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Paralipomena
Ist - in Anbetracht der gesamten Weltgeschichte d a n a c h - imgrunde das erschütterndste Symbol von Vergeblichkeit. Zugleich destilliert es aber genau daraus seine Kraft und erschafft sie damit. Ganz wie die Kunst aus Leiden kathartische und auch anderswie berührende Glückserlebnisse herausschlägt, vermag Religion, aus objektiven und auch endgültigen Niederlagen Kräfte zu ziehen, die ohne diese Niederlage keinerlei Realität bekommen hätten. Auch hier also wirkt Perversion – eine, die im christlichen Fall einen symbolischen Kannibalismus ritualisiert hat, der das Brot des Fleisches Jesu ebenso unendlich oft zu brechen vermag wie über die verstrichenen Jahrhunderte seine ursprünglich rund sieben Liter Bluts Milliarden Dürstende zu stillen vermochten und das ganz offenbar weiterhin vermögen. Hier liegen die Wurzeln der so nahe Verwandten, der Religion und der Kunst. [ICE Berlin-Bamberg.] (CCCCXVIII).
albannikolaiherbst - Freitag, 8. September 2006, 17:56- Rubrik: Paralipomena
In tragischem Geschehen rauschhaft Schönheit zu fühlen. Und sich nicht pragmatisch abzufinden, sondern zu wo l l e n, daß es tragisch sei. Kunst zu empfinden bedeutet, innere Distanz aufzugeben. (Was Kunst i s t, unterläuft die demokratische Autonomie.) [Pettersson, Sechste Sinfonie.] (CCCCXVII).
albannikolaiherbst - Mittwoch, 6. September 2006, 11:31- Rubrik: Paralipomena
Dieser Satz erklärt unabwendbar, weshalb das Glück wenn überhaupt je, so immer nur mißlingend in der Kunst aufscheinen kann oder weshalb, wenn es gelungen aufscheint, das Kunstwerk in höchster Kitschgefahr ist. Kaum je entkommt es ihr. Sondern der Wirkmechanimus aller Kunst ist, wie bereits an anderen Stellen – u. a. >>>> in dieser Diskussion - vermerkt, einer der Perversion, der „Herumdrehung“ von Leid, der es auf bewundernswerte Weise gelingt, dem Innern einen erlittenen, oft grundlegend traumatisierenden Schmerz derart umzuformen, daß ein Gegenstand des ästhetischen Genusses daraus ersteht: sei es der Warnung, sei es der Hoffnung. Die eigene Gestaltungskraft, der die Wahrnehmungshaltung des Rezipienten entspricht, übernimmt gleichsam die Kraft des Unglücks – und diese Verfügung über etwas, das bis zur Unaushaltbarkeit über einen selbst verfügte oder zu verfügen droht, schafft den Genuß.
Dies erklärt die Bedeutung der Kunst in nahezu jeder bekannten Kultur, dies erklärt aber auch ihre Ohnmacht gegenüber der tatsächlichen Welt. Denn die Anstrengung sowohl des Gefühles wie des Verstandes, die für die Aufnahme eines Kunstwerks beide entbunden werden müssen, entsprechen sehr wahrscheinlich der ursprünglichen Stärke der schädigenden Ereignisse, bzw. Kraft. Das Erhabene, das wir in Kunstwerken spüren, ist von daher in keiner Weise ein mimetisch Natürliches, sondern geradezu das Gegenteil. Da das Schädigende letztlich immer ein Unbegriffenes ist, ein Unbegreifbares sogar, bleibt in jedem Kunstwerk ein ebenso nichterklärbarer „Rest“. Dieser aber macht es ganz ungeeignet für etwa die politische Aktion. Deshalb gibt es - in funktionalem Sinn - keine politische Kunst (wohl aber Kunst mit politischem Inhalt). Wann immer hingegen Kunst versucht, faktische Mißstände zu beseitigen, scheitert sie entweder als Aktion, nämlich an ihrer eigenen 'restlosen' Funktionalität, oder aber an sich selbst und wird abermals im besten Fall Kitsch. So auch mit Gedichten an die erlangte Geliebte. Liebesgedichte brauchen Sehnsucht, Liebesromane genauso.
Daraus, daß Kunst ein - d e r - Verarbeitungsmodus des Menschen ist und als solcher einzigartig, bezieht die Kunstfreiheit ihr hohes Recht. Schränkt man sie ein, schränkt man den Menschen ein. Als einer A r t, die sich ausdrückt. Und man nimmt ihr, insgesamt, die utopische Fiktion der Erlösung, die in jedem Trauergesang mitschwingt: als hörte ihn jemand.
(CCCCXVI).
albannikolaiherbst - Montag, 4. September 2006, 15:31- Rubrik: Paralipomena
Wäre jene nicht immer noch für geringer erachtet als diese, käme es oft erst gar nicht zu dieser. Doch gilt einer Kultur, die ihre Machtmittel von direkter Aueinandersetzung in die indirekte sublimiert, aber um so schärfer gewaltsam ausgeformt hat, körperliche Gewalt als Zivilisationsbruch - und zwar ganz gleich, ob, wie es der Fall ist, eine anwendbare - legitimierte - seelische Gewalt sehr viel brutaler in ihren Auswirkungen ist, als die körperliche es im allgemeinen noch sein kann. Dem geht parallel eine objektiv-konkrete Unfaßbarkeit seelischer Gewalt, nämlich was sie s c h o n und was sie noch nicht sei. Sämtliche Formen sowohl ökonomischer als auch moralischer Manipulationen gehören in dieses ungefähre, prinzipiell nicht justiziable Feld.
(CCCCXVI).
albannikolaiherbst - Montag, 28. August 2006, 15:35- Rubrik: Paralipomena
Solange eine Sehnsucht künstlerisch produktiv bleibt, ist an der Liebe festzuhalten, so schmerzhaft vergeblich sie immer auch sei. Erst, wenn ihre Schöpferkraft erstarrt, darf ein Dichter den nötigen, seinen Verlust akzeptierenden Schritt tun und sich als ‚autonomer Bürger’ verhalten. Vorher wäre das Verrat. Eine persönliche ‚Befreiung’ bekommt erst dann ihr Recht, wenn sich die Sehnsucht ausgeschrieben/auskomponiert/ausgebildet hat und eine Objektivierung der Liebe geschaffen wurde, die ganz ohne den Künstler weiterzuleben vermag. Oder die Sehnsucht erfüllt sich schließlich, persönlich, doch noch. Das ist die menschlich wünschenswerteste, seltenste und zugleich seltsamste Form einer künstlerischen Realisierung.
(CCCCXVI).
albannikolaiherbst - Sonntag, 27. August 2006, 11:35- Rubrik: Paralipomena
Es paßt, ohne daß er sich bückte, meist nicht hindurch, wer zu groß ist.
(CCCCXV). (Im Sarg freilich, liegend, geht es dann leicht.)
albannikolaiherbst - Samstag, 26. August 2006, 12:41- Rubrik: Paralipomena
S i e, nicht die Staaten, zu akzeptieren: darauf lautet die Forderung. Staaten sind, nicht anders Gemeinden, Verwaltungseinheiten und haben keine andere Rechtfertigung als eine der Praktikabilität. Es sind Ordnungskategorien, also funktionaler Natur, und nicht Kategorien der Seele. Sie für solche zu nehmen, bedeutet, Krieg zu wollen. Wo auch immer der National„gedanke“ noch wirkt.
Anders als Nationalgrenzen überlagern Kulturräume sich, sie tendieren weitflächig zur Unschärfe und diffundieren zunehmend weiter. Wie Identitäten. Kein festes Haus ist.
(CCCCXIV).
albannikolaiherbst - Sonntag, 13. August 2006, 09:09- Rubrik: Paralipomena
Hat in der Liebe nichts zu suchen.
(CCCCXIII).
albannikolaiherbst - Donnerstag, 10. August 2006, 10:46- Rubrik: Paralipomena
Ist uninteressant. Sie ist für Pubertierende.
(CCCCXIII).
albannikolaiherbst - Dienstag, 8. August 2006, 21:47- Rubrik: Paralipomena
Ist Rezeptionswirklichkeit. Was wir wahrnehmen, w i r d sie.
(CCCCXII ). [Hierzu abermals Dalí:
„Wer lange genug Genie spielt, wird eins.“
(Dieses hintertragene Zitat verdanken
Die Dschungel >>>> Marcus Braun.)]
albannikolaiherbst - Dienstag, 8. August 2006, 08:35- Rubrik: Paralipomena
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Die Dynamik
hatte so etwas. Hab's öfter im Kopf abgespielt....
Bruno Lampe - 2018/01/17 21:27
albannikolaiherbst - 2018/01/17 09:45
Zwischenbemerkung (als Arbeitsjournal). ...
Freundin,
ich bin wieder von der Insel zurück, kam gestern abends an, die Wohnung war kalt, vor allem ... albannikolaiherbst - 2018/01/17 09:38
Sabinenliebe. (Auszug).
(...)
So beobachtete ich sie heimlich für mich. Zum Beispiel sehe ich sie noch heute an dem großen Braunschweiger ... Ritt auf dem Pegasos...
Der Ritt auf dem Pegasos ist nicht ganz ungefährlich,...
werneburg - 2018/01/17 08:24
Pegasoi@findeiss.
Den Pegasus zu reiten, bedeutet, dichterisch tätig...
albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:50
Vom@Lampe Lastwagen fallen.
Eine ähnliche Begegnung hatte ich vor Jahren in...
albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:43
findeiss - 2018/01/16 21:06
Pferde
In dieser Nacht träumte ich, dass ich über hügeliges Land ging, mit reifen, dunkelgrünen, im Wind raschelnden ... lies doch das noch mal
dann stimmt auch die zeitrechnung
http://alban nikolaiherbst.twoday.net/s tories/interview-mit-anady omene/
und...
Anna Häusler - 2018/01/14 23:38
lieber alban
sehr bewegend dein abschied von der löwin, der...
Anna Häusler - 2018/01/14 23:27
Bruno Lampe - 2018/01/11 19:30
III, 356 - Merkwürdige Begegnung
Seit einer Woche war die Wasserrechnung fällig und ich somit irgendwie gezwungen, doch noch das Postamt ... Bruno Lampe - 2018/01/07 20:34
III, 355 - … und der Gürtel des Orion
Epifania del Nostro Signore und Apertura Staordinario des einen Supermarkts - Coop. Seit dem ersten Januar ... Bruno Lampe - 2018/01/03 19:44
III, 354 - Neujahrsnacht e dintorni
Das Jahr begann mit einer unvorgesehenen Autofahrt bzw. mit der Gewißheit, mir am Vormittag Zigaretten ... albannikolaiherbst - 2018/01/03 15:16
Isola africana (1). Das Arbeitsjournal ...
[Mâconièrevilla Uno, Terrasse im Vormittagslicht
10.32 Uhr
Britten, Rhapsodie für Streichquartett]
Das ...
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Zuletzt aktualisiert am 2018/01/17 21:27
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