|
>>>>>
Die Ästhetik gilt als die Wissenschaft des Schönen; als ihr Kriterium daher nicht die Wahrheit. Diese Auffassung korrespondiert der Blütezeit des bürgerlichen Individuums, zu der die gesellschaftliche Totalität noch nicht ins Bewußtsein getreten war. Nur innerhalb dieser Totalität wäre das Moment der Wahrheit von Kunst zu erfassen. Sie ist keine bloße Kategorie der Erkenntnis, sondern gewann objektive Gewalt: individueller Geschmack, der sich das Schöne aneignete, wurde ersetzt durch kollektiven Konsum, der der Produktion genüge tut. So kann Kunst immer weniger zum Ausdruck von Wahrheit werden, an der sie doch allein zu messen wäre. Ideologisch wird sie als vorgeblich oder wirklich autonome Kunst ebenso wie als kommerzielle. Ästhetik ist daher notwendig Kritik, die um so negativer ausfallen muss, je weniger sie selbst Ideologie produzieren will.<<<<<
Adornos Denken übersieht sein heimlich Utopisches: den Satz vom ausgeschlossenen Dritten unterlaufen zu wollen:: D a s wäre die Bewegung einer nicht-ideologischen Kunst, die zugleich nämlich die Widersprüche gestaltet wie sie die Widersprüche i s t. Und sie s e i n will: Erzählung sowohl wie ihre Aufösung, identisch und polymorph zugleich. Die Konstruktion des Widersinns. Wolpertingers Anderswelt.
albannikolaiherbst - Dienstag, 1. November 2005, 08:51- Rubrik: Arbeitsjournal
Die normative Aussage wird durch Privates auf eine persönliche Aussage modifiziert; das ‚Gemeißelte’ der ohne direkten Einspruch publizierten Feststellung wird seinerseits verflüssigt; eine im Weblog veröffentlichte Feststellung erhält insofern einen MeinungsCharacter, indes jede anderweitige Publikation immer auch statuarisch Bleibendes (Normatives) hat. Der Vorgang >>>> demokratisiert einerseits die Meinungsbildung, andererseits bindet er Wahrheit an Zustimmung: Gegen wahre Sachverhalte hat es über Jahrzehnte mit guten Gründen Widerstände gegeben, vermittels derer, hätte es sich über sie abstimmen lassen, diese wahren Sachverhalte auf Dauer vom Tisch gewischt worden wären. So aber standen sie in solch undemokratischer Wucht da, daß man sich ihnen irgendwann wohl oder übel zuwenden und sie prüfen mußte.
54 <<<<
albannikolaiherbst - Mittwoch, 2. November 2005, 17:38- Rubrik: Arbeitsjournal
Denn die in Weblogs kommentierenden, sich also selbst einbeziehenden Leser treten - ob anonym oder nicht - als Avatare ihrer selbst auf; oft, so schrieb ich an anderer Stelle, tanzen im Netz die IchIdeale; auch sie sind letztlich Literatur. >>>> So daß sich dem bloggenden Romancier nicht selten die Romanfiguren selber zuspielen: gewissermaßen >>>> kybernetisieren sich die Leser und treten als ideale Figuren aus ihrer persönlichen Realität in die Netz-Erzählung... sie treten in einen Roman ein: so läßt sich das formulieren. Analytisch gesprochen, machen sie sich ebenso zu einer Projektionsfläche, wie für sie der bloggende Dichter eine ist. Und zwar um so leidenschaftlicher, je stärkere Zustimmung oder stärkeren Widerspruch seine Netz-Repräsentanz in ihnen bewirkt. Denn er selbst macht sich im Netz zu einem Avatar, zu einer Romanfigur – und dies je nachdrücklicher, je intimer er sich in seinem Weblog darstellt. In den vergangenen zwei Jahren, während der ich mein Literarisches Weblog DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT entwickelt und betrieben habe, wurde mir dieser Sachverhalt allmählich klar. Hatte ich mich anfangs noch gegen persönliche Offenbarungen in Form eines Tagebuches gewehrt, so ist das Tagebuch heute eine der tragenden Säulen Der Dschungel geworden. Hierbei ist es - und genau darauf kommt es erkenntnis- und kunsttheoretisch an - restlos unwesentlich, ob die in dem Tagebuch erzählten Inhalte tatsächlich auf realen Entsprechungen beruhen; das genau ist für Leser so wenig nachprüfbar wie der autobiografische Gehalt von Büchern. Deshalb meine heutige Hauptthese, derzufolge sich im Kommunikationsraum des Internets Literatur realisiert.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 2. November 2005, 13:33- Rubrik: Arbeitsjournal
Das Netzspezifische an solchen Projekten .– wie auch oft >>>> an den Plauderblogs, an Netzpublikationen nämlich insgesamt – ist der ausgeprägte Verweischarakter: Kommentatoren verweisen auf eigene Websites, die Beiträger verlinken Teile ihrer postings mit ‚fremden’, ähnlichen Themen zugeordneten Websites und Weblogs, so daß sich tatsächlich ein intentionales Netz und Netzwerk ergibt, das allerdings – so betrachtet und betrieben – einen noch rein instrumentalen Charakter hat. Eben den versucht das literarische Weblog zu unterlaufen: Instrumentalität wird hier immer auch kümnstlerisch zur Form verfremdet und diese als inhaltliche Grundbestimmung eines Werkes aufgefaßt. Ich verstehe also unter einem Literarischen Weblog nicht ein Weblog, das 'bloß' literarische Texte veröffentlicht und dann imgrunde nicht mehr als >>>> der behelfsmäßige NetzStatthalter eines Printmediums ist, sondern eine Publikationsform, die sich selber zum poetischen Gegenstand macht, indem auch die sie basierende Technologie poetisiert und in die Gestaltung einbezogen wird: Technologie ist ebenso Romanfigur und Struktur wie jemand, über und/oder von dem erzählt wird. Dies schließt an eine der Grundbewegungen der ästhetischen Moderne an: Der Prozeß der Entstehung wird selber zu einem Material des Kunstwerks. Ob jemand mit der Hand, mit der Schreibmaschine oder mit dem Computer schreibt, wird für das Kunstwerk essentiell.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 2. November 2005, 08:49- Rubrik: Arbeitsjournal
Noch eben hatten an den Saaleingängen darauf achtzugebende Museumsdiener auf Schemeln gehockt, daß niemand eines der Bilder berührte, hier aber, in dem roten Saal mit der einzigen Säule, g a b es keine Bilder, nur das Gitter dort hinten und keine Menschen; das Summen wurde gänzlich zum Körper und begleitete Deters, als er vor dem Gitter stand und hinaufsah, wie ein heimlicher, neben ihm einherhuschender Klangschatten: eine Treppenflucht tat sich auf ganz ähnlich der ersten, die ihn aus dem Gang hinter der KlettPassage in die Rotunde geführt hatte, von wo er dann eben h i e r h i n hinabwar; es war, als wäre er >>>> dem Saum eines Spins nachgegangen, hätte sich hinabdrehen lassen in den Raum, wo er Zeit und g e l ö s t ist, und nahm nun vorsichtig die erste Stufe, die zweite, schon die dritte, hielt in der rechten Hand fest Deidameias Projektor und hatte die alte Diskette in der linken. Eine waagrechte Neonröhre führte in erschreckender Länge deckenseitig die gesamte Treppe bis zum übernächsten, überübernächsten Absatz hinauf. Ich gehe >>>> eine Himmelsleiter, dachte Deters, es wurde dämmrig, dann Nacht, es wurde Samhain. Ein von oben herabwehendes sehr grünes, sehr künstliches Leuchten, das bereits etwas Kubisches Geschlossenes hatte, lockte voran: Man konnte, dachte Cordes, dieses Schwarze Loch b e t r e t e n, kam aber nicht wieder heraus. Ich werfe deshalb, dachte Deters, diese Dinger von möglichst weitem hinein und dann - nichts wie weg. Und das w a r jetzt die Stelle, der r i c h t i g e Ort, Jehovas Steige ins Paradies >>>> der kybernetisch gereinigten Hölle einer ewigen Präsenz.
>>>> ARGO 168
ARGO 166 <<<<
albannikolaiherbst - Donnerstag, 3. November 2005, 21:01- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Denn anders als etwa ein Buch scheint sich das Netz quasi-direkt mit dem Ganglion verschalten zu können, was zum Beispiel den Suchtcharacter erklärt, den Chats für ihre users annehmen können, aber auch die auffällige Kürzung des Zeitgefühls, das wohl jeder mit dem Computer Beschäftigte schon erlebt hat: Binnen weniger Minuten sind Stunden vergangen. Möglicherweise wird quasi überbrückt, was ich einmal den Widerstand des funktionalen Materials nennen möchte. Eine solche scheinbare Unmittelbarkeit kommt auch sehr vielen ‚normalen’ Weblogs zu, da sie, glaube ich, die distanzierteste Form höchster Intimität sein können, also völlig offenbarend und zugleich ebenso schützend, die sich vorstellen läßt: Die Öffentlichkeit bekommt sozusagen die Rolle eines oft auch zustimmenden Beichtigers. Sie wird, in der Form einer mehr oder minder anonymen community, ElternObjekt. Dies nun beschreibt ziemlich genau das Verhältnis des Schriftstellers als Künstler (nicht des Schriftstellers als journalistischer Aufklärer; das sind zwei verschiedene Berufungen) zur Öffentlichkeit, insoweit sie metaphorischer Stellvertreter des Idealen Lesers und eben nicht funktionale - auf einen Mehrwert definierte - Zielgruppe ist. Selbstverständlich ist der Ideale Leser zugleich eine Projektion des Künstlers, indes seine notwendigste: denn ihm vertraut er sich völlig an, wenn er gräbt.
albannikolaiherbst - Donnerstag, 3. November 2005, 12:44- Rubrik: Arbeitsjournal
Auf den konzentrischen THETIS-Ort Silberstein/Samhain reagierte BUENOS AIRES mit völliger Ortlosigkeit; ARGO nun stellt mehrere konzentrische Orte gleichberechtigt nebeneinander: Widerstand in Form einer Gefährdung von Hierarchie.
[Der konzentrische Ort eines Romanes ist d e r Ort, von dem aus erzählt wird; in der klassischen Erzählweise handelt es sich entweder um einen Ich- oder um den allwissenden Erzähler. Die ANDERSWELT-Bücher kombinieren beide Perspektiven und ergänzen sie, gleichsam chorisch, >>>> um verschiedene simultane Erzähler. Zugleich schließen die konzentrischen Orte ARGOs einander wechselseitig aus, sofern man den Satz vom Ausgeschlossenen Dritten zugrundelegt. Dadurch wird alles Geschehen ungefähr: Es läßt sich definitiv nicht mehr sagen, was geschieht und was nicht; ob etwas ‚Einbildung’ sei, hängt von der Perspektive ab, aus der man schaut. Dennoch sind alle Geschehnisse gegenwärtig und oft tragisch, bisweilen herzrührend, es n i m m t ihnen - ihrer Kraft und der sei es glückhaften, sei es trauernden Gegenwärtigkeit - nichts, wenn man die Perspektive wechselt und sie dann für eine Fiktion hält (halten m u ß). ]
>>>> ARGO 167
ARGO 165 <<<<
albannikolaiherbst - Donnerstag, 3. November 2005, 07:53- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Mein Kritiker nahm >>>> den Einwand einer Vorkritikerin auf, die die Abhängigkeit des Kunstwerkes von einem gewissen technischen Standard bedenklich fand. Ich zitiere:
Literarisches Webloggen oder Literatur im Netz lässt nichts übrig, was nach dem Armageddon von der Nachwelt zu rekonstruieren oder zu deuten wäre. Es überliefert nicht. Der Kritiker nun, im Netz Stromberg genannt, band die kollektive Identität einer Art, bzw. Gattung an ihr kulturelles Gedächtnis und parallelisierte dies >>>> mit der biologischen Entwicklung einer Art, der biologischen Erbschaft vermittels ihrer Gene. Das ist schlagend, wenn man einmal akzeptiert, daß sich Kultur und kulturelle Identität auch in ihrer Weiterentwicklung von biologischer Identität durch Sublimation absetzt: das heißt: natürliche Vorgänge werden mimetisch übertragen und in ein metaphorisches Feld übersetzt - tranzendiert wurde das einst genannt -, das weitgehend kommunikabel, also bewußt ist und sich als Kommunikables vom jeweiligen TrägerIndividuum distanziert: es wird abstrakt. Derart losgelöst, kann es unabhängig vom persönlichen Individuum überleben, braucht nun aber, um fruchtbar zu bleiben (sich fortzuflanzen), ein anderes Trägermedium: in den letzten Jahrhunderten war dies die Schrift, erst auf Papyrus, schließlich in Büchern. Derzeit, rein praktisch, werden diese Printmedien durch Orte im kybernetischen Raum ersetzt, ja in sie überführt. Tatsächlich wird dabei übersehen, daß diese Orte bislang noch sehr viel flüchtiger sind als es die Bücher jemals waren.
albannikolaiherbst - Freitag, 4. November 2005, 23:02- Rubrik: Arbeitsjournal
Na ja, aber ich war ja immer nur hier, um Reales zu beginnen: habe immer die Schnittstelle gesucht, an der sich eine Tür in die Wirklichkeit öffnen läßt, in die man durch die sie eintreten kann. Nur in d i e s e n Räumen zu bleiben (etwa um zu plaudern), war und ist nicht mein Interesse. Dazu nehme ich Chats zu wenig für voll (man spricht ja immer nur mit Avataren... und wird schließlich selbst zu einem).
Sadomasochat.de, 9.35 Uhr.
albannikolaiherbst - Freitag, 4. November 2005, 09:41- Rubrik: Chats
Wir fügen nunmehr, um dem moralischen Gesetz der externen Verlinkung, also einer normierten Erwartung zu genügen, den >>>> verborgenen sowie den ausgewiesenen Links, die in einem gewollten Sinnzusammenhang zu den jeweiligen Texten oder Textstellen stehen, weitere Links hinzu, welche k e i n e n sinnvollen Bezug zu dem entsprechenden Beitrag haben – jedenfalls keinen, der als sinnvoll intendiert ist. Vielmehr wird auf Zufälligkeiten gesetzt und darauf, es stelle sich im Wege der Collage ein Sinn her, der ganz außerhalb jeder Planung liegt oder überhaupt erst durch den Leser und seine Rezeptiondynamik hergestellt wird. Dadurch wird zum einen der ästhetische Anspruch auf Totalität (und also >>>> künstlerische Abgeschlossenheit=Vollendung) befriedigt wie andererseits gerade unterlaufen und unmöglich gemacht: der unauflösbare Widerspruch wird Form. Denn über den Zufall läßt sich nicht verhandeln; >>>> er geschieht, wobei er möglicherweise nichts als eine Perspektive ist, als ästhetischer S c h e i n, unter dem etwas ganz anderes wirkt. Doch als Schein ernstgenommen (für welche Notwendigkeit wirkästhetisch nicht weniges spricht), werden die Links eines Literarischen Weblogs bisweilen sichtbar sein, wieder >>>>> bisweilen nicht, je nach Gutdünken u n d Notwendigkeit. Wären wir weiter, als wir sind, ließen wir unsere Leser zwar nicht selber Beiträge schreiben, wohl aber eigene Links in die Texte setzen und Dschungellinks entweder unsichtbar oder sichtbar machen, bzw. ergänzen. Dann ergäbe sich ein InterpretationsNetz ganz eigener und vielstgestaltiger Art, das es erlaubte, verschiedene Lesarten eines Textes ihrerseits zur Grundlage dieses Textes zu machen: er entwickelte* sich.
55 <<<<
>>>> Dritter Zwischenbefund
*) Das ist ein Konjunktiv.
albannikolaiherbst - Freitag, 4. November 2005, 09:15- Rubrik: Arbeitsjournal
Zweierlei nun geschah gleichzeitig: Im realen Stuttgart gab es eine enorme Detonation, dort hatte der Selbstmordattentäter seinen Bombengürtel nämlich gezündet, und das Neue Kunstmuseum blähte sich, schon weithin Asche Schlacke fliegende Trümmer der zweite Nullgrund dieses Jahr, erst die ECONOMIA, dann der Stuttgarter Schloßplatz; in Europa aber, Zentralstadt Buenos Aires, zischte das Gebäude lediglich ein bißchen, kaum hörbar, bevor es einfach mit allem, was drin war, verschwand: mit der Stuttgarter Gesamtdatei, allen Menschen, allen Gebäuden, mit sämtlichen Straßen und Parks und Sandkästen und Abfalleimern und mit Professor Böhm und den avatarischen Ungefugger und Deters. Das überraschte die Porteños denn d o c h einmal, wie vor ihren Augen nicht etwa etwas erstand, sondern WUFF machte es, das Geräusch einer letzten ausbrennenden Gasverdichtung, sie merkten gar nicht, die Bürger, daß auch s i e WUFF machten, es war der Moment des ersten Kusses, sie blieben nämlich – für ihre eigene Wahrnehmung – einfach stehen und da, wo sie waren: Nichts änderte sich für sie, sie gingen ihren normalen Geschäften nach, selbst, plötzlich, das Kunstmuseum war wieder da und alles nur eine Täuschung gewesen, denn nach einiger Zeit, in Wahrheit Wirklichkeit, da waren weitere Teile der Zentralstadt nachgeholt in den Lichtdom, da konnten sie sogar verreisen wieder. Sie merkten auch nicht, wie die Zeitwelle durch Europa jagte und Niam nach Westen warf und Herbst und Zeuner nach Garrafff zurück, und wie diese Welle mit aller Wucht gegen die westliche Mauer schleuderte, die einen feinen Riß davon bekam, ein Krachen erst, das Knistern dann: Haarriß Sollbruchstelle ein fadendünnes, rasendes bifurkierendes Fingern bei Clermont-Ferrand, wo die Lamia wüten würde: in Gestalt der Mutter von draußen, als Tochter von innen wiederum die Argonauten, sie hatten sich quer durch die Weststadt geprügelt geschlagen gebombt, und dann stand Ungefugger da, der leibhaftige, er hatte nichts mehr zu verlieren außer seinem Körper, und er verlor ihn, Jason hob das Schwert, seitlich blitzte die Klinge, erst silbern, dann verschmiert mit Blut. Doch darauf kam es nicht an: denn drüben, so sah noch der fallende Kopf, erhob sich der Lichtdom über der alten zum Nullgrund gewordenen ECONOMIA, doch auch der Rheingraben, der weiterhin hielt, hatte sich unter der Zeitwelle kurz aufgebäumt, als wäre sie unter ihn gefahren, er schäumte, es gab ein Erdzittern in der Gegend um Kehl und um Koblenz, und alles das von diesem einen Kuß, gegenseitig nahmen sie ihre Wangen zwischen die Hände und atmeten durchs Geliebte, oder es rührte das von Stuttgarts Digitalisierung her, wie Sie nun wollen, es kommt auf die Perspektive an, aus welcher Menschen schauen: Es wurde, versichere ich Ihnen, selten ein erstes Mal so intensiv geküßt, hier gelangte nun wirklich einmal Liebe zu Liebe, und das bei solcher Abkunft, ich bitte Sie! der Sohn eines hinkenden weinerlichen Halbgotts und einer monströsen Mandschu, und die Tochter eines Machtmanns, dem der Mord-aus-Raison, nicht etwa einer aus Leidenschaft Gier, in den arktischen Augen saß, und einer primitiv Sentimentalen, die Musicals von Poesie nicht zu unterscheiden wußte und, sobald er herbeilief, jeden pfiffigen Webber für einen Anton Webern nahm, es mußte halt gut klingen. Sie saßen inmitten des Tokyo Towers draußen auf den Gerüsten, sie wußten nicht, daß Jasons Vater hier beschlossen hatte, sich seine Geliebte zu holen zu nehmen, aber immer noch hing projeziert in den Himmel Elena Goltzens Lichtplakat ELLE RECHERCHE VOS COMPÉTENCES * „Schön ist das, oder?“ sagte Jason sie lauschten hinab und hinauf auf Verfolger Martinshörner Sirenen. Aber da waren nur in der Ferne welche und die galten nicht ihnen, sondern den roten laminaren Fahrströmen, den weißen, die sich geschwungen auf ihren Bahnen am Tokyo Tower entlangzogen Richtung Großer Brache Sevilla La Villette Wien zwischen den Kratzern der Europäischen Wolken Widerständen Konsolen Reklamen aus Tönen und Schimmern Nordlichter waren’s, noch ferner das Leuchten vom Rheingraben her, und dann, als er merkte, daß Michaela Ungefugger gar nicht, wie er, hinunter- und hinwegschaute, sondern nur ihn a n, immer nur i h n, Den Stromer Aissasohn Der Wölfin Des Barden, und als sie ihm diese leidige Kapuze vom Haar zog und sagte „sieh mich an!“ und fragte „wer bist du?“, womit sie meinte „bist du es?“, so daß er gar nicht antworten konnte, nicht mit Worten, nur mir diesem bereiten, ergebenen Mund, dem Beben seiner schönen Lippen, auf die Michaela die ihren schmiegte, ganz feucht waren sie, nicht weniger schön und geöffnet, da sengte sich, als sich die Zungen berührten, deren Hunderte Tausende Geschmackswärzchen ein jedes sein anderes suchte unter ihrem und des andren Speichelfilm, vom Schloßplatz aus das Stuttgard weg, es war ein hastiger Schmauchbrand, nicht mal Schreie waren zu hören, denn das ja war der Clou an diesem christlichen Tod: daß kein Porteño, den es hinwegnahm, ihn eigentlich merkte, weder s i e, seine Kybernetisierung, noch e s, das damit verbundene physisches Erlöschen, weil es nämlich die Auferstehung war, die seit Jahrhunderten ersehnte: im Fleische kann man nichts s a g e n, wie im Fleische aber doch. So war Ungefuggers Vision einer gereinigten Welt zur Wahrheit geworden, Schulter an Schulter mit der Dreieinigkeit, ein S t e r n ** war der Lichtdom über dem Haupte Mariae, und als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. ***
>>>> ARGO 169
ARGO 167 <<<<
_________________________________________________________________
*) >>>> Bunos Aires. Anderswelt, TS 71.
**) >>>> Mariastern.
***) Matth. 2, 10-12.
albannikolaiherbst - Samstag, 5. November 2005, 07:49- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Nach >>>> wie vor: Wehe, wenn einer sie ö f f n e t.
[Das Netz geht manchmal seltsame Wege: Im März, als der Beitrag zur "Pornokunst" ursprünglich eingestellt wurde, gingen die Zugriffe auf etwa 200 und hörten dann auf. Seit gestern sind es knapp 1300 geworden. Als hinge das Interesse an bestimmten Inhalten von den Jahreszeiten ab.]
P.S.:
SIE: göttin, in diesem thread sind schon so viele unterschiedliche aspekte. irgendwie müsste man die mal wieder zerlegen, da ist es ja beinahe unmöglich noch darauf einzugehen.
ER: Es ist jetzt wirklich ein Dschungel-Thread... der auf Zusammenhänge und Dependenzen aus ist: auf Synkretismus und eben n i c h t Trennung.
albannikolaiherbst - Sonntag, 6. November 2005, 18:31- Rubrik: Links
albannikolaiherbst - Montag, 7. November 2005, 15:47- Rubrik: NOTATE
Der Begriff Uneingeweiht ist hier deshalb so entscheidend am Platz, weil die Forderung, auch CyberKultur müsse kulturell vererbbar sein, bevor ihr Rang auch nur ungefähr demjenigen den anderen Künste verglichen werden könne, unmittelbar mit Sakralität zusammenhängt. Wer ein Buch lesen konnte, war eingeweiht, wem eine Legende flüsternd erzählt wurde, auch. Das Internet ist, weil es p r o f a n ist, n o c h profan, sozusagen geschichtslos: Es sind keine Märchen und kollektiven Verheißungen mit ihm verbunden. Genau das ist zu ändern und das Netz insofern von seiner Technologie zu häuten: Wer den Schleier hebt, betritt ein neues Geheimnis:
Nun fand er überall Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart,
und also ordneten sich selbst in ihm oft seltsame Dinge.
...
Auch ich will also meine Figur beschreiben,
und wenn kein Sterblicher, nach jener Inschrift dort, den Schleier hebt,
so müssen wir Unsterbliche zu werden suchen;
wer ihn nicht heben will, ist kein ächter Lehrling zu Sais.Novalis.
albannikolaiherbst - Montag, 7. November 2005, 05:37- Rubrik: Arbeitsjournal
Realistische verhält sich zur Phantastischen Literatur wie die Verhaltenstherapie zur Psychoanalyse: Wie jene starrt sie aufs Symptom, damit sie nicht vor unseren Gründen erschrickt.
(CCCXXXXIV).
albannikolaiherbst - Dienstag, 8. November 2005, 17:19- Rubrik: Paralipomena
Na also. Da t u t ‘s doch mal >>>> eine. Nämlich offenbar >>>> d i e.
[*lacht und denkt sich: „Chapeau!“]
SOLA-NGOZI 2 <<<<
albannikolaiherbst - Dienstag, 8. November 2005, 08:49- Rubrik: FrauenundMaenner
Das macht jede NetzPublikation für Literaten so reizvoll: hier ist das Ästhetische – als Abbildung - tatsächlich mit dem Realen zwar nicht identisch, aber analog. Ein Weblog kann dabei eine herausragende Rolle spielen: nämlich eine überdies interaktive B ü h n e sein. Man darf deren Wirkung keineswegs unterschätzen. Gerade manche Plauderblogs haben mehr Leser als ein deutschsprachiger Autor der, um ein böses, unter anderem auf mich gemünztes Wort Don Dahlmans zu verwenden, C-Prominenz. Selbst wenn - derzeit noch - die galligen Wehmutstropfen zu schlucken sind, daß es sich damit kaum etwas verdienen läßt, ist doch die Präsenz, die erreicht werden kann, enorm. Erwähne ich heutzutage sagen wir >>>> den Lektor meines verbotenen Buches, Denis Scheck, so kann ich davon ausgehen, morgen bereits unter seinen ersten zehn bis zwanzig google-Links zu stehen. Das entspricht dem kapitalistischen Umschlagsverfahren: Die Verpackung ist teurer und wird auch stärker beachtet als ihr Inhalt, den sie zunehmend surrogiert. Die Zwischenhändler verdienen an dem, wofür der Produzent selbst kaum noch etwas bekommt. Dies alles einerseits. Denn von daher, andererseits, wirkt die bezeichnende Dialektik, daß Weblogs eben auch aus einer Art journalistischem Widerstand entstanden. Da dieser aber einen offiziell verpflichteten ständischen Ethos nicht kennt, wird er meist für so unseriös gehalten wie seinerzeit die APO und eben jede Form außernormierter, also nicht sanktionierbarer und deshalb wenig beeinflußbarer politischer Betätigung. Dennoch sind es sachliche Weblogs, nämlich auf Ziele und definierte Inhalte bezogen und insofern funktional. Das hat seine Bedeutung, ist aber eben nicht das, was die Praxis eines Literarischen Weblogs interessiert: Hier geht es vielmehr emphatisch um Poetik: eine funktionale Trennung von Form und Inhalt wird unterlaufen, die Struktur des Netzes selbst zur handelnden Dynamik und insofern sogar noch die hardware als ein Teil von software verstanden. Ob jemand eine Geschichte mit der Hand, mit der Schreibmaschine oder am Computer verfaßt, ist eben nicht egal, sondern verfaßt bei gleichem Sujet einen jeweils völlig verschiedenen Text. Anders als >>>> einerseits Don Dahlmann glaube ich aber nicht, daß das Eigentliche eines Literarischen Weblogs in der Kürze der Texte besteht, weil das Netz vorgeblich weniger konzentriert lesen lasse; im Gegenteil kommt mir diese Einlassung allzu einig mit dem mainstream vor, den gegenwärtig auch in den Printmedien die Publikumsverlage bedienen. Andererseits greift mir >>>> auch lotmans Haltung viel zu kurz, Weblogs prinizipiell als Tagebücher zu begreifen. Das Entscheidende ist vielmehr - wie bei aller Kunst - der formale Character des Weblogs und daß es, sofern es literarisch (poetisch) ist, diese Form in einen ihrer eigenen Gegenstände und Bewegungsgesetze transzendiert oder doch zumindest den Versuch dazu unternimmt.
albannikolaiherbst - Dienstag, 8. November 2005, 08:16- Rubrik: Arbeitsjournal
albannikolaiherbst - Mittwoch, 9. November 2005, 20:55- Rubrik: NOTATE
Vielleicht spüren Sie jetzt, daß ich, sowie ich über das Literarische Weblog spreche, einen Roman erzähle, in dem wir uns alle in dem Moment selber befinden, in dem wir das Internet betreten und an ihm teilnehmen. Wer darin nur recherchierend surft, um sich seiner als pures Informationsinstrument zu bedienen, dem bleibt dieser wesenhafte Aspekt, auch wenn er davon ergriffen wird, allerdings fremd: Die Information nämlich sind wir selbst, bzw. wir sind Teil eines nichtgeregelten InformationsKontinuums, das sich allerdings immer weiter in Richtung normierender Regeln verschiebt und schließlich – möglicherweise – entropisch zur Ruhe kommen wird. Sofern es sich nicht, was zu wünschen wäre, wieder zusammenzieht und irgendwann implodiert, so daß mit einem neuen Big Bang Welt von vorne beginnt.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 9. November 2005, 07:01- Rubrik: Arbeitsjournal
albannikolaiherbst - Donnerstag, 10. November 2005, 15:26- Rubrik: Litblog-THEORIE
Um 17 Uhr wird zeitgleich mit meinem Auftritt mein Vortrag hier eingestellt werden.
[Während des Vortragens kann er also auf der Hauptseite Der Dschungel mitgelesen werden; danach kann auf ihn – von der Hauptseite aus verlinkt - über das >>>> ARBEITSJOURNAL zugegriffen werden. Bis zum Sonntag (13.11.) dazu eingehende Kommentare werde ich für die pdf-Datei berücksichtigen und ggbf. mit einbauen, die ab Mittwoch nächster Woche >>>> über die fiktionäre Website zugänglich sein wird.]
albannikolaiherbst - Donnerstag, 10. November 2005, 11:53- Rubrik:
albannikolaiherbst - Freitag, 11. November 2005, 19:06- Rubrik: NOTATE
Verführung durch M o d i: m o d u l a r e Verführung. Dabei kommt das Moment der Lockung einer farbig-lauten Redundanz zu, wie Technobeat schlägt sie sich ins Bewußtsein und walkt es, macht es bereit. Es ist die Sprache der Maschinen, die es nach der Empfängnis von Cyborgs verlangt.
NOTA: Breakbeat für Synkope.
>>>> ARGO 170
ARGO 168 <<<<
albannikolaiherbst - Freitag, 11. November 2005, 11:30- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Die Stuttgarter Staatsgalerie bestand aus zwei direkt nebeneinanderliegenden Gebäudekomplexen, einem repräsentativ gründerzeitlichen alten sowie dem den Hang hochgebauten, architektonisch weiteren neuen; Deters wählte instinktiv diesen, auch wenn das Bauwerk seinerzeit, als die Karte angefertigt worden war, nach der er sich orientierte, noch so wenig existierte wie das allerdings n o c h jüngere Kunstmuseum am Schloßplatz, dieses w a h r e Zentralhirn eines Neuen Europas: Die Staatsgalerie war tatsächlich bloß, so wurde jetzt klar, eine Lappenschleuse dahinein; es wäre Deters’ geplante Aktion, da der Kubusbau erst in diesem Jahr vollendet worden war, früher noch gar nicht möglich gewesen: Es hatte all diese Zeit gebraucht, bis sich über dem Nullgrund - wer nahbei stand, wie staunte der! - erst eine Säule aus Licht aufbauen konnte, ein Raunen lag in der Luft Gebläse, unstet tastend der Schein eines FlughafenTowers, doch flakhaft, wobei er gleichsam winkte, in die Vertikale fassend, als würde das Europäische Dach nach Wolken abgesucht, aber wasserstromdick wie der Stamm eines Urbaums: so schlug das auf jede Verdichtung, durch die ein Feind kommen könnte. Dann, als das saurierartig muskulöse Licht den Halt g e f u n d e n und sich darin verhakt hatte, verhakt und verschweißt und straffgespannt zwischen oben und unten, da blähte es einen Bauch aus, ziemlich in seiner Mitte, weiter, noch weiter, luzid das Areal beschirmend, im Windsgalopp rasten schattenhaft Fernsehturm und Jubiläumssäule durchs Opake einer wirbelnden Sternengeburt, die Göttin der Einheit, wie eine Walküre wehend, der wilden Jagd voran die Grenze suchend ihren Platz durchschossen von Architektur den avantgarden Avataren der Auflösung: Neues Schloß und Daimlerturm, Stiftskirche und Friedrichsbau. Bevor Stuttgarts Porteños folgten, s t a n d bereits fließend und wehte, leuchtende Positronen, die Stadt. Wäre Zeit gewesen, es hätte gedacht werden können, jedenfalls anfangs: dies werde ein riesenhafter stehend protuberierender Kugelblitz, doch war die nun überaus bauchige Lichtsäule s t e t i g und härtete glättete flachte sich bekam Wände Kanten aus purer Energie - verbrannt, wer da hindurchfassen wollte, schon schmauchte auch der Nullgrundsboden weg. Schreie waren zu hören, es rannte, was sich noch retten wollte, hinaus, wurde von Lichtzungen ergriffen verglühte, so intensiv war dieser Kuß ich liebe dich“, sagte Jason, und Michaela sah ihn an, als hätte er das tiefste Tabu entweiht, das es zwischen zwei Menschen gibt. Es war der letzte Moment, noch zurückzuweichen und eine autonome Frau zu bleiben, die sich rein durch sich selber bestimmt und in s i c h ruht, nicht in wem andres, aber sie wich nicht, auch wenn sie nicht m e r k t e, wie sie ‚Tristan’ sang, als sie einander auf dem Tokyo Tower erkannten, die Rückkehr des biblischen Sinnes das Feuer der Dornbusch ein ganzer Nullgrund nur Sonne noch, zwar arktisch, denn alle Wärme war bei dem Paar, doch hell die Verheißung Erfüllung: Da hatte Deters, zögernd, den einen Selbstprojektor, nicht seinen, sondern das eine Trojanische Pferd mit dem Ferrari-Emblem darauf, jetzt b e g r i f f er, endlich begriff er, Stuttgart, na sicher!, das Wappen das Pferd, in das vierte Gitterfach von rechts der fünften unteren Reihe dieses grünen Gitters gelegt, das die Stuttgarter Neue Staatsgalerie vom Stuttgarter Kunstmuseum trennt. Und wartete ab.
>>>> ARGO 171
ARGO 169 <<<<
albannikolaiherbst - Sonntag, 13. November 2005, 09:11- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
Was bedeutet die Erotik der Körper anderes als eine Wesensverletzung des Partners? - eine Verletzung, die an den Tod grenzt? (...) Jede erotische Bestätigung ist grundsätzlich eine Zerstörung der Struktur jenes abgeschlossenen Wesens, das die Partner des Spiels im Normalzustand sind.
Genau darum geht es nicht nur dem Eros, sondern der Liebe insgesamt: Das 'abgeschlossene Wesen' zu zerstören,die Abgeschlossenheit, das Monadische, und statt dessen eines ins andere sich verströmen zu lassen. Liebe und Eros sind die Widerparts der bürgerlichen Vorstellung von Autonomie und ihrer Hypostasierung. Insofern sind sie das Gegenteil von Eigentum und Tauschwert.
albannikolaiherbst - Montag, 14. November 2005, 08:57- Rubrik: FrauenundMaenner
Wenn es gelänge, Die Dschungel insgesamt - also a u c h das Tagebuch -.als Dichtung offiziell in den Literaturkanon der Deutschen Bücherei Leizig bibliografieren zu lassen, wäre aus dem subjektiven Alltagsleben einer realen Person das Leben einer Romanfigur geworden: Persönlichkeit hätte sich spätestens nach ihrem Tod in bleibende Dichtung aufgelöst. Das ist Pynchons andere Seite: Auch so verschwindet der Autor im Werk. Das Projekt Privatheit wird Teil der abendländischen Kunstbewegung, ist also a u c h eine Form der ästhetisierenden Sublimation.
Das hätte, gelänge es, praktische Konsequenzen: Man wünschte sich die Kündigung der Wohnung und die Gerichtsvollzieher und die Flucht vor den Gläubigern geradezu h e r b e i, denn alles das würde zu einem Sieg der Handlung. Es wäre darauf zu achten, daß jedes dieser Ereignisse sich d r a m a t i s c h vollzieht; also eben k e i n e zivilisierte Trennung, die auf die Autonomie des Subjekts pocht, sondern tragische Wendungen, Schläge aus dem Himmel, Auflehnung, Kampf. So geschieht denn wieder was, die lethargische Zeit der Entscheidungsfindung wird brüsk beendet, man muß reagieren, sich wehren, wird ungerecht, verzweifelt, die ganze große Oper ersteht, Tränen, Umarmungen, Abschied – denn der Held, der alles zurückläßt, muß ins Ausland fliehen, wo er, sagen wir: in Brasilien, auf einem Hausboot mit einem musikalischen Schwein lebt, das die Callas so liebt wie er selbst. So daß er ein Opernhaus in den Busch bauen will... ich weiß, ich weiß, das ist eine schon existierende Geschichte. Aber sie hat genau den Atem, der hier gemeint ist, der sich realisieren will, wo alles sich um Rentenversorgung und Fernsehen sorgt. Denn die Nöte, die es einem so furchtbar machen, sind es zugleich, was dem Roman eines Lebens die Dynamik verleiht, die einen Leser im Buch hält. Die große Liebesgeschichte, die sich hindurchzieht, die vergebliche, sich aber vielleicht doch noch erfüllende, tut’s sowieso: Burton und Taylor im Cyberraum, der nichts anderes ist als ein bezeichneter Ort der Imago. In welchem Unmögliches erscheint. Und w a h r werden kann. (Der Realismus hingegen schließt es aus.)
>>>> Das Leben als Roman 3
Das Leben als Roman 1 <<<<
albannikolaiherbst - Dienstag, 15. November 2005, 16:11- Rubrik: Arbeitsjournal
D a s war sein Ansatz gewesen: einer des Prozesses, nicht bleibender Dinge, die man handeln kann; er wollte imgrunde das gesprochene Wort, seine Kunst war achäisch und also Gesang. Hatte er die Wände besprüht, so lasen, stellte er sich vor, Passanten sie laut. Und trugen das Gedicht in sich herum. So wirkten sie nach, einige Sätze, und wurden Gefühle Ahnungen Hoffnung - bis sie sich im Gedanken verloren; die Hoffnung freilich blieb. So nicht aber dann, wenn man immer wieder nachlesen kann; so löst sich im Herzen kein Satz. Doch waren, hiervon abgesehen, Veröffentlichungen Borkenbrod ingesamt peinlich; besser, es ging das Wetter über die Stanzen, bis sie verblaßten und palimpseste Grundierung wurden: hier war der Sohn in ihm angelegt, Jason, der spätere Maler. Denn auch unsere Kinder, wie unsre Verse, sind Palimpseste, ganz wie wir selbst.
>>>> ARGO 172
ARGO 170 <<<<
albannikolaiherbst - Dienstag, 15. November 2005, 08:21- Rubrik: ARGO-ANDERSWELT
albannikolaiherbst - Mittwoch, 16. November 2005, 16:02- Rubrik: Links
Wahre Sätze ästhetisch erkennen zu müssen, sie als schön zu empfinden, bevor er ihre Moral begreift und ihr auch folgt, weil sie erst dann als Wahrheit in ihn hineinkann.
(CCCXXXXV).
[Der KünstlerCharacter erkennt nicht (an), weil etwas wahr, geschweige notwendig, sondern weil etwas schön ist. Dann allerdings folgt er. Denn in seiner Arbeit, die ihn begründet, i s t das Richtige schön.]
albannikolaiherbst - Mittwoch, 16. November 2005, 05:57- Rubrik: Paralipomena
Treffen mit Frauen aus Foren und Chats sind wie die Realisierung einer Imago: Es tritt, verkleidet in einen Avatar, eine eigene Anima in die Wirklichkeit ein. Und man selbst betritt die ihre.
(CCCXXXXVI).
albannikolaiherbst - Donnerstag, 17. November 2005, 09:10- Rubrik: Paralipomena
[Cage, Mysterious Adventure.]
Deutlich spür ich den Impuls zur Rückkehr in die elbische Volksmythologie: Gegenbewegung zur aristotelisch-christlichen Abstrahierung von Welt. Abstrahierung ist dabei ein anderes Wort für Vergeistigung, ein grausameres und klares; ‚Vergeistigung’ verklärt, was letztlich nichts als die Reduktion auf die Äquivalenzform ist. Für Verklärung gibt es also gewiß keinen Grund. Im >>>> Wolpertinger war mir das allezeit sehr klar vor Augen, und die Geschehen klagten sozusagen ein Altes Recht ein, das vom Patriarchat niedergeworfen worden ist. Im Laufe der kybernetischen Arbeiten verunklarte sich mir das offenbar wieder, die Haltung changierte. Bis ich jetzt wieder vor dem weggezogenen Schleier stehe und begreife: Das erotische Primat ist eines der Formung und in jedem Fall der Schöpfung; es ist matriarchal insofern es nicht ausschließt, sondern polymorph bleibt: die Frage ist nicht, was, sondern daß entsteht. Das Patriarchat, mit Paglia gesprochen, richtet (sich) aus, wie der Phallus: Er zeigt immer auf etwas. Dieses Richten, Ausrichten wird von der erotischen (matriarchalen) Bewegung unterlaufen. Insofern war es ein Pfiffikon des Patriarchats, den sexuellen Willen so sehr an den Mann zu binden, der ganz im Gegenteil - als Patriarch – die Hoffnung hegt, ihn abzustellen – nämlich dann, wenn er als Trieb und Fremdbestimmung durchbricht, die er ja ist.
Da an den gesellschaftlichen Vorteil die Abstrahierung (künstlerisch: Sublimierung) gebunden ist, gibt es, sofern karriereorientiert, nicht wenige Frauen, die gegen sich selbst die Entkörperung internalisiert haben und sie öffentlich vertreten. Gegenüber ihren Kindern sind das die schlechten Mütter. Wer unter solchen Verhältnissen aufwächst, dem verkehren sich die Verhältnisse: Er handelt später (gegen andere Frauen, die die MutterImago vertreten) scheinbar patriarchal (dominant), wo tatsächlich ein matriarchales (erotisches) Handeln treibt. Hier nämlich ist die Unterwerfung der Mutter in Wahrheit eine verschobene Unterwerfung des Vaters. Das wird immer dann deutlich, wenn es in dominant/submissiven Verhältnissen zum Höhepunkt kommt: In der Ekstase wird auch der dominante Mann w a h r. Auch er nämlich empfängt dann.
Die Erkenntnis dieser Verhältnisse wird von Naturgeistern wacherhalten. Sie haben sich dazu - ganz wie der Wolpertinger es forderte - ein neues, ein zeitgenössisches Milieu gesucht: das Netz.
albannikolaiherbst - Freitag, 18. November 2005, 08:31- Rubrik: NOTATE
|
|
Für Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop,
meinen Sohn.
Herbst & Deters Fiktionäre:
Achtung Archive!
DIE DSCHUNGEL. ANDERSWELT wird im Rahmen eines Projektes der Universität Innsbruck beforscht und über >>>> DILIMAG, sowie durch das >>>> deutsche literatur archiv Marbach archiviert und der Öffentlichkeit auch andernorts zugänglich gemacht. Mitschreiber Der Dschungel erklären, indem sie sie mitschreiben, ihr Einverständnis.
Kontakt ANH:
fiktionaere AT gmx DOT de
E R E I G N I S S E :
# IN DER DINGLICHEN REALITÄT:
Mittwoch, den 5. April 2017
Bremen
Studie in Erdbraun
Mit Artur Becker und ANH
Moderation: Jutta Sauer
>>>> Buchhandlung Leuwer
Am Wall 171
D-28195 Bremen
19 Uhr
Sonnabend, 23. September 2017
Beethovenfest Bonn
Uraufführung
Robert HP Platz
VIERTES STREICHQUARTETT
mit zwei Gedichten von Alban Nikolai Herbst
>>>> Beethovenhaus Bonn
Bonngasse 24-26
D-53111 Bonn
16 Uhr
NEUES
Bruno Lampe - 2017/03/29 19:48
III, 280 - Bei Äskulap
Gegen zwei löste ich mich kurzentschlossen vom Schreibtisch. Es war nichts mehr abzuliefern. Aber die ... Die in einem ...
... Deckenlabyrinth sich mäandernde Inschrift...
Bruno Lampe - 2017/03/28 21:42
Vielhard, Leichtgaard:
albannikolaiherbst - 2017/03/28 07:53
Bruno Lampe - 2017/03/27 20:43
III, 279 - Oder auch nicht
Kühler Nordwind. Die Sicht ging bis zu Sant’Angelo Romano weit unten im Latium. Jedenfalls vermute ich ... Bruno Lampe - 2017/03/24 19:55
III, 278 - Einäugigkeiten und Niemande
Ein Auge fiel heraus, abends beim Zähneputzen. Es machte ‘klack’, und der Zyklop sah nur noch verschwommen. ... Danke, gesondert, an...
bei der sich in diesem Fall von einer "Übersetzerin"...
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:48
albannikolaiherbst - 2017/03/24 08:28
Schönheit. (Gefunden eine Zaubernacht). ...
Es juckt sie unter der Haut. Es juckt bis in die
Knochen. Nur, wie kratzt man seine Knochen?
Sein ... Bruno Lampe - 2017/03/22 19:39
III, 277 - Die Hühner picken
Irgendwas ist schiefgelaufen seit dem 9. März. Man könnte es so formulieren: die Verweigerung der Worte ... ich hör' ein heer...
ich hör’ ein heer anstürmen gegens...
parallalie - 2017/03/21 06:51
Ich höre berittene...
Ich höre berittene Landsknecht sich ballen vorm...
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:18
albannikolaiherbst - 2017/03/21 06:12
James Joyce, Chamber Music. In neuen ...
XXXVI.I hear an army charging upon the land,
And the thunder of horses plunging, foam about their knees: ... den ganzen tag lärmen...
den ganzen tag lärmen die wasser
ächzen schon
trist...
parallalie - 2017/03/18 09:55
Den ganzen Tag hör...
Den ganzen Tag hör ich des brandenden Meeres
Klagenden.. .
albannikolaiherbst - 2017/03/18 08:23
JPC

DIE DSCHUNGEL.ANDERSWELT ist seit 4675 Tagen online.
Zuletzt aktualisiert am 2017/04/01 07:33
IMPRESSUM
Die Dschungel. Anderswelt
Das literarische Weblog
Seit 2003/2004
Redaktion:
Herbst & Deters Fiktionäre
Dunckerstraße 68, Q3
10437 Berlin
ViSdP: Alban Nikolai Herbst
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Der Autor diese Weblogs erklärt hiermit
ausdrücklich, dass zum Zeitpunkt der Linksetzung keine illegalen
Inhalte auf den zu verlinkenden Seiten erkennbar waren. Auf die aktuelle
und zukünftige Gestaltung, die Inhalte oder die Urheberschaft
der gelinkten/verknüpften Seiten hat der Autor keinerlei Einfluss.
Deshalb distanziert er sich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten
aller gelinkten /verknüpften Seiten, die nach der Linksetzung
verändert wurden. Diese Feststellung gilt für alle innerhalb
des eigenen Internetangebotes gesetzten Links und Verweise sowie für
Fremdeinträge in vom Autor eingerichteten Gästebüchern,
Diskussionsforen und Mailinglisten, insbesondere für Fremdeinträge
innerhalb dieses Weblogs. Für illegale, fehlerhafte oder unvollständige Inhalte und insbesondere für Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung solcherart dargebotener Informationen entstehen,
haftet allein der Anbieter der Seite, auf welche verwiesen wurde,
nicht derjenige, der über Links auf die jeweilige Veröffentlichung
lediglich verweist.
|