Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Verbotene Fassung)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.
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Winde/Vulkane {AMNION, 6}. Nächste Fortsetzung. Entwurf. Stromboli (18).

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Seinen Espresso bekam er umsonst an der Bar des Hotels, der
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eigene, offenbar wenig verbindliche Mann,
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den sie mit seltsamer Scheu, die wie seine war, ansahn, als spürten
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sie mehr als er, was ihn hertrieb, und wollten‘s nicht, wie eine Andacht,
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stören – vielleicht auch der eigenen Ängste, die‘s ahnten - erfühlten -
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wegen... da war ein Tabu, war ein Fremdes an ihm,
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das ihn aus Welt und Gebräuchen herausnahm – so saß er dann da und
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löffelte Milchschaum von seinem Kaffee: morgens schon lief der
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Fernseher, ausgelassenes Feixen der Moderatorin,
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tuschend banales D-Dur, Schminke querüber die Masken,
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einge(-)blendet Applaus aus dem Off, Lachen und Flitter -
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da knallt die Tür zu, doch sieht er kaum auf, wie das Salve! dem Barmann
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durch das so schrille Gezische des nächsten Espressos rasch zufliegt,
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als auch die plappernden Frauen mit den Besen herzueilen: fröhlich
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aufgelegt, fast wie die Starlets der rosanen Show, der am Morgen,
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meint man, Italien insgesamt zuschaut: ein jedes Motorrad,
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jeglicher Ausdruck von Leben ist z u laut, als daß es nicht täuschen
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wollte, hinwegtäuschen – heute von ihm, der nur dasitzt und schweigt,
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weil er das, w a s ihn – den, d e r ihn - hier hergeführt, - verführt hat, selber
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gar nicht bemerkt hat -

-/--/--/
- ein Antlitz war's oder ein Ton:
etwas, das schon beim Aufwachen
fort ist, und wir erinnern uns ferne
kaum eines Geschmacks, da ist
nur Gebliebenes wie
an Säuglingen noch
die Sterne saugen -
und wollen sie halten...
(„Dann putzen wir Zähne und schlagen erwachsen die Tür zu.“)

Vor wem denn? Vor der Erscheinung? Und wir folgen dann d o c h?
Aber: w a h rhaftig nicht, sondern verschwiegen wie einer, der's m u ß,
sich aber schämt, weil's in sein Selbstbild nicht paßt
und geht eben d o c h hin und opfert dem Körper...


Stromboli 17 <<<<

Der magische Verleger. La Porte. Von Prunier.

...der Mann arbeitet seit zwanzig Jahren an der Herausgabe der feinsten lebenden Dichtern in französischer Sprache. Es sind immer Texte, die für ihn geschrieben worden sind. Er wohnt kaum einen Kilometer von meinem Haus, ich treffe ihn aber ein oder zwei mal im Jahr.. er lebt sehr zurückgezogen, wie Sie sehen, und wir schicken uns Briefe, wenn wir uns etwas Wichtiges zu sagen haben. (...) ... alles was er herausgibt (...) sind winzige Bücher, kaum Bücher, die so durch gebildete Hände zirkulieren. (...) Man kann also nicht von einem Verlag sprechen... aber er wird heimlich beneidet wegen der Qualität der Texte, die er herausgibt. Er weigert sich, jegliches Interview zu geben und arbeitet allein. Keine Werbung, nichts. Manche nennen ihn den besten Verleger Frankreichs überhaupt... (er könnte die Gestalt einer Novelle sein: die andere Seite unserer heutigen Welt).

Das böse Kind als alter Mann.

Er hat noch immer diesen Blick
er will noch immer töten
der aus dem Anbeginn der Föten
dem ungeschiedenen Schlick

sich zäh und bös herausgelöst
der langsam, durstig, niemals satt
sich aus dem Ich gerichtet hat
und uns entblößt.

So frei der alte Mann und so allein
so stolz und so erbarmungslos
blieb er erbarmungslos gemieden

und will noch immer keinen Frieden
steht an der Pforte, würgt den Raucherkloß
laut raus. Und rotzt ihn auf den Stein.

Winde/Vulkane {AMNION, 7}. Nächste Fortsetzung. Entwurf. Stromboli (19).

Reinigung immer, pureness, oh wärn wir doch, was wir meinen!:
Unbestimmte, die kein Geschmack verleitet,
klare Geschöpfe, vor lauter Freiheit ganz tot,
s o über die Schmerzen erhaben und
keine Lust kann sie wenden, wie Buddhas, den
Fakiren gleichenden, die indianisch denken: ich bin zu stolz,
Nägel, euch zu merken – nein: auch nicht mehr Stolz –: Über/
Hebung, empfindungslose, selbstgeschaffen wie Götter -
doch terra di dio: ein kleinster Hagel Lapilli erschlägt sie...

Zog es mich d aher h i e rher? Trieb ihn d a s? Sich zu stellen?
Wem? einem Gegner? wer ist's?

>>>> AMNION 8/Stromboli 20
Stromboli 18 <<<<

EMI 1968 HALTUNG: ACHTUNG VOR DEM WERK.

Nicht-abspielbar-EMI
(Nicht einfach noch was draufknallen, weil Platz ist. Sondern das Werk e h r e n.)


[Mahler, Sechste Sinfonie a-moll
New Philharmonic Orchestra London
Sir John Barbirolli
EMI 1 C161-01 285/86 S D (LP)

Paul Reichenbachs Freitag, der 11. Mai 2007. Musik & Farbe.

.

DIE WEISSE AMSEL

fliegt nicht auf leim
der helle vogel
scheut die rute


die schwarze schwester
klappe haltend
lockt stumm und fett.

001

unberingt singt
die weiße amsel
steigt zu YVES KLEIN
und scheißt aufs netz.

Gestern. Den ganzen Tag , erst am Telefon und dann in meiner Schreibstube Streit über ein Buch mit ihr, das die Post am Morgen brachte. Ein Wiesbadener Künstler hat es verfasst, den wir beide kennen. Schon Tage vorher, schon als er anrief, um uns/mich für nächste Woche in sein Atelier einzuladen, runzelte sie die Stirn. Fürchtet sie doch, dass ich esoterischen Vogelfängern auf den Leim krieche und hat, völlig unberechtigt, Angst (Schuster bleib bei deinen Leisten!) ich könnte im Wolkenkuckucksheim der Künste eines Tages für immer verschwunden sein.
Es ist ungefähr 15 Jahre her, dass wir gemeinsam bei ihm in seiner Malwerkstatt waren. Ich war von seinen Farbkombinationen damals beeindruckt. Seiner Psychologie der Farben, die er mir später erläuterte, stehe ich eher skeptisch gegenüber. An dem Abend wurde übrigens, von sehr exzellenten Amateuren Dimitri Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 3 in F-Dur op. 73 gespielt. Ich erwähne das vor allem deswegen, weil ein riesiges, rein ockerfarbenes Rechteck über den Musikern hing, das die Musik zusätzlich erdig, optisch ergänzte und konzentriertes Hören mehr verstärkte als ablenkte. Dem Gedanken, dass Musik und Bildende Kunst sich nicht nur illustrierend gegenseitig kommentieren, sondern durchaus miteinander ein Ganzes werden können, hänge ich seitdem an. Und suche nach Korrelationen. Das >>>>Buch heißt "Farbzeiten" und kostet 29 Euro, ob die sich lohnten werde ich, sobald ich es gelesen habe, berichten. Noch bin ich skeptisch, aber im Gegensatz zu ihr, offen ! .

Alfred-Döblin-Preis 2007 für Michael Kumpfmüller.

Meine Favoriten waren neben meinem eigenen Text Jenny Erpenbek und Norbert Zähringer. Beider Texte waren hinreißend. Im übrigen kein Kommentar, vielleicht nur, daß Günter Grass ästhetisch s e h r alt geworden ist. Es kostet Menschlichkeit, die Achtung zu bewahren.

Im übrigen geh ich zur Tagesordnung über.

[Sämtliche Lesungen sollen noch heute abend
>>>> hierüber als mp3s abrufbar sein. Somit werden Sie selber entscheiden und die Entscheidung bewerten können.]

„SS-Grass verleiht Ribbentrop Preis.

Stell Dir vor, das stünde in der BILD. Davor hat der Alte Angst gehabt.“
[Aus einer Email an ANH, 13. 5. 2007, morgens.]
[Döblinpeis 2007.]

Winde/Vulkane {AMNION, 8}. Aus der weiteren Fortsetzung. Entwurf. Stromboli (20).

(...)
wie jeder gesprochene Satz im Raum
fast ganz T o n wird, bedeutungsfrei Klang
wie die Bläue des Meeres, die grau ist
Zitat schon, wenn wir sie nennen
doch ist es s i e, die erkennt

als ob uns die Mutter beim Namen nennt
plötzlich kann uns nichts mehr trennen
und du ermißt Natur aus den Wellen

was du bist unter den Sohlen
die schwarzen Kiesel scheinen zu schwellen wie Schwämme,
versteinerte, Salz einzuholen, wenn sie die Wasserkämme
unablässig scheiden und schmirgeln und leckten die See,
die sie bringen, gern wieder weg
damit wir ihr folgen...
in die Bläue des Himmels, der weiß ist
hinter sich und wo er wirklich beginnt
singen die schwarzen Sirenen der Frühzeit

wer sie hört, ist unendlich bereit
und er versinnt,
ein Meeres-Pantheist...

während, zu und von den Molen
Caretti am Lungomare röhren
schwitzend bereits ihre qualmenden Fahrer
Wachs aus Pop und Kommerz in den Ohren

unverloren
unmittelbarer
Wunsch, sich selbst zu betören

und mit sich selbst junge Frauen
die aus ihren Pfiffen schauen
schon die Hand unterm Bauch, nicht bewußt,
doch um die Frucht zu schützen, auf die es hinauswill,
das in die Steine prasselnde Meer,ringsum - >>>> AMNION 9/Stromboli 21
AMNION 7/Stromboli 19 <<<<

Verschwörungstheorien (1).

Haben manchmal den Nachteil, daß sie - stimmen. Die Stärke, die sie abwehrt, verläuft zum Grad ihrer Wahrscheinlichkeit direkt proportional.

(CDXXXXIII).

>>>> Verschwörungstheorien 2
(Siehe >>>> dort.)

Pietà.

In deinem Antlitz ein Trost
der uns hilfloser macht

In deinen Gesten die Ergebung
der Tiere, wenn sie leiden

und haben keinen Streiter
der es aufnehmen würde

nur ihren Blick, der bricht
weil er weiß

Die nominierten Texte als mp3. Döblinpreis 2007. Nachklapp II.

>>>> H i e r nun können Sie sich die am Samstag gefertigten Aufnahmen der Preislesungen herunterladen oder direkt anhören. Und selber vergleichen.

„Werdet klein!“ Jörg Magenau. Döblinpreis 2007. Nachklapp I, zumal mit Sabine Vogel.

>>>>(...) vor allem aber einen in sich geschlossenen Ästhetizismus, der sich an der eigenen Wortbesoffenheit auf über tausend Seiten berauscht.<<<<
So spricht der kleine Mann über das Große. Das Dumme ist, daß die Kleinen – das meint s e e l i s c h Kleinen – ihr eigenes Ungenügen am Größeren r ä c h e n möchten und es ihnen bisweilen auch gelingt: Magenau sitzt/saß in einigen Juries, >>>> unter anderem 2005 bei Döblin.. Er ist bei der taz gut aufgehoben. Der >>>> Kotau vor Grass – s c h ä n d e t Grass, d.h. sein Werk; seine Person ist tragischerweise längst nicht einer Rede mehr wert. Was er aber nicht begreifen kann. Weil ihn die SPD schon geschändet hat – etwa das Eintreten für Gerhard Schröder, der sich mit dem Völkermörder Putin befreundet hat. Es i s t so. Magenau l ä u f t gut. Unter „Mitläufer“.
Ganz ähnlich dann eine... darf ich „Frau“ sagen?... namens >>>> Sabine Vogel in der Berliner Zeitung. Da finden wir s o l c h e Sätze:Herbst, der in Wirklichkeit einen anderen berühmten Namen trägt, sieht gut aus. Weißes Hemd, moosgoldener Edelschal. Mindestens drei der Kinder, die - reichlich vorhanden - dem Hausmeister seine Wochenendruhe nehmen, gehen auf sein Konto. Der Juror und Übersetzer Schmidt-Henkel, auch ein großer schöner Mann in grauem Anzug, bei ihm der nicht weniger einnehmende Übersetzer und Schriftsteller Frank Heibert, weist vornehm darauf hin, dass Herbsts Romanauszug halt nicht die schonungslose Maßlosigkeit des Ganzen wiedergebe.Es ist schon wahr, Frau Vogel ist n i c h t schön, auch der Herr Magenau, übrigens, nicht. Und was „Frau“ Vogel über die Kinder schreibt, ist auf eine ganz andere Weise tragisch. Man ahnt da etwas, das ihr wahrscheinlich wirklich wehtut. Mit dieser Feststellung ist alles gesagt, auch über den Herrn Magenau.

(Leute, glaubt ihr wirklich, wenn ihr mit solchem Zeug zuhaut, ich haute nicht zurück? Und ihr steht dann auf lange verbunden mit Der Dschungel noch jahrelang bei Google unter den ersten zwanzig Threads? Entscheiden wird eines Tages die Literaturgeschichte, und die seid – nicht ihr.)

An den katholischen Döblin.

Heimgeholt in die Stuben der Genossen
hat man dich Alten nun ganz
ins Gutgemeinte eingegossen
und fütterts mit den Resten deiner Leiche

und stopfts, daß es auch recht gedeihe
und rote pralle Bäckchen kriege
in der impotenten Reihe
der linksdemokratischen Anständigkeit.

Ja, werter Döblin, es ist nun so weit.
Wer du gewesen, es schert keine Fliege.
Nun bist du der Schmuck am Revers.

Die Dichtung ist säkular die Monstranz
aus der sich Dichtung s c h l e i c h e...
(Zur Hostie hält das Parteibuch her.)

Winde/Vulkane {AMNION, 9}. Die weitere Fortsetzung ff. Entwurf. Stromboli (21).

(kein Hauch geht... verräterisch still das Eingeweide
über das sich, die Macchia, solch eine Haut spannt:
Stechpalmen Fenchel rote Levkojen
Rosmarin und Vanille wild wehen Rosen
in der skorpio'nenen, selbstentzündeten Heide
so sehr der Geruch nach gewürztem Brand
den Hang schon hinauf durch das Schilf und die losen
malvenblütigen Winden – botanische Bojen
so gleißen silbern Abrauten, um die das Gesumm
flirrt und Schlagen und Gurren meerhin das Dröhnen
des Helikopters, dessen unentwegte Runden
jedes Stöhnen vorerkunden der afrikanischen Platten
die in der submarinen matten Eile geologischer Zeiten
das Abendland für nächste Morgen und ihre Wüsten
vorbereiten... und uns allmählich h e b e n...
...kein Hauch, ja, geht. Doch zerriß das letzte Beben
die chiesa di San Bartolo... Wie friedvoll die Küsten
sich heute beklätscheln! . als ob sie nicht wüßten...)


>>>> AMNION 10/Stromboli 22
AMNION 8/Stromboli 20 <<<<

Aus dem heutigen Newsletter.

der Göttinger Literaturwissenschaftler Chistoph Jürgensen hielt auf einer Tagung der Osloer Beiträge zur Germanistik im Jahr 2004 einen Vortrag, der sich mit den sich bereits in meinem frühen Roman DIE VERWIRRUNG DES GEMÜTS (1983) abzeichnenden Grundzügen einer deutschen Version postmoderner Ästhetik beschäftigt. Der Aufsatz ist nunmehr bei >>>> Peter Lang erschienen und Verlag wie Autor haben uns erlaubt, den Text als pdf-Datei ins >>>> Achiv der fiktionären Website einzustellen. Sie finden ihn dort unter NEU.

Am vergangenen Sonnabend fanden die Lesungen um den diesjährigen Alfred-Döblin-Preis statt, der Michael Kumpfmüller zugesprochen wurde. Sie wurden mitgeschnitten. Die Aufnahme meiner Lesung können Sie sich jetzt ebenfalls über die fiktionäre Website herunterladen. Auf die anderen Lesungsmitschnitte, falls Sie vergleichen und zu einem eigenen Urteil finden möchten, läßt es sich über >>>> den Literaturport zugreifen.

Die islamische Maria.

Hast empfangen deinen Jungen
als Koran durch das Ohr
Hast verloren, gebenedeite Frau
Deinen Leib, der ihn gab

Wie gar nicht ihm entsprungen
so stieg sein Geist empor
ungeschändet in das Blau
von jedem Grab geläutert.

Und von Dir.

Winde/Vulkane {AMNION, 10}. Arbeitsnotat. Stromboli (22).

Sämtliche nicht über den Reim oder den in den Verlauf eines Verses verschobenen Reim zusammengehaltenen Verse h i e r m i t fixieren:
Äolischer Vers
antiker Vers mit choriambischem Rhythmus, wie ihn die äolischen Lyriker besonders liebten; z. B. der choriambische Dimeter mit Anakrusis und überzähliger mittelzeitiger Silbe am Schluß.
=|-vv-|-vv-|=
Ostelliferi conditor orbis.
[Hierher gehören auch der Glykoneus und Pherekrateus (s. d.).]
  • Pherekrateus (Pherekratischer Vers)
    ein nach dem Dichter Pherekrates benanntes antikes Metrum, welches aus einer Basis und einem hyperkatalektischen Choriambus besteht:
    - v - v - v -
    Das den großen Gedanken
    Huldreich alle Gebärden.
  • Glykoneus
    – v – v v – v –
    Deiner Schöpfung noch einmal denkt.
    Wein und Jugend ein feurig Paar.
  • Choriambus
    ein aus dem Trochäus (Choreus) und Jambus zusammengesetzter Versfuß:
    - v v - (z. B. wonneberauscht, Rosengebüsch). Die Zusammenziehung der beiden Kürzen in eine Länge findet hier nicht statt, wohl aber zuweilen die Auflösung einer Länge in zwei Kürzen. Die meisten Dichter, die sich des C. bedienen, leiten die choriambischen Verse durch Trochäen oder Spondeen ein und beschließen sie mit Jamben oder Pyrrhichien, wie z. B. im Asklepiadischen Versmaß:
    - = | - v v - | - v v - | v =
    Aber Geister des Klangs wohnen in hoher Luft.
    Der choriambische Rhythmus, der auch der deutschen Sprache vorzüglich zusagt, verleiht den Versen einen geflügelten Gang, der aber durch die vorn und hinten angehängten Gewichte bedeutend gemäßigt wird.
Nämlich:
>>>> Im Abendland wird die poetische Entwicklung zunächst von den Griechen bestimmt, bei denen sich zuerst das Epos in naher Verbindung mit der Musik entfaltet. So verstand man unter Lyrik vor allem das mit Musikbegleitung gesungene Lied. Dazu gehört die äolische Lyrik, die als einstimmiger, subjektiver und strophischer Einzelvortrag zuerst von Sappho und Alkaios auf der äolischen Insel Lesbos, später von Anakreon präsentiert wird.<<<<

>>>> AMNION 11/Stromboli 23
AMNION 9/Stromboli 21 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 11}. Aus der nächsten Fortsetzung. Stromboli (23).

in meiner Kammerenge Putzmitteldüfte
man schließt die Tür
ist ganz für sich mit dem einzigen Fenster
einige Lüfte, die Kräuter tragen,
ziehn wie auf dünner Luft, die heilt,
herein durchs Fliegengitter -

ein Zittern unsichtbarer Fingerfasern -
fast stehend in seinem Warten -
Draußen, hinterm langen Zaun, in dem Garten
ein altes Weibchen, dunkel umschalt, das sich bückt
und einmal hersieht, wie fragend, während sie pflückt
zu i h m sieht, dann sieht sie hoch bergan

sieht ganz, den Kopf im Nacken, hinauf zum Vulkan
als ob von dort eine Antwort käme
die s i e nicht, sondern e r vernähme
wendet sich schon zum Boden zurück

und pflückt weiter ihre Gräser.
Sie findet was und tut das Stück
in ihren Beutel, während dorfher Bläser

die vom Friedhof, denkt man, stiegen
wie um die Antwort leis zu feiern
sie in Musik zusammenfügen
homomorpher Kirchenton
[- v – v - v – Pherekrateus]
Honigduft der die alte Frau
[- v - v v - v - Glykoneus]
die's nicht länger bemerkt, hangabwärts rosmarin
[- = | - v v - | - v v - | v = choriambisch]
anweht, wenn sie ihn doch, in sich und still, belauscht:
[- = | - v v - | - v v - | v = choriambisch]
der L a u t nicht, kein K l a n g will sich entschleiern
[=|-vv-|-vv-|= choriambisch]
da der ferne Motorenlärm
[- v - v v - v - Glykoneus]
als ein sprödes Rauschen röhrt
[- v – v - v – Pherekrateus]
(-vv-vv-vv-vv-vv-v Hexameter:)
m e e rhaft gebleicht und von Salzen zerfressen die Hupen der Vespe
quäkend entflattern Piaggio-Caretti gen Zukunft die mürbe
nur ein zerfallender Mergel im Bienen- und Fliegengesumme
nichts mehr als Staub ist, solang sie die tägliche dröhnende Ankunft
dieser (v) Tragflächenboote nicht aufstört und alles zum Hafen
hineilt (... v-vv-vv-vv-vv-v)

>>>> AMNION 12/Stromboli 24
AMNION 10/Stromboli 22 <<<<

Vorüberfahrende Radfahrerin im Frühsommer.

Ach diese dürren Schulterknochen
verlangen nach Berührung und Licht

zwar decken sie nur Trägerchen
berührt werden sie dennoch nicht

Winde/Vulkane {AMNION, 12}. Aus der nächsten Fortsetzung. Stromboli (24).

(- v - v v - v Pherekrateus:)
so dacht' einen Moment | e r, der dab e i, rauchend,
stand und zusah dem Treiben,
(– v – v v – v – Glykoneus:)
wie der Fischhändler kam und schrie
weiter – noch, als man kaufte, schrie's

Hände die in den Kasten fassen
der, auf den Lader des Dreirads montiert,
totem Fisch auf aufgeschütteltem Eis

die letzte Ruhestätte weiß
bevor ihn eine der Hände tranchiert.
Auch die mag vom Leben nicht lassen -

und tastet es ab an dem Fisch
ob es hält und sich weitergibt

Der Händler, als er den Deckel zuschiebt,
brüllt erneut – wie höhnisch:

kauf was, kauf nichts – wen schert das?
Blicke wirft er herum voller Hoffart
der gedrungene Mann mit den riesigen, rissigen Händen
die brüllen m i t – und schmeißen
als er sich endlich entscheidet
dem Kunden den Fisch wie vor die Füße
als wär's ein Fischkopf den Hunden
das Meer sendet Grüße vom Tod
in den sie, die matt gleißen, die Augen
hineinsehen lassen der Fische
letztes Bewußtsein von Tiefe
als wenn eine magische Stimme riefe
für die wir nicht taugen
Dennoch, wir folgen. Da holt sie uns ein
und hüllt uns in tiefstes Allein -

>>>> AMNION 13/Stromboli 25
AMNION 11/Stromboli 23 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 13}. Weitere Fortsetzung. Stromboli (25).

(...) denkt er und stürzt den ersten Grappa am Morgen
Mit ihm die Schlepper stehn ohne Fang
in der kleinen Hafenbar und sinnieren

nicht unähnlich ruhenden Tieren
wenn sie gar nichts mehr wollen als lang
so immer weiterzuruhen

zu blinzeln bisweilen und zotig zu scherzen
murmelnd, als eine Schöne, Fisch zu besorgen

verspätet erscheint. Wie ihr da die Herzen
folgen, da sie in den schicken Schuhen
wieder | piazzawärts hoch-, | hüftwiegend leicht | den Blick
- = | - v v - | - v v - | v -
pariernd, | fortgeht – nicht Reh, | Pantherin, ach, | ist sie,
v - | - v v - | - v v - | - v
die lockt, | hinter sich h e r | l o c k t sie bergan, | lacht den
v - | - v v - | - v v - | - v
Männern, | lüsternen, n o c h | – schon hat der Gas|senknick
- = | - v v - | - v v - | v -
den Leib | unterm Vulkan | völlig verschluckt | – eh noch
v - | - v v - | - v v - | - v
ein Mann, | dunklen Gesichts | - bitter, so scheint's , | warnt's mich,
v - | - v v - | - v v - | - v
ihr zu | folgen – sich hebt... | drohend fast steht | er auf
- = | - v v - | - v v - | v -
„Rimang'!“ | ruft er und „Folg | nicht dieser Frau!“ | - aber
v - | - v v - | - v v - | - v
ich bin | da schon hinaus | – laufe beinah - | möchte
v - | - v v - | - v v - | - v
rufen: | Warte auf mich! | - seh sie nicht mehr | - geleert
- = | - v v - | - v v - | v -
so liegt | hitzeerschöpft | dampfend im Glast | mittags
v - | - v v - | - v v - | - v
der Platz | kaum daß ein Mensch | ihn noch belebt; | kaum ein
v - | - v v - | - v v - | - v
Kind, das | radfährt im Rund | vor San Vincen|zos Tür.
- = | - v v - | - v v - | v -
Der Blick | aber hinab | hebt sich wie kühl | jetzt schon
v - | - v v - | - v v - | - v
vor Blau | hinterm Bistro. | Das, und den Platz, | trennt vom
v - | - v v - | - v v - | - v
Abhang | nur das Metall | eines Gelän|ders, wo
- = | - v v - | - v v - | v -
man lang | träumend verweilt | morgens bei Sonn|aufgang,
v - | - v v - | - v v - | - v
der Wind | aber erfrischt | Küssende dort | abends -
v - | - v v - | - v v - | - v
AMNION 12/Stromboli 24 <<<<

Buenos Aires. Anderswelt. Bei Zweitausendeins. Argo (265).

>>>> Im neuen 2001-Katalog auf Seite 42. Restauflage des Berlin Verlages.BA-20Anderswelt1Bis in anderthalb bis zwei Jahren mit dem bei >>>> dielmann projektierten Erscheinen von ARGO. ANDERSWELT die Anderswelt-Trilogie komplett (die beiden ersten Bände dabei in einer revidierten Fassung) vorliegt, wird es BUENOS AIRES. ANDERSWELT allenfalls noch antiquarisch geben – aber sicher nicht zu diesem Preis. Wer noch komplettieren möchte: Die letzten 150 Exempare von THETIS. ANDERSWELT, dem ersten Band der Trilogie, gibt es bei mir.thetis2Bestellungen bitte >>>> hierüber. Für ein signiertes Exemplar nehme ich 25 Euro plus Porto.

>>>> ARGO 266
ARGO 264 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 14}. Aus der nächsten Fortsetzung. Stromboli (26).

(...)wie | wenn G o t t den Swing einer Drohung im Knie hätt,
die mit geschlossenen Fingern
im Eisengeländer den Takt schlägt
für eine lange Sekunde zu kurz

um es den Fremden begreifen zu lassen
daß es Wind gibt u n t e r den Füßen
gleich einer Bö, die dahineilt
irdischer Fallwind vom Berg

herab in das Meer, das den Sturz
an der Felsnadel Böcklins teilt
bevor noch die Sirenen kaum geringern
Schrecken bringen als die süßen

odysseeischen, das Wasserbett
ihm unterm Plankenwerk
bereitenden taten – so sägt
der Alarm im Ohr durch die Gassen

des niedrigen, locker weißgewürfelten Ortes
in den wir hineinsehn und wissen es nicht
ob's eines Wortes bedarf, eines Satzes
d a s zu erfassen -
denn l i c h t ist es
ein Pan spielt vom Wehn vorm Kirchenocker
in beiden schütteren Bäumen -so stille -
Eine Reisegruppe von Franzosen, Stimmen flattern,
naht und zieht, die losen Urlaubsmenschen in Shorts
mit dünnen knochenweißen Beinen, weiter,
um a n d e r norts gar nichts zu merken -

so heiter bleibt der Tag -

als durch der chiesa di San Vin(-)cenzo, die zuwar, Eingang
/--/--/-(-)/--/--/-
ganz so geduckt wie die Pforte, die mittlere, selbst ist, die Bäu'rin
/--/--/--/--/--/-
aus dem sehr Dunklen heraustrat, dem Engen des christlichen Schiffs,
/--/--/--/--/--/
das sich erst Innen gewölbig erhebt – Einkehr und helle
/--/--/--/--/--/-
Ruhe für jene, die glauben und Väter, die Mütter sind, suchen.
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Auf den orangebraun gestrichenen Bänken spielt matte Erleuchtung;
/--/--/--/--/--/-
unter die beigehell gebogene Decke als Schimmer gelegt,
/--/--/--/--/--/
rührt er von Fensterchen her | kleinen hochoben, die zaubern
/--/--/--/--/--/-
können, sowie von der überm Altar | schwebenden Kuppel:
/--/--/--/ /--/-
licht, ach so licht ist auch sie... | Dunkel ist aber die Alte.
/--/--/ /--/--/-
Licht ist die Kirche, und licht ist der Platz. Nur die Pforte ist dunkel,
/--/--/--/--/--/-
die diese Frau zu bewachen scheint, als ob sie jemandes harrte...
/--/--/--/--/--/-
i h r e r, Äolias, denn das ist ihr Name, des weiblichen Windes
/--/--/--/--/--/-
Name, der jeden zurücktreibt, sowie er sie einmal nur ansah.
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„Folge ihr nicht! | Bleibe bei uns!“ | Ihn aber zog es.
/--/ /--/ /--/-

S i e zog ihn. Und er begriff sie, die trinkenden Männer am Hafen,
/--/--/--/--/--/-
denen die Heimkehr, besorgt um Familie, Geheimnissen vorging,
/--/--/--/--/--/-
dunklen, gemacht aus der unregulierten Verlockung am Krater
/--/--/--/--/--/-
eines nur einzigen Lächelns, in das es den Mann nüchtern w i r f t -
/--/--/--/--/--/

>>>> AMNION 15/Stromboli 27
AMNION 13/Stromboli 25 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 15). Äolia. Stromboli (27).

Äolia, Asteroidin des Ätnas, der vage herbeiwinkt
v - - v-- v - - v - - v - - v -
dunstiger Rauch | flattert diskret
- v v - | - v v - |
über ein Land | das wie die See |
- v v - | - v v - |
fernblau vergeht | als du die Hand
- v v - | - v v - |
hebst ihm zum Gruß | Mit letztem Schnee |
- v v - | - v v - |
grüßt er zurück | Fatamorgan |
- v v - | - v v - |
in ihrem Aug' | glänzt ein Hauch|
- v v - | - v v - |
Obsidian | Schwarz ist das Glas
- v v - | - v v - |
das deinen Blick | kleidet; ihn schützt |
- v v - | - v v - |
was so berückt | als ich drin las |
- v v - | - v v - |
Sahst, daß ich sah, doch du senktest die Lider, durch die sich entzündet
v - - v - - v - - v – v - - v -
dir, der Tochter Vulkans, | meine Erre|gungsnot |
- v | - v v - | - v v - | v -
kündete, - schlugst sie, die Lider, vor diesem bereitesten Opfer
v - - v - - v - - v - - v - - v -
nieder —
v -

(v -) nur daß diese A l t e beharrte und n i c h t von ihm abließ
(v -) - v - - v - - v - - v - - v -
sondern herübersah, einmal, dann nahm sie die Tochter und zerrte
v - - v - - v - - v - - v - - v -
sie, die sich wehrte, zur Seite hinweg in die Gasse, die schmal
v - - v - - v - - v - - v - - v
hochführt, hinaus aus dem Ort und zum Friedhof, dem alten, dann weiter -
v - - v - - v - - v - - v - - v -
(...)

>>>> AMNION 16/Stromboli 28
AMNION 14/Stromboli 26 <<<<

... aus dem Geiste der Musik. Auszug. (Entwurf der Einführung für einen Katalog zu Veranstaltungen in Deutschland lebender russischer Künstler.)

Das Eigene, was ist es denn außer der Sprache? Und was ist s i e, die nicht grundlos Muttersprache geheißen, denn mehr als ein K l a n g? Bedeutungen lassen sich lernen, n a c h lernen, Klänge aber öffnen die Seele, formen sie, machen sie berührbar. So ist der Schmerz des Migranten, daß ihm die Berührung fehlt, die bekannte, vertraute, größer oft denn der konkrete erzwungene oder freiwillige Heimatverlust, so bitter der auch immer sei und mit welchen Entbehrungen sonst auch verbunden. Selbst der Verlust sozialer Regeln - eine Form individueller Sicherheit, die einem die verlassene Ethnie, bzw. das „eigene“ Volk gab - reicht an den Klangverlust nicht heran. Politische Organisationen wie Nation, Stadt- und Dorfverwaltungen, die nichts anderes sind als strukturgebende Körperschaften mit definierten geografischen Grenzen, haben immer wieder versucht und versuchen es weiter, den Klangverlust ideologisch aufzuheben. Und scheitern an dem, was das Eigene ist, scheitern an der Sehnsucht des migrierten Menschen – und noch an der seiner Kinder, bisweilen Kindeskinder. Sie scheitern an der Seele.
Wäre nicht das, Umbürgerung wäre ein Leichtes. In der Tat ist die Differenz zwischen, sagen wir, den Handwerkern eines Landes und seinen Intellektuellen größer als die zu Handwerkern eines anderen Landes; aus diesem - wahren - Verhältnis hat sich über den mittelalterlichen Begriff der Stände der moderne der gesellschaftlichen Klasse herausgebildet, aber eben nur auf der e i n e n Seite, der des Kapitals, annähernd erfüllt. Wer reich ist, kann so viel Seele mit auf Reisen nehmen, daß er den Verlust kaum fühlt, zumindest von ihm abzulenken gut versteht. Der Arme aber hat nichts als sie – und steht dann in der Fremde und spricht wie in Leere. Nicht nur, daß e r fremd ist, ist das Problem, sondern daß das Neue auch ihn nicht versteht – nur das Instrumentale versteht, das auf konkrete Handlung zielt. Nicht aber die Seele dahinter. Schon, weil auch sie etwas so Ungefähres ist, wie das Eigene zusammengehörender, zusammengeborener Menschen selbst. Deshalb eignet sie sich nicht für Politik - da sogar, als ein die Handlung leitendes Kriterium, wird sie gefährlich. Auf der Anrufung einer Volksseele reitet immer der Tod... es ist eine H o r d e, eine A r m e e apokalyptischer Reiter, die sich auf sie schwingen, um zu vernichten. Nicht aber die Kunst, auch nicht die eines Volkes, die aus seiner Musik rührt. Sie ö f f n e t. Und sie tut das mit enormer fruchtbarer Kraft.
Ein Merkmal von Kunst - und ihrer praktischen Seite, der Kultur - ist ihre Durchlässigkeit, ihre Bereitschaft, sich mit Fremdem zu verbinden und Fremdes in sich aufzusaugen. Was die soziale Irritation oft aus unbegriffener Angst abwehrt, mit Gründen manchmal, oft ohne, das, scheint es, s u c h t die Kunst. Zeigt sich viel freier, viel unbedeckter als der Mensch, der sie doch schafft, und andere Kunst nimmt sie auf, um gemeinsam mit der fremden n e u e Kunst zu schaffen. Deshalb kann es, politisch, auch und gerade nicht um Bewahrung gehen... Bewahrung hieße, die Kraft und Lust der Kunst, sich zu vereinigen, künstlich zu beschränken und ihr eigenes Bewegungsgesetz, das ein Atmen ist, ihr abzuschnüren. Damit aber a u c h abzuschnüren, was die fruchtbarste Grundlage eines Zusammenlebens Fremder wäre: daß aus dem gemeinsamen Neuen, das sich in Kunst als neuer Kunst herausbildet, ein Verständnis füreinander erwächst, das auf der gemeinsamen Musik, einer gemeinsam möglichen Musik, sich angstfrei niederlegen kann.

Winde/Vulkane {AMNION, 16). Aus der nächsten Fortsetzung. Stromboli (28).

(...)
nachdem sie betend die Schwester, Maria, besucht hat,
v - - v - - v - - v - - v -
Demeters mildegewordene Enkelin, sie des
v - - v - - v - - v - - v -
mittags mit Trost, den kein Mensch für sie hat, zu besprechen:
v - - v - - v - - v - - v -
Höre mich, Schwester, das Frauengeschlecht trägt noch immer
v - - v - - v - - v - - v -
Leben l e b e n d i g, empfängnisvoll, aus – und kein Mann,
v - - v - - v - - v - - v
nicht seines Gottes Erhebung, bis heute nicht hat er's,
v - - v - - v - - v - - v -
der er dich derart verriet, | ob er's auch wollte,
v - - v - - v | v - - v -
abändern können, um uns die Bedeutung zu nehmen,
v - - v - - v - - v - - v -
daß wir das Leben bewahren als das, was es ist -
v - - v - - v - - v - - v -
fließender Austausch und schöpfende Metamorphose,
v - - v - - v - - v - - v -
s e l b s tschöpferische, die keines Erlösers b e d a r f,
v - - v - - v - - v - - v -
der es zum ewigen Standbild, wie dich, macht und festsetzt,
v - - v - - v - - v - - v -
Schwester, zu Tränen, g e m a l t e n, auf Holz.
v - - v - - v - - v (- - v -)

Die erstarrt sind (- - v -), dachte im Mittag der Mann.
Er hielt seinen Blick auf die Frau, die gebeugt
wie eine, die die Leere säugt,
vor Piazza und Meer und unterm Vulkan

in der kleinschwarzen Öffnung der Pforte stand,
die, selber nur Schättchen von Schatten,
sie zu umarmen schien in ihrem matten
oblongen Dasein, bis eine junge, kühle Hand

dies Muttchen heim und bettwärts brächte,
das jeder Schritt bedachtsam schwächte
und ihr Bewußtsein schließlich ausblies.

Wie nun die junge Frau präzis
die alte in Richtung San Bartolo führte
war nicht ganz ohne Spott, aber rührte

ihn a u c h nicht, den erbarmenden Gott.
Ich griff nach den Esportazione.

AMNION 15/Stromboli 27 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 17). Böcklins Strombolicchio. Stromboli (29).

Strombolicchio-2(...)
So stand ich und rauchte. Ein gedrungener, dachte ich,
Fischer, weißbärtig, weiß auch die Locken,
trat barfuß zu mir, Hornhaut wie Schnitten Brots

unter den kompakten Füßen, stand und ich rauchte,
er sah mich nicht an, sah auf die spürlos
in den Nachmittag bebende See – so wenig

hob sie sich an, so wenig bauchte sie nieder,
und lockte dennoch hypnos in die Senken,
derart gekühlte Seide die sehnig-glatten Wellen,
derart von satten Türkisen an untiefen Stellen,

daß man fast feierlich von der alten schwarzen
in bizarr basaltne Brocken erstarrten Lavazunge
zu einer ältren Lava des Schlots, die noch stand,
eines ältern Vulkans, der vor Äonen verschwand,

wie in eigne Vergangenheit, die erst wird,
nach Strombolicchio hinübersah,
der halben hohen Toteninsel

Es flirrt ein Licht
von da, das Eines
Pinsel ewigsah

Es fährt ein Boot hinüber
lieber geht niemand an Bord

Kein Wort, kein Lied
sieht dich wieder zieht heim von dort -
Boecklin-Toteninsel
>>>>> AMNION 18/Stromboli 30
AMNION 16/Stromboli 28 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 18). Verkündigung. Stromboli (30).

(...)
Da war er die Höhe längst hinunter
Da war es Nachmittag längst
Da hatte er längst die Frauen vergessen
Da hatte sich längst das Wunder ereignet

der Mandel

(Dein Aug, dem Nichts stehts entgegen*

Das Aug in der flachen alten Hand
Das Aug, das sich hinüberwand
aus der alten Hand verschwand
in die der Jungen eingebrannt
die bei dem Sterbelager stand
gab es sich lidlos weiter)

- so heiter blieb der heilige Tag
am Strand; kein Hahnenschlag
verriet den Schöpfungsmorgen
und den Vertrag

- so schwieg der Fischer neben mir
er starrte nur gedrungen aufs Meer
ganz lange
grübelnd in die flüssige Seide,
tief unter der die unsichtbare
afrikanische Scheide sich schon
auftat – und in innerlichem Ton
als ob er bange bat
sagte er: „Molto mare“.
[*) Celan, Mandorla.]
>>>> AMNION 19/Stromboli 31
AMNION 17/Stromboli 29 <<<<

Winde/Vulkane {AMNION, 19). Arbeit an der Sonettform. Stromboli (31).

Schema:
v – v v - v - v v - v v -
v – v v – v – v v – v v - v
v – v v – v – v v – v v - v
v – v v - v - v v - v v -

v – v v - v - v v - v v -
v – v v – v – v v – v v - v
v – v v – v – v v – v v – v
v – v v - v - v v - v v -

v – v v - v - v v - v v -
v – v v – v – v v – v v - v
v – v v - v - v v - v v -

v – v v - v - v v - v v -
v – v v – v – v v – v v - v
v – v v - v - v v - v v -


Der Fischer, der Ureinwohner, was immer er war,
war unvermerkt fort; arabisch umarmten die Würfel
der Häuschen sich selbst und ihre erblühenden Höfe,
aus denen Motorensägen zu Radiogeschnulz

mit Düften zuhaufgerechten, verbrennenden Laubs
zusammen herausklang, wie um der klätschelnden Dünung
das letzte Bedrohn der meditarranen Erholung
geschäftig zu leugnen, die dem so kargen Schlag Mensch

den Wohlstand gebracht, und Fremde dem Berg, die sich still
zurückziehen wollen fern ihren Städten, bescheiden
die meisten von ihnen; in sich kehrt selbst der Tourist

sich, wenn er hier länger weilt und er will nichts mehr tun
als sitzen und schauen, kommt er allein, nicht in Gruppen,
die sommers hier all achtlos einfalln gelockerten Gelds

AMNION 18/Stromboli 30 <<<<

Winde/Vulkane {AEOLIA-GESÄNGE 21). Stromboli (33).

(...)Die Hand liegt noch immer, der Jungen, auf der Erblaßten
Faltig der Rosmarindämmer Kleine Opuntien Ein Gecko
schläft sich im bröckligen Mauergekäst zum Abendglühn
das ihn weckte Hochgeschossen der Lorbeer und blind
gleich der Kate vor lauter Erwartung Im Napf käst Milch
für die Kätzin Noch liegt das Brot auf dem Brett Auf dem Bett
liegt auf der Frau ihre Hand und auf d e r der spöttischen
Erbin Hand die durchs Aug durch die Augen der Dohle
durch Schlepper und ihre Spanplattenschilder und Koffer
durch kleine Taxen und das Johlen von Halbwuchs durch
Kisten und Paletten und auch er, der Fischer, bereit die
Leinen zu fassen, war da

in das Licht sah
sah Panarea
nicht sah das Boot
um Basiluzzo nicht
die Meerestür sah
sie die nun offne
dahinter im Dämmern

Hand auf Hand unterm Aug und der Hand lag wartend die Tote
erstarrend wie ein Eidechs in den Krallen der Pfote ihrer Katzen
und die alte Matratze auf dem alten Gestell wurde Bahre
erstarrnd wie die von Ratzen zerbissenen Jahre die einer hält
gegens Vergehen von Welt die inkontinent auseinanderfällt
lag wartend der schmale zusammengezogene Raum im Schatten
des von dem Dämmern doppelt satten Dufts der einzigen Gardenie Rosendufts einer Geranie
des groben Gebälks unter der Decke der Wände der niedrigen
aufgegangenen Tür durch die sie ins Licht sah das Meer und den
fernen Anleger sah und das Boot sah den lärmigen beidseits von
hohen weißen Streifen Meerschaums begleiteten Bogen den's
nahm um den Felsen, um ihr und dem Berg den Mann zu bringen

LIED DER DOHLE
- v v - | - v v -

Bring mir den Mann her für den Kuß
richt seine Hand fügsam mir an
Thymian und Klee gib in den Mund
hellrot das Blut tu's unters Lid

daß er mich sieht daß er mich will
wie dieses Land wie diese See
nach dem Erguß Dämpfe vom Meer
von mir steigt Rauch Feuer im Leib

wartendes Weib sieht schon das Boot
das bringt ihn her was in dir loht
wild und so wund bald ist es still
bald steigt er auch auf aus der Glut
CHOR DER EIDECHSEN
- v | - v v - | - v v - | v -

Hoch steht Schilf noch der Fels glüht in der Sonne Komm -
Weit das Meer das uns trägt Salz auf den Weichen Komm -
Ist ein Staub liegt Basalt lederner Atem Komm -
Grab die Metze uns zu aufzuerstehen Komm -
Gib ihr Zeugung und Tod ihm den's erwählt hat Komm -
LIED DER STELE*
- v - v v - v

Jedes Jahr nehm ich einen
der signiert des Vertrages
alte Order mit Samen
auserwählter Geliebter
der sich selbst ihr, Aeolias
Erde, hingibt am Krater
Lächelnd nimmt er das Opfer
ihr vom Leib und besinnt sich
Eurer ängstlichen Häuser
und der spielenden Kinder
bis ein Jahr wieder um ist
So bezeugen's die Winde
So bezeugt es die Erde
So bezeugt es das Meer

Hauch von Schimmel Gardenie Geranie im Mund
bitter der Grappa, زبيب**, zibibbo klebte
am Gaumen die bittre Flamme das Lied
rief den Wind zu versöhnen sich und in

den Leibern das Meer zu penetrieren
rief die Kraken in Acht, daß sie gingen suchten
in unterseeischen Knäueln pulsierend
in den lebensklugen Unterstand*** den die Fliege

nicht fand die lockend, herlockend die
singende Stele umsummte falber Schatten
eines nächsten, des kommenden, spürte der
Fischer, Sciroccos, der den Donner brächte

dieser nächsten, der kommenden Nacht und
als zweites Beben sich selber bergab vorauslief
im selben Moment klirrten die Gläser im
gläsernen Regal, als, dort der Fischer, da

von der Siremar, fast zu spät, einer, aus dem
kleinen ufficio herbeigelaufen, den Aliscafo,
an der Stele der Fischer, vertäute, und das Reep
ging scheppernd, so wenig Zeichen, zu Kai.

[*) Diese Passage spielt auf den strombolianischen Aberglaube an,
der Vulkan fordere jedes Jahr ein Opfer, um dafür die
Bevölkerung sonst in Frieden leben zu lassen.

**) Zabib, زبيب
  1. getrocknete Weinbeere, >>>> die nach arabischer Tradition
    terrassiert und zum Schutz vor Wind und Trockenheit
    in kleinen runden Löchern angebaut und aus der
    ein schwerer Likörwein gewonnen wird, aus dem man wiederum
    diesen würzigen Grappa destilliert
    .
  2. Kanaanitische Feuergöttin; Näheres siehe >>>> hier.
***) Die >>>> Kraken Strombolis sind für einen Sinn bekannt,
der sie Eruptionen vorausahnen läßt.]
>>>> AEOLIA 22/Stromboli 34
AEOLIA-GESÄNGE 20/Stromboli 32 <<<<

AEOLIA. GESANG. >>>> Das Buch.
 



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