Anatomie der Korrumpel
Sie hat etwa eine Körperhöhe von 2,5 cm, so sie (das ist der Fachterminus, ich kann nichts dazu) “angedockt” hat. Als Freiläufer vermag sie sich auf 15 cm zu strecken, ergibt also einen auch für Bayern akzeptablen Gnom, der weniger mit dem Kinder-Shrek als mit Pumuckl verwandt ist, aber dessen anarchisches Gemüt auf das moralischste ablehnt. Die Korrumpel paßt sich nämlich gern an und m u ß das auch, schon aus infektiösen Gründen. Am Körper getragen sieht ihre Tarnung s o aus:
Deutlich ist die Ein- und Austrittsstelle der Korrumpel zu erkennen; deshalb gehen befallene Personen gerne bedeckt. Wer sich vor Ansteckung schützen möchte, meide deshalb Literaturbetriebsler mit Schals und für die Witterung ungewöhnlicher Bekleidung. Die vom Laich der Korrumpel hervorgerufene Irregularität ist eine sehr tiefgehende, knotige Schnittstelle mit zentraler Einschmelzung für andere Korrumpelwirte. Sie dient dem Gnom als Puppe und wird besonders gern von Juroren literarischer Wettbewerbe, in Redaktionen und Akademien getragen, u. zwar einzeln oder gehäuft, evtl. schubweise; vgl. Karbunkel. Auch beste Freunde sind davor nicht gefeit; plötzlich leiden auch sie an so einem Ding und müssen sich aus purer Scham und Selbstschutz handgemein machen. Deshalb finden sie sich plötzlich in Juries wieder, von denen sie selbst keine zwei Monate vorher mit Verve bepriesen wurden. Man vergleiche die personale Zusammensetzung der wichtigsten Preiskommitees der letzten vier Jahre, um zu ermessen, mit welcher Geschwindigkeit die Korrumpel sich fortpflanzt. Und hat sie es getan – wir sind uns über ihr Geschlecht durchaus uneins, wahrscheinlich ist sie den Marmorkrebsen verwandt -, legt sie sich unvermittelt in der Paris-Bar in ihrem Pantoffel zur Ruhe. Und wieder trägt Otto Sander sie mütterlich heim.
herbst & deters fiktionäre

herbst & deters fiktionäre
albannikolaiherbst - Donnerstag, 17. Juni 2004, 21:19- Rubrik: DieKorrumpel
Trackback URL:
https://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/243677/modTrackback