitäten in ANDERSWELT leitet, und das konservativ-reaktionäre Beharren der BAMBERGER ELEGIEN, die aufs definierte lyrische Subjekt pochen, unmittelbar zusammen. Nur e i n e Haltung einzunehmen, würde über das, was derzeit geschieht, t ä u s c h e n. Es wäre, wie wenn jemand „aussteigt“ (wie mein Vater tat) und vermeint, den Vollzug damit aufzuhalten. Er hält ihn nicht einmal für sich selbst auf, und zwar auch und gerade dann nicht, wenn er das glaubt. Das Gegenteil zu tun jedoch, also n i c h t auszusteigen, sondern affirmativ mitzuschwimmen, ist ganz ebenso fatal und täuscht nicht minder. Deshalb das, was ich >>>> Möglichkeitenpoetik nenne, deshalb auch meine unentwegte Beschäftigung mit einer Kunstform, von der ich zugleich meine, daß sie überlebt ist: Belletristik als ‚ernste’ Kunst, ganz b e w u ß t „E“, und der Vermixung von „U“ und „E“ radikales Pari geboten.
[Poetologie.]

Eßkastanie.

Auf dem Markt des Orients samtenste Eichel
glatt wie versprochene Märchen
schimmert’s eingedunkelt vor Kräften
die sie leuchtend erregen und handwarm
paßt’s so hinein in die Frauenfinger
und schließt wie den Teller die Augen.

(Die Sonne stand schon abends nach neun
und duftete nach dem Ursprung Kleinasiens
momentlang zu einer Nacht, die sich öffnet.
Der Ihr Mond wollte Salz in die Schale.
und So erfüllte er süß unsern Mund.)

Bamberger Elegien (53). Dreizehnte Elegie (1). Entwurf des Anfangs.

W i r wolln es nehmen. Doch immer nimmt’s uns. Selbst wo wir glauben,
wir hätten’s eigenbestimmt, war’s nur die Strahlung eines kleinen
big bangs, geraten in anderer Strahlen, und das Ergebnis
hundertmillionenfachen unendlichen Urknallens vorher:
Jeder Eisprung ist Zündung. Wir alle sind ganz verlorn dran,
Frauen auch, auch ihnen geschieht es, aber sie spürn es,
weil sie es tragen. Orgasmen haben auch Männer und gieren,
selbstentblößt rasend jenen ganz gleich, daß man Schweiß trinken
will und sich völlig verkleben; nichts ist rein, wo gezeugt wird;
rein ist der Tod nur, n a c h dem Sterben. Leben ist Schlammen,
unter der Haut schon sind wir ganz blutend sekretisch;
wer wollte da noch von Schönheit sprechen? wer aber wollt’ es,
sieht er die Haut abgelöst an wie über einen
Bügel geworfen? und stellt sich r e i n aus? Unerregt
bleibt alle Reinheit. Frauen, die’s s i n d, wissen darum, und
riechen Sperma wie Düfte aus Hecken, sie wittern’s, bleiben,
plötzlich, stehn in der Stadt und heben wildzu neben
Mauern die Köpfe. Meist ist es heiß dann, und sonnig brüllt es.
So auch tost Verkehr drumherum, ein Hupen ist, italisch
wüstes, Dschungel aus Lärm, in den der Frauenblick eindringt,
unten erst zusammengezogen, so zuckt es, dehnt sich,
näßt so; stünde man frei, es würde tropfen. Schon steigt es
auf, steigt nach oben, wo Mann ist, steigt bebend in Nase und in
einen Blick, der gleichzeitig lauert und anlockt und sich –
brich mich! zerreiß mich! – hingibt. Wenn es der Hecht denn
hält. So hängt überm Schwimmer der Köder, wie von einer Angel
in die Atmosphäre, ins Luftmeer, drin fischend, geworfen;
wie als ein Opfer warf’s sich, das sich den Löwen - nimm mich! -
selbst wählt (doch es wählt; immer), das sich ihm anwirft, wobei es
gleichzeitig mit dem Entzug droht; nie ist gewahrt, wo Übergriff
ist und wo, mein Sohn, freier Wille. Das ist’s, was wir
wagen müssen. Ach, wie sie uns dafür verachten, wenn wir’s
schließlich, geschlechtlich erschöpft, gar nicht sind, sondern kosend
wollen wir Mütter wieder und sind viel weicher, als sie wollten.
(Wissen sie ihre Verachtung? Oder meinen sie selbst, sie bestimmten’s?)

BE 52 <<<<

Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (76). Öffentliches Tagebuch ff. Aus einer Korrespondenz.

Ein kurzes Wort zum >>>> Tagebuch: Ich weiß, daß >>>> manche Reaktionen auf geöffnetes Innere schmerzhaft sind. Das auszuhalten, gehört aber ganz unbedingt zu einem öffentlichen Tagebuch hinzu, darin liegt sogar seine ureigene Kraft: Persönlichstes wird zu Allgemeinem nicht nur in der Darstellung, sondern auch und gerade in der Diskussion aus den Kommentaren. Eigenes, sich zugebendes Versagen und Versagtes, das man eben n i c h t mehr ins Private versteckt, zeigt den radikal nicht-privaten Character dessen an, was uns privat (persönlich) geschieht: Fatalität.
>>>> 77
75 <<<<
Es wird dringende Zeit, daß sich den bisherigen beiden
männlichen Tagebuchschreibern weitere, vor allem: auch weibliche, beigesellen.
Zugleich ahne ich, daß so etwas völlig unweiblich wäre.

Wolf v. Ribbentrop. Vater-Arbeit. Nachgang zur Zwölften Bamberger Elegie. Briefwechsel mit einer seiner letzten Geliebten.

(Anlaß.
Vor etwa zwei Jahren kontaktierte mich eine Frau L. und ersuchte
um Auskunft über den Verbleib meines Vaters, an den sie ein
Liebesverhältnis geknüpft hatte, über das ich Näheres nicht weiß. Es
ergab sich ein kleiner Briefwechsel, der keinen allzu guten Ausgang
nahm und esoterisch völlig verbrämt war, was mich - angesichts
eines Mannes, der seine Kinder restlos alleinließ – ausgesprochen ärgerte,
wiewohl - vielleicht auch zumal - mir in dieser Zeit bewußt
wurde, wie sehr ich ihn liebte. Sein Verschwinden ist für den Vierjährigen,
der ich bei der Trennung der Eltern war, ganz offensichtlich
eine Katastrophe gewesen.)

ANH an Frau L.
Guten Abend, Frau L.,
es mag sein, daß Sie das interessiert, was ich Ihnen hier schicke. Sehen Sie mir bitte nach, wenn der Text an einigen Stellen noch formale Schwächen hat; es ist nur die R o hfassung eines aus dreizehn Elegien bestehenden Buches. >>>> Die zwölfte Elegie ist in dieser groben Fassung heute grad fertiggeworden.
Ich grüße Sie, ANH/AvR
Frau L. an ANH.
Hallo Alexander,
ja vielen Dank auch. Nur leider kann ich persoenlich mit dieser Art von Literatur ehrlich gesagt wenig anfangen, obwohl ich auch mal Germanistik studiert habe Anfang der Achtziger. Habe mir ueber AMAZON.COM seinerzeit das Buch "Wolpertinger oder Das Blau" bestellt und darin gestoebert. Doch wie gesagt: da bevorzuge ich andere Literatur. Sie koennen schreiben und haben viel Phantasie. Aber ob das Kunst, literarische Kunst ist, und wie man sie bewerten will ist wohl Ansichtssache. Wenn ich einmal schreiben sollte, dann gewiss ganz anders.
Ihr Vater hatte seine Briefe an mich wieder zurueckhaben wollen, um daraus ein Buch zu "machen". Er hat sie von mir nicht wieder zurueckbekommen. Sie ruhten bis zum 12. September d. Js. in einer Truhe in meiner Wohnkueche, worin sich auch andere Briefe und meine Tagebuecher befinden. Nach dem 12.09.06 habe ich die gebundenen Briefe aus der Truhe genommen, um sie meinem Neffen (24) zu lesen zu geben. Doch auch davon habe ich Abstand genommen. Er bekommt sie nicht zu lesen. Einige Briefe kennt meine Mutter aus damaliger Zeit. (…)
Dass da "noch was kommt" war mir klar - seit ich die Briefe ihres Vaters aus der Truhe genommen habe, worin sie 22 Jahre ruhten ... Davon Kenntnis genommen hatte damals uebrigens auch mein Arzt, ein Facharzt fuer Neurologie und Psychiatrie des Jahrgangs 1919, der nicht nur Medizin sondern auch Philosophie, noch unter KARL JASPERS hier in C. studiert hatte. Dieser Arzt lebt aber nicht mehr. (…) Von den Briefen ihres Vaters hielt er nicht viel. Ein grosser Geist stuende/stecke nicht gerade dahinter (seine Worte). An ihn hatte Ihr Vater damals 1980 uebrigens auch geschrieben ...
Der Arzt riet mir davon ab, Ihren Vater zu ehelichen. Er hatte ihn auch im Verdacht, evtl. psychische Probleme bis hin zur Schizophrenie zu haben. So war das damals. So verhielt sich das. Als wir in der Familie nun den 24. Geburtstag meines Neffen feierten, war u.a. wieder einmal die Sprache auf Ihren Vater gekommen, den meine Familie von Fotos her kannte, die ich im Oktober 1980 auf Mallorca (Felanitx/Cas Concos) gemacht hatte. Und mein Neffe zeigte Interesse an den Briefen ... Wenige Tage nach dem Geburtstag hatte ich die Briefe aus der Truhe genommen. Seither liegen sie auf meinem Kuechentisch ... Ich wusste/ahnte wie gesagt, dass da "noch was kommt" ...
Also mit den Duineser Elegien eines RAINER MARIA RILKE sind Ihre "Bamberger Elegien" aber nun wirklich nicht zu vergleichen! Dem koennen Sie nicht das Wasser reichen Alexander. Ja ich erlaube mir als Laie, das zu behaupten. Ihren Schriften kann ich leider nichts abgewinnen. Nicht das Geringste. Es wundert mich, dass man fuer sowas den Grimme(lshausen) Preis bekommt. Doch ueber Kunst und Ansichten laesst sich bekanntlich trefflich streiten.
Die Briefe Ihres Vaters sind wunderschoen und poesievoll. Einmal hatte er ihnen ein kleines Aquarell beigefuegt, ein andermal ein kleines Oelbild auf Kupfer. Und gedichtet hatte er auch. Sie waren (sind) mit Liebe und Herzenswaerme verfasst. Meiner Mutter gefielen einige ausserordentlich gut. Alle kennt sie freilich nicht. Und alle kannte auch nicht mein alter Doc. Nur einige.
Fuer mich war es damals immer aufregend und schoen, wenn Briefe von Ihrem Vater in meinem Briefkasten lagen und darauf warteten, von mir gelesen zu werden. Manchmal brachte mir meine Mutter die Post ins Schlafzimmer direkt an mein Bett. Und mein damaliger Freund, mit dem zusammen ich Ihren Vater auf Mallorca kennengelernt hatte im Juni '80 war sogar neidisch auf die Briefe vom "Lobo". Danach bemuehte auch er sich, aehnlich blumig an mich zu schreiben, was ihm aber nur selten gelang.
Mit freundlichem Gruß
ANH an Frau L.
Daß meine Arbeit Kunst ist, ist sicher keine Ansichtssache. Kunst ist objektiv und unterliegt objektiven, nicht gefühligen Gesetzen. Aber darüber muß man tatsächlich nicht streiten. Manche mögen den Kitsch, der keine Kunst, aber mit Esoterik verwandt ist, andre mögen ihn nicht. Und was Duino (Rilke) anbelangt, so haben andere eine andere Auffassung als Sie und verstehen sicher auch mehr davon. Mir ist nur nicht klar, woher Ihre Aggressivität rührt. Allerdings ist sie hochinteressant und verleitet mich momentan, diesen unseren Briefwechsel in meinem Literarischen Weblog zu veröffentlichen; wobei ich S i e selbstverständlich anonymisieren werde*. - Daß Sie mich, die Sie mich gar nicht kennen, "Alexander" nennen, ist im übrigen ein Übergriff, der in denselben Zusammenhang gehört. Da wär vielleicht eine Entschuldigung angebracht - es sei denn, Sie schätzen Stillosigkeiten. Außerdem geht's nicht darum, jemandem das Wasser zu reichen, sondern um Arbeit.
Was die Briefe meines Vaters an Sie anbelangt, so schlage ich vor, sie zu beerdigen. Ich meine das ganz konkret, nicht metaphorisch. Es wäre ihm Ehre.
ANH

[*) Das ließ sich mit wikipedia nicht mehr völlig durchhalten.]

Bamberger Elegien (54). Dreizehnte Elegie (2). Entwurf des Endes. Und Ende der Bamberger Elegien insgesamt.

(` - ` .) Es wird Winter, regnerischer, Eis kommt,
steif stehen die Allegorien auf ihrer Brüstung,
steinern wachend halten sie meinen Blick, der ich Blut bin,
nah übern Fluß gespannt, der fließt weiter, unter dieser
Brücke dahin und ruht nicht. Kein Teich ist in Aussicht,
Ankommen nicht und nicht, wie gegenüber die Häuser,
Bleiben. Mondinnen scheinen, silbernes, nächtliches Spiegeln,
irdisch, von Gold. Im Himmel ist Leere. Wir füllen die Schwärze,
aufsehnd, mit Sternen, die einmal waren. Ihrem Vergangnen
kommt keiner nah: wie furchtsame Tiere, Geliebte, die kauern
in ihren Höhlen und lauschen, aneinander zitternd,
um sich zu wärmen, in hallendes Draußen, das nur
scheinbar schläft (man hört die Hyänen, ein Leopard grollt),
sind wir allein u n s überlassen, Frauen, Männer,
Kinder; haben zwei Schwerter auf einem Bamberger Tischchen,
um uns zu wehren, und jeder hat seinen Platz zueinander,
in sich aber den Parder auch, der seinen Wurf schützt,
und sind Lämmer zugleich, die er reißt, um sich zu füllen
und seine Jungen. D a s ist das bleibende Tier. Solang es
das noch weiß voneinander. Und es w i l l statt, sich
in die Rente verschiebend, den Tod vorzuholen – Leben,
das sich vergißt, indem es ihn stillstellt und sich und den Atem,
erregten, bändigt. Sondern es wachhält, Schmerzen wie Lüste,
und auch ihn: der er, jederzeit, uns fällen
kann, und er s o l l’s auch, wenn wir nicht halten. So küssen! So sich,
Frauen und Männer, verwühlen in der vom andren gezerrten
Haut! So von Monatsblut trinken! Mondblut, siedend vor Sonne…
Hoffart aus Demut… so in die Wolken blicken... regnitzsch…
kiesig… terrassig… Abschied, die Scheiben… melancholisch
wartet der Garten, unbarock unter Brettern der Brunnen…
väterlich glühen vor Unrecht, und Mangel nur an Korrektheit…
müdlos aufstehn, unesoterisch… hochgeschlagenen
Kragens ungebeugt… die Traurigkeit im Rucksack, doch
Willens, mit siebzig noch weiterzuzeugen… mit achtzig… oder,
dann ist es auch gut, lang vorher zu fallen… gefällt sein, in Würde
(Freunde, Revolver, gezogene Kabel)… n i c h t verbrannt dann,
sondern zurück in den Kreislauf gegeben die Haut und die Augen,
Knochen, Adern, Leber, Gehirn und das Herz, meine Hoden…
a n d e r s nähren, weiternähren (ein Grab schon wär Unrecht)…
stofflich bleiben! zu neuen Stoffen, irdisch gegeßnen,
stoffwechselnd umgeformt, umgegraben… - d a s, Geliebte!
d a s, mein Sohn.

BE 53 <<<<

Was verstehe ich eigentlich unter Pathos?

Fragte ich mich >>>> grad. Und hatte die Antwort nahezu unmittelbar parat: I n t e n s i t ä t. Was bedeutet, in nahezu permanentem Erregtsein zu leben, in der Begeisterung, von der >>>> neulich Reichenbach geschrieben hat. Das muß Ruhe nicht ausschließen, aber sie ist selten und hat dann eher den Character von Erschöpfung, g u t e r Erschöpfung, in der man, ganz wie im Liebesakt, sich sammelt, um dann von neuem in die Begeisterung zu geraten. S o leben wollen, d a s meint Pathos. (Ich fand grade die Kritik über eine Lesung in den Briefkasten gelegt, in der ich ein „fortwährend auf Hochtouren laufende“r Romancier genannt werde. Ja, fortwährend auf Hochtouren. Darum geht es. Leben. Wenn wir sterben, früh genug, dann ist Zeit für den Leerlauf. (Die Kehrseite der Begeisterung ist die Depression, mir ist das durchaus bewußt. Und auch die soll nicht nur lau, soll nicht nur ‚melancholisch’ sein, sondern wie die Lust auch den Schmerz bis ganz zum Grund auslecken. Es geht bei dem allen um radikale Lebensliebe.)

Wird Arbeit am Vater zur Arbeit an der Geschichte.

Dann hört sie auf, privat zu sein.

(CCCCXXIV).

Ribbentrop.

In dem Moment, in dem sich einer meines Namens „outet“, gerät die gesamte mit diesem Namen verbundene Geschichte in Bewegung, und also auch Privates. Das unterscheidet einen historisch belasteten Namen wie den der Ribbentrops prinzipiell von jedem Schulze. Man muß das nicht wollen, aber es k o m m t; und da Schuldverhängnisse keine Allgemeinen sind, sondern immer Private, zumal wenn sie ein Nachgeborener rein objektiv nicht zu vertreten hat, gerät selbstverständlich das Private rigoros ins „Spiel“. Es i s t nämlich – in solch öffentlichen Familien-Geschichts-Verhältnissen nicht mehr privat. Das haben einige >>>> dieser Kommentatoren nicht begriffen, und vielleicht können sie das auch gar nicht. Es ist etwas anderes, ob man einen SS-Schergen in Auschwitz als Ahnen hatte, der Meyer hieß wie Tausende, oder einen Außenminister des Dritten Reichs in der nominal nächsten Ahnenliste, der für das Unheil-als-Ganzes stand, und der deshalb noch späteren Generationen auffällt, weil nur noch zehn Leute so heißen, von denen drei in der Öffentlichkeit stehen. Sein Name ist Stigma – und keines des verkündeten Heils. Das ist bei jedem ‚Schulze’ anders, oder ‚Bäcker’, oder ‚Goebbels’ – sogar ‚Eichmann’ ist von einem solchen Verhängnis nahezu frei.
Die Angelegenheit ist höchst ambivalent. Nämlich die Hoffnung, eines Tages sei der Name von seiner speziellen Schuld rein, weil ihn keiner mehr zuzuordnen wisse - bei vielen jungen Leuten bereits heute der Fall und für meinen Jungen wahrscheinlich ein Segen -, ist zugleich mit Geschichtsvergessenheit verbunden; und das wiederum kann nicht gut sein. Wer also gesellschaftsmoralisch mit diesem Namen umgehen will, muß zugleich die Erinnerung an die Schuld aufrechterhalten - aber individualisierend. Es haben nicht ‚die Ribbentrops’ Anteil an der Schuld, sondern eine ganze bestimmte Person aus dieser Familie hat es, und n u r sie. Insofern ein Name aber ungewöhnlich und selten ist und zu einer einzigen Familie gehört, hat er mehr als nur die Tendenz, zum Label zu werden; über dieses strahlt die Schuld dann auf die Nachkommen aus, die schuldhaft mit etwas konfrontiert werden, das sie persönlich gar nicht vertreten können. Dennoch werden sie zu Trägern. Dieser Prozeß scheint mir einer zu sein, der sehr deutlich macht, was ein Verhängnis eigentlich i s t.
(Ein wieder-anderes ist, daß derselbe Name - in kulturellen Zusammenhängen wie ein schlimmes Mal – in Zusammenhängen des Wirtschaftslebens durchaus förderlich ist. Das ist bei dem Namen Ribbentrop entschieden der Fall. Und sagt a u c h viel über Deutschland.)
 



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