Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Bis Okt. 2017 verboten)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Seit Okt. 2017 wieder frei)
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Ungaretti übersetzen. (1). Soldati.

Soldaten.

Wir fallen
wie im Herbst
von den Bäumen
die Blätter
Soldati

Si sta come
d'autunno
sugli alberi
le foglie
Diskussion und Anlaß bei >>>> parallalie.
parallalie meinte am 2006/08/09 14:21:
einspruch!
wer fällt ist tot. und schreibt keine gedichte. auch das "wir" ist nicht gut: es soll ja kein wir-gefühl beschrieben werden, sondern das eines einzelnen, verallgemeinert im "si". das explizite "fallen" nimmt dem gedicht seinen grund, denn das gedicht insgesamt drückt dieses wort aus, ohne es zu nennen.
in deiner version plumpst man vom baum. während das original einen assoziationsraum offen läßt. 
parallalie antwortete am 2006/08/09 14:29:
daß mich der haber steche: wollte grade in der ungaretti-ausgabe nach anmerkungen suchen, und finde nun seine übersetzung ins französische:

MILITAIRES

nous sommes tels qu'en automne sur l'arbre la feuille


alles in einer zeile... dennoch, das "fallen" ist auch hier nicht explizit genannt.

(die anmerkungen geben bloß die variante "militari") 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/09 14:30:
Das sehe ich völlig anders.
"Wir fallen" setzt jemanden voraus, der es sieht, also noch nicht gefallen i s t, aber doch zu den Fallenden dazugehört Das "wir"-Gefühl wiederum wird von dem sofort folgenden "fallen" geradezu aufgesogen, es ist schon gar nicht mehr da. Und das "fallen" nimmt sich in meiner Version über das Baum-Blätter-Bild als Todesbild zum Naturbild zurück. Zugleich bleibt es präsent in der M e n g e fallender Blätter. Dadurch ist meine Übersetungsversion s c h n e l l e r.

Es scheint mir geradezu nötig zu sein, wenn ich jetzt noch einmal überlege, dieses "fallen" zu nennen. Nur ist in meiner Version die Bewegung des Gedichtes sozusagen umgekehrt: Was Ungaretti ungesagt über das Ende des Gedichtes erreicht (und über den Titel festzieht), nehme ich in den Anfang und über das Ende zurück. In beiden Fällen stellt sich dadurch Ungarettis Melancholie ein. Und die Fremdheit, die Ungarettis Titel zu dem Gedicht hat, nimmt meine Übersetzung in das Gedicht selbst hinein. 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/09 14:38:
*ruft in den Kyberraum:
"P r u n i e r !!!" 
parallalie antwortete am 2006/08/09 14:55:
hier noch eine andere version, diesmal von Ingeborg Bachmann:

So
wie im Herbst
am Baum
Blatt und Blatt

geschrieben wurde das gedicht im Juli 1918 ("Bosco di Courton"): selber soldat mithin (in Frankreich in der Champagne), und im bewußtsein des fallens lebend. man soll aber auch nicht teufel an die wand malen. insofern eher das herstellen einer distanz zur eigenen kondition. 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/09 15:02:
Distanz in der Manier von Melancholie.
Das wird bei Bachmann nun völlig verloren. "Blatt und Blatt" läßt obendrein an "Blattschuß" denken, ein Begriff, der der Jagd zugehört und vom Krieg völlig wegführt. Zudem v e r k l e i n e r t "Blatt und Blatt" das Geschehen. Es ist fast das Gegenteil zu meiner Version: bei Bachmann wird das Gedicht statisch. Also das ist nun g a r keine Lösung. 
parallalie antwortete am 2006/08/09 15:49:
Stasera

Balaustrata di brezza
per appoggiare stasera
la mia melancolia

(22. Mai 1916)

besser, du sagtest, es ließe dich an "Blattschuß" denken, das "Blatt und Blatt". ich glaube, wir sollten davon ausgehen, daß jede übersetzung von gedichten, immer auch etwas über die rezeption beim übersetzer aussagt. kein gedicht läßt sich wörtlich übersetzen, was ich in meinem ausschlaggebenden beitrag (dein link oben zu mir) indirekt ankreidete. deine nicht-wörtlichkeit der übersetzung stellt sich auf die genau entgegengesetzte seite, wo ich aber den autor des originaltextes nicht wiedererkenne. zumindest meine version ist silbentreu, was schon viel ist. du wirft dem "es geht einem" gestelztheit vor. aber es ist für mich ein guter ausdruck für das unpersönliche in einem selbstgespräch mit sich selbst, in dem man das "ich" vermeiden möchte. ein gedicht ist ein selbstgespräch, ein sprechen nach innen. 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/09 16:02:
Es i s t kein Vorwurf.
Sondern "es geht einem" ist s p r a c h l i c h von anderer Form als "si sta come", denn das gedehnte "o" schon ist Klagelaut; dem wäre im Deutschen nur mit dem dem rituellen "Es geht dir" zu entsprechen... also präziser: "Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh,/wie dies stirbt,/so stirbt er auch" (AT, Prediger 3,19). Schau mal, fällt mir da ein, wie das ins Italienische übersetzt ist, vielleicht kommen wir so auf eine uns alle befriedigende Spur. Vielleicht hat Ungaretti genau d a r a u f angespielt. 
parallalie antwortete am 2006/08/09 18:06:
„tanto è vero che una sorte medesima tocca agli uomini come alle bestie...“

soweit zum Prediger. Keine assonanzen zu Ungaretti. Was mir hingegen zunächst einfiel, und womit ich mit meiner replik anfangen möchte, ist folgender gedanke: in deiner version erzählst du eine geschichte, die mit ihrem ende anfängt. Es ist eine handlung da. Bei Ungaretti hingegen wird ein bild beschrieben. Da hänge ich mir in gedanken an die wand ein bild mit blättern an einem baum im herbstwind. Titel: Soldaten. Darin ist sicher etwas melancholisches, weil es vergängliches illustriert. Eher schon eine memento mori.

Zum „si sta“: mich mit den ellebogen und der zigarette in der einen hand auf die fensterbank lehnend, um dem gewitter nachzulauschen, daß hier vorübergezogen ist, dachte ich ans verb „stare“, das man als allgemeines positionsverb („stato in luogo“) benutzt, und mit sitzen, stehen, liegen übersetzen kann, je nach dem. positionsverben sind dann auch hängen, stecken usw. es hat diese funktion. Allerdings kam es mir dann albern vor, die blätter am baume baumeln zu lassen. Aber sie hängen ja noch. Auf keinen fall aber ein „moto a luogo“, also kein setzen, legen, stellen.

Ein blick nach oben, dorthin, wo die blätter noch hängen. Erst der mensch, dann die jahreszeit, dann der baum, dann die blätter. Der mensch fällt, das jahr geht zu ende, der baum verliert seine blätter, von denen aber noch welche da sind.

Insofern könnte fast das „man“ akzeptiert werden, wollte man das richtige verb einsetzen: man hängt/baumelt/zittert wie im herbst an den bäumen die blätter.

Das „o“ in come sehe ich nicht so betont, als daß man es klagelaut interpretieren könnte. eher schon (und jetzt gehe ich „pro domo“ über das gedicht hinaus) assoziiere ich jetzt - im vergleich zu meiner version - Rilkes verse:

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


Am anfang sind die vokale lang wie die langen abende, wie die langen briefe, mit der unruhe werden die vokale kurz. Man muß es nur einmal sehr betont sich selbst laut vorlesen. Denselben vorgang gibt es in meiner version (gemerkt a posteriori), wo der einzige kurze vokal den blättern zukommt, den kurzlebigen, fallsüchtigen.

Weitergekommen? 
Prunier meinte am 2006/08/09 20:52:
die Soldaten
Ungarettis Gedicht

Entschuldigung, ich komme erst nach dem Kampf.
Ich wohne 20 Kilometer vom "Chemin des Dames", wo 1917 hunderttausende gestorben sind. Unsere Landschaft ist von deutschen und französischen Friedhöfen gesät...Ich kenne die Erde, habe die vergessenen Granaten hundert Jahre später mit der Hand berührt. Manchmal gehe ich durch die deutschen Friedhöfen um meine Stadt, lese laut die Namen vor, lese ihr Alter; viele waren kaum 18, ich habe einige bemerkt, die 17 Jahre alt waren. Wie ist es möglich gewesen? Haben sie gelogen, um sich zu engagieren? Ich pflücke auch Blumen für sie und nicht nur ich, andere tun es auch; wir wissen nicht warum. Die Stille, die hier herrscht, finde ich physisch sehr "occidental"; "occidere" ist töten, sterben. Das sind WIR.
Ich kann also kein guter Übersetzer sein.
Was ich weiss: die französische Fassung, die hier von Parallalie vorgeschlagen worden ist, ist zu "schön". Militaires ist ein Irrtum... der Rest ist zu poetisch... alles klingt pedantisch.
Ich würde vorschlagen:
Soldats.
ils sont là comme
en automne
sur les arbres
les feuilles
Ein Sinn, der im Streitgespräch nicht erwâhnt worden ist, ist, dass die Leichen der Soldaten manchmal tatsächlich wie Blätter an den Bäumen hingen... und dann fielen... viele Stunden nach der Explosion, nach der Attacke.
Bin mit Parallalie einer Meinung. Es kann nicht vom "Fallen" sofort die Rede sein. Es wäre mit der Form des Gedichts redundant... sie sind noch nicht gefallen. Sie sind vielleicht gestorben, aber ich glaube, dass sie auch noch hängen, wie die Blätter im Herbst, die nicht unbedingt alle am selben Tag am Boden liegen.
Paradoxerweise kann man denken, dass es in unserer Gegend zwischen 1914 und 1918 nie Winter gewesen ist, weil Leichen immer an den Bäumen hingen: Soldaten und Blätter waren gemischt in der selben Verwesung aber fielen nicht sofort alle zusammen.
Die Soldaten fallen, nachdem wir das Gedicht gelesen haben.
Nicht gerade am Anfang. 
parallalie antwortete am 2006/08/10 07:56:
@Prunier
der französische text stammt von Ungaretti, nicht von mir. 
Markus A. Hediger meinte am 2006/08/10 05:26:
Eine weitere Schwierigkeit:
Wie übersetzt man ein Gedicht (z.B. für brasilianische Leser), denen die für den Herbst so typische Stimmung fremd ist? In Brasilien (nicht einmal im tiefen Süden) verfärben sich die Blätter im Herbst nicht, das Bild von Bäumen, die in einer bestimmten Jahreszeit sämtliches Laub verlieren, kennen sie nur aus Filmen, Bildern, aus der Schule vielleicht. Nie wird dieses Bild dasselbe Empfinden hervorrufen wie in einem europäischen Leser.

Wie müsste man dieses Gedicht ins Brasilianische übersetzen, damit die inhaltliche Vielfalt, die in der bisherigen Diskussion aufgedeckt wurde, gewahrt würde? In seinem soeben auf deutsch erschienenen Buch "Quasi dasselbe mit anderen Worten - Über das Übersetzen" schreibt Eco, Übersetzen sei Verhandlungssache. Wenn offensichtlich ist, dass eine Übersetzung Verluste bringt, müsse (im Idealfall mit dem Autor selbst, ansonsten mit dem Text) verhandelt werden. Was aber kann im vorliegenden Fall überhaupt verhandelt werden (die Anzahl Silben, der Rhytmus, das klagende "o" in der ersten Zeile, lässt man die Blätter fallen oder noch schwebend am Baum hängen etc) ohne dass zuviel verloren ginge? 
Prunier antwortete am 2006/08/10 23:40:
Übertragung
Statt Übersetzung würde ich Übertragung dann vorschlagen. Oder? Ich weiss nicht recht.
Völlig einverstanden: Musik und Bilder statt Wörter. Für dieses Gedicht, ja....
Ein weiteres Beispiel ist ANH's Gedicht: "Bin gestanden, Frau", wo er an Trakls Grab steht. Das Steinchen von dem er spricht und das so ergreifend klingt, ist fast unmöglich zu übersetzen. Und visuell ist die Handlung trotzdem verfilmbar. Selbst wenn er die Handlung eben nicht "macht", wäre sie trotdem interessant zu verfilmen. Die Stille wäre unvergesslich zu hören, wie in der deutschen Fassung. 
brsma antwortete am 2006/08/11 15:52:
re: transformation/übertragung
die idee, dass im gegensatz zu text/sprache musik und bilder universal verständlich wären, entbehrt jeglicher grundlage. es gibt keine über alle kulturellen grenzen hinwegreichenden universalien in der kommunikation (d.h. jenseits von «einfachen» affektiven gesten, auf die auch schon säuglinge ansprechen). man lernt bilder sehen, musik hören etc. nicht weniger als sprache, text.

sicher, ein gedicht, oder allgemeiner ein text, lässt sich visuell, musikalisch etc. illustrieren oder erweitern/ergänzen. das ist aber m.e. noch erheblich weiter entfernt vom original als eine nachdichtung in einer anderen sprache. im idealfall entsteht dabei dann ein dialog mit dem text. selbst eine illustration im engsten sinn ist immer noch mehr als das (sofern gelungen): sie interpretiert und konkretisiert. handelt es sich dagegen um ein blosses echo, ist das ein mehr als deutlicher hinweis darauf, dass man das betreffende machwerk schleunigst wieder einstampfen sollte. 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/11 20:17:
Stopfen Sie!
Stopfen Sie!

[Auch wenn mich einmal mehr das Gefühl überkommt, einem sterbenden Medium letzte Schönheiten abzutrotzen. Es auszupressen.]
 
parallalie antwortete am 2006/08/11 21:34:
es ist vielleicht kein fehlgriff für den gewesen, der "Finnegans Wake" übersetzte, aber allemal für den, der nicht mal das original gelesen hat... manchmal sind solche trans-aktionen ein gefährt, um selbst durch den text hindurch zu kommen. ein aneignen, wie ich auch meine fähr-nisse verstehe.

zum allgemeinen verständnis filmischer sprache: das heißt aber doch auch, alles auf kulturunabhängige archetypen zurückzuführen, und somit die einzelkulturen in ihren besonderheiten unterlaufen, und diese besonderheiten untergehen zu lassen. das scheint mir kein weg zu sein.
noch härter könnte man sagen, daß es sich hier um einen kulturimperialismus handelt. und hier der westlichen welt. die mit ihren vor-bildern nach-bilder nur insofern zuläßt, als diese dann nur noch out-of-place wirken.
wahr ist nämlich auch, daß man - um allen zu gefallen - das niveau auf einen gemeinsamen nenner herunterschrauben muß! und da kann ich gut verstehen, daß ein kuß auf der leinwand ziemlich universell ist. (was natürlich nicht heißt, daß ich nicht auch gern küßte!). aber so eine "geste" ist immer eingebettet in etwas mehr als nur eine liebesgeschichte.
es soll sogar kulturen geben, wo küssen verpönt ist... (ach ja, prostituierte tun sowas auch nicht) aber das wird wohl kaum auf die leinwand kommen, wenn nicht als kuriosum, als das ANDERE. 
brsma antwortete am 2006/08/13 05:11:
@martin pätzold
wenn schon körpersprache/gestik erwiesenermassen nicht kulturübergreifend funktionieren – um das persönlich nachzuprüfen, müssen sie gar nicht mal weit fahren –, genausowenig wie z.b. malerei oder fotografie, frage ich mich, wie ihrer meinung nach eine erheblich weitergehende visuelle sprache kulturübergreifend funktionieren soll.
die USA, europa und japan[1] als inbegriff von «weltweit» anzuführen kann ich nur als launigen ausdruck eines mir unverständlichen humors begreifen – es sei denn, sie fabulierten munter ins blaue hinein. eine aussage wie «Die Musik im Film ist primär für die Erzeugung von Emotionen beim Zuschauer zuständig.» lässt mich das allerdings in der tat schwer befürchten. ein godard, ein fellini, ein leone, ein lynch, um nur ein paar herauszugreifen, würden ihnen hier vehement widersprechen. wenn sie dann auch noch, in umgebung weiterer aussagen, die ich lieber unkommentiert lasse, das hervorragend algorithmisierbare schachspiel spekulativ der herstellung von gedichten gleichstellen (das konzept/der begriff «berechenbarkeit» so wie er in der mathematik und theoretischen informatik gebraucht wird, dürfte ihnen vermutlich nie begegnet sein), kann ich mich in bezug auf den gesamtinhalt leider nicht des eindrucks erwehren, dass hier unbeleckt von kompetenz einfach beliebige behauptungen in die welt gesetzt werden. meinerseits führt das leider auch dazu, dass die lust am gespräch verloren geht.
————————
[1] es mag zwar sein, dass die japaner star wars begriffen haben, die haben nach dem 2. weltkrieg allerdings auch gelernt, hollywoodfilme zu gucken, die sind dort längst kulturell tradiert (genau wie z.b. die klassische europäische kunstmusik). 
albannikolaiherbst antwortete am 2006/08/13 08:58:
@ brsma zu Pätzold.
Ihre Argumentation i s t Argumentation, nicht aber ihr T o n ("keinen blassen Schimmer", bullshit), der ihr nun etwas irrational Abwehrendes gibt und Verständigung erschwert. Mir ist unklar, weshalb Sie jetzt so ironisch voltigieren.

Zu Japan insgesamt: Da rat' ich zur Vorsicht. Die Haut der kulturellen Assimilation ist ausgesprochen dünn. Wer je da war, etwas länger, spürt das bei jedem Schritt und in jeder Begegnung. Ich habe >>>> hier drüber geschrieben. Ob "die" Japaner star wars, soweit es dabei denn etwas zu begreifen g a b, begriffen haben, ist letztlich nicht zu sagen - jedenfalls nicht, w a s sie begriffen haben. Sie haben sehr wahrscheinlich etwas anderes begriffen, von dem wir uns, wie sie sich von unsrer, keine gefühlte Vorstellung machen. 
brsma antwortete am 2006/08/13 09:23:
@anh
ich gebe ihnen recht, das war in der tat unnötig. ich habe es bereits geändert.

was japan betrifft: bin ich mit ihnen absolut einer meinung. die art und weise, wie dort fremdeinflüsse assimiliert und dabei transformiert werden, lässt sich m.e. auch ziemlich gut in der küche beobachten. manches erscheint auf den ersten blick wie eine direkte übernahme (z.b. paniertes schnitzel → tonkatsu), auf den zweiten blick wird das so vertraut scheinende bild aber dann nachhaltig von sehr subtilen störungen heimgesucht. 
brsma antwortete am 2006/08/13 15:43:
verzeihung…
… herr pätzold, es war gewiss nicht meine absicht, sie zu beleidigen. sollte das dennoch geschehen sein, bitte ich dafür aufrichtig um entschuldigung. ernsthaft und ohne jede ironie.

meine ansicht, dass sie einiges behaupten, das eine begegnung mit der wirklichkeit bestenfalls nur unter grösseren blessuren überstände, begreife ich allerdings nicht als beleidigung. die abschweifung dagegen finde ich eigentlich ziemlich produktiv. noch produktiver fände ich sie allerdings, wenn es mir leichter fiele, ihre argumentation auch ernst zu nehmen.

was die identifikation betrifft: klicken sie doch einfach mal drauf auf die vermeintliche tarnung. wie sie dann leicht sehen können, gebe ich erheblich mehr von mir preis, als man das von ihnen behaupten kann. wer ist eigentlich «martin pätzold»? ;-)

(nachtrag: im kontext ihrer mail – danke! – erhellt sich einiges. bitte sehen sie mir meinen etwas garstigen tonfall oben nach, im netz sind so wie überall leider auch eine menge schwafler unterwegs, das lässt sich nicht immer leicht auseinanderhalten, zumal ohne kontext zur betreffenden person.) 
brsma antwortete am 2006/08/13 18:47:
kleiner nachtrag zu universalien in der (visuellen) kultur
«Baraka searches for a universal cultural perspective: for instance, following a shot of an elaborate tattoo on a Japanese bather with one of Native Australian tribal paint.» liest man z.b. in der → wikipedia. dummerweise werden tätowierte männer in japan traditionell als dem organisierten verbrechen zugehörig angesehen[1]. eine fluglinie (iirc war es die lufthansa) sah sich z.b. vor ein paar jahren grosser empörung seitens japanern ausgesetzt, weil sie in ihrem bordmagazin im rahmen eines japan-beitrags grossflächig tätowierte männer im bad abgebildet hatte (zudem auch noch mit einer bildunterschrift, die auf die exotische schönheit der tattoos hinwies). die magazinmacher wussten offensichtlich nicht über den kulturellen kontext bescheid.
————————
[1] seit der 1993 gegen die yakuza erlassenen gesetze ist dies allerdings im wandel begriffen und die tätowierung verliert als soziales unterscheidungsmerkmal in dieser bedeutung an relevanz 
parallalie antwortete am 2006/08/13 19:06:
ungaretti, geboren in ägypten (der vater arbeitete am bau des suez-kanals), zieht nach europa zurück. ihm liegt daran, seine italienisch-europäische identität zu erproben und in den krieg zu ziehen. der krieg gehört noch in die ära der prä-globalisierung via internet und internationale finanzmärkte... wir müssen noch die erde als fläche verteidigen oder erobern. das erzeugt eine nähe zu den bildern der "europäischen weltgeschichte", die von jahreszeiten lebt, ihnen eingeschrieben ist, wie "blut und boden". übertragen läßt sich dies nicht auf andere kontinente. und hediger hat ganz recht, wenn er zweifelt an der übersetzbarkeit ins brasilianische portugiesisch. höchstens ließe sich an unreife früchte denken, die im sturm zu boden fallen... filmisch (um auch auf pätzold einzugehen) dürfte dies wirklich nur mit öden flächen wiederzugeben sein, mit der trostlosigkeit eines herbstes, den andere kontinente nicht kennen, und nicht nachvollziehen können... sie werden anderes sehen (eine art koyaniskatsi... ich sah den film damals) und anderes verstehen. (außerdem zweifele ich an der behauptung, finnegans wake als traumland filmen zu können... es ist kein traumland, sondern vielstimmigkeit... wie wollten Sie den ersten satz wiedergeben, ohne ein porträt giambattista vicos einzublenden... aber schon das wäre zu viel... andererseits läßt sich ein porträt auch musikalisch nicht wiedergeben... das scheitert also ganz schlicht schon am inhaltlichen echoraum). 
Prunier meinte am 2006/08/10 09:34:
an Parallalie
Bitte um Vergebung: das hatte ich zum Glück übersehen: der französische Text ist von Ungaretti.
Gut, dann können wir behaupten, er wäre kein guter Übersetzer gewesen.... von sich selbst... man spürt deutlich den Einfluss der sog. grossen französischen Dichtung... d.h. gestärkt, steif, als sollte man dieser unbetonten Sprache (das Französische) etwas hinzufügen.... Ungarettis Gedicht ist so schön... warum hat er es auf Französisch so kompliziert gemacht? (Mallarmés Einfluss? ) 
parallalie antwortete am 2006/08/10 12:51:
1947 erschien: L'Après-Midi et le Monologue d'un Faune di Mallarmé, tradotti da Giuseppe Ungaretti con litografie di Carlo Carrà! 
Prunier antwortete am 2006/08/10 23:23:
an Parallalie
Danke, dass Sie bestätigen, was ich ahnte.
Wer ist von Mallarmé nicht beeinflusst worden?

Dieses "zu schön" stört mich sehr oft bei den Franzosen ebenfalls... ein Glück, dass wir die Surrealisten gehabt haben !
Sie haben Recht (in Ihrem Blog) : "man ist"... ist schrecklich !
Unglaublich, dass sowas erschien.

(Das Abenteuer mit Ungaretti... es ist wirklich spannend !!) 
parallalie antwortete am 2006/08/11 16:17:
kleiner verweis auf parallal-schlenker zu diesem thema:

http://parallalie.twoday.net/stories/2494778/#2513255 

Trackback URL:
https://albannikolaiherbst.twoday.net/stories/2503723/modTrackback

 



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