Only the Narrative is True 1

Fairy tales generally promise a ‘happy ever after’ ending, almost an ‘endless summer’. This is exactly what the title of Madame Nielsen’s novel hints at. However, as with all fairy tales the same caveat applies: ‘If they haven’t died’. In this sense, The Endless Summer will also have an ending.

Fairy tales generally promise a ‘happy ever after’ ending, almost an ‘endless summer’. This is exactly what the title of Madame Nielsen’s novel hints at. However, as with all fairy tales the same caveat applies: ‘If they haven’t died’. In this sense, The Endless Summer will also have an ending.

The Danish writer promises a summer “in which there is no time and space expands and fills everything”. This dream befalls a group of protagonists who gather on a country estate in the Danish province. It’s the 1980s, although this is not so important. They live through a fairy tale that begins when the wicked stepfather leaves the family. The mother is queen, and she gets her youthful prince consort. Then, there is her daughter, a good-looking youth and most importantly “the young boy, who is perhaps a girl”. They are all lifted out of reality for a moment where their beauty and talents unfurl. They dream about the future, but timelessness has no ‘later’. “Mankind’s fall from grace is not the bite in the apple”, announces the narrator, “but the idea of a life after this here and now”. So, death will overtake everyone in this fairy tale.

Madame Nielsen’s The Endless Summer is an eerily beautiful and wonderfully idiosyncratic book in which a narrator confidently keeps all the threads in hand and subtly arranges them. She knows everything about her characters, letting them enter and leave as she likes, because it’s down to her to conjure up the narrative of this story. What exactly happens at the country estate is not so important; it’s mainly about this endless moment that must be tasted to the full.

Madame Nielsen has fine antennae for changeable, dubious moods that associate her with Proust, Woolf, David Lynch or the Icelandic poet Sjón. She makes no secret to her readers that the story also sounds quite kitschy. She precisely captures the fluctuations between passion and melancholy. The endless summer lasts longer than a single summer, but it’s not endless. Ultimately, reality returns: the queen stays true to herself, the handsome youth dies of Aids, the girl sinks into dull resignation. Ecce homo. There only remains “the young boy, who is perhaps a girl”. The story begins with him only (almost) to forget him again. Perhaps, this is because a big part of this boy lurks in the narrator or even the writer herself.

The Endless Summer enchants its readers with an intensity that, in the end, leaves you waking up as though from a curious, yet coherent dream. You rub your eyes and wish for nothing other than to welcome back this endless summer. The narrative, as this book signals, is the only saviour of time.

Translated by Suzanne Kirkbright

Madame Nielsen: The Endless Summer. Translated by Gaye Kynoch. Open Letter 2018. (Den Endeløse Sommer was published in 2014).

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Wahr ist einzig das Erzählte 1

Märchen enden gerne mit einer Formel, die ewiges Leben verspricht: einen „endlosen Sommer“ gewissermassen. Genau das verheisst der Roman von Madame Nielsen schon im Titel. Doch wie für alle Märchen gilt auch hier der Vorbehalt: „Wenn sie nicht gestorben sind“. In dem Sinn wird auch „Der endlose Sommer“ ein Ende haben.

Die dänische Autorin verheisst einen Sommer, „in dem es keine Zeit gibt und der Raum sich ausdehnt und alles ausfüllt“. Dieser Traum widerfährt einer Gruppe von Menschen, die sich auf einem Gutshof in der dänischen Provinz zusammenfinden. Es sind die1980er Jahre, aber so wichtig ist das nicht. Sie erleben ein Märchen, das beginnt, als der böse Stiefvater die Familie verlässt. Die Mutter ist die Königin, sie erhält ihren jugendlichen Prinzgemahl. Weiter sind da ihre Tochter, ein schöner Jüngling und vor allem der „scheue Junge, der vielleicht ein Mädchen ist“.  Sie alle werden aus der Wirklichkeit für einen Moment herausgehoben, in dem sich ihre Schönheit und ihre Talente entfalten. Sie träumen von der Zukunft, doch die Zeitlosigkeit kennt keine „später“. „Nicht der Biss in den Apfel ist der Sündenfall“, bekundet der Erzähler: „Sondern die Vorstellung von einem Leben nach diesem einen Jetzt“. So wird der Tod alle holen in diesem Märchen.

Madame Nielsens „Der endlose Sommer“ ist ein schaurig schönes und herrlich schräges Buch, in dem eine Erzählerin souverän alle Fäden in der Hand hält und sie subtil ordnet. Sie weiss alles über ihre Figuren, lässt sie auf- und abtreten, wie es ihr gefällt, weil es allein an ihr liegt, diese Geschichte erzählend heraufzubeschwören. Es ist gar nicht so wichtig, was genau auf dem Hof geschieht, es geht zuallererst um diesen endlosen Augenblick, der ganz ausgekostet werden muss.

Madame Nielsen verfügt über feine Antennen für wechselhafte, zwielichtige Stimmungen, die sie mit Proust, Woolf, David Lynch oder dem Isländer Sjón verbinden. Sie verheimlicht den Lesern gegenüber nicht, dass die Geschichte auch etwas kitschig klingt. Präzis fängt sie die Schwankungen zwischen Leidenschaft und Melancholie ein. Der endlose Sommer dauert länger als einen Sommer, endlos aber ist er nicht. Schliesslich kehrt die Wirklichkeit zurück: Die Königin bleibt sich selbst treu, der schöne Junge stirbt an Aids, das Mädchen versinkt in dumpfer Resignation. Ecce homo. Bleibt noch der „scheue Junge, der vielleicht ein Mädchen ist“. Mit ihm beginnt die Erzählung, nur um ihn (beinahe) wieder zu vergessen. Vielleicht, weil in der Erzählerin oder gar in der Autorin selbst ein grosses Stück von diesem Jungen steckt.

„Der endlose Sommer“ bezaubert seine Leser mit einer Intensität  (– notabene vortrefflich ins Deutsche übersetzt) –, die einen am Ende wie aus einem sonderbaren, doch absolut stimmigen Traum aufwachen lässt. Man reibt sich die Augen und wünscht sich nichts mehr als diesen endlosen Sommer zurück. Die Erzählung, signalisiert dieses Buch, ist die einzige Rettung der Zeit.

Madame Nielsen: Der endlose Sommer. Roman. Aus dem Dän. von Hannes Langendörfer. Kiepenheuer & Witsch 2018. (Das Buch erschien 2014 im dänischen Original.)

Beat Mazenauer

Beat Mazenauer, born 1958, Swiss literary critic and networker. He is director of SwissLiterature (http://www.swissliterature.ch).

Beat Mazenauer, geboren 1958, Schweizer Literaturkritiker und -netzwerker. Er ist Leiter des Webportals LiteraturSchweiz (http://www.literaturschweiz.ch).

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