The End of the World / Das Ende der Welt
Iman Humaydan
A country, Abistan; a city, Qodsabad; a simplified language, Abilang; a prophet, Abi, the sacred tyrant who represents God on earth; a sacred book, Gkabul and Yolah an almighty god. In his recent novel, 2084: the End of the World, Algerian francophone writer, Boualem Sansal describes a hellish atmosphere in which a sacred tyrannical religion dominates and dehumanizes a society and deletes its memory. People are amnesics--with no remembered pasts, questions or dreams, as they were made believe that paradise is waiting for them. All of their ideas are derived from the fabricated “truth” of Yolah and his representative, Abi. The dominant, exclusive national language in Abistan, Abilang, ensures the increasing submissiveness of people. People use simplified words from the sacred book, Gkabul. Everything they say and do shows obedience and faith to Yolah. The only two activities they can undertake without facing cruel punishment is a pilgrimage on roads monitored by security forces and pray seven times a day.
Inspired by George Orwell’s classic dystopian novel 1984, Sansal’s 2084 is somewhat more optimistic. The protagonist Ati is a man of knowledge, curiosity and thought who uses the past to question the present, especially the legitimacy of the sacred tyranny. He met first an archeologist, and through archeological discoveries, he realizes that people can live happily without domination or religion. With his friend Koa, he questions the rules of obedience and unveils the lies of the tyrannical power.
But Ati, who is the voice of the author, does not go deep in his questioning. In 2084 Sansal directly critiques the religious tyranny of Islam using western notions of democracy and freedom of thinking with no critique of its double standards, like the history of colonization, and present time politics. The work did not take to account of non religious regimes in the Arab world that oppressed their people under the name of secularism and modernity, and who used the pretexts of pan-Arabism and nationalism to suppress and manipulate people’s beliefs. These so-called secular regimes encouraged and nurtured fundamentalism and made use of it to control the people.
Though he witnessed how the Algerian authorities and their secret services terrified civilians through violence to prevent the Islamic party from gaining power through elections, these facts do not interest Sansal. The imaginary Islamic country is presented here as if it comes from nowhere, has no reasons or roots, though Islamism today is forcing us to look back more seriously at global economics and politics.
2084’’s monotonous narration merely uses repetition to demonstrate how ugly the “fundamentalism” is. The novel cares more for inciting the west’s fear and nurturing its islamophobia, than for the millions of victims of Islamist violence throughout the Arab world. Crucial questions about how ISIS was born, who was and is funding it and providing it with advanced weapons are rarely heard or written.
In all of Sansal’s seven French-language novels, his hatred of Islam of the Arab world is on display, 2084 is the most recent and most sophisticated . The reader can not avoid its ideological atmosphere. it shows a world divided into good people and bad people, all the way until its end when it loses its narrative thread and literary value. It is full of good ideas based on bad intentions and calls into question whether some of the prizes the novel got were not ideological too.
Sansal has many times expressed his rejection of Algerian Arabisation policies. He describes Abilang much as he has described Arabic as a dead language. This begs the question as to whether or not there is a place for an Arabic reader in Sansal’s creative imagination? What of the millions of Algerians who are adamantly opposed to Islamism, as Sansal is, but love and live the Arabic language? This leads to the further question of who his readership is? Though many French critics did not appreciate his novel, it seems that a French readership would be his target.
Literary works like 2084 reinforce problematic partial understandings of Islam, which are so often manipulated. They do not acknowledge “ other” people’s experiences of rethinking and challenging elements of their societies, cultures and values, which they experience differently from each other and from mainstream Western stereotypes about them. This does not allow for ways of thinking about how people stand up to dictatorships—both religious and non-religious—and confront whatever tyranny they are faced with. Works like this underestimate genuine diversity and tolerance; they discourage us from questioning and re-questioning what is true and what is right. Indeed Sansal’s work is a different kind of tyranny in its judgment of the other.
2084: La fin du Monde (2084 The End of the World) by Boualem Sansal (Paris: Gallimard, 2015), 288 p.
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Ein Land, Abistan; eine Stadt, Qodsabad; eine reduzierte Sprache, Abilang; ein Prophet, Abi, tyrannischer Religionsführer und Abgesandter Gottes auf Erden; eine heilige Schrift, Gkabul, und Yölah, ein allmächtiger Gott. In seinem neuen Roman 2084 – Das Ende der Welt, lässt der frankophone algerische Schriftsteller Boualem Sansal eine infernalische Atmosphäre entstehen, in der eine tyrannische Religion eine ganze Gesellschaft dominiert und entmenschlicht und deren Erinnerung auslöscht. Die Menschen haben ihr Gedächtnis verloren – ihre Vergangenheit mitsamt allen Fragen und Träumen ist ihnen abhanden gekommen, denn ihnen wurde weisgemacht, dass sie bereits im Paradies leben. Ihr ganzes Denken beruht auf der frei erfundenen “Wahrheit” über Yölah und dessen Stellvertreter Abi. Die einzig erlaubte Landessprache, Abilang, zementiert die Unterwerfung des Volkes zusätzlich, denn diese Sprache beschränkt sich auf einfache Vokabeln aus dem Heiligen Buch Gkabul. Alles, was die Menschen sagen und tun, steht in Zusammenhang mit ihrem Glauben und ihren Gehorsam gegenüber Yölah. Nur zwei Aktivitäten sind erlaubt, die keine grausamen Strafen nach sich ziehen: Pilgerfahrten auf Straßen, die streng von Überwachungssystemen kontrolliert werden, und neun Gebete am Tag.
2084 ist eine Spur optimistischer als George Orwells dystopischer Klassiker 1984, von dem sich Sansal inspirieren ließ. Ati, der Protagonist, ist ein gebildeter, wissbegieriger und nachdenklicher Mann, der mit Hilfe der Vergangenheit die Gegenwart anzweifelt, vor allem die Legitimität der religiösen Willkürherrschaft. Durch die Begegnung mit einem Archäologen und archäologischen Funden realisiert er, dass Menschen auch ohne Machthaber und Religion zufrieden leben können. Im Bund mit seinem Freund Koa hinterfragt er den Zwang zum Gehorsam und entlarvt die Lügen der totalitären Macht.
Doch Ati, das Sprachrohr des Autors, bleibt mit seinen Fragen an der Oberfläche. Sansal greift in 2084 die religiöse Tyrannei des Islam direkt an, ausgehend vom westlichen Demokratieverständnis und dessen Begriff der Meinungsfreiheit, doch die Doppelmoral des Westens, zum Beispiel im Hinblick auf die Kolonialgeschichte oder die aktuelle Politik, berücksichtigt er nicht. Zudem fehlt ein Hinweis auf die nicht-religiösen Regimes in der arabischen Welt, die Menschen im Namen von Säkularismus und Modernität geknebelt und den Pan-Arabismus beziehungweise Nationalismus zum Vorwand genommen haben, um deren Anschauungen zu manipulieren und zu unterdrücken. Diese so genannten säkularen Regimes haben den Fundamentalismus gestärkt und gefördert und mit seiner Hilfe Macht über ihre Bevölkerung ausgeübt.
Sansal hat selbst erlebt, wie die algerische Regierung und ihre Geheimdienste die Zivilbevölkerung mit gewaltsamen Mitteln in Angst und Schrecken versetzten, um damit ein Erstarken der Islamischen Heilsfront bei den Wahlen zu verhindern, doch das interessiert ihn hier nicht. Sein fiktives islamisches Land scheint wie aus dem Nichts heraus entstanden, ohne Ursprung und Wurzeln; dabei zwingt uns der Islamismus gerade heute, die Entwicklung der globalen Ökonomie und Politik sehr genau in Augenschein zu nehmen.
Der monoton erzählte Roman will mit dem Stilmittel der Wiederholung demonstrieren, wie hässlich der so genannte Fundamentalismus ist. Dabei geht es mehr darum, westliche Ängste und Islamfeindlichkeit zu schüren, als auf das Schicksal der Millionen Opfer islamistischer Gewalt in der arabischen Welt hinzuweisen. Wesentliche Fragen nach der Entstehung des IS, nach seiner Finanzierung und Belieferung mit modernsten Waffen bleiben außen vor.
Aus allen sieben Romanen, die Sansal bisher auf Französisch veröffentlicht hat, spricht der Hass des Autors auf den Islam in der arabischen Welt. 2084 ist dafür das jüngste und raffinierteste Beispiel. Seiner ideologisch aufgeladenen Atmosphäre kann man sich als Leser nicht entziehen. Sansal skizziert eine Welt, in der sich lange Zeit die Guten und die Bösen gegenüberstehen, bis sich gegen Ende des Romans der Erzählstrang verheddert und die literarische Qualität nachlässt. Seine Geschichte steckt voller interessanter Ideen, doch dahinter stehen schlechte Absichten, und man fragt sich unwillkürlich, ob der eine oder andere Preis, den er erhielt, nicht auch auf der Basis ideologischer Erwägungen vergeben wurde.
Sansal hat häufig betont, dass er die Arabisierungspolitik Algeriens ablehnt. Das Arabische ist für ihn eine ebenso tote Sprache wie die Romansprache Abilang. Das wirft die Frage auf, ob in Sansals schöpferischer Phantasie überhaupt Platz für arabische Leser ist. Was ist mit den Millionen Algeriern, die sich ebenso vehement vom Islamismus distanzieren wie Sansal, andererseits die arabische Sprache aber lieben und leben? Und wer ist eigentlich sein erstrebtes Zielpublikum? Offenbar das französische, auch wenn sich viele französische Kritiker für seinen Roman nicht erwärmen konnten.
Literarische Werke wie 2084 begünstigen ein problematisches Halbwissen über den Islam, das leicht zu manipulieren ist. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, dass auch andere Menschen gewisse Elemente ihrer jeweiligen Gesellschaft, Kultur und Wertvorstellungen kritisch überdenken, dass auch sie zu differenzierten Wahrnehmungen imstande sind, abweichend von den verbreiteten westlichen Stereotypen. Eine Reflexion darüber, wie Menschen sich gegen religiös und nicht-religiös orientierte Diktaturen behaupten und gegen die unterschiedlichsten Formen von Tyrannei Widerstand leisten, haben in solchen Werken keinen Platz. Sie verkennen die echte Vielfalt und Toleranz, sie halten uns davon ab, immer wieder neu danach zu fragen, was 'wahr' und was 'richtig' ist. So gesehen, ist Sansals Roman in seinem Urteil über die “Anderen” auch eine Form von Tyrannei.
Aus dem Englischen übersetzt von Maja Ueberle-Pfaff
2084: Das Ende der Welt, von Boualem Sansal (Paris: Gallimard, 2015; Vastorf: Merlin 2016, 288 S.)
The End of the World / Das Ende der Welt
A country, Abistan; a city, Qodsabad; a simplified language, Abilang; a prophet, Abi, the sacred tyrant who represents God on earth; a sacred book, Gkabul and Yolah an almighty god...
Iman Humaydan
Iman Humaydan was born in the Mount Lebanon governorate in 1956 and studied sociology at the American University in Beirut. She is a Lebanese writer and lives in Paris.
Iman Humaydan wurde 1956 im Gouvernement Mount Lebanon im Libanon geboren und studierte and der American University of Beirut Soziologie Sie ist Schriftstellerin und lebt in Paris.
Participant of the European Literature Days 2015.
Teilnehmerin der Europäischen Literaturtage 2015.