Das Vierte Frankfurtmainer Buchmessen-, sowie Arbeitsjournal, nämlich Argo ff.: Es durchhalten, auch wenn‘s dir den Boden unter den Schuhsohlen wegreißt. Nie aufgeben. Und daß man dann doch, im Kleinen, entgolten wird, etwa durch den Schinken bei Wieser - nämlich dadurch, daß zwei zu Freunden, sofortigen, werden, die man, dies ahnend, zusammengebracht. Sonnabend, der 13. Oktober 2012.
9.50 Uhr:
[Heinz Winbeck, Fünfte Sinfonie auf Themen von Bruckner,
besonders der Fragmente seiner nachgelassenen Neunten.]
[Heinz Winbeck, Fünfte Sinfonie auf Themen von Bruckner,
besonders der Fragmente seiner nachgelassenen Neunten.]
“Es gibt hier doch noch Mensch“, sagt Forssmann, nachdem wir bei >>>> Wieser waren. „Nicht alle“, sage ich, „sind schon Replikanten, und ein paar werden es niemals werden.“
Eine Geschichte, die vor ein paar Jahren begann. In einem >>>> sehr schönen Sizilienbuch fand ich einen Text von mir, aus meinem eigenen Sizilienbuch herausgenommen, ohne daß mir oder meinem Verlag davon Kenntnis war. Das Buch, bei Wieser, war und ist wunderschön.
Eine Geschichte, die vor ein paar Jahren begann. In einem >>>> sehr schönen Sizilienbuch fand ich einen Text von mir, aus meinem eigenen Sizilienbuch herausgenommen, ohne daß mir oder meinem Verlag davon Kenntnis war. Das Buch, bei Wieser, war und ist wunderschön.
Ich schwieg gegenüber meinem Verlag, begab mich auf der auf meine Entdeckung folgenden Buchmesse an den Wieserstand und sah einen riesigen Schinken auf einen Schinkenhalter gespannt und einen kräftigen, lebenssprühenden Mann mit den Unterarmen eines Bauern dahinter, das lange schmale Messer in der Hand und in den Augen, wenn man hinsah, tiefe Melancholie. Das linke Auge steht ein wenig schief, über beide Glaskörper hängen die Lider: wie Jalousinen, die nicht ganz heraufgezogen sind.
Ich sprach ihn an, stellte mich vor, erklärte den Grund meines Besuches und sagte: „Nein, ich finde das in Ordnung. Was hätte ich an dem Auszug verdient, wäre es mit juristisch rechten Dingen abgegangen? Dreißig Mark, vierzig Mark vielleicht, nach Steuern also zwanzig? Wissen Sie, ich bin in Ihrem schönen Buch und bin es gern. Geben Sie mir einfach von diesem Schinken zu essen.“ Er, österreichisch mit slawischer Färbung: „Und oanen Weijn wollnS Ihne aa?“
Seitdem gehe ich auf jeder Messe wenigstens einmal dort vorbei. Diesmal traf es sich, daß >>>> meine Impresaria mit Wieser befreundet ist, so daß wir schon vorgestern lange dort aßen, tranken, plauderten. Es ist kaum erstaunlich, daß der sinnesfreudige Mann ein Buch übers Kochen hat geschrieben, in einem Verlag, der ansonsten sprachwissenschaftliche Arbeiten in meisterhaften Ausgaben herausgibt, aber auch Dichtungen, etwa von Peter Handke. Sehen Sie sich >>>> das Programm einfach an. In „Kochen unter anderen Sternen“ finden sich aber Kapitalnamen wie Im dritten Kapitel wird vom ersten Schmecken und Kosten,
vom Probieren und Riechen, vom Scheitern und Wagen,
von Nahem und von Fernem, von Saurem und Süßem
und vom Brot und vom Sterben berichtet.
Ich sprach ihn an, stellte mich vor, erklärte den Grund meines Besuches und sagte: „Nein, ich finde das in Ordnung. Was hätte ich an dem Auszug verdient, wäre es mit juristisch rechten Dingen abgegangen? Dreißig Mark, vierzig Mark vielleicht, nach Steuern also zwanzig? Wissen Sie, ich bin in Ihrem schönen Buch und bin es gern. Geben Sie mir einfach von diesem Schinken zu essen.“ Er, österreichisch mit slawischer Färbung: „Und oanen Weijn wollnS Ihne aa?“
Seitdem gehe ich auf jeder Messe wenigstens einmal dort vorbei. Diesmal traf es sich, daß >>>> meine Impresaria mit Wieser befreundet ist, so daß wir schon vorgestern lange dort aßen, tranken, plauderten. Es ist kaum erstaunlich, daß der sinnesfreudige Mann ein Buch übers Kochen hat geschrieben, in einem Verlag, der ansonsten sprachwissenschaftliche Arbeiten in meisterhaften Ausgaben herausgibt, aber auch Dichtungen, etwa von Peter Handke. Sehen Sie sich >>>> das Programm einfach an. In „Kochen unter anderen Sternen“ finden sich aber Kapitalnamen wie Im dritten Kapitel wird vom ersten Schmecken und Kosten,
vom Probieren und Riechen, vom Scheitern und Wagen,
von Nahem und von Fernem, von Saurem und Süßem
und vom Brot und vom Sterben berichtet.
Das sei ein schönes Buch, habe Handke gesagt, doch gebe es ein Problem mit ihm: „Woann moan liiejst, bekoamt‘s moan on Hoanger“
So zogen denn Forssmann, den ich von >>>> Arno Schmidt bei Suhrkamp herüberentführte, und ich zu Wieser an den Stand, ich stellte beide einander vor, Forssmann sofort: „Ich bin nicht zum Schnorren gekommen“. Meine Initative war ihm, dem zurückhaltend Vornehmen, ein wenig peinlich. Doch da begannen die beiden Männer zu sprechen. Bald wurden Bücher getauscht. Und das Typographengenie erzählte von seinem sprachgenialen Bruder, sah >>>> in Wiesers Standardwerk einen Autorennamen, den ich leider vergessen habe, und bemerkte: „Oh, gegen diesen Mann sind wie hier alle auf der Messe verglimmende Lichter.“ Solch eine Achtung lag in dem Satz, daß nach dem Wein der Slivovitz kam. Es war das Gefühl, das uns das Glück schenkt, was mir die beginnende Freundschaft dieser beiden Menschen gab:
So zogen denn Forssmann, den ich von >>>> Arno Schmidt bei Suhrkamp herüberentführte, und ich zu Wieser an den Stand, ich stellte beide einander vor, Forssmann sofort: „Ich bin nicht zum Schnorren gekommen“. Meine Initative war ihm, dem zurückhaltend Vornehmen, ein wenig peinlich. Doch da begannen die beiden Männer zu sprechen. Bald wurden Bücher getauscht. Und das Typographengenie erzählte von seinem sprachgenialen Bruder, sah >>>> in Wiesers Standardwerk einen Autorennamen, den ich leider vergessen habe, und bemerkte: „Oh, gegen diesen Mann sind wie hier alle auf der Messe verglimmende Lichter.“ Solch eine Achtung lag in dem Satz, daß nach dem Wein der Slivovitz kam. Es war das Gefühl, das uns das Glück schenkt, was mir die beginnende Freundschaft dieser beiden Menschen gab:
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Viel sonstiges Glück erlebe ich nicht. Es ist eine der für mich schwierigsten Buchmessen je, die schwierigste wohl. Ich werd von innen her- und hingeschüttelt und weine oft. Dabei könnte ich zufrieden sein. Der dritte Andersweltband wird im nächsten Herbst erscheinen: welcher Verlag traut sich denn sowas: den dritten Band einer Trilogie herauszugeben, deren ersten beiden Bände quasi nicht mehr lieferbar sind; der obendrein zwischen 1000 und 1200 Seiten haben wird; die n o c h darüber hinaus von einem Autor geschrieben sind, den der Betrieb, also auch Vertrieb nicht nur ignoriert, sondern den er weghaben will? >>>> Elfenbein traut sich. Dankbarkeit müßte meine Haltung fundieren. Aber ich habe gerade ein Buch neu bekommen, daß schon tot direkt nach dem Druck ist:
Viel sonstiges Glück erlebe ich nicht. Es ist eine der für mich schwierigsten Buchmessen je, die schwierigste wohl. Ich werd von innen her- und hingeschüttelt und weine oft. Dabei könnte ich zufrieden sein. Der dritte Andersweltband wird im nächsten Herbst erscheinen: welcher Verlag traut sich denn sowas: den dritten Band einer Trilogie herauszugeben, deren ersten beiden Bände quasi nicht mehr lieferbar sind; der obendrein zwischen 1000 und 1200 Seiten haben wird; die n o c h darüber hinaus von einem Autor geschrieben sind, den der Betrieb, also auch Vertrieb nicht nur ignoriert, sondern den er weghaben will? >>>> Elfenbein traut sich. Dankbarkeit müßte meine Haltung fundieren. Aber ich habe gerade ein Buch neu bekommen, daß schon tot direkt nach dem Druck ist:
Es ist, als wäre mir ein Kind in die beiden Hände gelegt, das schon gestorben ist, als es aus dem Mutterleib kommt, und man sagt mir: „Hier, schau deine Tochter. Das wird, die Kleine aufzuziehen, ein rechter Spaß für dich werden.“ Dieses Gefühl überschattet vieles. Dann kam, von einem bekannten Kritiker, dessen Namen ich nicht nennen will; ich hab‘s zu oft schon getan - kam die Information gegenüber einem anderen Kleinverleger, der es gewagt hat, einen großen Roman herauszubringen: „Das Buch gehört eigentlich auf die deutsche Buchpreisliste; aber ich kann es da nicht draufsetzen, weil die Verabredung gilt: nur große Verlage sollen da mitspielen.“ Man habe, heißt es, Angst, daß die kleinen Verlage nicht liefern könnten, wenn ihre Autoren diesen Preis bekämen. Was ein ungeheuerliches Argument ist und auch insgesamt nicht stimmt, weil >>>> Jung & Jung nun wirklich kein großer Verlag ist. Aber er gehört zur Familie, da liegt der Punkt. Wer nicht dazu gehört, wird ausgesondert.
Jedenfalls platzte ich, als ich das hörte. Mit einem Mal war mir klar, daß ich gar keine Chance hätte, nicht auf den Buchpreis, der interessiert mich allenfalls am Rande, sondern dafür, dort vertreten zu sein, wohin ich will, schlichtweg mit Respekt behandelt zu werden und die Akzeptanz zu bekommen, die mein Werk nun deutlich rechtfertigt. Es geht nicht um Preise und Ehrungen, sondern schlichtweg um Achtung für Einsatz und Arbeit. Von allem Anfang an aber ist versucht worden, sie an den Rand zu drängen. Das hängt auch mit meinem Herkunftsnamen zusammen, der Ribbentrop ist eine ungeheure Bürde gewesen, ob ich mit der Familie etwas zu tun habe oder, was doch der Fall ist, nichts. Und ich störe, weil ich die bürgerlichen Regeln nicht akzeptiere: also den Mund aufmache, wo ich Unrecht sehe. Nicht nur dem gegen mich, sondern auch und immer wieder bei anderen Autoren, die ich unrechtmäßig behandelt, weggedrückt, zertreten sehe.
Das macht mich nicht verläßlich. Ich habe keinen Corpsgeist und nehme keine Befehle, diese ungesagten, heimlich-stillen, entgegen. Ich beuge mich auch nicht vor Funktionen; vor Autorität aber sehr wohl; nur die ist mit Funktionen nicht notwendigerweise verbunden. Wenn jemand irgendwo an einer führenden Position ist, bedeutet das eben nicht, er oder sie sei bereits Autorität. Wir alle wissen, wie oft bestimmte Menschen aus ganz sachfernen Gründen an Positionen kommen, wie hier Interessengemische wirken, Lobbies usw. Ich lege Wert darauf, ein freier Mann zu sein. Das stört. „Ich sehe es hier im Kunstbetrieb sehr genau“, sagt die Löwin und spricht nicht nur von Wien, „wer künstlerischen Erfolg haben will, muß für Lobbies sorgen, muß sich einschleimen, muß kriechen: kurz:: strategisch vorgehen. Das hat mir der Qualität des jeweiligen Werkes gar nichts zu tun, sondern allein mit gesellschaftlicher Geschicklichkeit. So ist es jedenfalls in der Bildenden Kunst. Die Zeit ist nicht mehr für Unangepaßtheit, im Gegenteil. Angepaßtheit wird erwartet.“ Sieg der Äquivalenzform, denke ich, also: des Geldes. Tauschbar jede gegen jedes. Und meine Freundin A., mit der ich gestern beisammensaß: „Wir haben keinen Anspruch. auf Akzeptanz. Wir haben keinen Anspruch auf Anerkennung. Wir kommen zur Welt, bleiben eine Zeit lang, dann gehen wir wieder. Es gibt kein Recht auf Erfüllung.“ Und eine andere sagt: „Je mehr du etwas willst, desto weniger wirst du es bekommen. Die Menschen haben eine Freude daran, anderen Menschen genau das nicht zu geben, was sie brauchen. Es gefällt ihnen, andere Menschen leiden zu sehen.“
Der Befund ist düster. Die Düsternis brach vorgestern über mich herein, schlagartig, als eine Erkenntnis. Und es stellt sich die Frage: wie weiterreagieren? Sich bescheiden, still werden, allmählich resignieren? Sich zurückziehen? Aufgeben?
Nein.
Ich entwarf also eine neue Erzählung. Die werde ich Ihnen in anderem Zusammenhang erzählen, weil sie auch eine Art Vornahme ist, etwas, das ich planen könnte, vielleicht werde. Wenn ich das tu, wird es mich außerhalb der gesetzlichen Ordnungen stellen. Komplett. Aber es wird eine Legende um mein Werk erzeugen.
Ich trenne nicht. Trenne nicht zwischen ihm und mir.
Was so dunkel ist, ist, daß mir meine Lebensfreude verlorenging in den letzten Tagen, mein Glaube. Daß diese Glut, die ich immer wieder, in jedem meiner Bücher, besungen habe und eigentlich weiterbesingen möchte, diesen, ja: Glauben an das Leben - daß das einen mehr als nur spürbaren Riß bekommen hat. Mag sein, es hängt auch mit meinem Alter zusammen. Ein bald 58jähriger Mann hat die Naivetät nicht mehr, die unentwegtes Anrennen braucht, diese Überzeugung, man müsse nur gut genug werden und dürfe nicht nachlassen, dann werde es sich fügen. Es fügt sich nur, wo man auf Seiten der Macht steht, sich ihr andienert und kriecht, oder wo man glückhaft vom Zeitstrom mitgetragen wird, ob durch Zufall, als der es einem erscheint, ob durch Übereinstimmung mit den gerade opportunen Interessenlagen.
Ich bin nicht der einzige, dem geschieht, was mir geschieht; es gibt davon sehr viele andere. Aber sie schweigen in aller Regel. Oder sie rasten aus.
Was ich spürte in den vergangenen Tagen, ist die zunehmende Totalisierung der gesteuerten Zusammenhänge; für Glück ist kaum noch Platz, nur noch für Kalkül. Und ich spürte, daß meine Kraft nicht reichen werde, so viel ich auch davon habe. „Wenn Sie weiterkämpfen wollen, dann machen Sie unbedingt wieder Sport“, riet mir die Löwin. „Stemmen Sie Ihre Kraft gegen tote Gewichte und heben Sie sie; daraus kommt neue Kraft gegen Gewichte, die leben.“ Nur: Woher nehme ich die Zeit? Dennoch hat sie recht. Ich werde meine Tage umstrukturieren müssen; da ich abends nur schlecht arbeiten kann, sollte ich dann den Sport machen. Und aufhören, mich dauernd, wenn ich müde werde, mit Filmen abzulenken. „Ich will nicht, daß Sie zum Alkoholiker werden, so rein aus Verzweiflung. Sie haben diesen wunderbaren gesunden Körper. Verlassen Sie sich auf ihn, aber geben Sie ihm, was er braucht. Er ist Ihr nahster Verbündeter.“
Und ich muß aufpassen, sehr aufpassen, daß sich mir das Herz nicht vergiftet. Ich habe, während ich dies schreibe, dauernd Tränen in den Augen, wie von einem Wasserhahn, der tropft. Vielleicht, daß das mich etwas schützt.*******
11.10 Uhr:
Also Argo jetzt, nie nahlaaten. Dann zur Messe. Abends >>>> Lesung im Literaturforum, danach das legendäre Buchmessenfest bei Reicherts, zu dem geladen worden zu sein eine Ehre immerhin ist.
12.30 Uhr:
Argo bei TS 561 Mitte.
Eine sehr schöne Kleinigkeit hab ich vergessen. Deshalb noch einmal >>>> zu Wieser zurück: Ich kaufte ich dieses Bücherl, von dem man hungrig wird. „Nein, ich möchte keinen Autorenrabatt. Ich möchte es zum Ladenpreis kaufen.“ „Dann gebe ich Dir etwas drauf: Hier:

Jedenfalls platzte ich, als ich das hörte. Mit einem Mal war mir klar, daß ich gar keine Chance hätte, nicht auf den Buchpreis, der interessiert mich allenfalls am Rande, sondern dafür, dort vertreten zu sein, wohin ich will, schlichtweg mit Respekt behandelt zu werden und die Akzeptanz zu bekommen, die mein Werk nun deutlich rechtfertigt. Es geht nicht um Preise und Ehrungen, sondern schlichtweg um Achtung für Einsatz und Arbeit. Von allem Anfang an aber ist versucht worden, sie an den Rand zu drängen. Das hängt auch mit meinem Herkunftsnamen zusammen, der Ribbentrop ist eine ungeheure Bürde gewesen, ob ich mit der Familie etwas zu tun habe oder, was doch der Fall ist, nichts. Und ich störe, weil ich die bürgerlichen Regeln nicht akzeptiere: also den Mund aufmache, wo ich Unrecht sehe. Nicht nur dem gegen mich, sondern auch und immer wieder bei anderen Autoren, die ich unrechtmäßig behandelt, weggedrückt, zertreten sehe.
Das macht mich nicht verläßlich. Ich habe keinen Corpsgeist und nehme keine Befehle, diese ungesagten, heimlich-stillen, entgegen. Ich beuge mich auch nicht vor Funktionen; vor Autorität aber sehr wohl; nur die ist mit Funktionen nicht notwendigerweise verbunden. Wenn jemand irgendwo an einer führenden Position ist, bedeutet das eben nicht, er oder sie sei bereits Autorität. Wir alle wissen, wie oft bestimmte Menschen aus ganz sachfernen Gründen an Positionen kommen, wie hier Interessengemische wirken, Lobbies usw. Ich lege Wert darauf, ein freier Mann zu sein. Das stört. „Ich sehe es hier im Kunstbetrieb sehr genau“, sagt die Löwin und spricht nicht nur von Wien, „wer künstlerischen Erfolg haben will, muß für Lobbies sorgen, muß sich einschleimen, muß kriechen: kurz:: strategisch vorgehen. Das hat mir der Qualität des jeweiligen Werkes gar nichts zu tun, sondern allein mit gesellschaftlicher Geschicklichkeit. So ist es jedenfalls in der Bildenden Kunst. Die Zeit ist nicht mehr für Unangepaßtheit, im Gegenteil. Angepaßtheit wird erwartet.“ Sieg der Äquivalenzform, denke ich, also: des Geldes. Tauschbar jede gegen jedes. Und meine Freundin A., mit der ich gestern beisammensaß: „Wir haben keinen Anspruch. auf Akzeptanz. Wir haben keinen Anspruch auf Anerkennung. Wir kommen zur Welt, bleiben eine Zeit lang, dann gehen wir wieder. Es gibt kein Recht auf Erfüllung.“ Und eine andere sagt: „Je mehr du etwas willst, desto weniger wirst du es bekommen. Die Menschen haben eine Freude daran, anderen Menschen genau das nicht zu geben, was sie brauchen. Es gefällt ihnen, andere Menschen leiden zu sehen.“
Der Befund ist düster. Die Düsternis brach vorgestern über mich herein, schlagartig, als eine Erkenntnis. Und es stellt sich die Frage: wie weiterreagieren? Sich bescheiden, still werden, allmählich resignieren? Sich zurückziehen? Aufgeben?
Nein.
Ich entwarf also eine neue Erzählung. Die werde ich Ihnen in anderem Zusammenhang erzählen, weil sie auch eine Art Vornahme ist, etwas, das ich planen könnte, vielleicht werde. Wenn ich das tu, wird es mich außerhalb der gesetzlichen Ordnungen stellen. Komplett. Aber es wird eine Legende um mein Werk erzeugen.
Ich trenne nicht. Trenne nicht zwischen ihm und mir.
Was so dunkel ist, ist, daß mir meine Lebensfreude verlorenging in den letzten Tagen, mein Glaube. Daß diese Glut, die ich immer wieder, in jedem meiner Bücher, besungen habe und eigentlich weiterbesingen möchte, diesen, ja: Glauben an das Leben - daß das einen mehr als nur spürbaren Riß bekommen hat. Mag sein, es hängt auch mit meinem Alter zusammen. Ein bald 58jähriger Mann hat die Naivetät nicht mehr, die unentwegtes Anrennen braucht, diese Überzeugung, man müsse nur gut genug werden und dürfe nicht nachlassen, dann werde es sich fügen. Es fügt sich nur, wo man auf Seiten der Macht steht, sich ihr andienert und kriecht, oder wo man glückhaft vom Zeitstrom mitgetragen wird, ob durch Zufall, als der es einem erscheint, ob durch Übereinstimmung mit den gerade opportunen Interessenlagen.
Ich bin nicht der einzige, dem geschieht, was mir geschieht; es gibt davon sehr viele andere. Aber sie schweigen in aller Regel. Oder sie rasten aus.
Was ich spürte in den vergangenen Tagen, ist die zunehmende Totalisierung der gesteuerten Zusammenhänge; für Glück ist kaum noch Platz, nur noch für Kalkül. Und ich spürte, daß meine Kraft nicht reichen werde, so viel ich auch davon habe. „Wenn Sie weiterkämpfen wollen, dann machen Sie unbedingt wieder Sport“, riet mir die Löwin. „Stemmen Sie Ihre Kraft gegen tote Gewichte und heben Sie sie; daraus kommt neue Kraft gegen Gewichte, die leben.“ Nur: Woher nehme ich die Zeit? Dennoch hat sie recht. Ich werde meine Tage umstrukturieren müssen; da ich abends nur schlecht arbeiten kann, sollte ich dann den Sport machen. Und aufhören, mich dauernd, wenn ich müde werde, mit Filmen abzulenken. „Ich will nicht, daß Sie zum Alkoholiker werden, so rein aus Verzweiflung. Sie haben diesen wunderbaren gesunden Körper. Verlassen Sie sich auf ihn, aber geben Sie ihm, was er braucht. Er ist Ihr nahster Verbündeter.“
Und ich muß aufpassen, sehr aufpassen, daß sich mir das Herz nicht vergiftet. Ich habe, während ich dies schreibe, dauernd Tränen in den Augen, wie von einem Wasserhahn, der tropft. Vielleicht, daß das mich etwas schützt.*******
11.10 Uhr:
Also Argo jetzt, nie nahlaaten. Dann zur Messe. Abends >>>> Lesung im Literaturforum, danach das legendäre Buchmessenfest bei Reicherts, zu dem geladen worden zu sein eine Ehre immerhin ist.
12.30 Uhr:
Argo bei TS 561 Mitte.
Eine sehr schöne Kleinigkeit hab ich vergessen. Deshalb noch einmal >>>> zu Wieser zurück: Ich kaufte ich dieses Bücherl, von dem man hungrig wird. „Nein, ich möchte keinen Autorenrabatt. Ich möchte es zum Ladenpreis kaufen.“ „Dann gebe ich Dir etwas drauf: Hier:
Sowie es vollgeschrieben ist, bekomme ich es wieder. Das ist meine Bedingung für dieses Geschenk.“
Barbara Stang saß dabei.
„Das ist in Ordnung“, erwiderte ich, „aber dann verlegst du es auch.“
Er sieht mich tief an, skeptisch, bis die Augenwinkel schlitzen; Humor gießt sich davon herab. „Gut“ sagte er, „dann machen wir das so.“ „Ich bin Zeugin“, sagt Frau Stang. Auch nun wieder spielt Honorar keine Rolle. Wir haben einen Pakt geschlossen, der mich verpflichtet; ich werde den Mann nicht enttäuschen.
Barbara Stang saß dabei.
„Das ist in Ordnung“, erwiderte ich, „aber dann verlegst du es auch.“
Er sieht mich tief an, skeptisch, bis die Augenwinkel schlitzen; Humor gießt sich davon herab. „Gut“ sagte er, „dann machen wir das so.“ „Ich bin Zeugin“, sagt Frau Stang. Auch nun wieder spielt Honorar keine Rolle. Wir haben einen Pakt geschlossen, der mich verpflichtet; ich werde den Mann nicht enttäuschen.
albannikolaiherbst - Samstag, 13. Oktober 2012, 12:40- Rubrik: Arbeitsjournal
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