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Arnfrid Astel
Leda
Die Regentropfen auf geweihter Fläche des Wasservierecks einer runden Erde. Begriffen hat der Weiher seinen Stein. Das stille Wasser und die halben Kreise. Die Frösche quaken, und die Wasserwellen verraten, wo der Frosch verborgen ist. Die Binsen stehen in geweihtem Wasser. Die Lindenzweige nahen sich dem Glas, sie stoßen mit den Blüten an den Spiegel. Die Schwertel grüßt vom Ufer den Pirol. Der pfeift aus dem verborgenen Versteck. Die Schwäne peitschen auf das dunkle Wasser. Mit einem Flügel kommen sie nicht hoch. Zum Starten ist der Weiher viel zu klein. Im Wasserspiegel säubert sich der Gott für Leda, die ihn gleich empfangen wird. Den Gott umringt lebendiger Heiligenschein. Die schwarzen Wellen spiegeln sich im Flint. Zufrieden schwimmt ein Schwan auf seinem See mit einem Fuß und einem Sonnensegel.
Michael Buselmeier Im Jahr 2002 genoss Arnfrid Astel die Vorzüge eines späten Stipendiums in Wiepersdorf, ein einsam in Brandenburg gelegenes 200-Seelen-Dorf, das kaum einer beachten würde, stünde dort nicht auch das Stammschloss der Familie von Arnim. Der romantische Dichter Achim von Arnim ist hier 1831 gestorben, auch die Grabsteine seiner Frau Bettina und mehrerer Nachkommen haben sich neben der Schlosskirche erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts hat ein Enkel des Dichterpaars, ein Historienmaler, der ebenfalls Achim hieß, das Schloss im Stil des Barock umbauen lassen und den mit liebenswerten Skulpturen geschmückten Park – antike Götter und Zwerge aus Italien – angelegt. Für Astel ein idealer Ort der Poesie, wo sich klassisch-romantische Bildungstradition, Naturkunde und Mythologie zusammenfanden. Im Vorfrühling schritt er mit einigen älteren Künstlern, am liebsten jedoch allein, über die Äcker bei Hohenkuhnsdorf und sammelte Flintsteine in einem hellen Stoffbeutel, während die jungen, mit öffentlichen Wohltaten überhäuften Dichter aus Berlin und Leipzig sich langweilten und mit der engmaschigen Überlieferung nicht viel anzufangen wussten. Einige verliefen sich im Rotkäppchenwald zwischen Kiefern und Sanddünen. Es gab auch eine verfallene russische Raketenstellung im Wald zu entdecken, die mit Klärschlamm angefüllt war. In dieser Märchen- und Militärwelt ist Astel als Jäger und Sammler umhergeschweift, wissbegierig witternd wie ein Schmetterling, der nie lange an einer Stelle verweilte. Er hat fortwährend über Natur und Landschaft in strenger epigrammatischer Form geschrieben. Im vorgestellten Gedicht handelt es sich um Blankverse von klassischer Schönheit und Ruhe, oft in Spiralform gewunden; subtile Wahrnehmung und Deutung von Pflanzen, Tieren, Sternbildern, Steinen: „Die Linde reicht der Eiche einen Finger. / Die schön verzweigten Blätter rührt der Wind.“ Der Mythos von Leda und dem göttlichen Schwan, der sie verführt, ist in der Kunstgeschichte seit der Renaissance ein beliebtes erotisches Motiv. Astels (für seine Verhältnisse recht langes) Gedicht spielt am Rand eines viereckigen Wasserbeckens, auf dem Halbkreise erscheinen, von Regentropfen oder Fröschen ausgelöste Wasserwellen; es könnte sich auch um auf Steinen angebrachte Schlagwellen der Maurer handeln. In der Mitte des Gedichts grüßt die Schwertel (ein Schwertliliengewächs) vom Ufer aus den Pirol, der sich mit seinem grellgelben Federkleid nur unzureichend verstecken kann. Der Gott jedoch säubert sein Gefieder „für Leda, die ihn gleich empfangen wird.“ Noch steht er keusch neben ihr. Der „lebendige Heiligenschein“, der ihn „umringt“, könnte das schwarze Gewirr der noch blattlosen Baumzweige sein, das sich im Teich spiegelt. Vor wenigen Wochen ist mein Freund Arnfrid Astel für uns alle überraschend gestorben. Seine ironisch-jugendliche Aura ist seither verschwunden für die, die er vielfältig gefördert hat. Prangt er nun auch, wie all die verwandelten Götter, Heroen und Tiere am Himmelzelt, „im Sternenhaus“? Die Literaturkritik hat ihn stiefmütterlich behandelt. Teile seines lyrischen Werks sind noch immer unveröffentlicht. Todesboten wie Amsel und Grille sind darin allgegenwärtig. „Geh ich vorüber, / verstummen die Zikaden. / Bin ich vorüber, / singen sie weiter. / Hör ich sie schaben, / muß ich verstummen. / Sterben die Sänger, / singe ich weiter. / Sterbe ich selber, / singen sie mich.“ Arnfrid Astel wurde am 9. Juli 1933 in München geboren. Er studierte in Freiburg und Heidelberg Biologie und Literatur. Von 1959 bis 1970 gab er die Lyrischen Hefte heraus, von 1967 bis 1998 leitete er die Literaturabteilung des Saarländischen Rundfunks. Er veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände. Am 12. März 2018 starb er in Trier. Das vorgestellte Gedicht stammt aus dem Band Götter im Schlosspark. Blankverse aus Wiepersdorf, mit Fotos von Klaus Behringer, Saarbrücken 2013. Kommentar, 01.06.2018
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