Schicksal & Muster.
„Je älter ich werde“, sagte ich ihr gestern abend, „desto weniger kann ich noch an Selbstbestimmung glauben, desto bedeutsamer wird der Schicksalsbegriff. Als wären Lebensgeschichten zwar nicht bewußt gesteuert, aber doch auf Bewegungen gesetzt, Bewegungen ausgesetzt, die nur diejenigen nicht bemerken, die ihr Leben gedämpft und normalisiert verbringen und verbringen möchten. Nicht, daß dadurch die Grunddynamik eine andere wäre, nur merkt sie sich dann nicht. Anders bei all denen, die sich der möglichen Intensität s t e l l e n: Sie können noch so sehr vermeiden, ihr Leben aus der Hand zu geben, sie laufen immer doch in gerade das, was ihnen entspricht oder, vereinfachend gesagt, ‚bestimmt’ ist.“ Genau dieses beschreibt der klassische Begriff von TRAGIK. Wobei TRAGIK nicht notwendigerweise, wenn auch meistens, ein Lebensunglück bedeuten muß, sie kann sehr wohl auch Glück bedeuten. Mit eigenem frei-willentlichen Zutun hat auch dies nichts zu tun. Denken Sie an das Glück Isoldetristans, als beide statt des Todesbechers den ihnen von Brangäne zubereiteten Liebestrank nehmen. Darin liegt eine Unausweichlichkeit, die sich bereits offenbarte, als Isolde an Tantris’ Lager die Waffe sinken ließ. Auch er spürte das, sonst hätte er sich auf der Überfahrt zu seinem Lehnsherrn, dem er Isolde als Braut zuführen sollte, nicht auf den Todestrank eingelassen. Noch in der höhnischen Auseinandersetzung beider während des ersten Aufzugs, ja sogar in Kurvenals Spottlied blitzen Reflexe dieses Schicksalhaften auf.
Ich hatte zudem, als ich von der Schule meines Jungen in die Arbeitswohnung spazierte, den folgenden Gedanken: - daß die Muster, denen unsere Leben folgen, physikalische seien, energetische in irgend einer Form; man muß wirklich weder Prädestinationsgedanken noch einer Religion anhängen, um dessen innezuwerden. Götter sind doch ohnedies Metaphern für Unbegriffenes/Unbegreifbares… nicht „Gott“, d e r ist das nicht, sondern ist pure machtpolitisches BegriffsInstrument. Götter indes, dachte ich, messen einem immer genau das zu, was zu tragen man fähig ist, niemals mehr. Aber das schöpfen sie a u s. Wird es mehr, dann allein deshalb, weil anderer - machtpolitischer - Wille ihnen in den Arm gefallen ist: so daß sie sich wehren.
„Muster“ und „Wiederholung von Mustern“ wird meine weitere Arbeit bestimmen, zusammen mit der Allegorie, die mit der Dynamik in sie eingewunden verwandt ist. Das ist in ARGO noch sehr viel deutlicher herauszuarbeiten. Man kann alles auch so ausdrücken: Mittlerweile halte ich demokratisches Denken für eine Rationalisierung – also für eine Abwehrform. Die latent wirkende Alternative ist selbstverständlich n i c h t Oligarchie und kann nicht einmal aristokratisch beschrieben werden, sondern alleine tragisch.
Ich hatte zudem, als ich von der Schule meines Jungen in die Arbeitswohnung spazierte, den folgenden Gedanken: - daß die Muster, denen unsere Leben folgen, physikalische seien, energetische in irgend einer Form; man muß wirklich weder Prädestinationsgedanken noch einer Religion anhängen, um dessen innezuwerden. Götter sind doch ohnedies Metaphern für Unbegriffenes/Unbegreifbares… nicht „Gott“, d e r ist das nicht, sondern ist pure machtpolitisches BegriffsInstrument. Götter indes, dachte ich, messen einem immer genau das zu, was zu tragen man fähig ist, niemals mehr. Aber das schöpfen sie a u s. Wird es mehr, dann allein deshalb, weil anderer - machtpolitischer - Wille ihnen in den Arm gefallen ist: so daß sie sich wehren.

[Berlin, Arbeitswohnung, 9.10 Uhr.
Verdi, Otello; Carlos Kleiber.]
Verdi, Otello; Carlos Kleiber.]
albannikolaiherbst - Montag, 3. Juli 2006, 09:19- Rubrik: Arbeitsjournal