Bamberger Elegien (53). Dreizehnte Elegie (1). Entwurf des Anfangs.
W i r wolln es nehmen. Doch immer nimmt’s uns. Selbst wo wir glauben,
wir hätten’s eigenbestimmt, war’s nur die Strahlung eines kleinen
big bangs, geraten in anderer Strahlen, und das Ergebnis
hundertmillionenfachen unendlichen Urknallens vorher:
Jeder Eisprung ist Zündung. Wir alle sind ganz verlorn dran,
Frauen auch, auch ihnen geschieht es, aber sie spürn es,
weil sie es tragen. Orgasmen haben auch Männer und gieren,
selbstentblößt rasend jenen ganz gleich, daß man Schweiß trinken
will und sich völlig verkleben; nichts ist rein, wo gezeugt wird;
rein ist der Tod nur, n a c h dem Sterben. Leben ist Schlammen,
unter der Haut schon sind wir ganz blutend sekretisch;
wer wollte da noch von Schönheit sprechen? wer aber wollt’ es,
sieht er die Haut abgelöst an wie über einen
Bügel geworfen? und stellt sich r e i n aus? Unerregt
bleibt alle Reinheit. Frauen, die’s s i n d, wissen darum, und
riechen Sperma wie Düfte aus Hecken, sie wittern’s, bleiben,
plötzlich, stehn in der Stadt und heben wildzu neben
Mauern die Köpfe. Meist ist es heiß dann, und sonnig brüllt es.
So auch tost Verkehr drumherum, ein Hupen ist, italisch
wüstes, Dschungel aus Lärm, in den der Frauenblick eindringt,
unten erst zusammengezogen, so zuckt es, dehnt sich,
näßt so; stünde man frei, es würde tropfen. Schon steigt es
auf, steigt nach oben, wo Mann ist, steigt bebend in Nase und in
einen Blick, der gleichzeitig lauert und anlockt und sich –
brich mich! zerreiß mich! – hingibt. Wenn es der Hecht denn
hält. So hängt überm Schwimmer der Köder, wie von einer Angel
in die Atmosphäre, ins Luftmeer, drin fischend, geworfen;
wie als ein Opfer warf’s sich, das sich den Löwen - nimm mich! -
selbst wählt (doch es wählt; immer), das sich ihm anwirft, wobei es
gleichzeitig mit dem Entzug droht; nie ist gewahrt, wo Übergriff
ist und wo, mein Sohn, freier Wille. Das ist’s, was wir
wagen müssen. Ach, wie sie uns dafür verachten, wenn wir’s
schließlich, geschlechtlich erschöpft, gar nicht sind, sondern kosend
wollen wir Mütter wieder und sind viel weicher, als sie wollten.
(Wissen sie ihre Verachtung? Oder meinen sie selbst, sie bestimmten’s?)
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wir hätten’s eigenbestimmt, war’s nur die Strahlung eines kleinen
big bangs, geraten in anderer Strahlen, und das Ergebnis
hundertmillionenfachen unendlichen Urknallens vorher:
Jeder Eisprung ist Zündung. Wir alle sind ganz verlorn dran,
Frauen auch, auch ihnen geschieht es, aber sie spürn es,
weil sie es tragen. Orgasmen haben auch Männer und gieren,
selbstentblößt rasend jenen ganz gleich, daß man Schweiß trinken
will und sich völlig verkleben; nichts ist rein, wo gezeugt wird;
rein ist der Tod nur, n a c h dem Sterben. Leben ist Schlammen,
unter der Haut schon sind wir ganz blutend sekretisch;
wer wollte da noch von Schönheit sprechen? wer aber wollt’ es,
sieht er die Haut abgelöst an wie über einen
Bügel geworfen? und stellt sich r e i n aus? Unerregt
bleibt alle Reinheit. Frauen, die’s s i n d, wissen darum, und
riechen Sperma wie Düfte aus Hecken, sie wittern’s, bleiben,
plötzlich, stehn in der Stadt und heben wildzu neben
Mauern die Köpfe. Meist ist es heiß dann, und sonnig brüllt es.
So auch tost Verkehr drumherum, ein Hupen ist, italisch
wüstes, Dschungel aus Lärm, in den der Frauenblick eindringt,
unten erst zusammengezogen, so zuckt es, dehnt sich,
näßt so; stünde man frei, es würde tropfen. Schon steigt es
auf, steigt nach oben, wo Mann ist, steigt bebend in Nase und in
einen Blick, der gleichzeitig lauert und anlockt und sich –
brich mich! zerreiß mich! – hingibt. Wenn es der Hecht denn
hält. So hängt überm Schwimmer der Köder, wie von einer Angel
in die Atmosphäre, ins Luftmeer, drin fischend, geworfen;
wie als ein Opfer warf’s sich, das sich den Löwen - nimm mich! -
selbst wählt (doch es wählt; immer), das sich ihm anwirft, wobei es
gleichzeitig mit dem Entzug droht; nie ist gewahrt, wo Übergriff
ist und wo, mein Sohn, freier Wille. Das ist’s, was wir
wagen müssen. Ach, wie sie uns dafür verachten, wenn wir’s
schließlich, geschlechtlich erschöpft, gar nicht sind, sondern kosend
wollen wir Mütter wieder und sind viel weicher, als sie wollten.
(Wissen sie ihre Verachtung? Oder meinen sie selbst, sie bestimmten’s?)
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albannikolaiherbst - Mittwoch, 15. November 2006, 11:21- Rubrik: BambergerElegien
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