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Jetzt also Butter bei die Fische:
Kybernetischer Realismus ist demzufolge eine Poetologie der Spiegelungen und Wechselwirkung. Er ist prinzipiell unabgeschlossen und, wenn man vom anthropologiefernen Begriff der Entropie absieht, unabschließbar. Seine Grundstruktur sind >>>> Regelkreise, daher tendiert eine Erzählung des Kybernetischen Realismus zu Zyklen, und diese, im Verhältnis zueinander, vollführen Sprünge: Der Erzählzyklus führt nicht, wie etwa bei den aus der Science Fiction stammenden Zeitschlaufen, in seinen tatsächlichen Anfang zurück, sondern in etwas, das dem Erzählanfang zwar täuschend gleichsehen mag, aber doch etwas anderes ist: ein Etwas mit der Erfahrung des durchlaufenen zyklischen Weges. Es geht also gerade nicht um eine Ewige Wiederkehr, sondern um etwas, das Muster wiederholt, aber sich in den Metaebenen irreversibel voranbewegt. Kommt der Erzählzyklus wieder an seinem Anfang an, haben sich sämtliche Beteiligten und hat sich auch das Setting verändert. Es ist ungemein wichtig, sich das vor Augen zu halten. Die Erzählung kommt immer wieder auf ihre leitenden Motive zurück, aber wenn sie zurückkommt, sind diese Motive bereits verschoben; Sie können sich das als Perspektivwechsel klarmachen. Sie können es sich aber auch musikalisch klarmachen: Ein Thema wird zwar wiederholt, aber als organische Entwicklung aus den vorhergegangenen Variationen, und selbst wenn es wörtlich/klanglich wiederholt wird, hat doch der Hörer das Vorhergegangene als unmittelbare/mittelbare neue Erfahrung, unter deren Wirkung er die Wiederholung nun a l s Wiederholung wahrnimmt. Das ist selbst bei wortgetreuer Wiederholung von der Rezeptionsseite etwas anderes, als wenn ein Thema/Motiv zum ersten Mal zu Gehör gebracht wird. Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn wir ein- und dasselbe Musikstück zum zweiten, dritten, n-ten Mal hören: Jedes Mal schaffen die Erfahrungen vormaligen Hörens eine ganz neue Erfahrung. Es ist unmöglich, zum zweiten Mal einen ersten Eindruck zu machen: Dieses Axiom, das für jede soziale Kommunikation gilt, gilt in der Poetik ganz genau so und wird im Kybernetischen Realismus als ganz bewußtes Stilmittel eingesetzt.
albannikolaiherbst - Mittwoch, 26. Dezember 2007, 09:56- Rubrik: KYBERREALISM
Klingt irgendwie sehr einleuchtend und nachvollziehbar, so wie im Prinzip jede Begegnung selbst mit einem lange vertrauten Menschen stets eine völlig neue Situation in sich birgt, die es zunächst einmal zu ergründen gilt, obwohl wir meinen zu glauben, den anderen bereits bestens zu kennen, was wiederum, wenn man sich dessen erst einmal bewusst wird, ganz neue Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet. - Es hat mich ehrlich gesagt sehr lange gewundert, warum sie den Begriff Kybernetik so gerne verwenden, doch nun scheint mir endlich ein Licht aufgegangen zu sein, seitdem ich weiß, dass dieser schon im alten Griechenland von Homer und Platon verwendet wurde (kybernètès). Ein wichtiger früher Vertreter, der sich intensiv mit Poetik befasste, war übrigens Aristoteles mit seinem Werk über die Dichtkunst, welches sich unter anderem im Projekt Gutenberg findet, falls jemand daran interessiert sein sollte.
Ich gehe darauf in der Dritten Vorlesung eingehend ein. Es geht um Zirkel, um Erzählen in (eben auch historischen) Spiralen. Wichtig dabei: Eine Wiederaufnahme ästhetischer Theoreme ist k e i n e Wiederholung, also kein Regreß, sondern Wiederaufnahme mit gewandeltem Bewußtsein. Ich leite unter anderem hieraus meinen Allegorie-Begriff ab.
@ANH
Sorry, mein kurzer Einwurf betrefflich zwischenmenschlicher Kommunikation diente nebenbei bemerkt nur als kleiner Hinweis, da sich einige Leute sowohl im realen Leben, als auch im Netz allzu vorschnell eine klischeehafte Meinung über jemanden bilden, den sie nur aus der Entfernung kennen; ob Absicht oder einfach nur Unvermögen, bleibt wohl weiterhin eines der größten ungelösten Phänomene unserer Zeit (Aber auch vergangener Epochen!).
Doch zurück zum eigentlichen Thema, ich gehe mit ihnen konform, dass eine gewisse Rückbesinnung auf klassische ästhetische Theorien der Poetik nicht als Rückschritt, oder gar zum Stillstand in der modernen Erkenntnistheorie von Dichtung und Philosophie führen darf, sondern eher als zusätzliche und nützliche Bereicherung angesehen werden sollte. Dem antiken Werk Aristoteles über die Dichtkunst stehen heute viele moderne Arbeitstexte und Theorien gegenüber, die jedoch auch nicht der Weisheit letzter Schluss sind.
Ich will an dieser Stelle nur mal die „Arbeitstexte für den Unterricht – Einführung in die Verslehre“ von Reclam anführen, die für den jungen studierenden Germanist/in vielleicht eine hilfreiche Lektüre sein mag, doch obwohl es ein hübsches Büchlein ist (Was Ror Wolf`s „Mehrere Männer“ übrigens auch ist), würde ich unter gar keinen Umständen das Dichten danach erlernen wollen, weil unter anderem ein Villon, Poe, Whitman, Rimbaud oder Neruda darin erst gar nicht vorkommen, bzw. bewusst ausgeklammert werden.
Vielleicht mögen sie ja in der weiteren Ausarbeitung ihrer dritten Heidelberger Poetik-Vorlesung auch nochmals Bezug darauf nehmen, was Perkampus in der Diskussion zur der Ersten Vorlesung beim Turmsegler als „Epigonenhafte Dichterei“ bezeichnete; das würde mich deshalb sehr interessieren, weil es in der hitzigen Diskussion irgendwie untergegangen zu sein scheint.
(Dies ist übrigens nicht als Provokation in irgendeine Richtung gemeint; ich möchte es einfach nur gerne besser verstehen.)
(...) mein kurzer Einwurf betrefflich zwischenmenschlicher Kommunikation (...)... was bedeutet, Sie sind mit >>>> Lebowski identisch? Falls ja, wär das schade. Niemand muß hier doppelte, dreifache, nfache Identitäten offenlegen; es gehört ins ästhetische Spiel Der Dschungel, daß sie die zahllosen Selbstspiegelungen bewußt kultivieren, mit denen wir im Leben oft unbewußt agieren. Dem antiken Werk Aristoteles über die Dichtkunst stehen heute viele moderne Arbeitstexte und Theorien gegenüber, die jedoch auch nicht der Weisheit letzter Schluss sind.Dieser Satz sagt nicht viel, zumal er unterschlägt, wie viele „moderne Arbeitstexte und Theorien gerade auf u.a. Aristoteles fußen. (...) würde ich unter gar keinen Umständen das Dichten danach erlernen wollen, weil unter anderem ein Villon, Poe, Whitman, Rimbaud oder Neruda darin erst gar nicht vorkommen, bzw. bewusst ausgeklammert werden.Ein Diskussionsthema, das eigentlich in >>>> die Werkstatt gehört. Aber selbst, wenn Sie „das Dichten“ nach den alten Ästhetiken lernen würden (was in solcher Ausschließlichkeit gar nicht ginge), wäre das poetische Ergebnis ein völlig anderes, als es gewesen wäre, hätten Sie nach den alten Ästhetiken in der alten Zeit gelernt. Denn unsere Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmodi haben sich seither auf das extremste verändert. Das ist sogar physiologisch aufweisbar und von jedem experimentell zu überprüfen, der es mit sehr jungen Leuten und ihrer Wahrnehmungsfähigkeit für zum Beispiel schnelle Computerspiele zu tun bekommt; wir Älteren, oder ich Älterer, habe da rein aufnahme-psychologisch überhaupt keine Chance mehr: ich sehe die schnellen Bilder schon gar nicht mehr, geschweige, daß ich adäquat auf sie reagieren könnte. Innerhalb weniger Jahre hat da eine Generation und haben ihre Folgegenerationen Fähigkeiten entwickelt, die nur zehn Jahre älteren Leuten vollkommen abgeht. So etwas schlägt mit Sicherheit auch auf die Anwendung alter Ästhetiken durch, sofern sich für diese überhaupt ein Interesse entwickelt.
Aus diesem Gesichtspunkt ist übrigens auch die musikalische Diskussion über „historische Aufführungspraxis“ eher absurd: als könnten wir noch hören, wie zur Zeit des Barocks gehört ward, als hätten wir nicht längst die Hörerfahrung städtischen Lärmens in unsere Erfahrung als Musik integriert. Vielleicht mögen sie ja in der weiteren Ausarbeitung ihrer dritten Heidelberger Poetik-Vorlesung auch nochmals Bezug darauf nehmen, was Perkampus in der Diskussion zur der Ersten Vorlesung beim Turmsegler als „Epigonenhafte Dichterei“ bezeichnete; das würde mich deshalb sehr interessieren, weil es in der hitzigen Diskussion irgendwie untergegangen zu sein scheint.Sie spielen auf das „grässliche Epigonentum“ an, das >>>> perkampus in meiner lyrischen Arbeit ausgemacht haben will. >>>> Hier hat er seine Ansicht ja noch geschärft. Ich halte das für Unfug, auch einen so ungebrochenen Genie-Begriff (ein gebrochener Geniebegriff wiederum kann gute Gründe für sich reklamieren); und daß „das Genie in seiner Originalität und Einzigartigkeit repräsentativ ist für alle Subjekte“ halte ich für auch aussagelogisch falsch; damit der Satz richtig ist, müßte er von ebender Identität ausgehen, die doch gerade bestritten wird. Aber ich denke, ich habe meine Antwort >>>> dort schon deutlich genug gegeben (in II,2: „Moderne Hirnforschung“).
Wie auch immer, in der Dritten Vorlesung hat das Thema keinen Platz, da sich meine Vorlesungen ganz bewußt auf eine erzählende und darin vor allem eine nach-postmoderne Roman-Ästhetik fokussieren; um Normatives zu Lyrik sagen zu können, bin ich noch zu sehr lyrisches Greenhorn.
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