This problem has been woefully overlooked in literary critical discourse: namely, with regard to what publishers deem worthy of translation in the first place, and whether the translated literature is representative for production in the different countries, which are uniformly viewed inside Germany and Austria as Eastern European, thanks to a hopelessly cultural-imperialist attitude. In post-1989 Austria this view was even in slightly sharper focus. At this point, the cultural and political motivation was to link up idealistically with the monarchy after 70 years, and to newly inaugurate Central Europe or the Danube region as an intellectually associated area – with Vienna as the centre, of course. The project failed, not least because to the surprise of Austrians, old wounds surfaced again among the neighbours in the Czech Republic, Slovakia, Hungary and Slovenia. They could never tolerate each other even during the Habsburg era. However, that did nothing to alter the fact that for East European literature to gain the backing of German and Austrian publishers it should largely confirm Western ideas about the East. At least, in the majority of cases. Such ideas were backdated in cultural and historical terms – at least as far back as the 19th century when in the context of nationalism it was customary to refer to the Slavic soul. This stereotype was not as vicious as anti-Semitism, and yet precisely because of that it became more callous over the generations: melancholy, deviousness, talent for improvising, hot-blooded, hard drinking, fatalism – all these qualities were ascribed to the Slavic soul. And the Hungarians and Romanians were more or less included in this.
If you are aware of this, you see why some writers suddenly – often with the first translated book – became well known, while for others it takes decades and plenty of translated books to get noticed by the critics. Not to mention a wide readership. The Slovenian writer, Drago Jančar (b. 1948), belongs to the latter group. Since the late 1980s his novels, narratives and essays have appeared in German translation, first with a small publishing house owned by Lojze Wiese, a Slovenian from Carinthia based in Klagenfurt. Then, for about 15 years Jančar has been associated with the slightly bigger Folio Verlag in Bozen – although in German-speaking publishing circles Folio still largely goes unnoticed. In the publishing sector – irrespective of the publisher’s dedication – small is equated with: modest sales structures, a weak presence in the book trade, a small advertising budget and problems with coverage in the national media. All attempts to attract the big German publishers to Drago Jančar have failed. It’s of no consequence that he has been repeatedly described as the most important Slovenian contemporary writer. Others, 20, 30 years younger writers from former Yugoslavia have long since overtaken him: the Croat, Miljenko Jergović, Aleš Šteger from Slovenia – and of course, those who left their country during the war in the 1990s, in particular, Dubravka U.
ELit Blog: Drago Jančar – celebrated in Slovenia and all across ex-Yugoslavia Drago Jančar in France
Klischeeverweigerung. Über die Rezeption der Bücher Drago Jančars im deutschen Sprachraum.
Der Erfolg osteuropäischer Literaturen im deutschen Sprachraum hängt unmittelbar mit Erwartungshaltungen und – ja, auch – Klischees zusammen, die sich deutschsprachige Verlage vom Osten machen. Dieses Problem wurde innerhalb der Literaturkritik viel zu wenig diskutiert: was nämlich den Verlagen überhaupt als übersetzenswert erscheint und ob die übersetzte Literatur repräsentativ ist für die Produktion in den verschiedenen Ländern, die in Deutschland und Österreich mit unverbesserlich kulturimperialistisch getrübtem Blick als osteuropäisch vereinheitlicht wird. In Österreich war nach 1989 dieser Blick sogar etwas klarer. Hier gab es kulturpolitische Bestrebungen, nach 70 Jahren ideell an die Monarchie anzuknüpfen und Mitteleuropa bzw. den Donauraum als geistig zusammengehörige Region neu zu installieren. Natürlich mit Wien als Zentrum. Das Projekt scheiterte, nicht zuletzt deshalb, weil, zur Überraschung der Österreicher, bei den Nachbarn in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien alte Wunden wieder aufbrachen. Man hatte einander schon während der Zeit unter den Habsburgern nie leiden können. Das änderte jedoch nichts daran, dass Literatur aus Osteuropa, wenn sie in deutschen und österreichischen Verlagen Aufnahme finden wollte, vor allem Vorstellungen des Westens vom Osten bestätigen sollte. Mehrheitlich jedenfalls. Vorstellungen, die kulturgeschichtlich weit zurückreichen – zumindest bis ins 19. Jahrhundert, wo im Zuge des Nationalismus von der slawischen Seele die Rede war. Von einem Stereotyp also, das nicht so gehässig war wie der Antisemitismus, das sich aber gerade deswegen über Generationen verhärtet hat: Melancholie, Verschlagenheit, Improvisationstalent, heißes Blut, Trinkfestigkeit, Fatalismus, all das wurde dieser slawischen Seele unterstellt. Wobei die Ungarn und Rumänen mehr oder weniger dazugezählt wurden.
Wenn man das weiß, versteht man, warum manche Autoren schlagartig, oft mit dem ersten übersetzten Buch schon, bekannt werden, und andere Jahrzehnte und viele übersetzte Bücher brauchen, um von der Kritik wahrgenommen zu werden. Von einem breiten Publikum ganz zu schweigen. Zu diesen gehört der Slowene Drago Jančar, Jahrgang 1948. Seit Ende der achtziger Jahre erscheinen seine Romane, Erzählungen und Essays in deutscher Übersetzung, zuerst im kleinen Verlag des in Klagenfurt ansässigen kärntnerslowenischen Verleger Lojze Wieser, seit etwa 15 Jahren im etwas größeren, in der deutschsprachigen Verlagslandschaft jedoch immer noch weitgehend unauffälligen Folio Verlag, der in Bozen beheimatet ist. Und klein heißt nun einmal in der Verlagsbranche – unabhängig vom Engagement der Verleger: magere Vertriebsstrukturen, schwache Präsenz im Buchhandel, kein Werbebudget, Probleme bei der Wahrnehmung durch überregionale Medien. Versuche, Drago Jančar bei großen deutschen Verlagen zu platzieren, sind allesamt gescheitert. Da nützt es ihm nichts, dass er immer wieder als der bedeutendste slowenische Gegenwartsautor bezeichnet wird. Andere, 20, 30 Jahre jüngere Autoren aus dem ehemaligen Jugoslawien haben ihn längst überholt: der Kroate Miljenko Jergović, Aleš Šteger aus Slowenien - und natürlich jene, die während des Kriegs in den neunziger Jahren ihr Land verlassen haben, vor allem Dubravka Ugresić, Slavenka Drakulić, Aleksandar Hemon, Dževad Karahasan, David Albahari. Und schließlich gibt es die bereits integrierte Generation von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die ihr Herkunftsland als Kinder verlassen haben und in ihrer Literatur immer noch darauf Bezug nehmen: Saša Stanisić, Marica Bodrožić, Jagoda Marinić, Martin Kordić. Kurzum: die Konkurrenz ist groß und alle genannten Autorinnen und Autoren besetzen die Balkan-Nische (um es etwas gehässig zu formulieren) in großen Verlagen wie Suhrkamp, Hanser, Rowohlt oder Luchterhand. Und das ist kein Zufall, denn sie spielen dort genau die Rolle, die sie spielen sollen: entweder geht es um die anarchistische Seite der slawischen Seele, um die Melancholie, die im Heimatverlust gründet, oder um den Nationalismus in den Nachfolgestaaten.
Drago Jančar behandelt all diese Themen nicht direkt, sondern zumeist vermittelt in Form historischer Ereignisse. Er zeigt die Mechanismen von totalitärer Herrschaft, Verrat und Widerstand nicht anhand der Konflikte nach dem Zerfall Jugoslawiens, bei ihm gibt es keine slivowitzgetränkte Maßlosigkeit, keine Partisanenromantik und keine Politiker im Verbund mit dem organisierten Verbrechen. Es geht nicht einmal um slawische Verhältnisse, sondern um Menschlichkeit bzw. Unmenschlichkeit unter außergewöhnlichen Umständen. Insofern ist Jančar nicht der Chronist slowenischer oder jugoslawischer, sondern europäischer Verhältnisse, denn der Kontinent ist in seiner heutigen Gestalt das Produkt prekärer Machtverhältnisse, grober Irrtümer, rasanter technologischer Entwicklungen – ein faustisches Projekt, bei dem Aufklärung, Hybris und Fatalismus zusammenwirken. Mit seiner Literatur liegt er näher bei Ivo Andrić oder Miroslav Krleža, zwei modernen Klassikern des alten Jugoslawien, die gegenwärtig als Dinosaurier diffamiert werden. Warum? Weil ihre Literatur aus außerliterarischer Sicht keinen Zweck mehr erfüllt. Sie stiftet keine nationale Identität (mehr), sie ist nicht mehr repräsentativ für die Kultur eines Staates und sie erfüllt – aus der Sicht deutschsprachiger Verlage – nicht die Erwartungen, die an sie gestellt wird: vorgefasste Bilder und Meinungen zu bestärken. Auch mit Drago Jančars Büchern ist man schlecht bedient, wenn man auf Klischees setzt. Das ist gut, ist aber einer internationalen Karriere nicht zuträglich.
ELit Blog: Drago Jančar – celebrated in Slovenia and all across ex-Yugoslavia Drago Jančar in France