“I’m interested in the development of language, the subjects and view of bilingual or bicultural writers”, explains Nicole Bary. For over thirty years her Parisian publishing house, Métailié, has published German language books by writers who have an affinity with or background in another language and culture. Many of them are from Eastern Europe. Nobel Laureate Herta Müller, who grew up in Banat, is her most famous discovery – Bary was the first to publish her works in France. Russian author Vladimir Vertlib is her most recent new addition. Also in her catalogue: the Serbian Melinda Nadj Abonji, who was awarded the German and Swiss Book Prize, the Bachman prize winner Maja Haderlab from Slovenia, the German-Iranian lyricist and prose writer SAID, the German-Iraqi writer Sherko Fatah living in Berlin and the Icelandic-German author Kristof Magnusson. (http://editions-metailie.com/).
In their fictional works many of these writers focus on the recent history of their countries of origin, the Balkan wars, the collapse of Communist states or tensions between the Middle East and Europe. For instance, in her novel “Tauben fliegen auf” (“Falcons without Falconers”, (http://www.dtv.de/buecher/tauben_fliegen_auf_14078.html) Melinda Nadj Abonji writes about her childhood in Vojvodina, her arrival in Switzerland and the difficulty of integrating here. Bary explains, “Writers create from their own experience, yet without producing autobiographical texts. If, like Herta Müller one grew up in the Banat in Romania, or if one is a Slovenian from Carinthia like Maja Haderlab, naturally when writing one filters quite unique experiences.” Bary has lived for many years between Paris and Berlin; she has translated numerous writers’ works from German into French and over time she has honed her sensitivity for the linguistic idiosyncrasies of ‘her’ writers. “The German written by Herta Müller is in constant confrontation with Romanian. For the translator this presents a particular challenge because the source language was shattered by the foreign influences and these shattered elements must also be discernible in the translation.”
The distance between both cultures and the discovery of foreignness in oneself, according to the publisher, not only enriches these works, but also leads to an ‘extreme case’ of literary creativity. This is because a bilingual or bicultural writer becomes an intermediary for several realities simultaneously due to his or her language.
Beyond the subjects and the languages, one senses the other, non-German culture in the structure of these works. Vladimir Vertlib’s novel “Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur” (“The Remarkable Memory of Rosa Masur”, http://www.dtv.de/buecher/das_besondere_gedaechtnis_der_rosa_masur_13035.html), explains Bary, is a Russian novel in German. It is built like a Matryoshka with numerous stories and characters layered like the nesting Russian dolls and finally finding their place in the epic story.
On the other hand, the prose work “Selbstbildnis für eine ferne Mutter” (“Landscapes of a Distant Mother”, http://www.kirchheimverlag.de/poesie/said-selbstbildnis/said-selbstbildnis.htm) by the Iranian SAID reveals a circular structure. The writer has lived for many years in exile in Munich and regards the German language as his “dwelling”. Bary states admiringly that, “In this way, he visualizes the excessive thought loops in this text which is rather unusual for Western literature. The contrast between writing in this style and the German language is enormously enriching.”
In response to the frequently posed question as to whether European literature exists – again a matter of debate during the last European Literature Days – the publisher gave a pragmatic answer: it is the sum total of all works written in European languages and translated into these languages. And Nicole Bary makes an important contribution through her own work.
Translated by Suzanne Kirkbright
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Gibt es eine europäische Literatur und wie wird sie gegebenenfalls beeinflusst von Autoren, deren Leben und Werk zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen und Ländern beheimatet ist? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die französische Verlegerin und Übersetzerin Nicole Bary seit über drei Jahrzehnten.
„Mich interessieren die Entwicklung der Sprache, die Themen und der Blick von zweisprachigen oder bikulturellen Schriftstellern“, erklärt Nicole Bary. Seit über dreißig Jahren verlegt sie im Pariser Verlag Métailié Autoren, die auf Deutsch schreiben und noch eine andere Sprache und Kultur in sich tragen. Viele von ihnen stammen aus Osteuropa. Die im Banat aufgewachsene Nobelpreisträgerin Herta Müller ist ihre berühmteste Entdeckung – Bary veröffentlichte sie als erste in Frankreich – der Russe Vladimir Vertlib ist ihr letzter Neuzugang. Ebenfalls in ihrem Katalog: Die mit dem Deutschen und Schweizer Buchpreis ausgezeichnete Serbin Melinda Nadj Abonji, die Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlab aus Slowenien, der deutsch-iranische Lyriker und Prosaautor SAID, der in Berlin lebende deutsch-Iraker Sherko Fatah und der isländisch-deutsche Schriftsteller Kristof Magnusson. (http://editions-metailie.com/).
Viele dieser Autoren setzen sich in ihren Werken mit der jüngsten Geschichte ihrer Herkunftsländer auseinander, den Balkankriegen, dem Zerfall kommunistischer Staaten oder den Spannungen zwischen dem Nahem Osten und Europa. Wie Melinda Nadj Abonji zum Beispiel, die in ihrem Roman „Tauben fliegen auf“ (http://www.dtv.de/buecher/tauben_fliegen_auf_14078.html) über ihre Kindheit in der Vojvodina, ihre Ankunft in der Schweiz und die schwierige Integration dort schreibt. „Die Autoren schöpfen aus ihrer eigenen Erfahrung, ohne dabei jedoch autobiographische Werke zu schreiben. Wenn man wie Herta Müller im rumänischen Banat aufgewachsen ist, oder Kärtner Slowenin ist wie Maja Haderlab filtert man beim Schreiben natürlich ganz besondere Erfahrungen heraus“, erklärt Bary, die seit vielen Jahren zwischen Paris und Berlin lebt, selbst zahlreiche Autoren aus dem Deutschen ins Französische übersetzt und im Laufe der Zeit feinste Antennen für die sprachlichen Besonderheiten „ihrer“ Autoren entwickelt hat: „Das Deutsch von Herta Müller steht in ständiger Konfrontation mit dem Rumänischen. Für den Übersetzer ist das eine besondere Schwierigkeit, denn die Ausgangssprache wurde durch die Fremdeinflüsse erschüttert und diese Erschütterungen müssen auch in der Übersetzung spürbar sein.“
Die Distanz zwischen den beiden Kulturen und die Entdeckung des Fremden in sich selbst, meint die Verlegerin, bereichere diese Werke nicht nur, sie führe zu einem „Extemfall“ literarischen Schaffens, da ein bilingualer oder bikultureller Autor durch seine Sprache zum Vermittler gleich mehrerer Realitäten werde.
Über Themen und Sprache hinaus, spürt man die andere, nicht-deutsche Kultur aber auch an der Struktur dieser Werke. Vladimir Vertlibs Roman „Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur“ (http://www.dtv.de/buecher/das_besondere_gedaechtnis_der_rosa_masur_13035.html) , erklärt Bary, sei ein russischer Roman auf Deutsch, gebaut wie eine Matrjoschka, mit den vielen Geschichten und Figuren, die sich wie russische Holzpuppen ineinander verschachteln, um schließlich ihren Platz in der großen Geschichte zu finden.
Von kreisförmiger Struktur hingegen sei der Prosatext „Selbstbildnis für eine ferne Mutter“ (http://www.kirchheimverlag.de/poesie/said-selbstbildnis/said-selbstbildnis.htm ) des Iraners SAID, der seit vielen Jahren in München im Exil lebt und die deutsche Sprache als seine „Behausung“ begreift. „Dadurch veranschaulicht er die ausschweifenden Gedankenschlaufen in diesem Text, was eher ungewöhnlich für westliche Literatur ist. Der Kontrast zwischen dieser Art zu Schreiben und der deutschen Sprache ist eine große Bereicherung“, schwärmt Nicole Bary.
Auf die oft und dieses Jahr auch während der europäischen Literaturtage diskutierte Frage, ob es eine europäische Literatur gebe, hat die Verlegerin eine pragmatische Antwort. Sie sei die Summe aller in europäischen Sprachen verfassten und in eben diese Sprachen übersetzten Werke. Und dazu leistet sie mit ihrer Arbeit einen schönen Beitrag.