Evoking a Betrayed World
Imre Oravecz’s third volume of his trilogy A rög gyermekei (Die Kinder der Scholle) has concluded an enterprise that continued for over twenty years. Although the first part of this trilogy was only released in 2007 by the publisher Jelenkor, Oravecz' first book about the inhabitants of Szajla, Halászóember (Der Fischermann) was set in 1998. Strangely, this book was a poetry volume whose texts were exclusively dedicated to the people, places, events and mythologies of the mountain village of Szajla in north-eastern Hungary. The individual poems, which were initially published in magazines seemed so trivial, but the book version merges them into an epic poem about a lost world: namely, the traditional farming life, which was destroyed by Communism, rather than leaving it to internal modernization and an emergent agricultural industry generating local products.
Imre Oravecz (b. 1943) was born into a farming family from Szajla. His multifaceted biography was regarded as totally uncharacteristic for the so-called socialist era. He left Hungary twice; he lived for many years in the U.S., including linguistics studies at the universities of Iowa and Illinois. So, he followed in the footsteps of his grandparents and many other residents of Szajla, who escaped from a life without prospects, and whose aim was to find a secure livelihood and maybe even some dignity.
The publication of the first part of the trilogy (Ondrok gödre – Ondroks Grube, 2007) highlighted how Der Fischermann was a kind of preparation for a real prose text about the citizens of Szajla and their emigration. The plot of the first part of this series is set in Szajla. The heroes are a young couple called the Árvais. At first, they try to make a living in their native village at the start of the 20th century. When they realize that their life is destined to be a constant struggle, they decide to leave the country. The story ends with them and their two small children, as well as hundreds who share their plight, embarking on a steamer headed overseas.
The second part, Kaliforniai fürj (Die Kalifornienwachtel, 2012), aroused considerable attention as the very first description of the fate of millions of Hungarians who left the country at the turn of the 19th and start of the 20th century. Initially, the husband, István/Steve, finds a job at a steel works. As production declines, he is forced to look for work opportunities elsewhere. The couple and their children relocate to California. Steve works in the oil industry which at that time had become the powerhouse of the American economy.
Steve and Anna originally arrived in America with the intention of saving some money and returning to their home country to buy a plot of land. But their children, who were already born and grew up in the New World, didn’t want to leave America. Finally, they bury the idea of returning when Steve and Anna invest their savings in a ranch in California and go back to a life in farming.
The hero of the third part (Ókontri) of this trilogy, which has just been released, is one of the Árvais’ sons. He is also called Steve, though he soon changes his name to István. Although he was born in America, he decides to start a new life in his parents’ home country. In 1938, he and his adoptive child Georgie arrive in Hungary – the Americans call this Ókontri (the ‘old country’). In Szajla, he takes ownership of the plot of land, which he inherited from his grandfather; he purchases more land and sets up a new farm. As time goes by, he also finds a wife, Julia.
This new beginning and the repetition of the names is Oravecz’s allusion to the mythological return that traditionally influenced the farming world. Yet, this kind of return is no longer possible. This is the era of the linear flow of world history that rapidly leads to a new world war and then to a divided world. Steve and Julia, who are declared ‘kulaks’ (affluent peasant farmers) are exploited by the new, Communist regime and ultimately threatened with ruin. Not surprisingly, at the first suitable opportunity during the 1956 revolution, they flee Hungary. And the trilogy ends here.
Oravecz was one of the foremost writers among Hungary’s neo-avant-garde circles during the 1970s, a kind of Hungarian representative of neostructuralism. His style of prose is unembellished, so being particularly suited to the unsentimental evocation of a lost, forgotten and betrayed world.
Translated by Suzanne Kirkbright
Ókontri - A rög gyermekei III.
Oravecz Imre
Magvető Könyvkiadó, 2018.
***
Die Heraufbeschwörung einer verratenen Welt
Mit dem Erscheinen des dritten Bandes seiner Trilogie A rög gyermekei (Die Kinder der Scholle) hat Imre Oravecz ein Unternehmen von mehr als zwanzig Jahren beendet. Obwohl der erste Band der Trilogie erst 2007 beim Jelenkor Verlag herauskam, datiert das erste Buch, das er über die Einwohner von Szajla schrieb, Halászóember (Der Fischermann), aus dem Jahr 1998. Merkwürdigerweise war das ein Gedichtband, dessen Texte ausschliesslich den Orten, den Personen, den Geschehnissen, den Mythologemen des Bergdorfes Szajla im Nordosten Ungarns gewidmet waren. Die einzelnen Gedichte, die erst in Zeitschriften publiziert so belanglos erschienen, schliessen sich im Band zu einer Epopöe einer verlorenen Welt zusammen, die der traditionellen bäuerlichen Landwirtschaft, die durch den Kommunismus vernichtet worden ist, statt durch eine innere Modernisierung ihren Platz einer warenerzeugenden Agrikultur zu überlassen.
Der Autor (1943) wurde selbst in eine Bauernfamilie von Szajla geboren und hatte eine wechselvolle Biografie, die in der Ära des sog. Sozialismus als ganz und gar ungewöhlich galt. Er verliess Ungarn zweimal, lebte jahrelang in den Vereinigten Staten, u. a. studierte er Linguistik an den Universitäten von Iowa und von Illinois. Damit trat er in die Fussstapfen seiner Grosseltern und zahlreicher anderer Einwohner von Szajla, die sich vor der Aussichtslosigkeit retten, einen sicheren Unterhalt und vielleicht auch etwas Menschenwürde finden wollten.
Mit dem Erscheinen des ersten Bandes der Trilogie (Ondrok gödre – Ondroks Grube, 2007) stellte sich heraus, dass Der Fischermann eine Art Vorbereitung für ein richtiges Prosawerk über die Szaljaer und die Auswanderung gewesen war. Die Handlung des ersten Bandes spielt in Szajla, die Helden sind die Árvais, ein junges Ehepaar, das zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erst in seinem Heimatsdorf voranzukommen versucht, dann aber einsehen muss, dass es da zu ewigem Ringen verurteilt ist und entscheidet, das Land zu verlassen. Die Geschichte endet damit, dass sie mit zwei kleinen Kindern und Hunderten von Schicksalsgefährten an Bord eines Überseedampfers treten.
Der zweite Band, Kaliforniai fürj (Die Kalifornienwachtel, 2012), weckte ein reges Interesse als die allererste Schilderung des Schicksals von Millionen Ungarn, die das Land um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herum verlassen haben. Der Mann, István/Steve, arbeitet erst in einem Stahlwerk. Mit dem Rückgang der Produktion sieht er sich gezwungen, anderswo andere Arbeitsmöglichkeiten zu suchen. Das Ehepaar siedelt mit seinen Kindern nach Kalifornien um und Steve arbeitet in der Erdölförderung, die eben in jenen Jahren der Motor der amerikanischen Wirtschaft geworden ist.
Steve und Anna sind ursprünglich mit der Absicht nach Amerika gekommen, ein wenig Geld zu sparen und damit im Heimatland ein Grundstück zu kaufen. Aber ihre Kinder, die schon in der Neuen Welt aufgewachsen oder auch geboren sind, wollen Amerika nicht verlassen. Das Vorhaben der Rückkehr wird endgültig beerdigt, als Steve und Anna mit ihren Ersparnissen eine Ranch in Kalifornien kaufen und dort zum Bauernleben zurückkehren.
Der Held des jetzt veröffentlichten dritten Bandes (Ókontri) der Trilogie ist einer der Söhne der Árvais. Sein Name ist ebenfalls Steve, der sich bald in István verwandelt, da er beschliesst, obwohl in Amerika geboren, im Heimatland seiner Eltern ein neues Leben zu beginnen. Er kommt 1938 mit seinem Adoptivkind Georgie nach Ungarn, das die „Amerikaner” Ókontri (altes Country) nennen. In Szajla nimmt er das von seinem Grossvater geerbte Grundstück in Besitz, kauft weitere hinzu, baut einen neuen Bauernhof und findet mit der Zeit auch eine Frau, Julia.
Mit diesem Wiederbeginn und mit der Wiederholung der Namen spielt Oravecz auf die mythologische Wiederkehr an, die die Bauernwelt traditionell geprägt hatte. Solch eine Wiederkehr ist aber nicht mehr möglich. Wir sind in der linearen Zeit der Weltgeschichte, die rasch zu einem neuen Weltkrieg und dann zu einer gespalteten Welt führt. Steve und Julia, zu „Kulaken” (Grossbauern) erklärt, werden vom neuen, kommunistischen Regime ausplündert und mit endgültiger Verwüstung bedroht. Kein Wunder, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit, während der Revolution von 1956, aus Ungarn flüchten. Damit endet die Trilogie.
Oravecz war einer der wichtigsten Dichter der ungarischen Neoavantgarde in den Siebzigerjahren, quasi ein ungarischer Vertreter des Neostrukturalismus. Sein Prosastil ist ohne irgendeine Verzierung und eignet sich besonders für die affektlose Heraufbeschwörung einer verlorenen, vergessenen und verratenen Welt.eraufbeschwoörung
Ókontri - A rög gyermekei III.
Oravecz Imre
Magvető Könyvkiadó, 2018.