But something is now missing: and that is the middle-class attitudes that formed the background against which the literary events of the Styrian Autumn took place and which definitively shaped them as institutions that were a ‘must’ for men of letters. This was brought to mind when I read Ilja Brauns book Basic Income or Copyright? Creative Work in the Digital World (Grundeinkommen statt Urheberrecht? Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt), which was published in March. I was particularly struck by the section where he develops Jürgen Habermas’s proposition that the growth of capitalist society in the 19th century not only enabled economic empowerment but also brought in its wake the intellectual empowerment of the middle-class intelligentsia. The emergence of middle-class society created a space for literary discourse outside the realms of trade and the economy (a consequence of the notion of middle-class private life). Newspaper arts pages, magazines and literary salons developed independent of the economy and the middle-class could afford to be a critical counter-community: both a corrective to, and a justification of, the power of money.
This was how it was in the annual Styrian Autumn up to the 1990s. Literature and art were part of a critical counter-community that, as far as possible, debated freely and effectively the values of our society. This literary middle-class is disappearing. To bring it back to life can only be achieved via the Internet and the heightened quality of public dialogue this creates. What’s needed, according to Ilja Braun, is a new Net economy, inspired by the ideas of the 19th-century middle-class. What’s required is an Internet freed up from economic pressures; an internet that can afford platforms and stakeholders – the men and women of letters – whose basic ideas are protected, whilst still allowing others the free use of the content they create. This has to be financed by very different methods from the normal economy.
I would like to add that a free, online community, which embraces virtual as well as real terms dialogue will create a new space for conversation for men and women of letters. Infos zum Buch von Ilja Braun
Translated by Max Easterman
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Meine Erinnerung an den steirischen herbst in den 1980er Jahren lässt mich an etwas weitgehend verloren Gegangenes denken. Ich glaube nicht, dass die legendären Literatursymposien von damals gelungener waren als die aktuellen Europäischen Literaturtage in der Wachau. Im Gegenteil wirkt sich der europäische Horizont unserer Gegenwart befreiend und überaus belebend auf die Treffen in Spitz der Donau aus. Ich bin auch dagegen gefeit, eine Zeit zu idealisieren, in der das Aufstellen eines riesigen rostigen Nagels im Grazer Stadtpark oder ein Theaterstück einen Skandal auslösten und wilde Debatten um die Freiheit der Kunst und des Wortes nach sich zogen. Ich bin sogar davon überzeugt, dass heutige Literaturereignisse und Think Tanks in der Mehrzahl elaborierter, offener und reflektierter gestaltet sind als jene einer im Grunde autoritären Literaturszene von damals.
Verloren gegangen ist aber die bürgerliche Öffentlichkeit, vor deren Hintergrund die Literatursymposien im steirischen herbst stattfanden und die sie als Institution der Hommes de Lettres entscheidend mitgestalteten. Die Erinnerung daran verdanke ich der Lektüre von Ilja Brauns Buch “Grundeinkommen statt Urheberrecht? Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt”, das vor einigen Wochen erschienen ist. Besonders aufmerksam machte mich die Passage, da Braun entlang der Analyse von Jürgen Habermas heraus arbeitet, dass die Entstehung der kapitalistischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert nicht nur mit der Ermächtigung der Ökonomie, sondern auch der intellektuellen Selbstermächtigung der bürgerlichen Intelligenz einher ging. Mit der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft wurde ein Diskursraum außerhalb der Wirtschaft und des Handels geschaffen (ihm erst folgte die Idee der bürgerlichen Privatsphäre). Ja das Feuilleton der Zeitungen und Magazine und Salons passierte außerhalb der Welt der Ökonomie, das Bürgertum leistete sich eine kritische Gegenöffentlichkeit als Korrektiv und Legitimierung der Macht des Geldes.
Genau das geschah im jährlichen steirischen herbst bis in die 1990er Jahre. Literatur und Kunst nahmen als Teil der kritischen Gegenöffentlichkeit Anteil an einer möglichst freien und wirksamen Debatte um die Werte unserer Gesellschaft. Diese bürgerliche und literarische Öffentlichkeit ist heute am Verschwinden. Sie zu beleben, ist nicht denkbar ohne das Internet und die damit hinzugewonnene Qualität einer dialogischen Öffentlichkeit. Was es braucht, so Braun, ist eine neue Netzökonomie, die sich von der Idee der bürgerlichen Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts inspirieren lässt. Was es braucht, ist ein freies Internet außerhalb der ökonomischen Sphäre, das sich Plattformen und deren Akteure leistet – die Femmes und Hommes de lettre durch ein Grundgehalt absichert, bei gleichzeitiger freier Nutzung der Inhalten, die sie schaffen. Also finanziert wird abseits der Logik der Wirtschaft.
Ich möchte hinzufügen, eine vernetzte freie Öffentlichkeit, in welcher der virtuelle wie der Dialog an realen Orten verschränkt werden zu einem neuen Diskursraum der Femmes und Hommes de lettre. Infos zum Buch von Ilja Braun.