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Clemens J. Setz
Motte
Michael Buselmeier Ein knappes Gedicht, ein Aphorismus beinah, der zur hermeneutischen Auslegung geradezu einlädt. Ohne die titelspendende „Motte“, die in der „Flamme“ verglüht ist und erfahrungsgemäß nicht mehr „zurückkehrt“, würde der Leser wahrscheinlich lange rätseln, wer hier gemeint sein könnte. Die Motte dient als Zeichen für Menschen und Tiere, die uns, vermutlich für immer, verlassen haben oder uns jäh entrissen wurden, auf deren Wiederkehr wir aber absurderweise, im Vertrauen auf die optimistische Parole „Stirb und werde!“, weiterhin warten. Die Motte könnte für einen Freund oder Verwandten stehen, der sich leichtsinnig in eine „flammende“ Gefahr begab und darin unterging. Sie könnte, ebenso wie der Schmetterling, die menschliche Seele vorstellen, die selbst der Gesang eines Orpheus kaum aus dem Hades zurückrufen dürfte. Was mag von ihr übriggeblieben sein? Vielleicht etwas Asche vom Flügel, eine blasse Erinnerung … „Wer je die flamme umschritt / Bleibe der flamme trabant!“, verfügt unerbittlich Stefan George. In dem Fall wäre der Dichter selbst eins mit der verzehrenden dämonischen Flamme, und der ihm verfallene Jüngling bliebe auf Dauer in seinen Umkreis gebannt. Wie Clemens Setz' umfangreiche Prosaarbeiten berichten auch seine Gedichte von einer geheimnisvollen Parallelwelt, einer verbotenen Zone gleichsam, die man nicht ohne Gefahr, in ihr zu verschwinden, betritt. Die Stimmung wirkt angekränkelt, auch etwas wehmütig, die Geschichten, ebenso die Gedichte, enden häufig mit einer schrillen Pointe, wenn etwa das größte Riesenrad Europas beschworen wird „mit seinen hell erleuchteten Kabinen / aus denen die Menschen fallen.“ Die kleinen Lebewesen zappeln ein wenig puppenhaft im Spinnennetz, sie sind unvernünftig, wollen oder können aus ihren Niederlagen nichts lernen. Setz' Gedichte kennzeichnet ein kühler, lockerer, epischer Gestus. Sie erzählen, oft breit, von seltsamen Begegnungen und absurden Vorfällen im Alltag. Bestimmend ist ein Übermaß an Skurrilem und Grausigem. Der vorgestellte Vierzeiler zählt zum kleineren Teil der knappen, präzis gefassten Texte. Ein genuiner Lyriker im historischen wie auch im aktuellen Verständnis, also einer, der aus Selbstzweifel vor allem die Sprache und deren Verhältnis zur realen Welt reflektiert, ist der Epiker Setz nicht (er hat 2012 mit „Indigo“ einen faszinierenden Roman vorgelegt). Die internen Probleme der Lyrik und ihrer Herstellung lassen ihn kalt. An den pathetischen Heldengestalten der Dichtung (Goethe, Hölderlin, Trakl, Rilke) arbeitet er sich nicht ab. Er schreibt auch keine dunkle Ich- In einem der Texte ist ein Haustier, vermutlich ein steinalter Kater, gestorben, und dessen trauernde Hinterbliebene suchen nun „in Schutzkleidung“ alle seine verwahrlosten Lieblingsplätze auf, noch „die versteckteste / Stelle unter dem Bett.“ Und „kinderlose Papageien / die frei in der Wohnung fliegen“, versuchen „Schuhe zu füttern“, die sie „für offene Schnäbel“ halten – ein zu Tränen rührendes Unternehmen. Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren. Er studierte Mathematik und Germanistik und lebt als Übersetzer und Schriftsteller in Graz. Das vorgestellte Gedicht stammt aus dem Band „Die Vogelstraußtrompete“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. Druckansicht
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