Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
________________________________


 

Gedichte

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 32). Finale: Der Anfang. Stromboli (44).

(...)
als ich draußen im Hof stand, erwacht und schlaflos fortan durch die Nacht
- v – v v – | v v – v - v v – v v - v
sah und rauchte, mal hockend, mal stand ich lauschend; er schwieg, der Vulkan,
- v – v v – | v v – v - v v – v v - v
schwieg wie einer, der, Schlaf mimend, täuscht, doch unversehns losschlägt und tötet:
- v – v v – | v v – v - v v – v v - v
unbarmherzig und schnell | und nicht leise, sondern er brüllt triumphal - ein Gewitter von unten wie tags die Beben
Winde unter den Sohlen waren
kein Stern war kein Licht war die Nacht war ein Plaid aus gespecktem Brokat
auch EInes Auge nicht das dieses Dunkel durchdrang erblindet die Zirpe am Hang
ausgerollt war das Schweigen nicht einmal Brandung drang moderat in den Hof
keines Schnarchen in die leeren Löcher gestopft in die engen, die sich duckten
Wände nicht Hände, die sich fanden alles Geschöpf rang bewußtlos nach Licht
erstickte in einem Schwefel in dem sich gelbzirrhos die Dunkelheit bäumte
niedergehalten, aber, auch sie und erstickt und unter dem Preßstahl gegeißelt
den ein Tyrann übers tyrrhenische Bett der armen Leute montiert hat, damit sie
bewegungslos schlafen und ächzen kaum in solcher Enge:
gt | cht
v | v
Grab | Ei
- | -
gin stieg | wigsah
v - | v -
Es f ä h r t ein | geht niemand
v - v | v – v
chen aufs G r a b fiel | Halt an B o r d kein
v v - v | v v - v
Das war der Klang | Das ist das Bild
- v v - | - v v -
Die Königin steigt | Es flirrt unentwegt
v - v v - | v - v v -
heimlich im Traum der | Insel das Stöhnen
- v v - v |- v v - v
kein Lied zieht von dorten | noch heim und hinüber
v - v v – v | v - v v – v
So erstand's Er belauscht' | es Er rauchte nervös | da sich die Königin gab | da sich die Königin da
vereinte mit dem, der da kam | Der Stein sah von da in das Wort das sich von keinem berührn ließ | als von den beiden am Krater | da oben Es spürte der Wächter | es geht etwas vor und er möchte | fliehen davor, aber kann es doch nicht | Der Knall dann Ein Lichtblitz Momentlang ersteht | die Insel ganz neu aus dem leuchtenden Tag | der nächtlichen Göttin am Krater, die zuckend lag | und Lava hinabspie den Leib ganz erglüht | Sciara del fuoco und Mann, der, tiefviolett wie die Eichel | ganz Eichel selbst ward, und berstende Schöpfungsgewalt ward | Bezeuge es, Wächter, wie's zeugt und der Strom sich ins Meer gießt | erneuerter Erde So still ist's ich hör sie im Innern | die Gesänge der elementaren Gewalten, des Meers | und des Feuers, den Städten vergessen, doch ihm nicht, dem Leib | wenn er zu lieben bereit bleibt, zu sterben, das Ich tauscht und l ä ß t | aufseufzend läßt wie die Säuglinge, die nicht mehr schrein vor dem Schlaf | sondern sich fügen und sinken zurück wie auch wir nach dem Kampf | der uns verwundet, die Gliedmaßen strecken, und sanft uns der Quelle | wieder hineintun, der wir entstiegen. Und weiß doch, es gibt | Gott nicht, nicht Göttin, nicht Quelle noch Nachen, nur blinde Mechanik.

Aber was tut's mir? ich hör es wie e r, der ihr dalag noch spät | Was tut es uns, wenn sich Lieder erschaffen, wenn solch ein Gesang
- v v – v v – v v – v v – v v - | - v v – v v – v v – v v – v v - (m)
daraus heranklingt, und w i r sind es, die es, das Nichts, derart schön | die es, das Nichts, nur der Mandel noch gleich macht, worinnen das Aug
- v v – v v – v v – v v – v v - | - v v – v v – v v – v v – v v - (m)
s t r a h l t und nicht Reize bloß aufnimmt, banal rezeptiv, sondern s c h a f f t | dachte der Wächter und war schon betrunken von Wein und von Nacht
- v v – v v – v v – v v – v v - | - v v – v v – v v – v v – v v - (m)
angsttrunkner, lusttrunkner Nacht v v - v v - v v – | - v v - v v - v v - v v - v v –
- v v - v v - v v - v v - v v – | - v v - v v - v v - v v - v v – (m)


AEOLIA-GESÄNGE 31/Stromboli 43 <<<<

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 31). Finale: Erster Versuch der Realisierung. Stromboli (43).

Finale-Versuch-1-Anfang

>>>> AEOLIA-GESÄNGE 32/Stromboli 44
AEOLIA-GESÄNGE 30/Stromboli 42 <<<<

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 30). Coda: Die finale Pyramide. Strukturplan. Stromboli (42).

(auf der Grundlage >>>> des doppelten Spiegelsonetts
vom Anfang
, aber ohne Spondeen,
bzw. trochäische Kürzungen, die sich, ggbf.,
erst in der Dichtung selbst ergeben.)

v | v
- | -
v - | - -
v - v | v - v

v v - v | v v - v
- v v - | - v v -
v - v v - | v - v v -
- v v - v |- v v - v

v - v v - v | v - v v - v
v v - v v - | v v - v v -
- v v - v v - | - v v - v v -

- v v - v v - | - v v - v v -
v - v v - v v - | v - v v - v v -
- v v - v v - v | - v v - v v - v
-------------
--------------
v - v v - v v - v | v - v v - v v - v
v v - v v - v v - | v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - | - v v - v v - v v -

v - v v - v v - v v - | v - v v - v v - v v -
v - v v - v v - v v - v - | v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v

v - v v - v v - v v - v v - v | v - v v - v v - v v - v v - v
v v - v v - v v - v v - v v - | v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v -v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v - v

- v v -v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -


(Selbstverständlich ist das ein S p i e l – ganz, wie sich bei Richard Strauss, >>>> dessen Kompositionskunst ich verehre, bei Eintritt in den Tannenwald dem Partiturkundigen in den Streichern ein n o c h ganz anders Bild als das pure Hörbild bietet:

Alpnesinfonie-Wald
So ist diese Form-Pyramide ein Abbild der Vulkaninsel selber – kenntlich nur „Spezialisten“,sofern ich nicht eine grafische Anordnung des Textes ins Auge fasse. So etwas ist mir allerdings immer fern gewesen und wird das wohl auch bleiben. Aber hier sei es Ihnen offeriert. Jedoch werde ich die Form noch etwas "rhythmisch stauchen", um den Vulkankegel etwas abzuflachen.)

>>>> AEOLIA-GESÄNGE 31/Stromboli 43
AEOLIA-GESÄNGE 29/Stromboli (41). <<<<

Die Dinge innerlich.


Wenn sich im innren Stahlband des gekippten Fensters Sonne spiegelt
zwischen den Scheiben
Morgens erste

zwischen Schaum und Milch Kaffee steht
Noch kühl von der so warmen Nacht
bist du

davor, es zu lösen
mit Tag

Wenn aus den Boxen lange Vergangnes bleibend voranweht

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 29). Fortsetzung. Stromboli (41).

(...)der kam vor der Abfahrt, als wieder Wind kam: (11)
noch stand die Sichel nicht wieder: kein Mond (10)
den er heranblies als Barke - drin wohnt (10)
ein Empfangnes, und es wiegt sich ganz langsam - (11)

w a r schon Doch auch keine Lava floß mehr (10)
die Sciara hinab Kam kein brodelndes Schrein (11)
noch vom Berg, wie als Aeolia kam Kein Stein (11)
mehr flog Keine Feuerfontäne schoß quer (10) -

still war es wieder am Hafen Ich stand (10)
und harrte der Fähre seit fünf, den Abschied (11)
im Rucksack, sehr, da diese Nacht verschwand (10)

Noch glommen die Lampen durch das Dunkel (11)
des Neumonds, als der irre Mann, gekniet (10)
in irre Wut, erschien und ins Gefunkel (11)

(- v v - v v - v v - vv - v v - (v):)
brüllte, ein alter, von der Schlaflosigkeit aus dem Hause Getriebner,
und von dem Mangel vielleicht, und von Spürsinn – er ahnte womöglich,
daß dieser Ausbruch des nachts unterm Neumond normal nicht gewesen,
sondern Verheißung gewesen und Firmung des alten Vertrages
war, den der Geist mit der Erde geschlossen - so dachte ich später;.
Feuer mit Luft und dem Meer; und er spürte den Nachen genau,
daß er auch u n s meint, für uns fährt, noch immer; nicht Aufklärung, Technik
nicht, noch ironisches Abwehren schlägt seinen dunklen Rumpf leck.
Wem soll ich's sagen? Wer lacht mich nicht aus? Und er brüllte erneut,
schimpfte auf Mensch und ufficio, das immer noch zuwär, um sieben,
spie schon um sechs aus, ganz rasend allein lief er an gegen Türen,
nahm mich am Anfang nicht wahr, sondern nahm zu der Bar die paar Stufen,
schlug gegen Glas, wollte trinken, verrückte auf dem Emporchen
Tische und Stühle - dann sah er mich endlich und kam, immer weiter
schimpfend, herüber und schimpfte erbittert auf m i c h ein, als ob ich
selber nicht wartete, selber nicht hier so ganz unsinnig stünde
selbst nicht ein Irrer wie er wär, fantasmagebeutelter Narr,
der es verstand und begriff, als er hochwies und brabbelnd aufs Meer wies,
nach Strombolicchio sodann und erneut auf den Berg, der nun schwieg,
(- v v - v v - | ´- v v - (v v - v):)
und auf die Sichel des Monds, die noch nicht war -

die erst würde nachts drauf, wenn die Winde (11)
heimgekehrt wären wie ich, und die Bark, (10)
heimgekehrt dann auch die Alte, im Sarg (10),
über das frische Grab und die Gebinde (11)

der Macchia leuchtete, und leuchtete (11)
dem fruchtbaren Mädchen, das vom Vulkan (10)
um halb acht - da langte die Fähre an – (10)
abstieg und sich die Lippen befeuchtete (11)

mit Tau, wo sie, die ersten Pflanzen, wieder (11)
wuchsen unter dem lebenlosen Stein. (10)
Fast wie ein Tier, so glücklich kam sie nieder. (11)

Fast wie ein Mensch, stand sie am Grab und weinte. (11)
Es müsse noch jemand am Krater sein: (10)
Das ging sie melden, später, doch verneinte, (11)

daß sie ihn näher kannte.

>>>> AEOLIA-GESÄNGE 28/Stromboli 40.

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 28). Fortsetzung. Stromboli (40).

(...)
wo schon kaum noch wer war
außer den Trinkern vom Morgen
Fast alles war Stille.
Die silberfüßige Harfe schwieg
kontinentweit von Küste zu Küsten
Vergeßner Poller nur noch die Stele
Kein Tier war und schon fast nicht mehr Zeit
und eine so gleißende Helligkeit
daß sie vom Tag nicht rührte
Blau lehnten Türen, Schubkarrn daran
Auch die Gardinen stehengeblieben
in offenen, frisch gefirnißten Fenstern

Leben, gedämpftes, nur an der Bar
zusammengerückt, eine karge Schar
flüsternden Wartens, daß sie wer aufruft von drüben -


So weiß kam der Abend, so gelb war das Rot
so stumm roch der Schlick, so ruhte der Kies
so tranken die Schlepper vom Brannt
so ruhte das Quartier im Quartär
so hing der Berg in das Meer

vor dem Gewitter, wenn es lange Luft holt
langsam und heiter vor einer Strenge, die scharf
unversehns niederfährt unter e i n e m Knall
Die Kraken, die's ahnten, sind schon geflüchtet
Wir aber stehen und fassen es nicht
und es spaltet uns -

von der Baumkrone abwärts den Stamm bis zur Wurzel -
wie, heißt es, Semele brannte, als sie das Patriarchat erblickte,
Esclarmonde unter Rom,und fragt nicht nach Recht,
fragt den Mittag nicht, der im Abend während flirrt
wie um den Vulkan, so erfroren, so unzerrissen Kulisse
keines Hand schiebt sie, keines Atem pustet am Pizzo hinein
Purpur im Blau, und Karmesin, zu Grau meliert
des Allerheiligsten Vorhang* aus Rauch

als hielte auf ihrer flachsten Hand, dem Meer
sie, die Erde, dem Himmel das Opfer entgegen
mit der ganzen Insel
und wartete, ob man es annimmt -

deren ewige Flamme Schiffern das Feuer
unverirrt hinaufzuschwimmen -

während sie am Fuß der Sciara den Nachen besteigen
Immer nur einer, unentwegt
fährt sie mittags der Nachen nach Osten

Kein Wort, kein Lied
zieht heim von dort -

der abends, von jedem Passanten geleert
aus dem Osten rätselhaft wiederkehrt
Doch wer das sah, Strombolicchio sich auftun,

langsam klaffte der Fels, wurde Tür
der Steg eine Zunge Zu Seiten nun
verströmten die Pappeln des Südens
die Trauer dunkelgrünen Ermüdens

Sie landeten an Der Fährmann reichte herfür
wie eine Ewigkeit die Hand An deren Fingern
schuppige Blätter Das Boot kam ins Schlingern
und trübte, war man hinüber, zu Nebeln, die beben -

wer das sah unter M e n s c h e n, geht hin
Medikamente gibt er für Duft
läßt für Heimkehr Identität
und für uns seine Brille**

damit, die's nicht sehen, verstehen
wenn sie sie heben

oder sitzt verloren am Hafen
und schweigt oder schimpft
wie morgens der Irre, der mit dem Nichts spricht
Und trinkt -

AEOLIA-GESÄNGE 27/Stromboli 39 <<<<

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 27). Fortsetzung. Stromboli (39).

(...)
als ihr kleines Gesicht, der Gestorbnen, verfiel - eine Kaper,
bevor man sie faltig in Bottiche legt und in Töpfchen
und feilhält jahrdrauf, d a, auf der Bank vorm Alimentari:
zu Tausenden, salzige, neben getrockneten Mandeln, Seelen
die zu jenen die Lust sind, den Blüten die Knospen
(auf Salina beging man heute die Hochzeit; Junimädchen wählen
dabei schon die nächsten – sie ahnen es nicht, aber kosten
auch vom Auferstehn, dem nicht bewußten, bereits
Wenn das Feuerwerk böllert -)

nüchtern, dachte ich, das Gerechne am Abend
nüchterne Einkunft gegen nüchterne Kosten und Steuer,
nüchtern die Mama am Gasherd
nüchtern selbst die Tomaten
nüchtern der Rezeptionist
nüchtern der Fischer, sein „molto mare“
nüchtern wie ein Tourist banal ist, der seine Rechnung prüft
nüchtern jeden Espresso auf dem vom Obst leeren Teller zweimal gedreht-

„Posso?“ - ich probierte, die grüne Clitoris platzte
über der Zunge weinrot das Meer*

erst nüchtern die Kauffrau, nicht karg
wie einst, als es allein, nach dem Winter,
Bauern von den Nachbarinseln waren,
die den Flanken den Stein terrassierten
und setzten, die Weite herübergerudert
herübergesegelt Setzlinge ein, ihnen
von selber weiterzuwachsen, ungewässert
am wasserlosen Berg und abgeerntet,
die weiters unkultivierten, wenn's Zeit war;
karg und in Furcht auf den Lavastarren
standen für den Raccolto die Hütten
unter der Kaper, die aufbrach;
volle Schütten kamen, auch Oliven,
der kollektiven bitteren Arbeit ins Boot;
manch Kentern, manches Tod war auf See;
der Kaper Orchidee strahlt nur für einmal
morgens bis mittags ins ewige Haus,
vor dem die Klagenden gehn**

Noch blieb ich stehn – betäubt von dem Kapernfeuer
Die Frau aber, wie wenn s i e gekostet, schmatzte
zwei Mal, ihr brachen die kargen Lider vor Wissen
Sie schlug sie neu auf, fragte „Vuole?... Nicht teuer...“
Aus ihrer Pupille lachte spöttisch die Dohle

Als würd sie mich küssen -
Ich floh hinweg, floh zur Mole hinab -

[*) Bei Homer ist das Meer weinrot, nicht blau.
Siehe >>>> auch ARGO.
**) Nach Kohelet (Prediger), 12,5: „(...) die Kaper bricht auf,
denn der Mensch geht hin zu seinem ewigen Haus
und auf der Straße gehen die Klagenden umher.“]

>>>> AEOLIA-GESÄNGE 28/Stromboli 40
AEOLIA-GESÄNGE 26/Stromboli 38 <<<<

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 26). Fortsetzung. Stromboli (38).

(...) ihn, den die tiefen, gestorbene Frauen den ihnen ins Leben
folgenden Frauen vermachen: der Tod ist ein Übergang diesseits.
Und nicht zum Staub geht der Körper, zum Himmel nicht, sondern er bleibt
diesseits durch lebenden Austausch in hunderten, tausenden Arten
erdnah der Erde verbunden; er legt sich nur ab, er verströmt sich
molekular und so schmerzlos, den Männern so fremd wie der Gral,
wie sich das Mondblut vergießt, das nach Silber und Lust schmeckt, geheimer,
unheimlich ichloser, derzu es alle Geschöpfe, die fühlen,
wider sich zieht, wenn sie merken, ein Ich ist das nicht, dem ich folge,
sondern Prozeß - ist ein Fortzug zu Neuem, dem Ich ein Moment ist,
der in den Augen von Nächsten herausscheint momentlang: So sinnlos
steht auf dem Grabstein das Wort. Staunend stattdessen, und irdisch,
wenn sie, die Seele, sich auflöst und wandelt zu Mandel und Aug.

Haltet sie Legt
Steinchen aufs Grab

Königin stieg
Königin fiel

Königin steigt
unentwegt

schallte nun aus den Gassen das Rufen
schallte vom Berg noch kein Donner herab
schallte unter Chysanthmen die Macchia
Cucunciù! Cucunciù!
schallte solch ein Blau wie ein währender Mittag dagegen
schallte in seinen Vögeln der sinkende Abend
schallte der merklos sich rötende Osten

>>>> AEOLIA-GESÄNGE 27/Stromboli 39
AEOLIA-GESÄNGE 25/Stromboli 37 <<<<

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 25). Revision des Anfangs (Entwurf). Stromboli (37).

(vertikal gespiegeltes Doppel-Sonett im Hxameter.
Überlegungen dazu >>>> am 4. 6. um 6.51 Uhr.
Die Absätze innerhalb der Quartett-Strophen liegen am twoday-Layout;
tatsächlich müssen die Verse je durchlaufen; siehe unten das rhythmische Schema.)

schuldloser Wille am Morgen erwacht er wie schuldloser Kinder | schuldloser Lidschlag; die rauschende, hohe Zypresse, sie ragt noch
naß aus dem Traum, der nur halb war, kaum Schlafen, so bange der Raum | der sich, geduckt untern Sturm, um den lauschenden Liegenden dreht -
wie eine Muschel , die's aushält im Innern, die Strömung, den Sog | wie's sie da wirbelt im Strudel, und wartet naiv auf das Riff,
daß es sie festhält; und wurzelt, im Morgen gestrandet, auf Sand nicht; | sondern sie trocknet, noch naß auf der Schelle, naiv wie die Kinder

a u s - die noch meinen, sich unangefochten den Hunger zu stillen; | noch ist kein Apfel, der's hell werden ließ, dem Erwachen verboten;
alles noch Fühlen allein, drittels Trieb und ein Tasten und Blut | das sich noch kaum schon zurück in den Tag und sein Aufscheinen fand;
immer noch meint man, man wirble im Nachttanz umhergefetzt mit; | immer noch weiß man es nicht, ob der Lärm selbst nur ein Traum,
ob er Scirocco, solch heftiger, w a r – warf aber Tische | um und zerfetzte den Terrassen Markisen und den Fenstern die Blenden;

wie eine Warnung, nicht anzugelangen, vom Innen, nicht wirklich; | Vorstellung nur, die ihn abhalten wollte, den Gang auch zu wagen,
der ihn hierher-... „trieb“ kann man sagen, ihn z o g, diesen Mann; | aber die Fähre schon, sturmhalber, ging nicht, so riesig der Wellengang dann,
daß es dem Alis(v)cafo beinahe den Flügel zerriß, | als er, der Sturm, es, das Tragflächenboot, an der Mole erfaßt,

gegen die Mole geknallt und dran hochgeschrammt hatte; das Reep | war eine Wippe für Riesen, mal Rutsche, mal Rampe hinauf,
„Rapido!“ Schreie ein Heulen und Stöße Es fliegt das Gepäck | krachend zu Steg, daß die Bänder zerspringen und einer ihn packt
der ihn hinüberreißt, der ihn kurz festhält Er strauchelt Er fängt sich | Flüche „Madonna!“ Das Schiff dreht vom Anleger weg So die Ankunft - So das Quartier in den Winden vor Winden geschützt, schien's, von Mauern, | engen, der Kammer gleich, die ihn, den jauchzenden Mann, in den Arm nahm
zwischen dem Weiß und den Fenstern den Tisch für Salami und Brot | auf der Terrasse gedeckt und für Käse, Prosciutto und Wein
aber der Sturm riß es um, riß es weg, und Zitronen, die fahl | leuchteten, riß es im Altlicht mit Blättern und Ästen vom Baum

Tische und Stuhlbeine flogen Er duckte sich Wie auf der Flucht | suchte er drinnen den Wein und er trank ihn und suchte den Schlaf
Irgendwas knallte ans Fenster und blieb in dem Gitter, das dünn | gegen Moskitos gespannt war, wie nachwippend stecken und sang:
Preisen dich furchtbar Gepriesenen, Wind, den man fürchtet und hersehnt! | Pestwind und Pneuma, Empfängnis und Tod, des Vulkanes Geschwister...

Liegst da, du Igel(v)seele, und hörtest ihn lange nicht wieder | Hymnos auf Kraft, die erzeugt und die W e l t schafft, die rücksichtenlose,
hungrige, lustvolle Welt; sensationsreich und grausam beglückt, | und manchmal milde Ein Sternwind der Wind, der die Stirn höhlt Und Gischt,
prallvoll mit Brandung, die anklopfend scharrt nachts: Ist einer zu Haus, | mit ihm zu spielen? dem Zeitsufer Wind, der die Haie selbst trietzt,
deren Gebisse schon bröckeln und merken's so wenig wie wir. | Alter, zu frühes, mit Sperma vermengt, das zu frühe erstarrt ist.

Wie ein zur Lebzeit Vergeßnes, so ragen wir auf als das Grabmal | unserer Wünsche und schütten sie zu, bis der höhnische Wind kommt
den du gerufen hast und den du immer erneut rufst.
(Er kannte | sie, diese Stimme im Gitter, wie einer den frühen Geruch kennt,

erkennt und weiß doch nicht welchen und hat ihn gesucht wie den Klang, | den nur das Altlicht verbreitet und schlief drunter ein in des Monds
schleifendem Wind, der, von rötlichen Sanden mikrokristallen versalzt, | in das Gesicht fährt) und manchmal, da schlägt's als Faust zu und weckt
dich -


- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v

- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - ´- v v -
- v v - v v - v v - ´- v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v

- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - ´- v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -

- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v -
v v - v
_______________________________ - v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -

- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v

- v v - v v - v v - v v - v v - v | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v -v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v - v

- v v -v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v - v
- v v - v v - v v - v v - v v - | (Zeilenbruch) - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
- v v - v v - v v - v v - v v - | - v v - v v - v v - v v - v v -
-


>>>> AEOLIA-GESÄNGE 26/Stromboli 38
AEOLIA-GESÄNGE 24/Stromboli 36 <<<<
(Der erste Entwurf <<<< )

Winde/Vulkane (AEOLIA-GESÄNGE 23). Experimente mit Sonetten ff. Aus der weiteren Fortsetzung. Stromboli (35).

(Verschobener Reim, doppelt gebunden,
nur in den Mittelversen der Terzette nicht.)

Und die Verbote, heute, den Vulkan zu besteigen,
die Schilder, die Gefahr zu zeigen, die da stehen
und dich bei Strafe weiterzugehen warnen,
sollen t a r n e n. Wie auch die Zäune an der Sciara

sich die Touristen an Tara*, der Ungeheuren,
als einer wenig teuren Show erbauen läßt:
so in Veranstaltung gepreßt wird die Gefahr.
Wo Risiko war, ein gerechtes, das mit der Lust

vergalt, sich ihm bewußt, mit Stolz, gestellt zu haben
denn was uns berauscht, ist n i e das Idyll...
wird Bauvorhaben und Butterfahrt für Soziale.
.
Jetzt baut man fatale Lifts, wo einer stürzen könnte
ob er auch stürzen w i l l und sich unsozial
stürzend erheben. Als ob man's ihm nicht gönnte -

[*) >>>> Barbara Walker: "Von Indien bis Irland bekannter Name der Urgöttin Erde; verwandt mit
der lat. terra mater, der hebr. Terah, der gall. Taranis und der etruskischen Teran (...)".
>>>> Gisela von Frankenberg: " (...) gilt in einem indischen Mythos als Gemahlin von
Brishaspati (=Jupiter), die von Soma entführt wird u. mit diesem Buddha erzeugt;
eine Art "Krieg im Himmel" wie beim Titanen-Kampf. (...)"
Siehe >>>> auch Wikipedia.]
>>>> AEOLIA 24/Stromboli 36 (6.51 Uhr)
AEOLIA 22/Stromboli 34 <<<<
 



twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this page (summary)

xml version of this page (with comments)

xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma

kostenloser Counter

blogoscoop Who links to my website? Backlinks to my website?

>>>> CCleaner