Scotts Prometheus und sein Absturz. Im Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 8. September 2012.
4.41 Uhr:
{Arbeitswohnung. B.A.Zimmermann, Sinfonie in einem Satz (1947/53.)]
Gewarnt worden war ich bereits und wäre wohl auch nicht mehr hineingegangen, hätte ich nicht meinem Jungen im Wort gestanden. Also gingen wir >>>> ins Kino. Aber was >>>> Phyllis Kiehl mir >>>> in Kiel erzählt hatte, bestätigte sich: Ridley Scotts große Zeit, die ihn hat drei archetypische Filme drehen lassen - Legende, The Blade Runner und Alien -, ist vorüber, war es, das ahnte ich damals schon, bereits mit „Thelma & Louise“. Immer wieder mal in den späteren Filmen gibt es große Momente, etwa im „Gladiator“ den sich zur Erde bückenden Russel Crowe, der Sand aufnimmt und zwischen seinen Fingern wieder herabrieseln läßt, doch imgrunde hat sich Scott dem Kassenschlager zugewandt und bedient abgefeimt die Publikumserwartung. Da ist kein Moment des Staunens mehr, kein Moment auch mehr eines Schreckens, der ins Unbewußte hinunterreicht, um seine Bilder auf die Leinwand zu bringen. Das ist die quasi bildnerische Seite; für „Prometheus“ gilt Kiehls Satz, man habe schlichtweg am Drehbuch gespart. Es ist, kurz geschrieben, für Blöde.
Die Rechnung geht nicht auf; bereits gestern war das Kino vielleicht zwanzigstelvoll. Dazu kommt, daß kein 3-D-Film, den ich seit Camerons „Avatar“ sah, mehr einlösen konnte, was dieser mit allem Recht nicht nur versprach, sondern auch umgesetzt hat: die Zukunft der Kinoillusion zu zeigen. Alle anderen Filme nachher, so auch dieser, sind in den Effekten ihrer 3D-Technologie wie rohes Kulissentheater. Man hat geradezu den Eindruck, Scheiben zu sehen, die für einzelne Bereiche der Tiefenschärfe aufgestellt wurden. Da hilft es auch nichts, daß schon mal ein Hochgesprengter auf einen zufliegt. Wenige Szenen überzeugen, etwa die märchen-, dabei aber zeichnunghafte Inszenierung, die, in Form einer kosmischen Karte, den Navigationsapparat des fremden Raumschiffs vorführt oder am Anfang ein paar Bilder im Weltall, die trotz der vorgeschrittenen Technik an Kubriks „2001“ nicht heranreichen. Überall ist das Kalkül zu spüren, das den Film nachträglich für 3D bearbeitet hat. Überall schwebt das Raumschiff oder schwebt ein Planet als erkennbares Modell vor einem planen, rückprojezierten All.
Die Story wiederholt Momente aus „Alien“ bis hin, daß eine einzige Person überlebt. Daraus hätte sich etwas machen lassen, weil „Wiederholung“ zur >>>> Apperzeption gehört; auch das wenn auch vielbehandelte Thema Erich van Dänikens ist an sich nicht untauglich, hier sogar in einer Art von biblischer Aufbereitung: die Art, die uns nach ihrer DNS geschaffen hat, will ihre eigene Schöpfung, uns nämlich, wieder auslöschen, nach Art einer militär-biotechnologischen, sozusagen, Sintflut - wobei wir bis zum Schluß nicht erfahren, weshalb; das kann man nur ahnen und soll auf einen zweiten Teil von „Prometheus“ warten, auf dessen Produktion dieser Film schon angelegt ist: Das Publikum will Serials und soll also Serials haben.
Keiner der Schauspieler hat Aura, die menschlichen Charaktere sind nach Comic-Art typisiert, also Karikaturen, sogar die Maske, etwa des alten Mannes, ist sichtbar als solche zu erkennen. Niemand schillert. Wir haben den wahnsinnigen Wissenschaftler, hier ein wahnsinniger Unternehmer, der nicht sterben will; wir haben das naive junge Wissenchaftlerpaar, das aus Frankenstein nichts gelernt, vor allem aber nie einen Science-Fiction-Film gesehen hat, und wir haben eine Crew aus vorgestanzten Haudegen, wie man sie in Landser-Heftchen und zuhauf im US-amerikanischen Kriegskino findet, ein paar darunter, die man, kaum daß sie erstmals vorgestellt werden, imgrunde schon ermordet sieht, und weil sie so unsympathisch gezeichnet sind, findet man die Bauernopfer imgrunde legitim. Wo einmal Ambivalenz aufscheint, etwa in der Kommandeurin des Raumschiffs, wird sie nicht ausgeführt, sondern durch Totschlag erledigt; um sich auf keinen Fall inneren Konflikten auszusetzen, darf sie dann auch schon mal durch ein gesamtes Raumschiff, das abgeschossen wurde, zerquetscht werden. Dazu die „Leistungsbereitschaft“ der US-Landser: zum Wohl der Menschheit sind sie sofort bereit, sich selbst zur Waffe zu machen - etwas, übrigens, das von der Mentalität von Selbstmordattentätern so weit nicht entfernt ist. Das Ziel rechtfertigt feilich die Mittel, auch wenn man damit indirekt dem Islamismus recht gibt, der von sich ja ebenso meint, auf der „guten Seite“ zu stehen, wie es die Kamikaze-Flieger des Zweiten Weltkriegs meinten.
Das schlimmste aber ist, daß Scott aus „Alien“ nachträglich die ungeheure Interpretierbarkeit herausnimmt, indem er aus diesem seinen frühen Film die erschreckenden Bilder eines Geburtstraumas plan hinwegerklärt und damit ihr wirklich Unheimliches, nämlich eben Fremdes, was „alien“ ja bedeutet, das quasi Insektische an ihm, das eine genetische Verbindung mit Reptilien und Mechanik, Biomechanik eben, eingegangen ist: „reines“ gemüthloses, nach Art von Schlupfwespen unentwegt durchgeführtes Töten. Aus den letztlich phylogenetisch zum Menschen inkompatiblen Aliens, die Eigenwesen waren, wird eine kalkulierte Waffe der biologischen Kriegführung. Damit werden sie in die Begreifbarkeit geholt, was ihnen, ästhetisch gesprochen, die symbolische Macht nimmt: jetzt passen sie in die wohlfeile Erklärungswelt eines jeden unausgebildeten Charakters. Die Masse seiner Träger ergibt das zahlende Publikum: Primitivität, zugelassener, weil im Entertainment bedienter Destruktionstrieb.
Interessant allein ist der synthetische Robotermensch, für den freilich - in der Story - rätselhaft bleibt, wieso er am Ende des Films die Fronten wechselt; als reines „Programm“ könnte er das schlecht. Daß er sich tatsächlich selbst ausgebildet, sensibilisiert, ja kultiviert hat, darauf geht der Film nur bisweilen und unausgeführt ein, etwa wenn er, was nun ein guter Einfall ist, sich David Leans „Lawrence of Arabia“ zum Vorbild nimmt, darin natürlich Peter O‘Toole, dem die Physiognomie des künstlichen Geschöpfes auch ungefähr ähnelt, ebenso wie seine Gestik bisweilen. Dennoch reicht er nicht an den Menschen-Roboter heran, der bereits „Alien“ ein psychologisches Gepräge gab, sondern ist lediglich dessen feinere, zugleich aber eine plane, sozusagen „cleane“ Version von deutlich minderer Ausstrahlung. Weshalb er von der fremden Biowaffe heimlich Proben nimmt und an Bord verwahrt, dann sogar einsetzt, bleibt dramaturgisch unerklärt: sein Programmierer hätte dafür doch „wissen“ müssen. Man versteht auch den haurucken Charakterwechsel der Raumschiffskommandeurin nicht, ihre ganze Funktion zudem nicht, der ein Raumschiffskommandant an die Seite gestellt ist, Marke grober Typ mit weichem Kern selbst in seinem derben Machismos, dem ausgerechnet diese Frau willfährt, bloß weil er sie provoziert, andernfalls sei auch sie ein Roboter. Ja, da wäre richtig Zeug zum Erzählen gewesen - weil ihr eigener Vater doch ganz offenbar ein künstliches Geschöpf ihr vorgezogen. Alldas läßt das Drehbuch unausgeführt; es wär zu kompliziert, nehme ich an, geworden, hätte vom Schießdrauf zu viel Zeit subtrahiert. - Der Schluß dann des Films ist billigster C-Horror-Trash.*******
{Arbeitswohnung. B.A.Zimmermann, Sinfonie in einem Satz (1947/53.)]
Gewarnt worden war ich bereits und wäre wohl auch nicht mehr hineingegangen, hätte ich nicht meinem Jungen im Wort gestanden. Also gingen wir >>>> ins Kino. Aber was >>>> Phyllis Kiehl mir >>>> in Kiel erzählt hatte, bestätigte sich: Ridley Scotts große Zeit, die ihn hat drei archetypische Filme drehen lassen - Legende, The Blade Runner und Alien -, ist vorüber, war es, das ahnte ich damals schon, bereits mit „Thelma & Louise“. Immer wieder mal in den späteren Filmen gibt es große Momente, etwa im „Gladiator“ den sich zur Erde bückenden Russel Crowe, der Sand aufnimmt und zwischen seinen Fingern wieder herabrieseln läßt, doch imgrunde hat sich Scott dem Kassenschlager zugewandt und bedient abgefeimt die Publikumserwartung. Da ist kein Moment des Staunens mehr, kein Moment auch mehr eines Schreckens, der ins Unbewußte hinunterreicht, um seine Bilder auf die Leinwand zu bringen. Das ist die quasi bildnerische Seite; für „Prometheus“ gilt Kiehls Satz, man habe schlichtweg am Drehbuch gespart. Es ist, kurz geschrieben, für Blöde.
Die Rechnung geht nicht auf; bereits gestern war das Kino vielleicht zwanzigstelvoll. Dazu kommt, daß kein 3-D-Film, den ich seit Camerons „Avatar“ sah, mehr einlösen konnte, was dieser mit allem Recht nicht nur versprach, sondern auch umgesetzt hat: die Zukunft der Kinoillusion zu zeigen. Alle anderen Filme nachher, so auch dieser, sind in den Effekten ihrer 3D-Technologie wie rohes Kulissentheater. Man hat geradezu den Eindruck, Scheiben zu sehen, die für einzelne Bereiche der Tiefenschärfe aufgestellt wurden. Da hilft es auch nichts, daß schon mal ein Hochgesprengter auf einen zufliegt. Wenige Szenen überzeugen, etwa die märchen-, dabei aber zeichnunghafte Inszenierung, die, in Form einer kosmischen Karte, den Navigationsapparat des fremden Raumschiffs vorführt oder am Anfang ein paar Bilder im Weltall, die trotz der vorgeschrittenen Technik an Kubriks „2001“ nicht heranreichen. Überall ist das Kalkül zu spüren, das den Film nachträglich für 3D bearbeitet hat. Überall schwebt das Raumschiff oder schwebt ein Planet als erkennbares Modell vor einem planen, rückprojezierten All.
Die Story wiederholt Momente aus „Alien“ bis hin, daß eine einzige Person überlebt. Daraus hätte sich etwas machen lassen, weil „Wiederholung“ zur >>>> Apperzeption gehört; auch das wenn auch vielbehandelte Thema Erich van Dänikens ist an sich nicht untauglich, hier sogar in einer Art von biblischer Aufbereitung: die Art, die uns nach ihrer DNS geschaffen hat, will ihre eigene Schöpfung, uns nämlich, wieder auslöschen, nach Art einer militär-biotechnologischen, sozusagen, Sintflut - wobei wir bis zum Schluß nicht erfahren, weshalb; das kann man nur ahnen und soll auf einen zweiten Teil von „Prometheus“ warten, auf dessen Produktion dieser Film schon angelegt ist: Das Publikum will Serials und soll also Serials haben.
Keiner der Schauspieler hat Aura, die menschlichen Charaktere sind nach Comic-Art typisiert, also Karikaturen, sogar die Maske, etwa des alten Mannes, ist sichtbar als solche zu erkennen. Niemand schillert. Wir haben den wahnsinnigen Wissenschaftler, hier ein wahnsinniger Unternehmer, der nicht sterben will; wir haben das naive junge Wissenchaftlerpaar, das aus Frankenstein nichts gelernt, vor allem aber nie einen Science-Fiction-Film gesehen hat, und wir haben eine Crew aus vorgestanzten Haudegen, wie man sie in Landser-Heftchen und zuhauf im US-amerikanischen Kriegskino findet, ein paar darunter, die man, kaum daß sie erstmals vorgestellt werden, imgrunde schon ermordet sieht, und weil sie so unsympathisch gezeichnet sind, findet man die Bauernopfer imgrunde legitim. Wo einmal Ambivalenz aufscheint, etwa in der Kommandeurin des Raumschiffs, wird sie nicht ausgeführt, sondern durch Totschlag erledigt; um sich auf keinen Fall inneren Konflikten auszusetzen, darf sie dann auch schon mal durch ein gesamtes Raumschiff, das abgeschossen wurde, zerquetscht werden. Dazu die „Leistungsbereitschaft“ der US-Landser: zum Wohl der Menschheit sind sie sofort bereit, sich selbst zur Waffe zu machen - etwas, übrigens, das von der Mentalität von Selbstmordattentätern so weit nicht entfernt ist. Das Ziel rechtfertigt feilich die Mittel, auch wenn man damit indirekt dem Islamismus recht gibt, der von sich ja ebenso meint, auf der „guten Seite“ zu stehen, wie es die Kamikaze-Flieger des Zweiten Weltkriegs meinten.
Das schlimmste aber ist, daß Scott aus „Alien“ nachträglich die ungeheure Interpretierbarkeit herausnimmt, indem er aus diesem seinen frühen Film die erschreckenden Bilder eines Geburtstraumas plan hinwegerklärt und damit ihr wirklich Unheimliches, nämlich eben Fremdes, was „alien“ ja bedeutet, das quasi Insektische an ihm, das eine genetische Verbindung mit Reptilien und Mechanik, Biomechanik eben, eingegangen ist: „reines“ gemüthloses, nach Art von Schlupfwespen unentwegt durchgeführtes Töten. Aus den letztlich phylogenetisch zum Menschen inkompatiblen Aliens, die Eigenwesen waren, wird eine kalkulierte Waffe der biologischen Kriegführung. Damit werden sie in die Begreifbarkeit geholt, was ihnen, ästhetisch gesprochen, die symbolische Macht nimmt: jetzt passen sie in die wohlfeile Erklärungswelt eines jeden unausgebildeten Charakters. Die Masse seiner Träger ergibt das zahlende Publikum: Primitivität, zugelassener, weil im Entertainment bedienter Destruktionstrieb.
Interessant allein ist der synthetische Robotermensch, für den freilich - in der Story - rätselhaft bleibt, wieso er am Ende des Films die Fronten wechselt; als reines „Programm“ könnte er das schlecht. Daß er sich tatsächlich selbst ausgebildet, sensibilisiert, ja kultiviert hat, darauf geht der Film nur bisweilen und unausgeführt ein, etwa wenn er, was nun ein guter Einfall ist, sich David Leans „Lawrence of Arabia“ zum Vorbild nimmt, darin natürlich Peter O‘Toole, dem die Physiognomie des künstlichen Geschöpfes auch ungefähr ähnelt, ebenso wie seine Gestik bisweilen. Dennoch reicht er nicht an den Menschen-Roboter heran, der bereits „Alien“ ein psychologisches Gepräge gab, sondern ist lediglich dessen feinere, zugleich aber eine plane, sozusagen „cleane“ Version von deutlich minderer Ausstrahlung. Weshalb er von der fremden Biowaffe heimlich Proben nimmt und an Bord verwahrt, dann sogar einsetzt, bleibt dramaturgisch unerklärt: sein Programmierer hätte dafür doch „wissen“ müssen. Man versteht auch den haurucken Charakterwechsel der Raumschiffskommandeurin nicht, ihre ganze Funktion zudem nicht, der ein Raumschiffskommandant an die Seite gestellt ist, Marke grober Typ mit weichem Kern selbst in seinem derben Machismos, dem ausgerechnet diese Frau willfährt, bloß weil er sie provoziert, andernfalls sei auch sie ein Roboter. Ja, da wäre richtig Zeug zum Erzählen gewesen - weil ihr eigener Vater doch ganz offenbar ein künstliches Geschöpf ihr vorgezogen. Alldas läßt das Drehbuch unausgeführt; es wär zu kompliziert, nehme ich an, geworden, hätte vom Schießdrauf zu viel Zeit subtrahiert. - Der Schluß dann des Films ist billigster C-Horror-Trash.
Der Junge fand‘s klasse, schon weil der Film ab sechzehn war und er erst zwölf ist. Er fand auch klasse, daß wir uns nachher noch mit Broßmann trafen, vorm Beaker‘s, um, wir zwei Männer, ein Bier und er eine Cola zu trinken, auch wenn sein Kopf immer wieder auf meine Schulter sank im schließlich vergeblichen Kampf gegens Ermüden. Wir machten‘s auch nicht lang und lagen mitternachts im Bett, ein jeder.*****
Um zehn vor halb fünf dann auf. Mein Sohn schläft tief und fest und ließ sich drin auch von dem kreischenden Maschinchen nicht stören, das mir das Kaffeemehl bereitet. Erster Latte macchiato, erste Morgenpfeife. Heute ist Erledigungs-, nämlich Putz- und Waschtag. Die Arbeitswohnung muß mal wieder in Schuß gebracht und das Bettzeug sauber werden. Vorher allerdings ist zu übersetzen, nämlich jetzt gleich: sowohl - ich muß zu >>>> Parallalie aufschließen - >>>> der Joyce von gestern als auch der nächste Abschnitt, nunmehr die Nr. 21. Danach zu >>>> Mitte Meer, um meine Bestände aufzustocken, schließlich noch etwas Argo, wenn ich‘s schaffe, ja unbedingt muß ich‘s schaffen. Aber will auch mit meinem Jungen frühstücken, bevor er wieder davonfährt.
Vielleicht komm ich auch ein wenig an mein Cello. Sohn, ich könnte mal wieder Unterricht brauchen.

Vielleicht komm ich auch ein wenig an mein Cello. Sohn, ich könnte mal wieder Unterricht brauchen.
albannikolaiherbst - Samstag, 8. September 2012, 04:43- Rubrik: Arbeitsjournal
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