In January, when Joachim Schnerf published his novel “Cette nuit” – about Salomon, a Holocaust survivor, who must celebrate Jewish Passover for the first time without his late wife, Sarah – nobody could guess that a Jewish family in Paris would encounter a similar fate.
When Salomon wakes up on this day, he knows that a special evening lies ahead. As the oldest in the family, he must lead their Seder festival celebration on the eve of Passover to remember the release of the Jews from Egypt. The same as every year, he will read texts about the Israelites’ imprisonment and their flight from Egypt; he will dip celery in salt water to commemorate the tears of enslaved Hebrews. His grandchildren will ask him, “Why is this evening different to all the others?” Why is there only matzo? Why the bitter herbs? ... Every year, these traditions are relived and passed on. Yet, on this evening things are very different for Salomon. He is missing the most important person: Sarah, his beloved wife who recently died.
Sarah was from an educated middle-class family; she married Salomon, a Holocaust survivor, and had two daughters, Denise und Michelle. They couldn’t be more different and make their life hell. Sarah is the soul of the family; she knew how to ease almost any tension and accompanies Salomon throughout the novel. Sarah, the dead woman, is the most present in this story despite her absence.
“How should I survive this festival without her?” asks Salomon, and remembers many Seder evenings, which he spent with his wife. The very first one after the war, when only he and his aunt attended from his ‘decimated family’, and he was tormented by questions about his difficulties arising due to his time in Auschwitz. But Salomon doesn’t talk about this. “It’s impossible, I can only talk about the Shoah in jokes.” These make his family incandescent, but he cannot stop himself. “Do you know what was written above the entrance to the gas chambers in Sobibor? Mind the step!” Jewish humour in its cultural element that Salomon can only share with other Holocaust survivors at the Shoah café. But it doesn’t protect him from the images of horror that permanently interject in his mind with reality ... “a ready-made feast for every psychoanalyst.”
With equally biting humour, Jewish customs and characteristics are described in this novel. For instance, the difference between Ashkenazi Jews and Sephardic Jews. Patrick, Michelle’s husband, is “the moving cliché of an Ashkenazi (…), this type of Jew, who wants no problems with anyone, and who would rather have a swastika tattooed on his forehead than ask a child to turn down the volume of his radio.”
Denise’s Moroccan husband Pinhas, on the other hand, is characterized by ‘oriental lightness’ for which Salomon admires him immensely. “His parents were allowed to grill sardines on the beach, while we went up in flames. But at least he doesn’t look morbid when I laugh about Auschwitz. Sephardic genius perhaps rests on this unshakeable lightness, and at times this nerve-racking carelessness. But ultimately the Sephardic Jews are still persecuted, and how would they have survived without humour?”
The reader is confronted in this novel with the essential aspects of Jewish life regardless of whether or not he is familiar with Jewish customs. He sits with the characters around the table when Salomon’s family meets for the Seder fest. Thanks to the evocative descriptions he can imagine the sound of the prayers and the taste of the symbolic foods. He can freeze like a pillar of salt or laugh aloud when Salomon tells “jokes from the concentration camp”.
Joachim Schnerf, born in 1987 in Strasbourg, was the grandchild of a Holocaust survivor. He wanted to share this in precise detail – and this is important when Antisemitism is resurgent again in Europe. Most people are not familiar with everyday Jewish life. This is also one reason why clichés like ‘all Jews are rich’ are so insidious. In March this year, this is exactly why an 85-year-old Holocaust survivor, Mireille Knoll, became a victim who was stabbed in her Paris apartment because of greed for money. It was an Antisemitic act; and for the first time in France it also sent shock waves beyond the Jewish community. “The fact that, shortly after my novel was published, this family had to celebrate the Seder festival without their grandmother is obviously a sad coincidence”, remarks Joachim Schnerf in an interview. “But it’s high time that the subject of Antisemitism is openly discussed again and taken seriously.”
Translated by Suzanne Kirkbright
Joachim Schnerf
Cette nuit
Éditeur: Zulma 2018
Als Joachim Schnerf im Januar seinen Roman „Cette nuit“ über den Holocaustüberlebenden Salomon veröffentlichte, der das jüdische Pessach-Fest zum ersten Mal ohne seine verstorbene Frau Sarah feiern muss, konnte niemand ahnen, dass ein ähnliches Schicksal einer jüdischen Familie in Paris tatsächlich widerfahren sollte.
Als Salomon an diesem Tag aufwacht, weiß er, dass ihm ein ganz besonderer Abend bevorsteht. Als Familienältester muss er im Beisein seiner Familie den Sederabend begehen, jenen Vorabend und Auftakt des Pessach-Fests, mit dem des Auszugs der Juden aus Ägypten gedacht wird. Wie jedes Jahr wird er Texte über die Gefangenschaft der Israeliten und deren Flucht aus Ägypten lesen, wird er Sellerie in Salzwasser tunken, in Gedenken an die Tränen der versklavten Hebräer und werden seine Enkel ihn fragen, „Weshalb ist dieser Abend anders als alle anderen?“ Warum nur Matze? Wozu die bitteren Kräuter?... Traditionen, die jedes Jahr aufs Neue gelebt und weitergegeben werden. Doch an diesem Abend ist tatsächlich alles anders für Salomon. Denn es fehlt die ihm wichtigste Person: Sarah, seine geliebte Frau, die vor kurzem verstorben ist.
Sarah aus gutbürgerlichem Elternhaus, die den Holocaustüberlebenden Salomon heiratete und mit ihm die beiden Töchter Denise und Michelle bekam, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich das Leben zur Hölle machen. Sarah, die Seele der Familie, die fast jede Spannung auszugleichen wusste und Salomon durch den ganzen Roman begleitet. Sarah, die Tote, die trotz ihrer Abwesenheit die präsenteste Figur in dieser Geschichte ist.
„Wie nur soll ich dieses Fest ohne sie überstehen?“, fragt Salomon und erinnert sich an die vielen Sederabende, die er mit seiner Frau verbracht hat. Den allerersten, direkt nach dem Krieg, an dem nur er und seine Tante aus seiner „dezimierten Familie“ teilnahmen und ihn seine Schwiegereltern mit Fragen über seine Zeit in Auschwitz löcherten. Doch darüber spricht Salomon nicht. „Unmöglich, die Shoah kann ich nur in Witzen erzählen“. Diese bringen seine Familie zur Weißglut, doch er kann sie nicht lassen. „Wisst ihr, was über dem Eingang der Gaskammern in Sobibor stand? Vorsicht, Stufe!“ Jüdischer Humor in Reinkultur, den Salomon nur mit den anderen Holocaustüberlebenden aus dem Shoah-Café teilen kann. Doch schützt er ihn nicht vor den Bildern des Horrors, die sich in seinem Kopf permanent mit der Wirklichkeit überlagern … „ein gefundenes Fressen für jeden Psychoanalytiker.“
Mit ebenso beißendem Humor werden in diesem Roman auch jüdische Bräuche und Besonderheiten beschrieben. Der Unterschied zwischen Aschkenasen und Sepharden zum Beispiel. Patrick, Michelles Ehemann, ist „das wandelnde Klischee eines Aschkenasen (…), dieser Typ von Jude, der mit niemandem Probleme haben will und sich lieber ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowieren ließe, als ein Kind darum zu bitten, sein Radio leiser zu stellen“. Denises marokkanischer Mann Pinhas dagegen ist von „orientalischer Leichtigkeit“, wofür Salomon ihn überaus schätzt. „Seine Eltern dürften am Strand Sardinen gegrillt haben, während wir in Flammen aufgingen, aber wenigstens setzt er keine Grabesmiene auf, wenn ich über Auschwitz lache. Das sephardische Genie beruht vielleicht gerade auf dieser unerschütterlichen Fröhlichkeit, dieser manchmal nervtötenden Sorglosigkeit. Aber die Sepharden sind schließlich auch nur Vertriebene, und wie hätten sie ohne Humor überleben sollen?
Der Leser, ganz gleich, ob er mit jüdischen Gebräuchen vertraut ist oder nicht, kommt in diesem Roman mitten rein ins jüdische Leben. Er sitzt mit am Tisch, wenn Salomons Familie am Sederabend zusammenkommt. Dank der sinnlichen Beschreibungen kann er sich den Klang der Gebete und den Geschmack der symbolträchtigen Speisen vorstellen. Zur Salzsäule erstarren oder mitlachen, wenn Salomon „KZ-Witze“ reißt.
Joachim Schnerf, 1987 in Straßburg geboren und selbst Enkel eines Holocaustüberlebenden, wollte genau das teilen, und in Zeiten wiederaufkommenden Antisemitismus in Europa ist das wichtig. Denn die meisten kennen jüdisches Alltagsleben nicht, was auch ein Grund dafür ist, das sich Klischees wie „alle Juden sind reich“ hartnäckig halten. Genau diesem fiel im März dieses Jahres die 85-jährige Holocaustüberlebende Mireille Knoll zum Opfer, die aus Geldgier in ihrer Pariser Wohnung erstochen wurde. Eine antisemitische Tat, die in Frankreich erstmals auch über die jüdische Gemeinde hinaus für Entsetzen sorgte. „Dass auch diese Familie, kurz nach Erscheinen meines Romans, den Sederabend ohne ihre Großmutter feiern mussten, ist natürlich ein trauriger Zufall“, sagt Joachim Schnerf in einem Interview, „aber es ist höchste Zeit, dass das Thema Antisemitismus wieder offen diskutiert und ernst genommen wird.“
Joachim Schnerf
Cette nuit
Éditeur: Zulma 2018