In Hamburg I have this one friend. He was my housemate, well sort of; he was a fellow housemate’s boyfriend who lived part-time with us. He was an engineer, and I never did have or now have many engineer friends, except for him. He read. I read. That’s how the friendship worked. We left each other books by the door that we’d finished reading. At weekends we rummaged around for hours in book stores and flea markets, returning home in the evening with our prize, heated a Gorgonzola pizza and flung about writers’ names and book titles, read paragraphs out loud to each other and compared underlined sentences. If we hadn’t seen each other for a long time, the first question was never, “How are you?”, but “What have you read recently?” I inevitably read whatever he recommended and I hurled insults at him about the tips, which I didn’t like.
So here I was sitting with two friends and Amazon took over this job. I entered a name and Amazon spewed out five others: you might also be interested in… Customers, who purchased this book … and so on. I typed in the first three letters and Amazon spat out the writers’ names. My friend’s shopping list told me what she had read and her wish list revealed what she was in the mood to read. I was annoyed, more as a matter of principle than out of conviction; I found it incredibly practical. For the first time in months I had to think of my friend in Hamburg – Amazon was a little like him. Only an hour beforehand and I was ranting about e-readers. Pages that whisper to you just can’t be replaced by screens; coffee stains on the pages revealed tell-tale signs of how you read, and how the coffee was spilled because you couldn’t put the book down at breakfast. But you can cope without a book lover that gives tips based on algorithms.
Translated by Suzanne Kirkbright
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Ich saß auf der Couch, sprach mit zwei Freundinnen über Bücher, über gelesene und vergessene, über zu lesende und zu vergessende, über Sätze, die bleiben würden, und Geschichten, die zu eigenen geworden waren, über Seiten, durch die man sich gequält hatte wie durch tiefen Schnee bei einem Winterspaziergang, und Erinnerungen, die nur noch ein vages Gefühl waren, Buchtitel tauchten auf, vermischten sich mit Coverbildern, und die Buchstaben der Autorennamen veränderten unerlaubterweise die Reihenfolge. Eine von uns hielt ihr Handy in der Hand, Amazon half. Ich schreckte zusammen.
In Hamburg habe ich diesen einen Freund. Er war mein Mitbewohner, so halb, er war der Freund meiner Mitbewohnerin und wohnte ein wenig bei uns mit. Er war Ingenieur, und ich hatte und habe nicht viele Ingenieurfreunde, aber ihn. Er las. Ich las. So einfach war die Freundschaft. Wir hinterließen einander Bücher vor der Zimmertür, ausgelesene, und kramten am Wochenende stundenlang in Bücherläden und auf Flohmärkten herum, kehrten abends mit unserer Beute heim, machten eine Gorgonzola-Pizza warm und schmissen mit Autorennamen und Buchtiteln hin und her, lasen einander Absätze vor und zeigten unterstrichene Sätze. Wenn wir uns lange nicht gesehen hatten, so war die erste Frage niemals „Wie gehts dir?“, sondern „Was hast du gelesen in letzter Zeit?“. Was er mir empfahl, las ich unweigerlich, und die Empfehlungen, die ich nicht mochte, warf ich ihm an den Kopf. Nicht im übertragenen Sinne.
Nun saß ich mit zwei Freundinnen zusammen, und Amazon übernahm diesen Job. Ich gab einen Namen ein, und Amazon spuckte mir fünf weitere aus: Das könnte Sie auch interessieren. Kunden, die diesen Titel gekauft haben, und so weiter. Ich tippte die ersten drei Buchstaben ein, und Amazon spuckte den Autorennamen heraus. Die Einkaufsliste meiner Freundin erzählte mir, was sie gelesen hatte, und ihre Wunschliste, wonach ihr der Sinn stand. Ich ärgerte mich, mehr aus Prinzip, denn aus Überzeugung, ich fand es wunderbar praktisch. Ich musste seit Monaten das erste Mal an meinen Freund in Hamburg denken, Amazon war ein bisschen wie er. Es war nur eine Stunde zuvor gewesen, da hatte ich noch eine eine flammende gegen E-Reader gehalten, flüsternde Seiten ließen sich doch nicht durch Bildschirme ersetzen, Kaffeeflecken auf diesen, die die Lesegeschichte des Buches erzählten, Kaffee, den man verschüttet hatte, weil man auch beim Frühstück nicht aufhören konnte zu lesen. Ein Bücherfreund durch Empfehlungen eines Algorithmus aber schon.