Arbeitsjournal. Döblinpreis. Sonntag, der 13. Mai 2007.
12.42 Uhr:
[Hugo Wolf, Penthesilea.]
Zurück bleiben, nachdem die Enttäuschung seelisch aufgefangen ist, Verachtung und Ekel. Je tiefer man nachdenkt, desto tiefer scheint der Sumpf zu werden. Ein tatteriger Nobelpreisträger, dem die parteipolitische Raison zum Fetisch wurde und der darum „seinen“ Alfred Döblin dem Gerhard Schröder zwecks Sodomation ins Bett legt, wogegen sich Döblin, der ihm dafür diarrhoer ins Gesicht geschissen hätte, nun nicht wehren kann, da er seit fünfzig Jahren tot ist.. und der, die guten Texte niedermachend, die schlechteren lobend, damit ein weniger schlechter, der aber das richtige Parteibuch als Arschkrone trägt, von dem analen Akt auch empfängt, nämlich den Preis... und eine Jury, die, wohl wissend, welches Machtspiel hier getrieben wird, sich unter dieses Machtspiel b e u g t – ja, wie s o l l man da noch achten? Daß mir zuvor eine Jurorin erzählt, sie habe bereits >>>> in der Jury zum Berliner Literaturstipendium versucht, sich für den ARGO-Roman zu verwenden, aber die übrigen Juroren hätten sich geweigert, auch nur ins Typoskript hineinzuschauen... das ist das e i n e. Das andere ist ein Juror (Hinrich Schmidt-Henkel), der sich für ARGO starkmachen will und dann enttäuscht ist, weil ANH keine provokante Szene vorgelesen hat, die er dann auch hätte öffentlich mit vorbereiteter Eleganz verteidigen können... nun war er sozusagen um die Show gebracht - und nahm mir das derart übel, daß er das Buch insgesamt nicht mehr vertreten mochte, obwohl doch deutlich ist, w a s da gewagt und auch gelungen ist. Und der deshalb nun nicht etwa für den ästhetisch ebenfalls interessanten und sprachlich wie konstruktiv hochgelungenen Romanentwurf Norbert Zähringers plädiert, sondern der SPD den Lustknaben m i tbesorgt, dessen sie offenbar bedarf. Das alles liegt nun derart klar vor Augen, daß man an sich halten muß, also den Magen halten, um sich nicht zu erbrechen.
Ich hatte gestern abend den starken Impuls, es mit meinem Beruf sein zu lassen, ihn einfach an den Nagel zu hängen, so übel ist mir gewesen. Und hab mich dann, nachdem die Geliebte und die Kinder nach Hause gebracht, sie dadurch schützend davongemacht, um mich zu besaufen. Was übrigens gelang. Gelungen s e i e n die Kinder, versicherte mir Wolfgang Hörner von Eichborn Berlin spöttisch, als er das LCB verließ und mich auf den Eingangsstufen stehen sah: „Deine K i n d e r sind gelungen“, s o betonte er feixend. Ich war zu matt bereits, sonst hätt ich ihm eins in die Fresse gegeben. Und nun begeht er heute nachmittag mit den anderen Döblins 50. Todestag, also zu welcher Nutte man nunmehr diesen mit-größten Dichter der Deutschen gemacht. Überhaupt ist das Gefühl immens, daß man, gibt man in diesem Betrieb jemandem die Hand, damit nach dem Preis für einen Fick fragt und die Kondome noch selbst mitbringen muß. Dabei ist das alles nicht etwa saftig, sondern nekrophil und dörr; allzu spürbar ist, wie sehr dieser Betrieb in sich kollabiert und dabei an Interessen reibt, die mit allem Möglichen zu tun haben, nur nicht mit dem, wofür Literatur eigentlich einmal stand und vielleicht sogar noch weiterstehen könnte. Das zu sehen, ist um so bitterer, als man Abschied von bewunderten Menschen nehmen muß – bewunderten wie Grass, für einiges Werk immer noch zu recht bewundert, weiterhin und unerbittlich, aber doch dabei zu sehen, wie sehr ihn die SPD korrumpiert hat, so sehr, daß alle Knochen schon den Geruch einer Fäulnis angenommen haben, weil die „richtige Moral“ seine Ästhetik durchinfiziert hat – und als er mich nach meiner Lesung attackierte, beging ich den Fehler, seine M a c h t zu mißachten; anstatt daß ich ihm, der ausgerechnet einen d e r Referenztexte von ANDERSWELT – nämlich Döblins „Berge, Meere und Giganten“ - gegen mich ins Feld führte, ohne daß er dabei argumentiert hätte, nein, er behauptete nur... anstatt also ihm mit „Berge, Meere und Giganten“ zu e n t g e g n e n, hielt ich mich an Uve Schmidts klare Vorgabe, in der Dichtung wie im Leben gälten unbedingter Jugend- und Altersschutz. Und schwieg. Wie dumm das von mir war! Ich hätte sehen müssen, daß der Preis sowieso nicht zu erlangen war, sondern unbedingt an einen SPD- damit Grass-Vasallen gehen würde... und dann wäre es eh nicht auf eine scharfe Auseiandersetzung mehr oder weniger angekommen. Das vielleich a u c h hatte Schmidt-Henkels Enttäuschung gemeint. Und die von ihm vermißte Provokation war d a d u r c h da: die Provokation war, daß ANH >>>> einen s a n f t e n Text las, wenigstens im ersten Teil. Und der zweite war dann nicht maßlos g e n u g. „Maßlosigkeit“ war die Kategorie, die Schmidt-Henkel hatte auf mich anwenden und die er hatte für mich verteidigen wollen. „Man erschreibt sich ein Label“, sagte er mir auf dem Gang, „alles andere spielt dann kaum eine Rolle, auch dann nicht, wenn man es ebenfalls sehr gut kann und tut.“ Worum geht es also? Um Erwartungs-Erfüllung? Mit Adornos bösem Wort: um Affirmation? „Maßlosigkeit“ nahm Grass dann sofort für a l l e gute Dichtung – und zu Recht – in Anspruch, mir aber sprach er sie ab. „Zu perfekt“ war das nächste Wort, das immer wieder gegen mich eingewendet wurde, „man meint fast, Sie beherrschten s ä m t l i c h e Mittel und beherrschten sie z u s e h r.“ Maßlosigkeit war nun aber gerade das, was Kumpfmüller nicht hat und auch gar nicht haben will, sondern er will – und erklärte das auch – ein gerechtes Mittelmaß. Das ist ehrenvoll und auch gut gemacht, keine Frage. Doch hat nun das gerechte Mittelmaß den nach dem ungerechten maßlosen Döblin benannten Literaturpreis erhalten, nach einem auf sozialdemokratisches Niveau anständig herabgeschändeten Alfred Döblin. Für den ich deshalb eine Kerze stiften gehen werde nachher - anstatt im Bordell der Berliner Akademie der Künste an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Ich hoffe, es gibt eine katholische Kirche hier in der Nähe.
Bin dann auch hingegangen für die Döblinkerze. Aber auch hier hat sich etwas verändert: die Kirche war nicht offen. Vielleicht hat man Sorge, es fänden Obdachlose vor einem plötzlichen Schauer Unterkunft dort. Soviel denn zu Jesu Herz.
Herz-Jesu-Kirche zu Berlin.
Doch fand sich später Erfreuliches, - die Mitteilung nämlich, daß ich ab dem Wintersemester 2007 an der Heidelberger Universität eine Dozentur für Poetik eingerichtet bekommen werde. Da war ich dann wieder gänzlich zuversichtlich. Ab morgen um 4.30 Uhr geht es mit der normalen poetischen Arbeit nun weiter.
[Hugo Wolf, Penthesilea.]
Zurück bleiben, nachdem die Enttäuschung seelisch aufgefangen ist, Verachtung und Ekel. Je tiefer man nachdenkt, desto tiefer scheint der Sumpf zu werden. Ein tatteriger Nobelpreisträger, dem die parteipolitische Raison zum Fetisch wurde und der darum „seinen“ Alfred Döblin dem Gerhard Schröder zwecks Sodomation ins Bett legt, wogegen sich Döblin, der ihm dafür diarrhoer ins Gesicht geschissen hätte, nun nicht wehren kann, da er seit fünfzig Jahren tot ist.. und der, die guten Texte niedermachend, die schlechteren lobend, damit ein weniger schlechter, der aber das richtige Parteibuch als Arschkrone trägt, von dem analen Akt auch empfängt, nämlich den Preis... und eine Jury, die, wohl wissend, welches Machtspiel hier getrieben wird, sich unter dieses Machtspiel b e u g t – ja, wie s o l l man da noch achten? Daß mir zuvor eine Jurorin erzählt, sie habe bereits >>>> in der Jury zum Berliner Literaturstipendium versucht, sich für den ARGO-Roman zu verwenden, aber die übrigen Juroren hätten sich geweigert, auch nur ins Typoskript hineinzuschauen... das ist das e i n e. Das andere ist ein Juror (Hinrich Schmidt-Henkel), der sich für ARGO starkmachen will und dann enttäuscht ist, weil ANH keine provokante Szene vorgelesen hat, die er dann auch hätte öffentlich mit vorbereiteter Eleganz verteidigen können... nun war er sozusagen um die Show gebracht - und nahm mir das derart übel, daß er das Buch insgesamt nicht mehr vertreten mochte, obwohl doch deutlich ist, w a s da gewagt und auch gelungen ist. Und der deshalb nun nicht etwa für den ästhetisch ebenfalls interessanten und sprachlich wie konstruktiv hochgelungenen Romanentwurf Norbert Zähringers plädiert, sondern der SPD den Lustknaben m i tbesorgt, dessen sie offenbar bedarf. Das alles liegt nun derart klar vor Augen, daß man an sich halten muß, also den Magen halten, um sich nicht zu erbrechen.
Ich hatte gestern abend den starken Impuls, es mit meinem Beruf sein zu lassen, ihn einfach an den Nagel zu hängen, so übel ist mir gewesen. Und hab mich dann, nachdem die Geliebte und die Kinder nach Hause gebracht, sie dadurch schützend davongemacht, um mich zu besaufen. Was übrigens gelang. Gelungen s e i e n die Kinder, versicherte mir Wolfgang Hörner von Eichborn Berlin spöttisch, als er das LCB verließ und mich auf den Eingangsstufen stehen sah: „Deine K i n d e r sind gelungen“, s o betonte er feixend. Ich war zu matt bereits, sonst hätt ich ihm eins in die Fresse gegeben. Und nun begeht er heute nachmittag mit den anderen Döblins 50. Todestag, also zu welcher Nutte man nunmehr diesen mit-größten Dichter der Deutschen gemacht. Überhaupt ist das Gefühl immens, daß man, gibt man in diesem Betrieb jemandem die Hand, damit nach dem Preis für einen Fick fragt und die Kondome noch selbst mitbringen muß. Dabei ist das alles nicht etwa saftig, sondern nekrophil und dörr; allzu spürbar ist, wie sehr dieser Betrieb in sich kollabiert und dabei an Interessen reibt, die mit allem Möglichen zu tun haben, nur nicht mit dem, wofür Literatur eigentlich einmal stand und vielleicht sogar noch weiterstehen könnte. Das zu sehen, ist um so bitterer, als man Abschied von bewunderten Menschen nehmen muß – bewunderten wie Grass, für einiges Werk immer noch zu recht bewundert, weiterhin und unerbittlich, aber doch dabei zu sehen, wie sehr ihn die SPD korrumpiert hat, so sehr, daß alle Knochen schon den Geruch einer Fäulnis angenommen haben, weil die „richtige Moral“ seine Ästhetik durchinfiziert hat – und als er mich nach meiner Lesung attackierte, beging ich den Fehler, seine M a c h t zu mißachten; anstatt daß ich ihm, der ausgerechnet einen d e r Referenztexte von ANDERSWELT – nämlich Döblins „Berge, Meere und Giganten“ - gegen mich ins Feld führte, ohne daß er dabei argumentiert hätte, nein, er behauptete nur... anstatt also ihm mit „Berge, Meere und Giganten“ zu e n t g e g n e n, hielt ich mich an Uve Schmidts klare Vorgabe, in der Dichtung wie im Leben gälten unbedingter Jugend- und Altersschutz. Und schwieg. Wie dumm das von mir war! Ich hätte sehen müssen, daß der Preis sowieso nicht zu erlangen war, sondern unbedingt an einen SPD- damit Grass-Vasallen gehen würde... und dann wäre es eh nicht auf eine scharfe Auseiandersetzung mehr oder weniger angekommen. Das vielleich a u c h hatte Schmidt-Henkels Enttäuschung gemeint. Und die von ihm vermißte Provokation war d a d u r c h da: die Provokation war, daß ANH >>>> einen s a n f t e n Text las, wenigstens im ersten Teil. Und der zweite war dann nicht maßlos g e n u g. „Maßlosigkeit“ war die Kategorie, die Schmidt-Henkel hatte auf mich anwenden und die er hatte für mich verteidigen wollen. „Man erschreibt sich ein Label“, sagte er mir auf dem Gang, „alles andere spielt dann kaum eine Rolle, auch dann nicht, wenn man es ebenfalls sehr gut kann und tut.“ Worum geht es also? Um Erwartungs-Erfüllung? Mit Adornos bösem Wort: um Affirmation? „Maßlosigkeit“ nahm Grass dann sofort für a l l e gute Dichtung – und zu Recht – in Anspruch, mir aber sprach er sie ab. „Zu perfekt“ war das nächste Wort, das immer wieder gegen mich eingewendet wurde, „man meint fast, Sie beherrschten s ä m t l i c h e Mittel und beherrschten sie z u s e h r.“ Maßlosigkeit war nun aber gerade das, was Kumpfmüller nicht hat und auch gar nicht haben will, sondern er will – und erklärte das auch – ein gerechtes Mittelmaß. Das ist ehrenvoll und auch gut gemacht, keine Frage. Doch hat nun das gerechte Mittelmaß den nach dem ungerechten maßlosen Döblin benannten Literaturpreis erhalten, nach einem auf sozialdemokratisches Niveau anständig herabgeschändeten Alfred Döblin. Für den ich deshalb eine Kerze stiften gehen werde nachher - anstatt im Bordell der Berliner Akademie der Künste an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Ich hoffe, es gibt eine katholische Kirche hier in der Nähe.
[Döblinpreis.]
P.S.: >>>> Gibt es.[Morales, Requiem.]
22.39 Uhr:Bin dann auch hingegangen für die Döblinkerze. Aber auch hier hat sich etwas verändert: die Kirche war nicht offen. Vielleicht hat man Sorge, es fänden Obdachlose vor einem plötzlichen Schauer Unterkunft dort. Soviel denn zu Jesu Herz.

Doch fand sich später Erfreuliches, - die Mitteilung nämlich, daß ich ab dem Wintersemester 2007 an der Heidelberger Universität eine Dozentur für Poetik eingerichtet bekommen werde. Da war ich dann wieder gänzlich zuversichtlich. Ab morgen um 4.30 Uhr geht es mit der normalen poetischen Arbeit nun weiter.
albannikolaiherbst - Sonntag, 13. Mai 2007, 13:28- Rubrik: Arbeitsjournal
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