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Von EAR
„E.A.Richter“ ist – soweit ich das bis vor 2 Wochen nachvollziehen konnte – aus ARGO verschwunden, mit Recht. Es ist eine Linie, die aus der Notwendigkeit der Erfüllung des Ebay-Versprechens aufgemacht werden mußte, aber ins Leere führt. Das heißt: sie hat keine Notwendigkeit und keine Funktion innerhalb des von Ihnen schon seit langem geplanten und vorweggenommenen Ablaufs.
An EAR
Wie kommen Sie darauf? Im Gegenteil kommt EAR momentan - als die Argonauten an der Mauer anlangen – d a u e r n d vor, er ist sogar mit einer der Amazonen liiert und spielt bei einer Nachtfantasie, in der es um "das Wunder" geht, eine hervorragende Rolle. Daß er noch nicht umfassend charakterisiert, also um die mir von Ihnen zugeschickten Erzählungen aufgefüllt ist, liegt schlicht daran, daß ich erst einmal den Roman zuendeschreibe, m i t Ihren Informationen im Kopf - ich beendete gerade den viertel Romanteil -, und daran, daß EAR bereits in den zweiten Romanteil hineingefiltert, also als Motiv eingeknüpft werden soll. Über >>>> mein Arbeitsverfahren habe ich Ihnen seinerzeit ausgebig berichtet; es besteht kein Anlaß, das über bald 2 1/2 Jahrzehnte bewährte Verfahren zu ändern: Ebenso wie ich, liegt die Erste Fassung des gesamten Textes vor, aus ihr "hängende Motive" hinausschneide, füge ich neue Motive darin ein, die in der ZF dann erstmals vollständig ausgeführt sind. Danach geht es zur DF und VF weiter.
Die Arbeit an einem Roman von rund 1000 Seiten verlangt ganz andere Zeitabläufe, als schriebe man einen kurzen Spaziergang. Manches wird erst ein Jahr, nachdem die Idee kam, skizzierend realisiert. Es anders zu halten, also den Romanentwurf immer dann sofort umzustrukturieren, wenn eine Idee hinzukommt, führte lediglich zur Unklarheit. Sondern dem ersten Entwurf, sofern er schlüssig ist, muß strikt bis ans Ende gefolgt werden, und man erzählt darin solche neuen Ideen von Stand des Textes an, an dem man gerade ist, weiter, a l s w ä r e die Idee schon früher aufgenommen. Man erzählt mit einer Selbstverständlichkeit der Idee weiter, deren Basis vorn im Roman zwar noch fehlt, aber man weiß doch, wo sie hineingeschmiegt werden wird.
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albannikolaiherbst - Samstag, 1. Juli 2006, 09:09- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
albannikolaiherbst - Samstag, 1. Juli 2006, 07:47- Rubrik: NOTATE
Es gibt keinen, der bestimmt. Das ist das Problem dieses Erzählens, daß jegliche Hierarchie aufgehoben werden soll. Deshalb kann es weder Befreier noch Erlöser in ihr geben – alles ist reiner Prozeß. (So wandeln sich auch die Charactere, sie sind niemals letztlich bestimmt). Deshalb ist auch jeder Diktator - oder sagen wir im alten Sinn: ‚Tyrann’ - nichts als eine Funktion der Matrix *. Nichts anderes meint der Terminus Wechselwirkung, er bindet die Erzählung an die (sub)atomare Physik. Eine solche Dichtung ist nicht einmal bloß dual, sondern polyvalent, und jedes Motiv wirkt nicht nur innerhalb des Netzwerkes je zwischen den Synapsen, gegenseitig jede auf jede, sondern auch zwischen den möglichen Dimensionen - den Räumen ihrer jeweiligen Erscheinung - durch die Membranen hindurch, die sie voneinander als Möglichkeiten trennen.
Jede Möglichkeit i s t. Dieser Gedanke hebt die Wirklichkeit der Geschehen nicht auf, sondern bewahrt das mögliche Einzelne in seiner ganzen Erfüllung und Tragik. Wer denken kann, daß jede Möglichkeit sei, weist den Vorwurf der Beliebigkeit ab. Beliebig ist vielmehr das Erzählprodukt eines sogenannt realistischen Erzählens, das mit seinem Thema und der scheinnaturalistischen Struktur seiner Chronologie alles folgende s e t z t, dessen A u t o r also es setzt. Die Möglichkeitenpoetik streicht dessen (bestimmt) Intentionen durch und folgt allein den möglichen Wegen, die eine Erzählung nehmen kann, folgt möglichst a l l e n. Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen: Wer bei einem Autounfall ein Bein verliert, der h a t es verloren, es ist keine Illusion, es ist nicht nur ein Text. Welt ist n i c h t nur Interpretation. (Auch Geschlechter sind es nicht). Der im Krieg Geschlachtete w u r d e geschlachtet. Auch Guantánamo g i b t es. Den Zahlungsbefehl gibt es, den Zahnschmerz. Und zwar unabhängig davon, ob ‚die Geschichte’ in einem anderen Strang der Bifurkationen völlig anders weitergeht, daß etwas anderes möglich wäre, das dann ebenso i s t. Wer sich das klarmacht, fühlt unmittelbar, daß hier immer - jeweils! - die Unbedingtheit eines nicht rekursiven Geschehens erzählt wird. Welt eben. Die Möglichkeitenpoetik erlöst nicht: sie ist fatal - das heißt schicksalhaft. (Deshalb kennen solche Romane keine ‚Endzeit’, sondern schreiben sich immer weiter. Eine irgend geartete ‚Rückkehr’ ins Paradies ist ebenso ausgeschlossen wie das Subjekt der Geschichte: alle Teleologie geht davor in die Knie.) [Poetologie.]
(*) Vielleicht läßt sich sagen, daß sich hierin das hegelsche Verhältnis von Herr und Knecht fortsetzt, nur daß sich, ökonomisch betrachtet, jegliche Absicht aufhebt.)
albannikolaiherbst - Sonntag, 2. Juli 2006, 07:44- Rubrik: KYBERREALISM
„Je älter ich werde“, sagte ich ihr gestern abend, „desto weniger kann ich noch an Selbstbestimmung glauben, desto bedeutsamer wird der Schicksalsbegriff. Als wären Lebensgeschichten zwar nicht bewußt gesteuert, aber doch auf Bewegungen gesetzt, Bewegungen ausgesetzt, die nur diejenigen nicht bemerken, die ihr Leben gedämpft und normalisiert verbringen und verbringen möchten. Nicht, daß dadurch die Grunddynamik eine andere wäre, nur merkt sie sich dann nicht. Anders bei all denen, die sich der möglichen Intensität s t e l l e n: Sie können noch so sehr vermeiden, ihr Leben aus der Hand zu geben, sie laufen immer doch in gerade das, was ihnen entspricht oder, vereinfachend gesagt, ‚bestimmt’ ist.“ Genau dieses beschreibt der klassische Begriff von TRAGIK. Wobei TRAGIK nicht notwendigerweise, wenn auch meistens, ein Lebensunglück bedeuten muß, sie kann sehr wohl auch Glück bedeuten. Mit eigenem frei-willentlichen Zutun hat auch dies nichts zu tun. Denken Sie an das Glück Isoldetristans, als beide statt des Todesbechers den ihnen von Brangäne zubereiteten Liebestrank nehmen. Darin liegt eine Unausweichlichkeit, die sich bereits offenbarte, als Isolde an Tantris’ Lager die Waffe sinken ließ. Auch er spürte das, sonst hätte er sich auf der Überfahrt zu seinem Lehnsherrn, dem er Isolde als Braut zuführen sollte, nicht auf den Todestrank eingelassen. Noch in der höhnischen Auseinandersetzung beider während des ersten Aufzugs, ja sogar in Kurvenals Spottlied blitzen Reflexe dieses Schicksalhaften auf.
Ich hatte zudem, als ich von der Schule meines Jungen in die Arbeitswohnung spazierte, den folgenden Gedanken: - daß die Muster, denen unsere Leben folgen, physikalische seien, energetische in irgend einer Form; man muß wirklich weder Prädestinationsgedanken noch einer Religion anhängen, um dessen innezuwerden. Götter sind doch ohnedies Metaphern für Unbegriffenes/Unbegreifbares… nicht „Gott“, d e r ist das nicht, sondern ist pure machtpolitisches BegriffsInstrument. Götter indes, dachte ich, messen einem immer genau das zu, was zu tragen man fähig ist, niemals mehr. Aber das schöpfen sie a u s. Wird es mehr, dann allein deshalb, weil anderer - machtpolitischer - Wille ihnen in den Arm gefallen ist: so daß sie sich wehren.  „Muster“ und „Wiederholung von Mustern“ wird meine weitere Arbeit bestimmen, zusammen mit der Allegorie, die mit der Dynamik in sie eingewunden verwandt ist. Das ist in ARGO noch sehr viel deutlicher herauszuarbeiten. Man kann alles auch so ausdrücken: Mittlerweile halte ich demokratisches Denken für eine Rationalisierung – also für eine Abwehrform. Die latent wirkende Alternative ist selbstverständlich n i c h t Oligarchie und kann nicht einmal aristokratisch beschrieben werden, sondern alleine tragisch.
[Berlin, Arbeitswohnung, 9.10 Uhr.
Verdi, Otello; Carlos Kleiber.]
albannikolaiherbst - Montag, 3. Juli 2006, 09:19- Rubrik: Arbeitsjournal
5.31 Uhr:
Berlin, Kinderwohnung.
Nachdem das >>>> „Experiment Öffentliche Privatheit“ derart unerwartet vorüber ist, sitz ich gerade etwas hilflos hier und überlege. Etwas meine Arbeit Strukturierendes ist damit ja ebenfalls vorüber, auch wenn nun anderes an dessen Stelle tritt: etwas indes, das von der Arbeit getrennt werden muß, so daß ich lernen muß zu spalten. Dennoch bleibt es mir um Zusammenhänge von Produktionsprozessen und ihren Ursachen zu tun; ich werde aber diese Ursachen fortan, sagen wir:, umschreiben müssen – oder doch zumindest auswählen, vielleicht kurze Schlaglichter auf Geschehen werfen, jedoch diese Geschehen ihrerseits bereits zu Literatur verfremdet… Sie merken, ich stochere gerade in meinen Gedanken herum, ein bißchen, wie am Morgen nach dem Grillfest in der erkalteten Kohle und Asche. Was kein Werturteil ist, sondern es w u r d e ja gegessen, g u t gegessen sogar. Die Frage ist nur, wie fang ich das Neue - arbeitstechnisch - jetzt an? Wie seltsam, daß das Hand in Hand mit dem Abschluß von ARGO geht, welches doch bedeutet: den Abschluß des ANDERSWELT-Projektes, an dem ich zwar noch einzwei Jahre sitzen werde, aber feilend, nicht hinauswerfend, nicht mehr erfindend. Die Erde, die bepflanzt wird, ist nun d a, ich muß sie aus dem Krater meiner Imaginationskraft nicht mehr spucken, die Eruptionszeit ist vorüber, der Vulkan schläft, und die Bäuerlein kommen, die schon zerfallende Lava zu glätten zu bepflügen und in sie zu säen. Jetzt geht’s, um da s o auszudrücken, um die Orangenplantagen. Oder wie bei einem Krieger, der heimkehrt, und weiß nicht, was ein Frieden ist.
Seltsames Zeugs, das ich da schreibe, sehen Sie’s mir nach. Und ganz o h n e formulierte Innenschau wird’s nicht gehen…vielleicht nur 'n o c h' nicht… ich weiß es nicht.
Deshalb meine Gedanken jetzt s o: Zwar Tagebuch, aber auf die Arbeit bezogen, A r b e i t s journal in beiden Wortteilen wörtlich genommen. Und eben auch nicht mehr n i c h t auf die Hauptseite Der Dschungel gestellt, nicht mehr apart, sondern schon auf der Oberfläche mit hineingewoben. Das Tagebuch selbst, da bleibt es bei meinem Entschluß von gestern nacht, läßt sich nicht weiterführen, weil es, klammere ich das mir Nächste aus, verwässert würde. Und ich verwässere keinen Ansatz. Verwässerung ist Verfälschung, in jedem Fall. Es wäre anders ein verlogenes Tagebuch, und so etwas publiziere ich nicht. Dann laß ich es besser g a n z sein.
Doch, wie gesagt, ‚ganz’ geht momentan nicht. Und ich muß eine praktikable Lösung finden. Bin verwirrt, Sie merken es an diesem Text. Bin zugleich glücklich. Wie komisch das ist.
>>>> Dieser Text stand übrigens, ein wenig anders formuliert, direkt in ARGO drin. Ich fand das, als ich überarbeitete, zu erklärend im Roman selbst – und nahm es heraus (das Buch ist eh viel zu dick). Möglicherweise werde ich alle oder doch die meisten solchen Stellen herausnehmen, weil sie vielleicht mehr der Eigenorientierung dienen, als daß sie dem Roman als ästhetischem Gebilde dienen. Dann bekommen sie erst einmal ihren Platz in Der Dschungel, werden dafür je als Getrenntes bearbeitet und schließlich, Pflastersteinchen für Pflastersteinchen, in den Weg gehämmert werden, der meine Poetologie auch theoretisch beschreitbar macht.
albannikolaiherbst - Montag, 3. Juli 2006, 06:02- Rubrik: Arbeitsjournal
Auch nicht, wenn man Hilfe braucht. Weil Fußball ist.
(Was eine Welt. Es sterben in Gaza Menschen, es werden in afrikanischen, asiatischen Ländern andere Menschen gemeuchelt. Aber Fußball geht vor. Es kommen Kinder um. Man möchte selbst nicht mehr leben. Frau Merkel führt einen ausgezeichneten Wahlkampf. Plötzlich schießt das Verständnis für den Zyniker auf. Plötzlich begreift man. Daß man nicht dazugehört. Daß man fremd ist, immer fremd bleiben w i r d. W i e fremd man ist. Und daß man das ausdrücken muß, daraus etwas schaffen muß, das fürs Gegenteil steht. Daß man i n s o f e r n Kunst beerbt hat. In den ganz banalen Dingen. Denen man etwa so etwas wie Verdis Otello entgegenstellt. Und sagt: Liebe Leute, d a s ist es.)
[Nicht zu fassen. Die sitzen alle unten und starren auf den Bildschirm. Ich war kurz da. Mir wurde sowas von übel. Für ein K i n d ist diese Show okay, es ist eine Stellvertretung für Leben. Aber für Erwachsene? Die darauf starren, wie ein B a l l von ein paar Beinen herumgewutscht wird? Nein, ich gehöre nicht dazu. Hab momenan den Impuls, diesen ganzen Aufenthalt in der Concordia sausen zu lassen und mich in meiner Arbeitswohnung zu vergraben. Von draußen, über die Regnitz, dringen 'Gemeinschafts'gesänge herein: "Au-eh! Au-eh!" Gejohle. K e i n "un bacio, un bacio ancora". Sondern: Volks'geist'. Arbeiten kann ich aber auch nicht.]
albannikolaiherbst - Dienstag, 4. Juli 2006, 22:28- Rubrik: NOTATE
Doch es war die flache Gegend hinter Cádiz, man sah Weiden voller Stiere und sah Störche, Tausende Störche, die, zu beiden Seiten der Autobahn von Jerez nach Sevilla, unter einem wolkenlosen Urlaubshimmel wahnsinnig klappernd in den locker verstreuten niedrigen Bäumen saßen. Das ging bis an den Horizont. unstet war das, gewiß, gab aber momentlang Orientierung und deshalb ein Ziel. Denn auch die aggressive Energiestruktur bekam Gestalt. Was den Schrecken nicht geringer machte. Solch ein Geschöpf hatte noch niemand gesehen, wie es, nahezu zwei Meter fünfzig hoch, halbnackt, eine Frau, gar keine Frage, ein weiblicher Cyborg, das schien das wahrscheinlichste zu sein, wieder und wieder nach den auf der Autobahn stehenden Fahrzeugen griff, in die nicht gepanzerten hineingriff, sich einen Soldaten pflückte und mit der Rechten zum Munde führte, derweil die Linke das Fahrzeug in den Himmel schnippte. Das Geschöpf aß den Soldaten nicht, sondern biß ihm nur die Kehle durch und warf ihn danach achtlos weg, wobei es sich das Blut von den Lefzen leckte. Da die Illusion nur ab etwa Knie- bzw. Wagenradhöhe stand, fiel der Mann durchs Gitternetz ins Nichts. Die Lamia ließ ihren häßlichen Kopf hierhin zucken, schon dahin, die Nüstern weiteten sich erregt, wurden erregend eng, das Tier schien Witterung aufzunehmen – witterte Ungefugger riß sich herum. Dem Unsterblichen war selbst durch die schußsichren Scheiben seines schweren Wagens direkt in die Augen gefaßt. Er setzte seinen Eisblick dagegen auf. Doch das Eis schmolz sofort, der Unsterbliche weinte vor Angst. Er wollte nicht weinen, er wollte Haltung. Weinte aber, e s weinte.
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albannikolaiherbst - Dienstag, 4. Juli 2006, 15:23- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
albannikolaiherbst - Dienstag, 4. Juli 2006, 06:01- Rubrik: Arbeitsjournal
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LH
(…) Die beiden Schmittbücher stehen nun in trauter, reaktionärer Gemeinsamkeit neben Jünger und de Maistre im Regal. Da können sie miteinander quasseln und noch schwärzer werden. (…)
ANH
(…) Was Sie über Schmitt schreiben, dazu kann ich wenig Einschätzung beitragen, da ich ihn nie las. Anders für Jünger, der ein ausgezeichneter Stilist ist und daneben zwar sicherlich ein ErzKonservativer, aber kein Schwarzer, schon gar nicht Brauner. Man muß bei ihm wissen, daß er - anders als der ihm eigentlich verwandte D'Annunzio - den ersten Weltkrieg nicht wie dieser als ein Ritterturnier auffassen konnte. Das hätte er junkerhaft gern getan. Nur geriet er, indes D'Annunzio Husarenstücke ritt, in die Materialschlacht - ein lebenslanges Trauma, das man so gut wie allen seinen Büchern anmerkt und das diese Bücher gerade so spannend macht.
Die in Stahlgewittern vorgenommene kalte Ästhetisierung ist eben eine K u n s t form, die den Schrecken zu bannen versucht. „Kälte ist zu empfehlen, wo es anrüchig wird. Es geht sich leichter über gefrorenen Schlamm“, schreibt er zu recht. So etwas darf man bei einem Autor seines Kalibers nicht übersehen. Deshalb möchte ich gerne Ihnen gegenüber eine Lanze für ihn brechen. (…)
LH
(…) sicher ist Jünger buchstäblich näher an Gracian zu rücken als an einen Rechtstheoretiker (der doppelte Sinn des Wortes fällt mir jetzt beim Lesen auf ), der Schmitt heißt. (…) Ihre Einschätzung Jüngers, als kalte Persönlichkeit, teile ich und bin ebenso fasziniert von ihr, wie ich es von Gracian bin. Helmuth Lethen hat zu dieser Thematik, Jünger wird auch genannt, ein ganzes Büchlein verfasst: „Verhaltenslehren der Kälte“. Monatelang war es mir Kopfkissenersatz.
D’ Annunzio hat für mich als Person immer etwas Komisches. Pirandellos Theaterstück „6 Personen suchen einen Autor“ ordne ich seltsamerweise immer ihm zu. Literarisch kenn ich von ihm wenig, aber seine Performances incl seiner Kulissen am Gardasee habe ich mir sehr genau, schon wegen Pound, zu Gemüte geführt.
ANH
(…) D'Annunzio gehört für mich d e s h a l b zu den nachdrücklichsten Einflüssen, weil er - wie Wagner es mit dem Orchester im Orchestergraben tat - sämtliche tief-seelischen Ereignisse aus den Personen herausnimmt und in die Dinge projiziert. Hat ein Protagonist Schmerzen, fallen etwa Blätter von den Blüten der im Zimmer befindlichen Schnittblumen. Das klingt dann so:
SPRECHER 1: Weiter oben, auf dem Kaminsims, rieselten aus einem der Kelche die Blütenblätter einer großen weißen Rose, die sacht zerfiel...
SPRECHER 2: ...che si disfaceva a poco a poco, languida, molle...
SPRECHER 1: ...sehnsüchtig, weich, weiblich, fast könnte man sagen fleischlich...
In der Hinsicht beherrscht er eine g a n z-große Kunst. Diese Art Weichheit war Jünger nach der Materialschlacht nicht mehr erlaubt. Diese w a r m e Blick, der zugleich die Manier der gesamten Umstände erfaßt, war auf die Leichen-, Blei- und Scheißefelder nicht mehr anzuwenden. N i e wieder.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 5. Juli 2006, 20:25- Rubrik: Korrespondenzen
Kurzgeschichte, wahrscheinlich eines Mannes, der Europa geflohen ist (einer Frau wegen? eines Verbrechens wegen? einfach überdrußhalber? – nicht ganz heraus) und sich in einem abbruchreifen, nässeschwitzenden Hotel nahe Chowpatty Beach (oder nördlicher, vielleicht oberhalb des Koli-Dorfes) einquartiert hat und vor sich hinsinnend beobachtet, wie die schwarzen Regenwände vom arabischen Meer her auf Bombay zurücken und die Stadt und ihn, denkt er, verschlingen. Der Mann stapft durch die überschwemmten Viertel, in denen sich alles Leben in den herabgießenden Wassermassen wäscht. Ganze Gassen sind kleine Flüsse. Dann steht er wieder auf dem brüchigen Balkon seines Hotels. Da erwischt ihn der Blick einer sehr jungen Frau, sie ist fast noch Mädchen, sieht von unten zu ihm hoch. Er gibt ihr ein Zeichen, sie möge warten. Er steckt alles Geld ein, das er noch hat. Tatsächlich steht sie noch da, als er auf die Straße tritt. Sieht ihn an, läuft davon. Er folgt ihr, wohl wissend, daß es dem Ende zugeht. Sie sieht sich immer wieder um, hält aber stets nur Sichtnähe, zieht ihn tiefer und tiefer in Bombay hinein.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 5. Juli 2006, 10:24- Rubrik: PROJEKTE
Ein >>>> Tränenmeer.
Leer die Straßen von Fahnen – im neupatriotischen Pöbel
Steckt bis zum Gröhlhals, und hat ihn verschlossen, die Faust der Ball. [Distichon 11.]
albannikolaiherbst - Mittwoch, 5. Juli 2006, 09:29- Rubrik: DISTICHEN
Eigentlich hätten wir glücklich werden können, aber sie machte überall hin. Etwa, wenn wir eingeladen waren. Ich hatte eine verantwortungsvolle Position, da muß man seriös wirken. Hätte ich nicht repräsentieren müssen, wäre es etwas anderes gewesen. Doch wenn gerade dann... es reicht eben nicht, daß das Geschöpf an Ihrer Seite schön ist und Intelligenz zeigt, Umgangsformen, ja sogar Bildung hat. So daß Sie beneidet werden: Wie hat er das nur gemacht? Ich bin eher unauffällig, mir traut man sowas nicht zu. Da beeindruckt eine solche Frau gewaltig: was eine strahlende Schönheit! Plötzlich bekommt man A n g e b o t e... Ich weiß, wovon ich spreche. Es kommt auf Ihr Können immer erst in zweiter Linie an. Wichtiger ist, wer Sie begleitet. Und mich... nun, Sie sahen ja selbst.
D a s erst, nichts anderes, öffnete mir Planck und Berkeley. Doch kaum begaben wir uns auf den Begrüßungsempfang... und nicht etwa verstohlen in die Ecke, nein: immer, auch jedesmal später, machte sie mitten in den Raum. Jemand will eine Rede halten, Sie stehen beisammen, und plötzlich flüstert Ihnen Ihre Frau ins Ohr: Ich muß mal eben... hebt den Rock und hockt sich hin.
Da fragen Sie mich ernsthaft, weshalb ich wieder allein bin? Und weshalb ich hier hinten eingesetzt wurde? So fleißig, aber geduckt bin? Eine solche Karriere verlor? Ah, ob ich mich sehne? Ich w e i n e, Frau Christians, ich weine im Innern von früh bis spät. Wie glücklich hätten wir werden können! Wäre das nicht gewesen.
[Aus 'Übertritte':
Kleinsterzählungen/Divertimenti.]
albannikolaiherbst - Mittwoch, 5. Juli 2006, 08:20- Rubrik: Entwuerfe
Sondern ist d a. Oder nicht. Erfaßt Dich, und zwar kannst du sie fliehen, nicht aber begrenzen. Sie akzeptiert keine Einschränkung, sondern sagt: „Nimm mich an oder laß es bleiben. Aber es gibt kein Dazwischen.“ Insofern ist sie wie eine Naturgewalt *; dämmt man sie ein, geht letzten Endes die Natur verloren – oder um es mit Kant auszudrücken: das Erhabene. Das ebenso wenig menschlich ist, heißt: sich menschlichen Kategorien nicht beugt. Insofern hat sie, ob im Glück oder Unglück, immer etwas von Tragik. Autonomie, gar Emanzipation sind ihr so fremd wie einem >>>> Zunami. Ebenso jeder Pragmatismus.
Wer ihr begegnet, kann ja sagen oder nein. Sagt er nein, ist er sie auch nicht wert. Aber wird in den meisten Fällen nicht einmal wissen, was er verlor: - er kann die Dimension so wenig erfassen wie ein Waschbär die Farben. (Im übrigen geschieht sie auch nicht allen. Man muß Verliebtheit und Begehren strikt von ihr trennen, auch wenn es meist heftige Überlappungen gibt, die nicht immer klarwerden lassen, was das Gefühl eigentlich ist, so daß man irrtümlich oder bequem eines für das andere nimmt.)
[*)Wahrscheinlich i s t sie Naturgewalt.]
Hier wird von der Geschlechter-, nicht von der Eltern-, bzw. Mutterliebe zu ihrem Kind gesprochen. Allerdings haben beide eines gemeinsam: Eine andere Moral als je ihre eigene schert sie nicht: die eine das Wohlsein des Kindes, die andre ihre Realisierung. Was Wahrwerdung heißt.
Zunami 2 <<<<
albannikolaiherbst - Donnerstag, 6. Juli 2006, 23:17- Rubrik: NOTATE
Sie zieht durch die Menschen hindurch. Bei wenigen verbleibt sie lange, zieht schon weiter, aus dem einen in die nächste, die sie weiterträgt, bis sich auch in ihr das Trägermedium, das sie war, erschöpft hat. Schönheit zehrt, aber oft bleibt ein Nachglanz auf der Haut, der diese Menschen zeichnet, auszeichnet: nicht selten im Gesicht, in den Augen, oft auf der Stirn. Dann sagen wir: Diese Frau, dieser Mann ist einmal schön gewesen. Nicht Armut, wie es Rilke meinte, sondern s i e ist dieser Glanz von innen: dann, wenn sie ging. Deshalb verbindet sich verlorene Schönheit nicht selten mit einer Güte des Alters, die in der Blütezeit der Schönheit gar nicht gewesen sein muß. Schönheit ist nicht notwendigerweise moralisch, doch kann sie es werden: indem sie verließ. Nämlich weiß die Güte: ich kann, was Schönheit unbedingt braucht, nicht mehr sein. Ist solches Einverständnis da, legt Schönheit ihrer verlassenen Hülle die Hand auf und läßt sie dort wohltuend liegen. Das dann ist i h r e Moral.
[Im ICE Bamberg-Berlin.]
albannikolaiherbst - Donnerstag, 6. Juli 2006, 08:03- Rubrik: NOTATE
Sein Blick fiel auf die Hediger. Leinsam hatte noch nie ein Gefühl für Verhältnismäßigkeiten gehabt und sah deshalb nicht im entferntesten, wie wenig ausgerechnet diese Frau zu ihm paßte. Ihre Kühle lockte ihn, auch daß sie derart hochgewachsen war. Er setzte sich nicht weit von ihr in einen der niedrigen 50er-Jahre-Sesselchen, ließ sich seinen synthetischen Wein kommen und wartete auf die Gelegenheit. Momentan telefonierte die Frau jedoch, jedenfalls versuchte sie es, und zwar vergeblich, wie ihrem pikierten Gesichtsausdruck anzumerken war, mit dem sie plötzlich in das noch aufgeklappte Gerät starrte. Leinsam hatte keine Ahnung, daß Judith Hediger kaum etwas von dem bemerkte, das e r wahrnahm; schließlich gab es für sie weder die Zerstörungen noch Buenos Aires insgesamt. Judith Hediger lebte allein in Berlin. Folgerichtigerweise entging ihr deshalb auch Leinsam – ich meine, er wäre ihr sowieso entgangen, aber aus nicht ontologischen, sondern Gründen des Desinteresses. Leinsams Platz war für sie aber real leer. Daran änderte es auch nichts, daß sich Cordes zu ihr setzte, nachdem er hereingekommen war und zu Leinsams Verärgerung so höflich darum gebeten hatte, daß sie es ihm .gestattete. Immerhin waren rundum wenige Tische unbesetzt. Dessen, fand Hediger, höchst eigenwilliger Einstieg in ein Gespräch ließ Leinsam auch nicht wirklicher werden: „Wissen Sie, ich gehe allezeit mit so etwas wie einem Roman schwanger, in dem auch Sie eine Rolle spielen.“ Ja, Leinsam blieb für die Frau noch dann unsichtbar, als Cordes sie eigens auf ihn aufmerksam zu machen versuchte. „Wenn Sie mir nicht glauben, schauen Sie diesen Mann an! Dort, sehen Sie?“ „Nein. Wo? Welcher Mann?“ „Ich kann Ihnen seine halbe Lebensgeschichte erzählen!“ Frau Hediger lachte auf. Was ein Spinner! Aber dann sagte Cordes: „Falls Sie mir immer noch nicht glauben, dann sollte ich Ihnen vielleicht erklären, weshalb Ihr Freund Herbst eben so abrupt das Telefonat beendet hat.“ Das nun machte sie baff.
>>>> ARGO 258
ARGO 256 <<<<
albannikolaiherbst - Freitag, 7. Juli 2006, 11:13- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Nimm den Leib ganz, nimm meine Seele, die von dem andren
tätowierte: ich möchte dich, so nimm denn auch ihn dir.
Küß ihn wie ich, so küß das Tattoo, das ich stündlich erfrische.
An der hohen Wand meines Innren bleibt’s immer hängen:
sein Portrait, dich kränkend, mir sorgend, stets uns vor Augen.
Trag’s oder geh. Mich liebt nur, wer mitträgt: Wer liebt, erträgt alles.
Stolz hob die mutige Frau und fordernd den Blick.
(A /-/-/--/-/--/-
A /-/-/--/-/--/-
B /--/-/--/--/--/-
A /-/-/--/-/--/-
A /-/-/--/-/--/-
B /--/-/--/--/--/-
C /--/--/-/--/) [Berlin, Kinderwohnung.
>>>> Arbeiten mit dem Hexameter, den bedingungslos ein Pentameter abschließt.]
albannikolaiherbst - Freitag, 7. Juli 2006, 08:29- Rubrik: Gedichte
Bewältigung von Inhalt. D e s h a l b die Entsprechung.
(CCCCVI).
[Was nach Akademismus klingt, nach Formalismus sogar, ist in Wahrheit eine Verarbeitungsweise: Der Konflikt wird Form, damit man ihn faßt, damit er nicht d i c h faßt. In der Kunst ist Spielerei der bindende Ausdruck einer kraftvollen existentiellen Erfahrung.]
albannikolaiherbst - Freitag, 7. Juli 2006, 06:53- Rubrik: Paralipomena
- da hätte die Lamia als N i a m-wieder gerne g e s c h l a f e n, hätte den Kopf in eine Schulterbeuge gedrückt und in die Achselhöhle geatmet, bevor sie laminar davon- und zurückhuschen würde, um ihr Opfer zu nehmen: zu spät doch, was sie nicht wußte. War schon weg.
„Du willst“, fragte EA Richter unvermittelt, sah aber immer noch nicht auf, „daß ich mich nachher zu dir lege?“
„Ja“, antwortete Shakti, ebenfalls ohne einen Blick auf den Mann zu werfen.
„Wir möchten nicht ausgeschlossen sein wie er“, konstatierte Richter. Vielleicht war dies die pragmatischste Liebeserklärung, die jemand einer Frau machen kann. Und Shakti mußte nicht fragen, um zu wissen, daß er Kignčrs meinte, dessen Traum unter die noch und noch rufenden Seufzer den tiefen Baß eines weinenden Schnarchens mischte. Wovon Sola-Ngozi hilflos gerührt war in ihrem Alleinsein, dessen AmazonensStolz es sich aber versagte, dem gequälten Mann wenigstens wieder die Decke über die rechte nackte Schulter zu ziehen; als eine Mutter einem Kind.
>>>> ARGO 259
ARGO 257 <<<<
albannikolaiherbst - Samstag, 8. Juli 2006, 21:29- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Die Hälften liegen wieder aufeinander.
Zwar braun der Anschnitt wird dem Apfel bleiben.
Legt aufs verletzte ein Vertrauen drum, das weiß.
Nimmt den süßen Schluck Ich liebe dich
aus dem bittren Fluß Vergiß:
Wie alle Flüsse mündet er,
wir wissen’s, im Erinnrungsmeer.  [Döllnsee.
Bei Paolo Conte und Tim Hardin.
Dann bei Verdi, Otello.] (Die Morgenfassung:
Nun legen wir die Hälften wieder aufeinander.
So braun ist ihr Anschnitt das wird dem Apfel bleiben.
Achtsam geben wir auf verletztes Vertrauen
Ein Vertrauen drum, das weiß.
Es spricht sich unser süßes Ichliebedich
im bitteren Tonfall eines Schlucks
aus dem weißen Fluß des Vergessens.
Wie alle Flüsse aber mündet auch der,
wir wissen’s, im Erinnerungsmeer. )
albannikolaiherbst - Samstag, 8. Juli 2006, 12:40- Rubrik: Gedichte
Künstler zu sein, formuliert >>>> Zschorsch, ist nicht so sehr die Wahl eines Berufes, schon gar nicht die eines Jobs, den einer, der über Fantasie verfüge, sich zum Gelderwerb kultiviere. Sondern es sei eine Haltung, eine Lebenshaltung Lebens form. Er hat damit recht. (Weshalb sich alles vorgeblich ‚neue’, moderne usw. Kunstverständnis erübrigt, das die Erschaffung von Kunstwerken in gesellschaftssoziale Bezüge setzt oder verlangt, sie müsse sich etwa den industriellen Produktionsbedingungen der medialen Welt anpassen - das genau muß sie weder, noch kann sie es).
Lebensform bedeutet, ich verstehe die Geschehen der realen Welt immer auch als Material für Geschichten (für Gedichte, für Musiken, Bilder usw); Haltung bedeutet, dem stelle ich mich. Wiederum heißt ‚immer a u c h’, daß zugleich die Geschehen-selbst nicht uneigentlich werden: sie geschehen n i c h t, damit man eine Geschichte schreibt. Sondern sie geschehen, vorgängig, tatsächlich und mit allen persönlichen Konsequenzen, allem persönlichen Glück, allem persönlichen Leid. Die Geschichte dann wird hinzugeschrieben, das Bild hinzugemalt, die Musik hinzukomponiert. Kunst kommt immer zum Leben h i n z u: sie füllt Welt um eine weitere Realisierung von Leben an. D e s h a l b, n u r deshalb, macht sie die Welt reicher. Es ist ein Irrtum anzunehmen, Kunst setzte sich an die Stelle von Leben, sie sei entweder Substitution oder Bewältigung. Bewältigung ist sie a u c h, aber Bewältigung trifft nicht ihren Kern: Sie könnte nämlich gerade auch k e i n e Bewältigung sein, sondern die Konflikte noch verschärfen. Nur spielt dieser Aspekt bei ihrer Entstehung - immer vorausgesetzt, sie gelingt - keine andere Rolle als die eines, sagen wir, dynamischen Katalysators: persönliche Betroffenheit ist der drängende I m p u l s in die Form. Doch je strenger diese beachtet wird, um so weniger spielt schließlich persönliche Betroffenheit im Kunstwerk noch eine Rolle. Es wäre eine Geschichte sonst auf ihre Leser gar nicht übertragbar. Wir können das Leid und das Glück eines anderen nicht als eigenes empfinden („wir sind immer allein“), wir können es aber sehr wohl bei Gestalten der Kunst („wir sind n i c h t immer allein“): gerade, weil ihnen die Form das Eigene nimmt und zu etwas Allgemeinem werden läßt:: etwas, das andere a l s Eigenes in sich hineinnehmen und miterleben können::: die Kunstfigur wird zum Introjekt des Rezipienten.
„Wir werden allein geboren“, hat meine Mutter einmal gesagt, „wir sterben allein, alles dazwischen sind Verbindungen auf Vorläufigkeit.“ Genau dem setzt Kunst ein emphatisches NEIN entgegen und macht sich zum radikalen Vermittler zwischen Du, Ich und Wir. Sie macht das Eigene, das dem Anderen real fremd ist, zu dem Realen Inneren des Anderen. Insofern ist sie immer auf Entindividuation aus, auf Verschmelzung: das hat sie mit dem erotischen Akt gemein. Deshalb sind Kunst und Eros verwandt. (Adorno sprach von Eros & Erkenntnis und diagnostizierte ein selbes für die Philosophie). [Poetologie.
Döllnsee, Küchentisch.
Nebenan schläft der Junge, und
der Profi hantiert ordnend herum.]
albannikolaiherbst - Samstag, 8. Juli 2006, 09:09- Rubrik: Arbeitsjournal
Was dich zur F o r m treibt. (I).
In der Diskussion um das verbotene Buch wurde stets übersehen - und s o l l t e übersehen werden (das zeigt der gerichtlicherseits nachdrücklich verweigerte Vergleich des Kunstaspektes zu etwa Billers EZRA) -, welcher Transformationsprozeß etwa sprachlich geleistet wurde, aber auch schon in Sachen Konstruktion eines Romanes – wie aus einem zugrundeliegenden Geschehen ein Geschehen der Literatur gemacht worden ist, das so nur in einem Roman möglich ist. Der Kläger ist blond, und ich habe ihn als blond geschildert. Doch selbst, hätte ich das nicht getan, er wäre dennoch von denen, um die es offenbar ging, als Urbild erkannt worden, weil den mit den Umständen Vertrauten jede Verstellung so oder so bemerkbar gewesen wäre. Deshalb verzichtete ich darauf: um keine künstlerische Unnötigkeit zu begehen.
Die Frage ist eine andere: Wieso reiste ich etwa zu Recherchen in ein anderes Land - in zwei andere Länder sogar -, weshalb suchte ich nach passenden Orten einer Handlung, die sich anderswo und schon deshalb anders abgespielt hatte? Ich tat es, weil die tatsächlichen Orte der Handlung dem Roman nicht angemessen, weil sie nicht glaubwürdig gewesen wären – für den Roman nicht glaubwürdig; dem Leben ist Glaubwürdigkeit egal. Kunst brauchte einen ästhetischen Hof, in dem sich abspielen kann, was sich de facto nie abgespielt hat, was aber wirken sollte, als hätte es sich so abgespielt: Noch Fichtes Höllenpaläste wirken nun derart real, daß gerade der fiktive Character der Handlung den Gerichten das Gefühl völliger Authentizität vermittelte. So daß der Prozeß nicht – sagen wir: nur – wegen vorgeblicher Realitätsnähe verlorenging, sondern gerade wegen der bis an umfassende Glaubwürdigkeit hochgetriebenen Fiktivität. Noch die Paarung mit einem Delphin bekam dadurch den Character eines realen Geschehens, das die Vorwürfe des Klägers ganz besonders glaubhaft machte. Gerade daß es sich um gelungene Dichtung handelt, unterstrich die W a h r h e i t der Schilderungen. Daß es nicht ihre Wirklichkeit unterstrich, spielte dann gar keine Rolle mehr, sondern ganz im Gegenteil. Eine Formulierung eines der Urteile bestätigte das: Es komme nicht darauf an, steht darin zu lesen, ob etwas wirklich geschehen sei, sondern ob ein Leser verführt werde, eine Schilderung dem Kläger zuzurechnen – ob er also annehmen müsse, etwas sei so und so geschehen. Dies genüge, ein Buch verbieten zu lassen. Das bedeutet: Wenn der Roman es geschafft hat, daß etwas Fiktives im Kopf des Lesers als Reales entstehe, dann ist das ganz besonders der Einwand gegen ihn. Damit ist gesagt: wird Kunst perfekt, dann ist genau das der Einwand gegen sie. Indem die Jurisprudenz der Kunst auf die Schippe sprang, verlor die Kunst den Prozeß. [Döllnsee bei Verdis Otello, Carlos Kleiber in Mailand. Poetologie.]
albannikolaiherbst - Samstag, 8. Juli 2006, 08:24- Rubrik: Buchverbot
bist das Auge
mein Mund
bist silberne Sichel vor der Lippe im Eingang
die blitzende Klinge mein Mond
bist Geschlecht
bist die Hand
meine Umarmung
bist wendiges Tier noch, als du hereinkommst
kralle die Läufe voll Flucht
bist Schenkel
bist der Atem
mein Speichel
bist mein Daheim im dämmrigen Flur
reckst du die Dornen
bist Blut
bist die Frau
mein Grund
bist mir in diesen Zimmern zum Opfer geworden
dein Verlangen hält auf der wunden Zunge den Zweifel
bist Geburt
bin der Mann
dein Schmerz
bin dir immer noch Sehnsucht: das geflohene Haus
in das du bewaffnet und zitternd zurückkehrst
bin aber Brust
bist ein Schicksal bin ein Versprechen
das nicht wissen kann, ob es sich hält
[Am Döllnsee, morgens.] 
albannikolaiherbst - Sonntag, 9. Juli 2006, 08:42- Rubrik: Gedichte
RB
Ich bringe Ihr Buch natürlich mit, aber es ist auf meine Weise markiert, Sie werden schon sehen. Bringen Sie doch den Laptop auf alle Fälle mit, dann können sie daraus lesen, wenn Sie mein Origami-Exemplar erschrickt.....
ANH
Oh, ich l i e b e durchgearbeitete Bücher! In keinen anderen - ob meinen eigenen, ob fremden - lese ich lieber. Deshalb meine Neigung zu antiquarischen Exemplaren; ich sammle s o l c h e, hingegen mir bibliofile Ausgaben, bei denen der Fetisch wichtig ist, geradezu unangenehm sind. Momentan, für ARGO. ANDERSWELT, versuche ich, endlich von dem hardcover-Scheiß wegzukommen: ein schöner, angenehmer Satzspiegel, das ist wichtig, ja, aber alles andere, Leinen, gebunden usw. ist nichts als Götzendienst am Ding (…). Bücher müssen reader sein, wenn sie auseinanderfallen nach dem Lesen, dann ist das besser, als wenn einer drauf achtet, ja keine Fettflecken auf den Umschlag zu kriegen.
albannikolaiherbst - Montag, 10. Juli 2006, 11:48- Rubrik: Korrespondenzen
Montag, der 10. Juli 2006.
20 Uhr.
Münzsalon
Münzstraße 23 10178 Berlin
Parallel-Lektüre und Gespräch zwischen Alban Nikolai Herbst und Adrián Pais: Buenos Aires. Anderswelt und Estar en la Nubes. Moderation: Rike Bolte, Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.
Lässt sich der Dschungel des Web erzählen, und zwar nicht in den Gassen des ‘Blog-Barrio’, sondern innerhalb der alten Handwerkskiste, die das Buch ist? Der Berliner Schriftsteller Alban Nikolai Herbst hat mit Buenos Aires. Anderswelt (2001) einen Roman geschrieben, der die beschleunigten Gesten der Großstadtliteratur noch einmal neu montiert und die urbane Odyssee ins Cyberspace gleiten lässt. ‘Buenos Aires’ ist hier eine überschwappende Zeichengalaxie, an der jedoch gleichzeitig das Erzählen in einem artefaktischen Ton geübt wird. Der argentinische Schriftsteller Adrián Pais hat mit Estar en las nubes (2005) eine ebenso vom Web, aber auch vom Videoclip und der Technokultur aufgefüllte Antwort auf Wim Wenders Himmel über Berlin verfasst, die sich wiederum als Pendant zu Herbsts Buenos Aires-Oper lesen lässt. Der ‘postargentinische’ Berlin-Roman folgt einer kybernetischen Ästhetik und zitiert vielfach Stimmen aus der Medienphilosophie. Dennoch sind seine Figuren fleischlicher gestrickt als die Avatare von Herbst...
Ist ‘kybernetische Literatur’ ein Hybrid oder ein Pleonasmus? Nach der deutsch-argentinischen Lesung soll mit den beiden Autoren diskutiert werden, ob nicht jeder literarische Text – Cyberspace-inspiriert oder nicht, zwischen Buchdeckeln materialisiert oder in die Schwebe des Web gehangen – ein kybernetisches Modul ist oder ob es das postliterarische Buch gibt.
Übersetzung der Texte von Adrian Pais: Simone Zittel.
Unkostenbeitrag: 4 EUR (Mitglieder & Reduziert 3 EUR)
albannikolaiherbst - Montag, 10. Juli 2006, 11:20- Rubrik: Arbeitsjournal
Widerlich war, mit welch lechzendem Besserwissen der Kleinbürger-Kommentator permanent Zidanes Anfall weiter- und weiterkommentierte - sich einen abwichste auf etwas, von dessen innerer Gewalt er häöchstwahrscheinlich gar keine Ahnung hat - wie er sich dran hochgeilte, daß endlich einer, dem er selbst nicht das Wasser reichen kann, einer mit eigener Geschichte und Leistung kaputtging. Dahinter steht immer ein: Siehste, man tut besser dran, nur mitzulaufen und eselig i-a zu schreien, als sich selber etwas zu wagen. Keiner weiß bislang, w a s Zidane zu diesem Ausfall provozierte, keiner weiß, welche Kränkung das, was der andere Spieler zu ihm sagte, in ihm aktiviert hat. Doch alle, letztlich, sind voll schamloser Schadenfreude, wenn ein König fällt. Und sind gierig schon auf den nächsten, dem sie zujubeln können und bei dem sie dann abermals hämen werden, wenn er fällt. Genau das macht den Fußball zu einem Spiel des Pöbels - bei aller Klasse, bei aller Größe, die dem Spiel selbst innewohnt. Es ist der Volkscharacter, der das Spiel restlos desavouiert. (Einmal abgesehen davon, daß Spieler eingekauft werden und von daher ohnedies kaum noch von 'nationalem Character' gesprochen werden kann. Fußball ist in allererster Linie ein internationales G e s c h ä f t und hat mit Sport und Leistung nur noch insofern zu tun, als sie die F o l i e sind, auf der man ganz anderes austrägt.)
Weiteres >>>> h i e r.
albannikolaiherbst - Montag, 10. Juli 2006, 10:10- Rubrik: DieKorrumpel
Man erinnere sich, daß Goethe irgendwo notiert, das Poetenalter, an neuen Ideen arm, schaue nach den Notizen der Jugend und führe die dann aus – mit einem Geschick, für das der erwachsene Poet oft keine Zeit habe – zu sehr drängten die Arbeiten, an denen er da sitze, und fesselten all seine Aufmerksamkeit; in der Jugend hingegen habe der Poet noch nicht Formkraft genug: er sei da seinen eigenen Ideen formal oft gar nicht gewachsen; um es zu werden, müsse er erst noch gehörig, um es mit Karl May auszudrücken, durch >>>> die Geisterschmiede von Kulub hindurch („Der Schmerz beginnt sein Werk, der Schmied, der Meister“). - nämlich durch das bis ins Alter entstehende Werk. Erschöpfe sich endlich der Reichtum der Ideen, vielleicht auch: docke eine Müdigkeit an, ein Verlust an Wille, vielleicht auch ein mit Distanz verbundenes Desinteresse, das bereits das Ende in den Blick nehme, dann werde es Zeit, nach den alten jugendlichen Notizen zu schauen. Dann erst könne in Angriff genommen werden, was so viel früher skizziert worden ist. Gleichwohl werde die Aufgabe in der Jugend g e s t e l l t, sie habe nicht nur r e c h t, sondern sie bewahre dem Alter das Feuer, das in solchen jugendlichen Ideen glimmt. Und sei nun (aber ich erinner mich nur; Erinnerungen sind, wohlgemerkt, aus Geschehenem und Weitergedachtem, sich weiter-Denkendem Weitergeträumtem, gemischt) endlich bereit zu brennen. Vielleicht lächelnd, vielleicht grimmig entfacht der Alte das Feuer nun, schürt es, bewacht es. Dies schafft dann, denk ich mir, den speziellen Klang eines Alterswerks (Beethoven, späte Streichquartette, Mahler, Das Lied von der Erde, Nabokov, >>>> Ada or Ada – einer der größten Romane, die je geschrieben wurden, Lolita wird ganz blaß dagegen): wenn die Verpflichtung, die die Jugend gab, sich in der Technik, dem Handwerk, des Alters erfüllt: da kommen dann Glut und Wissen zusammen. Der Character eines Alterswerks ist der einer leuchtenden Ambivalenz, einer Unmöglichkeit auch: was sich die meisten Menschen als Abgeklärtheit kultivieren, hinter der sich doch oft nur schale Resignation verbirgt, wird energetisch.
Das Literarische Weblog nun sammelt ebenfalls solche Ideen: man kann, liest man es von Zeit zu Zeit stichprobenartig durch, Hunderte von Ideen finden, die skizziert sind, die vielleicht auszuführen schon begonnen wurden, die dann aber abbrechen und scheinbar brach liegenbleiben. Das wirkt nach mangelnder Konzentration, nach Arbeitsschwäche, nach Unentschiedenheit. Sofern aber zugleich andere Werke entstehen (hier ist es ARGO, hier sind es die Hörstücke, hier ist es der Erzählband usw.), kann der Leser finden, wie sich die Konzentration g e r a d e konzentriert und dennoch nicht davon abläßt, immer wieder Neues zu beschreiben zu skizzieren und ihm auf kürzere Zeit je zu folgen, bis doch die eigentliche Arbeit wieder aufgenommen wird. Liest der Dichter im späteren Alter sein Literarisches Weblog dann selbst, drängt sich ihm nicht nur das Zurückgelassene mit alter Kraft auf, sondern auch sein Zusammenhang, etwa durch die Form eines parallel geführten Tagebuchs – und er wird, so müde er dann auch sein mag und der Rücken tut schon so weh, abermals aus dem Vollen schöpfen können. Der Unterschied zu konventionellen, überkommenen „Notaten für später“ liegt in der Einbettung in seinerzeit wirkende Umstände. Das Alter neigt neben der Verbitterung zur Verklärung: Beidem schiebt das Literarische Weblog mehrere Riegel vor. Es verpflichtet den alten Dichter sehr viel mehr zur Wahrhaftigkeit, als irgend ein goethesches Jugendnotat das vermöchte.
So etwas, wenn man es frühzeitig sieht, will organisiert sein: Deshalb empfiehlt sich die Verwendung von Kategorien (>>>> „Projekte“, >>>> „Poetologie“, >>>> „Frauen und Männer“ usw.), nach denen der Alte später einmal wird suchen können. Er wird dann, sein bisheriges Werk überschauend, finden, wo noch etwas fehlt und welches Mosaikstück in das Gesamtbild noch eingefügt werden muß. Oder wo sich etwas aus unbewußten Gründen vergaß. Einfügungen, wie etwa >>>> EA Richter, sind dabei prinzipielle Handwerksaspekte, die sich in den, sagen wir, „reifen“ Jahren erlernen.
[Das Literarische Weblog ist, s o gesehen, ein Handwerkszeug, das, wie die Arbeit am Computer, dem ä u ß e r l i c h e n Material einen niederen Rang zuweist und sich aufs Innen, die Inhalte und ihre Gestaltung, ganz besonders fokussieren läßt. Sämtliches „Wo habe ich das nur notiert?“ entfällt, denn vermittels eines primitiven Suchbegriffs läßt sich das Verlorene jederzeit wiederfinden: Die >>>> Konkordanz, ein literarwissenschaftliches Instrument, wird zum leichtgängigen Element der Dichtung selbst. Auch das zeichnet die Kategorie der „Selbstreferentialität“ sowohl in der Postmoderne als auch in Der Dschungel aus.]
[Poetologie. Konkordanz. Selbstreferenzialität.]
>>>> 66
64 <<<< [Berlin, Kinderwohnung Küchentisch.]
albannikolaiherbst - Montag, 10. Juli 2006, 07:02- Rubrik: Litblog-THEORIE
Wir erinnern uns an das notwendige Zusammenbrechen des geozentrischen Weltbildes, an den selbstverschuldeten Verlust einer zentralen Glaubensinstanz, und entsinnen uns der großen Entdeckungen und Eroberungen geografischer Räume. Die revolutionären Entwicklungen des späten Mittelalters sind in unserem kulturhistorischen Gedächtnis personalisiert gespeichert. Kopernikus, Galilei, Bruno, Erasmus, Luther, Calvin, Münzer, Kolumbus, Magellan und Johannes Gutenberg sind Synonyme einer Zeit, in der die europäische Welt ihr Zentrum verlor. Ihr Geist, ihr Mut und ihre Ängste setzten dann jene Kräfte frei,
die den Menschen die Furcht vor dem „Horror vacui“, die Angst vor der leeren Mitte, nahmen und leiteten damit die Moderne ein, deren zivilisatorische Ergebnisse wir heute mit ambivalenten Gefühlen betrachten; erleben wir doch als Zeitgenossen des Massentourismus und des Worldwideweb eine Überwindung des Raumes, den Verlust von Orten und spüren das Schwinden der Erinnerung. Sozialkritische Utopien, die ihren Grund nie verloren haben, erscheinen mit ihren Sehnsüchten und Hoffnungen gegenwärtig dekonstruiert und artikulieren sich, wenn überhaupt, nur noch als Einzel– oder Partikularinteressen.
Der mittelalterliche Horror vacui scheint zurückgekehrt. Die Drogen, ihn zu betäuben, stehen allzeit bereit. Konsumorientierung und Medien haben Adornos Satz „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ an den Saum des Gedächtnisses verbannt, wo er ins ortlose Nichts hallt. Es sind die Künstlerinnen und Künstler, ihre Lebens- und Arbeitsformen, ihre manisch anmutende individuelle Kreativität, die abseits einer totalitären Massenästhetik des Events den zwangsexilierten Adorno vom Gedächtnissaum zurückholen. Die Künstler, oft selbst ortlos, produzieren in ihren ästhetischen Prozessen und Projekten phantasievolle Orte, die ihre subversiven Potentiale minimalistisch oder barock in Raum und Zeit entfalten. Als Email.
albannikolaiherbst - Dienstag, 11. Juli 2006, 16:53- Rubrik: Korrespondenzen
>>>>> Schönheit ist ein Skandal.Wie die Liebe. Kein Wunder, daß wir uns um Distanz bemühen. „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, sagen wir gerne und meinen es durchaus ernstJa, mit Atemnot. Der Satz ist eine Abwehr gefühlter Wahrheit. Hat nicht jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen von Schönheit? Und ist nicht jeder Mensch auf seine Weise schön?Nein. Ist Schönheit nicht reine Ansichtssache? (…) Wie sollte man sich über etwas verständigen, was jeder anders sieht?Indem man den Blick dahin wendet, wo Schönheit seit je verehrt worden ist: in die Kunst. Die Antwort der Wissenschaft lautet klipp und klar: Schönheit ist alles andere als relativ. Quer durch alle Schichten der Gesellschaft, durch alle Kulturen und Kontinente, unabhängig von Alter, Beruf oder Geschlecht – überall werden sieselben Gesichter als attraktiv wahrgenommen. (…) Sie enthalten einen gemeinsamen „harten Kern“, einen universalen Konsens, der alle Zeiten und Kulturen verbindet.>>>> Ulrich Renz, Schönheit.
Und s e l b s t v e r s t ä n d l i c h ist Schönheit nicht moralisch, sie ist es so wenig wie die Natur und die Kunst. Dieser Befund liegt denkbar quer zur allgemein verbeiteten Weltsicht, vorweg der feministischen. Die Frauenbewegung hatte die bislang radikalste Antwort auf den Skandal der Schönheit gefunden: Sie erklärte Schönheit zu einer Erfindung – einem Mythos, von Männern in die Welt gesetzt, um Frauen auf ihre Weise als Lustobjekt festzunageln (…). Die Ergebnisse der Attraktivitäsforschung – die übrigens zu einem großen Teil von Wissenschaftlerinnen betrieben wird – unterstützen diese These allerdings nicht. Schon ein nur wenige Tage altes, vom Patriarchat noch nicht beeinflußtes Baby blickt ein schönes Gesicht länger an als ein weniger schönes.
Es ist auf dem Querdenken, g e g e n mainstream und wohlfeile Moralität zu beharren, wenn es dir auf Wahrheit und Wirklichkeit ankommt. Und zwar egal, welche persönlichen Folgen das hat. Entschieden bleiben. Unerbittlich bleiben. Sich nicht einschüchtern lassen.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 12. Juli 2006, 10:26- Rubrik: NOTATE
(…) >>>> unter „Neu“ einen Artikel eingestellt, den ich 1995 der Schweizer Weltwoche zum Gesamtwerk Heimito von Doderers geschrieben habe und der mir, gerade was poetische und poetologische Ambivalenzen anbelangt, von allgemeinem Interesse geblieben zu sein scheint. (…)
albannikolaiherbst - Mittwoch, 12. Juli 2006, 09:53- Rubrik: Arbeitsjournal
Sie saß dann am Rand, melancholisch,
schwer bereits war sie geworden
und sah ihnen zu, war
immer nahe am Weinen:
Tränen und Körper
In der prallen Sonne beherrscht
Das Schicksal lassend durch sich
Ob es Abschied
ob Heimkehr
Und was es wirkt.
(Der Wind entfloh durch die Bäume
Nach Stroh roch das Gras
Nach Ferne klangen die Rufe der Spieler
Nach einer Entscheidung, die uns geschieht).
[Villa Concordia Bamberg, morgens.]
albannikolaiherbst - Mittwoch, 12. Juli 2006, 06:23- Rubrik: Gedichte
Ist >>>> eine Universalkategorie und wie jede andere asozial. Daraus bezieht sie ihre göttliche Wahrheit. (Also eine, die der Metapher „Götter“ entspricht).
(CCCCVII).
albannikolaiherbst - Donnerstag, 13. Juli 2006, 23:40- Rubrik: Paralipomena
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Für Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop,
meinen Sohn.
Herbst & Deters Fiktionäre:
Achtung Archive!
DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT wird im Rahmen eines Projektes der Universität Innsbruck beforscht und über >>>> DILIMAG, sowie durch das >>>> deutsche literatur archiv Marbach archiviert und der Öffentlichkeit auch andernorts zugänglich gemacht. Mitschreiber Der Dschungel erklären, indem sie sie mitschreiben, ihr Einverständnis.
Kontakt ANH:
fiktionaere AT gmx DOT de
E R E I G N I S S E :
# IN DER DINGLICHEN REALITÄT:
Mittwoch, den 5. April 2017
Bremen
Studie in Erdbraun
Mit Artur Becker und ANH
Moderation: Jutta Sauer
>>>> Buchhandlung Leuwer
Am Wall 171
D-28195 Bremen
19 Uhr
Sonnabend, 23. September 2017
Beethovenfest Bonn
Uraufführung
Robert HP Platz
VIERTES STREICHQUARTETT
mit zwei Gedichten von Alban Nikolai Herbst
>>>> Beethovenhaus Bonn
Bonngasse 24-26
D-53111 Bonn
16 Uhr
NEUES
Bruno Lampe - 2017/03/29 19:48
III, 280 - Bei Äskulap
Gegen zwei löste ich mich kurzentschlossen vom Schreibtisch. Es war nichts mehr abzuliefern. Aber die ... Die in einem ...
... Deckenlabyrinth sich mäandernde Inschrift...
Bruno Lampe - 2017/03/28 21:42
Vielhard, Leichtgaard:
albannikolaiherbst - 2017/03/28 07:53
Bruno Lampe - 2017/03/27 20:43
III, 279 - Oder auch nicht
Kühler Nordwind. Die Sicht ging bis zu Sant’Angelo Romano weit unten im Latium. Jedenfalls vermute ich ... Bruno Lampe - 2017/03/24 19:55
III, 278 - Einäugigkeiten und Niemande
Ein Auge fiel heraus, abends beim Zähneputzen. Es machte ‘klack’, und der Zyklop sah nur noch verschwommen. ... Danke, gesondert, an...
bei der sich in diesem Fall von einer "Übersetzerin"...
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:48
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:28
Schönheit. (Gefunden eine Zaubernacht). ...
Es juckt sie unter der Haut. Es juckt bis in die
Knochen. Nur, wie kratzt man seine Knochen?
Sein ... Bruno Lampe - 2017/03/22 19:39
III, 277 - Die Hühner picken
Irgendwas ist schiefgelaufen seit dem 9. März. Man könnte es so formulieren: die Verweigerung der Worte ... ich hör' ein heer...
ich hör’ ein heer anstürmen gegens...
parallalie - 2017/03/21 06:51
Ich höre berittene...
Ich höre berittene Landsknecht sich ballen vorm...
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:18
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:12
James Joyce, Chamber Music. In neuen ...
XXXVI.I hear an army charging upon the land,
And the thunder of horses plunging, foam about their knees: ... den ganzen tag lärmen...
den ganzen tag lärmen die wasser
ächzen schon
trist...
parallalie - 2017/03/18 09:55
Den ganzen Tag hör...
Den ganzen Tag hör ich des brandenden Meeres
Klagenden.. .
albannikolaiherbst - 2017/03/18 08:23
JPC

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Zuletzt aktualisiert am 2017/04/01 07:33
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