Wir Luxusgeschöpfe. Eine kleine politische Vorüberlegung. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 2. Juni 2012.
16.20 Uhr:
[Arbeirswohnung.]
Habe Die Dschungel etwas vernachlässigt, zum Teil aus Unlust, zum Teil, weil mich die Frage so sehr beschäftigt, inwieweit eine Intervention in Syrien menschlich gar nicht zu vermeiden sei; wobei ich genau weiß, daß Menschlichkeit und Krieg einander nahezu immer ausschließen. Aber es kam mir, so innerlich gedrängt, dazu eine Haltung zu finden, einfach nur lächerlich vor, wäre ich zur Tagesordnung übergegangen und hätte Ihnen weiter von meinen Arbeitsprozessen erzählt. Zugleich sind andere Arbeiten aber auch, sie verlieren ja nicht ihr Recht, bzw. allerdings dann, wenn man sich nicht gleichzeitig dem Leben „draußen“ stellt. Dazu gehört eine nahezu unentwegte telefonische Diskussion über das sogenanne „bedingungslose“ Grundeinkommen, die ich mit der Löwin führe und worum >>>> auch auf TT neuerlich immer wieder gerungen wird. Ich stehe der Idee, anders als die mit ihr sympathisierende Löwin, skeptisch gegenüber, will mich aber in die Diskussion nicht einbringen, weil ich sie - angesichts der Massaker, die mich bewegen - marginal finde. Da ich nicht nur über kein Vermögen verfüge, sondern viele Lebenszeit am Existenzminimum verbracht habe, nicht einmal mehr ein eigenes Konto habe usw., kann ich das so auch schreiben: daß die meisten Menschen hierzulande auch dann nicht wirklich darben müssen, wenn sie arm sind. Will sagen: wir leben nahezu alle so sehr in den Gütern des Wohlstands, daß mir die Diskussion höchst luxuriös vorkommt. Die Verelendung ist hierzulande eine andere als eine materielle. Dennoch, und Sie, die Sie oft hier lesen, wissen das, bin ich gegenüber dem Kapitalismus höchst mißtrauisch auch dann, wenn er sich in einiger - wichtiger - Hinsicht als kompromißfähig erwiesen hat; das ist er gegenüber der sogenannten Dritten Welt durchaus nicht überall, aus deren Ressourcen er sich überhaupt erst entwicklen konnte und zum Teil heute noch weiterentwickelt. Mein größtes Problem besteht dabei darin, daß ich Demokratie und Kapitalismus nahezu notwendigerweise gekoppelt sehe und mir zwar, in der Kunst, der Massengeschmack auf die Nerven geht, mir überhaupt Masse und Geschmack Widersprüche zu sein scheinen, was direkt auf meine ökonomische Situation zurückwirkt, und dies nicht selten scharf, daß ich aber in einer anderen als der demokratischen Gesellschaft nicht leben möchte: sie garantiert unterm Strich mehr Menschenrecht, als je eine andere politische Regierungsform das konnte oder auch nur gewollt hat. Sowie eine autoritäre Bürokratie an die Macht kommt, in die es keinen aktiven Woderspruch gibt, hält das Entsetzen Einzug in die Humanität. Das gilt für Kirchen wie für Parteien.
Aber erst einmal nichts weiter dazu; sonst fange auch ich noch an, das „bedingungslose Grundeinkommen“, dessen >>>> Begriff mir schon suspekt ist, in die Dschungel zu tragen. Meine Bemerkung bei TT war nicht nur ein böser Sprachscherz.
Obwohl Sie zwei Tage lang nichts Persönliches von mir lasen, habe ich doch gearbeitet; die Argo-ÜA ist mittlerweile auf der Seiten 621 angelangt; dann war für >>>> das Galouye-Hörstück, das am kommenden Donnerstag um 23.05 von WDR 3 ausgestrahlt werden wird, einiges Administrative zu tun, vor allem jedes Zitat auf Sekundengenauigkeit herauszuschreiben und zur Rechtemeldung zu listen; sowas braucht einen guten halben bis dreiviertel Tag, weil ich so kleinteilig arbeite. Ebenso mußte ich für die Gema meine Hörspielmusik, die ich zudem selbst eingespielt habe, spezifizieren. Und mein Junge war zur Vorstellung in der Waldorfschule, wohin er wahrscheinlich wechseln wird; von morgen Vormittag an wird er eine Woche als Gast am dortigen Unterricht teilnehmen, damit sich sowohl die Schule als auch er entscheiden können. Ich habe deshalb eine mir sehr wichtige Reise storniert; mag nicht weg sein, wenn für ihn Entscheidungen anstehen.
Und eben sah ich, daß heute in der FAZ mein Artikel zu Mauricio Kagels letzter CD steht. Das hat mich gefreut. Jetzt aber muß ich mich endlich an Die Neue Fröhliche Wissenschaft setzen, wenn denn das Buch zur Buchmesse noch da ist. Wiederum die Fahnen meines >>>> Essaybandes lassen nach wie vor auf sich warten; er sollte längst erschienen sein, aber ich bin es müde nachzufragen.
22.55 Uhr:
Manchmal fragt man sich wirklich, ob >>>> diese Leute noch bei Trost sind. Aber ich meine es mit meiner Antwort sehr ernst: der Ungeist der Stasispitzel hat sich weitersozialisiert, da gibt es so eine vorgeblich radikale Linke, der ihre Parteilinie wichtiger ist als das Leben von Kindern und überhaupt von Menschen. Sie sehen lieber tatenlos zu, als ihre verinnerlichte Ideologie zu hinterfragen - darin überaus denen ähnlich, die man als Rechtsnationalisten bezeichnen könnte, wären es ihrerseits nicht nur völlig desparate, oft von Alkohol, Drogen und vor allem den aussichtlosen Familienverhältnissen, denen sie entstammen, beschädigte Leute, denen an sich unser Mitleid gelten müßte, wären sie nicht so - ja, eben, gefährlich geworden. Imgrunde gehören sie in eine Therapie, die notwendigerweise erst einmal des Geschlossenen Hauses bedarf, einfach, weil sie tatsächlich nicht zurechnungsfähig sind.
Ich lösche einiges von dem hierunter nicht, weil es ein gutes Dokument für das ist, was ich meine. Und selbstverständlich geht keiner von denen, die ich meine, sachlich auf >>>> meine Argumente ein, die ja nichts anderes sind als die grundlegenden Voraussetzungen für einen Rechtsstaat.
Mit meinem Jungen und seinem Freund E. in „Men in Black“, Teil 3, gewesen; lustig teilweise, auch witzig, aber nachher weiß man eigentlich nicht, wozu man sich das angesehen hat. Na ja, schon: um den Jungs eine Freude zu machen. Jetzt sind die beiden zu E., um dort zusammen noch etwas Bubenspaß zu haben: „Das sind Jungensachen, Papa, die gehen dich nichts an“, sagt mein Frechling vorhin, als ich wegen eines Gespräches nachfragte. Ich habe, treffliches Wort, gelachschluckt.
Gleich kommt Broßmann auf einen Absacker herüber.
Die Texte der Neuen Fröhlichen Wissenschaft fast komplett, oder tatsächlich komplett, zusammengestellt. Wird ein ziemlicher Schinken, das Buch, bin selbst ganz erstaunt.

[Arbeirswohnung.]
Habe Die Dschungel etwas vernachlässigt, zum Teil aus Unlust, zum Teil, weil mich die Frage so sehr beschäftigt, inwieweit eine Intervention in Syrien menschlich gar nicht zu vermeiden sei; wobei ich genau weiß, daß Menschlichkeit und Krieg einander nahezu immer ausschließen. Aber es kam mir, so innerlich gedrängt, dazu eine Haltung zu finden, einfach nur lächerlich vor, wäre ich zur Tagesordnung übergegangen und hätte Ihnen weiter von meinen Arbeitsprozessen erzählt. Zugleich sind andere Arbeiten aber auch, sie verlieren ja nicht ihr Recht, bzw. allerdings dann, wenn man sich nicht gleichzeitig dem Leben „draußen“ stellt. Dazu gehört eine nahezu unentwegte telefonische Diskussion über das sogenanne „bedingungslose“ Grundeinkommen, die ich mit der Löwin führe und worum >>>> auch auf TT neuerlich immer wieder gerungen wird. Ich stehe der Idee, anders als die mit ihr sympathisierende Löwin, skeptisch gegenüber, will mich aber in die Diskussion nicht einbringen, weil ich sie - angesichts der Massaker, die mich bewegen - marginal finde. Da ich nicht nur über kein Vermögen verfüge, sondern viele Lebenszeit am Existenzminimum verbracht habe, nicht einmal mehr ein eigenes Konto habe usw., kann ich das so auch schreiben: daß die meisten Menschen hierzulande auch dann nicht wirklich darben müssen, wenn sie arm sind. Will sagen: wir leben nahezu alle so sehr in den Gütern des Wohlstands, daß mir die Diskussion höchst luxuriös vorkommt. Die Verelendung ist hierzulande eine andere als eine materielle. Dennoch, und Sie, die Sie oft hier lesen, wissen das, bin ich gegenüber dem Kapitalismus höchst mißtrauisch auch dann, wenn er sich in einiger - wichtiger - Hinsicht als kompromißfähig erwiesen hat; das ist er gegenüber der sogenannten Dritten Welt durchaus nicht überall, aus deren Ressourcen er sich überhaupt erst entwicklen konnte und zum Teil heute noch weiterentwickelt. Mein größtes Problem besteht dabei darin, daß ich Demokratie und Kapitalismus nahezu notwendigerweise gekoppelt sehe und mir zwar, in der Kunst, der Massengeschmack auf die Nerven geht, mir überhaupt Masse und Geschmack Widersprüche zu sein scheinen, was direkt auf meine ökonomische Situation zurückwirkt, und dies nicht selten scharf, daß ich aber in einer anderen als der demokratischen Gesellschaft nicht leben möchte: sie garantiert unterm Strich mehr Menschenrecht, als je eine andere politische Regierungsform das konnte oder auch nur gewollt hat. Sowie eine autoritäre Bürokratie an die Macht kommt, in die es keinen aktiven Woderspruch gibt, hält das Entsetzen Einzug in die Humanität. Das gilt für Kirchen wie für Parteien.
Aber erst einmal nichts weiter dazu; sonst fange auch ich noch an, das „bedingungslose Grundeinkommen“, dessen >>>> Begriff mir schon suspekt ist, in die Dschungel zu tragen. Meine Bemerkung bei TT war nicht nur ein böser Sprachscherz.
Obwohl Sie zwei Tage lang nichts Persönliches von mir lasen, habe ich doch gearbeitet; die Argo-ÜA ist mittlerweile auf der Seiten 621 angelangt; dann war für >>>> das Galouye-Hörstück, das am kommenden Donnerstag um 23.05 von WDR 3 ausgestrahlt werden wird, einiges Administrative zu tun, vor allem jedes Zitat auf Sekundengenauigkeit herauszuschreiben und zur Rechtemeldung zu listen; sowas braucht einen guten halben bis dreiviertel Tag, weil ich so kleinteilig arbeite. Ebenso mußte ich für die Gema meine Hörspielmusik, die ich zudem selbst eingespielt habe, spezifizieren. Und mein Junge war zur Vorstellung in der Waldorfschule, wohin er wahrscheinlich wechseln wird; von morgen Vormittag an wird er eine Woche als Gast am dortigen Unterricht teilnehmen, damit sich sowohl die Schule als auch er entscheiden können. Ich habe deshalb eine mir sehr wichtige Reise storniert; mag nicht weg sein, wenn für ihn Entscheidungen anstehen.
Und eben sah ich, daß heute in der FAZ mein Artikel zu Mauricio Kagels letzter CD steht. Das hat mich gefreut. Jetzt aber muß ich mich endlich an Die Neue Fröhliche Wissenschaft setzen, wenn denn das Buch zur Buchmesse noch da ist. Wiederum die Fahnen meines >>>> Essaybandes lassen nach wie vor auf sich warten; er sollte längst erschienen sein, aber ich bin es müde nachzufragen.
22.55 Uhr:
Manchmal fragt man sich wirklich, ob >>>> diese Leute noch bei Trost sind. Aber ich meine es mit meiner Antwort sehr ernst: der Ungeist der Stasispitzel hat sich weitersozialisiert, da gibt es so eine vorgeblich radikale Linke, der ihre Parteilinie wichtiger ist als das Leben von Kindern und überhaupt von Menschen. Sie sehen lieber tatenlos zu, als ihre verinnerlichte Ideologie zu hinterfragen - darin überaus denen ähnlich, die man als Rechtsnationalisten bezeichnen könnte, wären es ihrerseits nicht nur völlig desparate, oft von Alkohol, Drogen und vor allem den aussichtlosen Familienverhältnissen, denen sie entstammen, beschädigte Leute, denen an sich unser Mitleid gelten müßte, wären sie nicht so - ja, eben, gefährlich geworden. Imgrunde gehören sie in eine Therapie, die notwendigerweise erst einmal des Geschlossenen Hauses bedarf, einfach, weil sie tatsächlich nicht zurechnungsfähig sind.
Ich lösche einiges von dem hierunter nicht, weil es ein gutes Dokument für das ist, was ich meine. Und selbstverständlich geht keiner von denen, die ich meine, sachlich auf >>>> meine Argumente ein, die ja nichts anderes sind als die grundlegenden Voraussetzungen für einen Rechtsstaat.
Mit meinem Jungen und seinem Freund E. in „Men in Black“, Teil 3, gewesen; lustig teilweise, auch witzig, aber nachher weiß man eigentlich nicht, wozu man sich das angesehen hat. Na ja, schon: um den Jungs eine Freude zu machen. Jetzt sind die beiden zu E., um dort zusammen noch etwas Bubenspaß zu haben: „Das sind Jungensachen, Papa, die gehen dich nichts an“, sagt mein Frechling vorhin, als ich wegen eines Gespräches nachfragte. Ich habe, treffliches Wort, gelachschluckt.
Gleich kommt Broßmann auf einen Absacker herüber.
Die Texte der Neuen Fröhlichen Wissenschaft fast komplett, oder tatsächlich komplett, zusammengestellt. Wird ein ziemlicher Schinken, das Buch, bin selbst ganz erstaunt.
albannikolaiherbst - Samstag, 2. Juni 2012, 23:06- Rubrik: Arbeitsjournal
Trackback URL:
http://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/wir-luxusgeschoepfe/modTrackback