„Der größte Irrtum unserer Zeit“ (La plus grande erreur de notre temps). Dans la revue de travail du mercredi 3 Août, 2016e. Erst Dennis Cooper und Die Welt, darinnen Pokémon. Sowie das neue Soma. MIt Marc Reichwein und abermals Clemens Setz.
[Rive gauche, 9.09 Uhr
Bach, Chaconne aus BWV 1004)
Netzöffentlichkeit als Öffentlichkeit im klassischen Sinne, schrieb >>>> gestern in der WELT Marc Reichwein, sei der größte Irrtum unserer Zeit. Mir scheint dies angesichts der fundamentalen Religionskriege eine arge Übertreibung zu sein, zumal ja schon die Öffentlichkeit „im klassischen Sinne“ ein Irrtum gewesen sein dürfte: Gefiltert wurde auch, sagen wir:, „seiner“zeit. Es hat sich nur die Zensur als ein Instrument der Staatlichkeit zu einem Instrument der Privatheit entwickelt. Das entspricht völlig der zunehmenden Privatisierung einst öffentlicher Funktionen; schon damals, zur Zeit des >>>> Meereprozesses diagnostizierte ich dies und sagte eine Verschärfung der Entwicklung immer wieder voraus. Der gewünschte Konsens wird nunmehr weniger aus staatlich-administrativen Gründen betrieben, die freilich auch eine Rolle spielen, als vielmehr, um die Handelbarkeit der Märkte zu perfektionieren. Letztes und schlagendstes Beispiel ist derzeit wohl >>>> die Pokémon-Jägerei, die völkerübergreifend eine ganze Generation sprichwörtlich in Bewegung setzt, wenn ncht sogar zwei Generationen. Die erste gelungene Einübung dieser Art ist wahrscheinlich das Rauchverbot gewesen. Man führt uns vor, wie allein durchs Antriggern der Zugehörigkeitsbedürfnisse ganze Kulturbereiche aus dem Bewußtsein gestrichen werden können. Eine bessere Voraussetzung für die Zurichtung auf den homo consumus gibt es gar nicht. Es ist dies also etwas, das ins, um wieder einmal mit dem großen Bloch zu sprechen, Hauptbuch des Kapitalismus gehört, gegen den unterdessen nichts mehr als das mittelalterlich grausame, diktatorische Prinzip dogmatisch empfundener (und eben nicht gedachter) Glaubensinhalte steht.
Nahezu alle anderen Prinzipien und Werte sind disponibel geworden. Religion als >>>> Soma dort (>>>> „ Opium des Volkes“) , Konsum als Soma hier. Im Googlefall Dennis Coopers erleben wir eine Neuauflage dessen, was einmal „doppelte Moral“ hieß, nun aber – eine Parallelerscheinung zu „Geiz ist geil“ – in der akzeptierten (affirmierten) Form gesellschaftlicher Opportunität. (>>>> Phyllis Kiehl bemerkte gestern sehr richtig, daß in den jüngeren Generationen nicht etwa mehr gesagt werde „Ich kaufe mir dies und das“, sondern „Ich hole mir dies und das“. An der Sprache ist, was geschieht, zu allererst zu merken.)
Anders freilich als besorgt Herr Reichwein meint, der sich auf einen Artikel Clemens Setz' in der taz bezieht, sehe ich eine Gefährdung Der Dschungel indessen n i c h t, allenfalls eine durch mich selbst, der ich doch immer mal wieder mit dem Gedanken flirte, Die Dschungel gänzlich aufzugeben – sie nicht zu löschen, nein, sondern als notwendigerweise unvollendet-vollendetes Projekt im Netz stehenzulassen. Es sind mir in den anderthalb Jahrzehnten, die es nun auf dem Buckel hat, einige Seelenspäne gefallen, und außerdem ist diese Form der öffentlichen Darstellung durchaus nicht ohne faktische Risiken, wie meine allhierigen Trolle zu beweisen nicht nur anstehn, sondern dieses oft in langer Reihe: Wie können wir diesem Menschen schaden?
Für mich geht also die Gefahr entschieden nicht von Google aus, sondern von solchen, die sich dem gesellschaftlichen Konsens, der auch eine Art Fundamentalismus ist, längst eingefügt haben und Abweichler maßregeln wollen, gerne zum Beispiel durch gezielte Denunziation oder Diffamierung, ja sie – also jene - am liebsten g a n z ausknipsen würden – mithin, so kann man sagen, von Googles Fußvolk; wobei „Google“ hier nicht das tatsächliche Unternehmen-selbst, sondern ein Prinzip meint, vermittels dessen die allgemeine Äquivalenz zustande gebracht werden soll und zu großen Teilen zustandegebracht bereits wurde. Wir, die wir dagegenstehen, sind nur noch wenige, auch wenn die andren es nicht wissen. Und „doppelte Moral“ bedeutet, daß nicht mehr geraucht, sehr wohl aber gefoltert werden darf. Ein „schönes“ Beispiel ist Barack Obama: Er raucht tatsächlich nicht mehr.
(Aber „an sich“ hatte ich heute wieder über Musik schreiben wollen. Nun kam mir Marc Reichwein dazwischen. - Na gut, der Text ist entworfen und folgt in den kommenden Tagen.)
Nichts scheint schwerer aushaltbar zu sein als Ambivalenzen. Nichts indessen bestimmt so sehr, ob man erwachsen wurde, wie eben dies. Der Markt freilich will den Regreß, und er bringt ihn hier ebenso zustande wie dort der religiöse Fundamentalismus. Man kann durchaus sagen, die beiden seien ebenso die zwei Seiten derselben Medaille wie daß dieser jenes Folge sei, nämlich seiner Geschichte aus dem vergangenen Kolonialismus und seiner Entwicklung zur globalen Hegemonialpolitik des Westens.
Quer steht dazu nur die Kunst – und zwar eine, die sich nicht auf „Quote“ einläßt, sondern dem Entertainment spinnefeind bleibt. Den Vorwurf, elitär zu sein, muß sie da notgedrungen tragen; ja er ist fast eine Auszeichnung: siehe Jarretts Beharren auf seines Publikums Ruhe und Konzentration.
Nahezu alle anderen Prinzipien und Werte sind disponibel geworden. Religion als >>>> Soma dort (>>>> „ Opium des Volkes“) , Konsum als Soma hier. Im Googlefall Dennis Coopers erleben wir eine Neuauflage dessen, was einmal „doppelte Moral“ hieß, nun aber – eine Parallelerscheinung zu „Geiz ist geil“ – in der akzeptierten (affirmierten) Form gesellschaftlicher Opportunität. (>>>> Phyllis Kiehl bemerkte gestern sehr richtig, daß in den jüngeren Generationen nicht etwa mehr gesagt werde „Ich kaufe mir dies und das“, sondern „Ich hole mir dies und das“. An der Sprache ist, was geschieht, zu allererst zu merken.)
Anders freilich als besorgt Herr Reichwein meint, der sich auf einen Artikel Clemens Setz' in der taz bezieht, sehe ich eine Gefährdung Der Dschungel indessen n i c h t, allenfalls eine durch mich selbst, der ich doch immer mal wieder mit dem Gedanken flirte, Die Dschungel gänzlich aufzugeben – sie nicht zu löschen, nein, sondern als notwendigerweise unvollendet-vollendetes Projekt im Netz stehenzulassen. Es sind mir in den anderthalb Jahrzehnten, die es nun auf dem Buckel hat, einige Seelenspäne gefallen, und außerdem ist diese Form der öffentlichen Darstellung durchaus nicht ohne faktische Risiken, wie meine allhierigen Trolle zu beweisen nicht nur anstehn, sondern dieses oft in langer Reihe: Wie können wir diesem Menschen schaden?
Für mich geht also die Gefahr entschieden nicht von Google aus, sondern von solchen, die sich dem gesellschaftlichen Konsens, der auch eine Art Fundamentalismus ist, längst eingefügt haben und Abweichler maßregeln wollen, gerne zum Beispiel durch gezielte Denunziation oder Diffamierung, ja sie – also jene - am liebsten g a n z ausknipsen würden – mithin, so kann man sagen, von Googles Fußvolk; wobei „Google“ hier nicht das tatsächliche Unternehmen-selbst, sondern ein Prinzip meint, vermittels dessen die allgemeine Äquivalenz zustande gebracht werden soll und zu großen Teilen zustandegebracht bereits wurde. Wir, die wir dagegenstehen, sind nur noch wenige, auch wenn die andren es nicht wissen. Und „doppelte Moral“ bedeutet, daß nicht mehr geraucht, sehr wohl aber gefoltert werden darf. Ein „schönes“ Beispiel ist Barack Obama: Er raucht tatsächlich nicht mehr.
(Aber „an sich“ hatte ich heute wieder über Musik schreiben wollen. Nun kam mir Marc Reichwein dazwischen. - Na gut, der Text ist entworfen und folgt in den kommenden Tagen.)
Nichts scheint schwerer aushaltbar zu sein als Ambivalenzen. Nichts indessen bestimmt so sehr, ob man erwachsen wurde, wie eben dies. Der Markt freilich will den Regreß, und er bringt ihn hier ebenso zustande wie dort der religiöse Fundamentalismus. Man kann durchaus sagen, die beiden seien ebenso die zwei Seiten derselben Medaille wie daß dieser jenes Folge sei, nämlich seiner Geschichte aus dem vergangenen Kolonialismus und seiner Entwicklung zur globalen Hegemonialpolitik des Westens.
Quer steht dazu nur die Kunst – und zwar eine, die sich nicht auf „Quote“ einläßt, sondern dem Entertainment spinnefeind bleibt. Den Vorwurf, elitär zu sein, muß sie da notgedrungen tragen; ja er ist fast eine Auszeichnung: siehe Jarretts Beharren auf seines Publikums Ruhe und Konzentration.
[Jarrett, Creation (2015)]
P.S.:
Schon erstaunlich, wie Die Dschungel nun >>>> abermals mit Clemens Setz in Verbindung gerät. Vielleicht sollte man sich einmal treffen.
***
[À midi]

***
[16 Uhr
Aus der Arène de Lutece schallt eines Sängers Stimme herüber,
zu einigem Jubel]
Eine kurze ästhetische Überlegung zu Cooper jetzt >>>> dort.
Am Vormittag noch, östlich der Gare du Nord, glitt die schönste Schwarze, die ich jemals sah, an mir vorüber; es war wie eine Erscheinung. Wieder rive gauche zurück, die ersten Verse eines neuen Béart-Gedichtes dazu notiert:
hinter dem Milchstraßenband des asphaltenen Elends
(...) Aber jetzt muß und will ich mich der Materialsichtung widmen, für den Auftragsroman.
***
Schon erstaunlich, wie Die Dschungel nun >>>> abermals mit Clemens Setz in Verbindung gerät. Vielleicht sollte man sich einmal treffen.
[À midi]
[16 Uhr
Aus der Arène de Lutece schallt eines Sängers Stimme herüber,
zu einigem Jubel]
Eine kurze ästhetische Überlegung zu Cooper jetzt >>>> dort.
Am Vormittag noch, östlich der Gare du Nord, glitt die schönste Schwarze, die ich jemals sah, an mir vorüber; es war wie eine Erscheinung. Wieder rive gauche zurück, die ersten Verse eines neuen Béart-Gedichtes dazu notiert:
(...)
albannikolaiherbst - Mittwoch, 3. August 2016, 16:08- Rubrik: Arbeitsjournal
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