Sprachfaschismus Oder Der Konjunktiv und die Lektorin. Leipziger Buchmesse. Aufzeichnungen (1). MIT REVISION.
8.31 Uhr:
[In einem ungenannten Hotel.]
Da ich mich aus finanziellen Gründen in dem Hotelzimmer eines Freundes mit einquartiert habe, was geheimgehalten werden muß, aber wie gut, daß ich meinen Schlafsack so liebe, der auf so vielen Reisen und einigen Vulkanen gewesen... - muß ich aufs Frühstück erstmal verzichten, denn man kontrolliere im Frühstücksraum die Schlüssel - so warnte mich der Anruf des Freundes eben, den er mobil heraufgetätigt... - skizziere ich Ihnen schon mal die Ereignisse von gestern, soweit sie es wert oder soweit sie erhellend sind. Nur daß diese Erhellung etwas von einer zunehmenden Verdunkelung hat, und zwar ganz besonders, was a) den deutschen Konjunktiv und b) den Umgang mit moralischen Urteilen, bzw. Vorwürfen anbelangt. Es fehlt unterdessen einigen Leuten ganz offenbar am Feingefühl gegenüber der namentlich deutschen Geschichte. Aber es fehlt ihnen ja auch an Kultur, man muß sich da nicht wundern. Es ist nur so traurig, wenn man den Umstand ausgerechnet an einer jungen schönen Frau, die Lektorin ist, festmachen muß. Und nicht irgendeine, nein, eine bei einem der größten deutschen Verlage.
Das Lehrstück geht so:
Abends war ich mit einer befreundeten Autorin, deren neuer Roman grad erschienen ist, zu ihrer Lesung verabredet. Es bestand auch gar keine Gefahr, daß ich nicht hingehen würde, denn ich hatte morgens mein Mobilchen in ihrem Auto liegengelassen, mit sämtlichen Terminen, und das sollte ich bei der Gelegenheit wiederbekommen. Bekam ich auch. Wurde auch wieder unentgeltlich in den proppevollen Veranstaltungsort hineingeschmuggelt (wie auch später wieder bei Rowohlt, weil mir tags eine dortige Mitarbeiter die streng geforderte Einladung zugesteckt hatte), saß fast vorne dann und hörte zu. Die junge Autorin... Quatsch, dieses ewige „junge“... hat mich ja selbst jahrelang verfolgt, also: die Dichterin war nervös, es ist ein sehr persönliches Buch, ihre Lektorin war bei ihr, elegant gekleidet, volles blonde Haar, eine rundum angenehme Erscheinung voll Charme im Lachen, kurz: ich fühlte mich wohl. Allerdings war vorweggegangen, daß mir eine andere Autorin eines bereits späteren Jahrgangs, die ich ausgesprochen hochschätze, zumal ihr Urteil zwar scharf, aber nie unbegründet ist.... daß mir diese andere Autorin einen Brief über das neue Buch nun dieser Autorin geschickt hatte, worin sie einer Art Hilflosigkeit Ausdruck verlieh; sie findet es nämlich nicht gut, war aber von meiner Hochschätzung wiederum der Dichterin, die jetzt die Lesung hatte, überhaupt auf sie aufmerksam geworden... ich hatte meiner Freundin davon erzählt, und nun, nach der Lesung, fragte sie mich: „Und wie findest du es?“ „Das ist ein guter Text“, sagte ich, „das ist ein gutes Thema, er gefällt mir... aber ich ahne, was *** gemeint hat. Aber ich muß das Buch erst einmal ganz lesen, ich kenne ja jetzt nur zwanzig Minuten daraus.“ Wir trennten uns für ein kurzes, weil ich draußen einen Cigarillo rauchen wollte; ein anderer junger Autor setzte sich zu mir, wie sprachen übers Gehörte, dann erschienen die Dichterin und ihre Lektorin bei uns, diese in Begleitung ihrerseits eines Freundes. Und nun ging es los.
„Außerdem“, sagte ich (der ich noch gar nicht wußte, daß es sich bei der Begleitung der Dichterin um eine Lektorin handelte), „stimmen die Konjunktive nicht in dem Buch, jedenfalls einige nicht... und vor allem gleich im ersten Absatz auf der ersten Seite. Das geht nicht.“ Und ich setzte, leicht erfahrungsmüde, hinterher: „Aber den Konjunktiv beherrschen heutzutage auch die Lektoren nicht mehr.“ Woraufhin die Lektorin, die sich nun als Lektorin zu erkennen gab: „Es kommt auf korrekte Konjunktive nicht an.“ Ich: „Wie bitte?“ „Man kann das heute schreiben, wie man will.“ „Ja wozu haben wir dann ein Regelwerk der Sprache?“ „Sprache verändert sich, Sprache ist ein lebendiger Organismus.“ „Natürlich verändert sich die Sprache, aber sie verändert sich doch nicht, indem man absichtlich die Grammatik kaputtgehen läßt... jedenfalls ist das keine Veränderung, die in eine Dichtung gehört.“ Ich nahm den Satz vor, zitierte ihn, erklärte: „Bei einem Irrealis muß eine Bedingung folgen, ansonsten verwendet man, wie in der indirekten Rede, den Konjunktiv I.“ Die Lektorin: „Wenn man den Konjunktiv richtig verwendet, wird der Satz hölzern. Ich bin überhaupt eine Gegnerin des Konjunktivs.“ Je nun, dachte ich, das mag ja sein, aber dann muß man den Konjunktiv ja nicht verwenden. Indikativ läßt sich unterdessen einiges sagen, das vor noch zwanzig Jahren den Konjunktiv unbedingt erfordert hätte. So sagte ich: „Dann benutzen Sie den Konjunktiv doch einfach nicht. Aber w e n n Sie ihn verwenden, dann müssen Sie es korrekt tun... in einem Sprachkunstwerk. Klingt das hölzern, dann muß die Dichterin den Konjunktiv s o richtig verwenden, daß er eben nicht mehr hölzern klingt. Sonst versteht sie ihr Handwerk nicht. Aber die meisten Lektoren wissen eben selbst nicht mehr, wie das geht.“ „Die meisten Autoren wissen es auch nicht.“ „Das ist wahr. Ich weiß es aber noch.“ Sie daraufhin, bereits schnippisch: „Wie gut, daß wir Leute wie Sie haben.“ Ich: „Ja, man kann da von mir lernen.“ Sie: „Dann ist es ja gut für die deutsche Literatur.“ Der Ton wurde zunehmend scharf. Ich: „Dafür sind Lektoren doch da, daß sie korrigierend eingreifen, sie supervidieren.“ Sie: „Wenn es nach Ihnen ginge, schrieben wir noch wie zu Luthers Zeiten.“ Ich: „Da gab es noch gar kein grammatisches Regelwerk, das gibt’s >>>> seit etwa 1872.“ Mit dieser Bemerkung war die Lektorin sichtlich überfordert, wie es überhaupt an Bildung zu fehlen schien und sozusagen von der Straße stammt, was da an Sprachgefühl dawar. Ich bin bei sowas ungehalten, zumal ich ja immer noch das innige Vorurteil in mir trage, daß einer schönen Erscheinung auch eine Schönheit der Bildung entspricht. Daß ich das bei Frauen besonders erwarte, liegt an meinem Machismo, das gebe ich zu. Nun aber sprach diese Lektorin den folgenden Satz:„Sie sind ein Sprachfaschist!“Einen Moment lang war ich sprachlos, geschweige daß ich faschistische Regungen in mir gespürt hätte. Sondern ich spürte Trauer und gab ihr auch Ausdruck: „Was verwenden Sie für Begriffe? Was ist denn das für eine Verhöhnung der Opfer?“ Wiederum das ließ die wirklich noch sehr junge Lektorin und ihren nur leicht älteren Begleiter auf eine Weise hämisch lachen, daß es etwas erschreckend Gemeines bekam, etwas von Schenkelschlagen und Gegröle der Seele. Was mich nun wirklich wütend machte, da ich doch weiß, man kann den Leuten das nicht verübeln, denn sie kennen die Kultur gar nicht, sie haben sie nicht mehr. Auch nahm mich die Dichterin nun in den Arm und bat um Mäßigung, „bitte, Alban, nicht jetzt, nicht hier, bitte... ich mag ***, ich möchte keinen solchen Streit.“ Nach dem mir durchaus gewesen wäre, aber ich wiederum mag diese Dichterin... - Also zog das kleine Grüppchen ab, während ich grollend sitzen blieb und schon mal vorab die Quintessenz des Geschehens in mir formulierte: Wer auf Verletzungen der Sprache allergisch reagiert, ist faschistisch. Das paßt erschreckend genau zur >>>> Reaktion auf meinen FREITAG-Artikel. Wer für den deutschen Sprachraum den Kulturverlust beklagt, ist sogleich ein Neurechter. Und wir lernen für einen, der „wegen eines falschgesetzten Kommas eine ganze Zeitungsproduktion“ eingestellt hätte, wie er immer und immer wieder schrieb und wie er immer und immer wieder auf die Zusammenhänge von sprachlicher und moralischer Verschluderung hingewiesen hat, nämlich >>>> Karl Kraus... ---- wir lernen draus:KARL KRAUS WAR EIN JÜDISCHER SPRACHFASCHIST. Nur daß wir leider nicht mehr davon ausgehen können, daß ihn noch jemand anders kennt als allein über seinen Namen. Das label nämlich. Was drin ist, ist, >>>> wie bei Wittgenstein (Punkt 4 im Link), völlig egal.
Bis halb drei Uhr nachts waren UF und ich dann noch unterwegs, aber davon erzähle ich später.
14.56 Uhr:
[Stand der Begegnungen. Halle 5 C227.)
Ich muß der Geschichte mit der Lektorin nun einen g a n z anderen Dreh geben, der jetzt entschieden f ü r sie spricht. Also, ich treffe meine Dichterin wieder, sowas um elf Uhr. Sie: „M u ß t e das gestern sein? Ich hatte *** angekündigt, du kämest, sie sagte, aber der hat doch einen so schlechten Ruf! Ich verteidige dich, sage... - egal, und dann passiert s o w a s!“ „Nun, das 'sowas' sprach nicht gerade für s i e...“ „Ja, aber der Hintergrund ist ganz anders. Beim Lektorat hatte sie mich darauf aufmerksam gemacht, daß der Konjunktiv falsch ist, und ich... ich habe darauf bestanden, daß das so stehenbleibt, wie ich wollte...“ „D u hast den falschen Konjunktiv da reingesetzt???“ „Ja...“ „Dann hat sie dich gestern abend also v e r t e i d i g t.... obwohl sie selbst anderer Meinung war?“ „Ja...“ Ich: „Das spricht jetzt entschieden f ü r sie. Nur das mit dem Sprachfaschismus war dann....“ „Ich weiß, ich weiß, aber ihr habt euch da festgefahren in der Dynamik... Sie hat hinterher fast geweint....“ „Ich, tut mir leid, aber unser Gespräch war die Folge des Gespräches davor...“ „Das wußte sie aber nicht.... S i e hat gedacht: Warum greift der meine Autorin so an? Und hat mich verteidigt.“
Die Dinge liegen oft anders, als sie aussehen. Dennoch, das Lehrstück b l e i bt, auch wenn ich nun selbst ein Teil der dunkleren Seite geworden bin.
[In einem ungenannten Hotel.]
Da ich mich aus finanziellen Gründen in dem Hotelzimmer eines Freundes mit einquartiert habe, was geheimgehalten werden muß, aber wie gut, daß ich meinen Schlafsack so liebe, der auf so vielen Reisen und einigen Vulkanen gewesen... - muß ich aufs Frühstück erstmal verzichten, denn man kontrolliere im Frühstücksraum die Schlüssel - so warnte mich der Anruf des Freundes eben, den er mobil heraufgetätigt... - skizziere ich Ihnen schon mal die Ereignisse von gestern, soweit sie es wert oder soweit sie erhellend sind. Nur daß diese Erhellung etwas von einer zunehmenden Verdunkelung hat, und zwar ganz besonders, was a) den deutschen Konjunktiv und b) den Umgang mit moralischen Urteilen, bzw. Vorwürfen anbelangt. Es fehlt unterdessen einigen Leuten ganz offenbar am Feingefühl gegenüber der namentlich deutschen Geschichte. Aber es fehlt ihnen ja auch an Kultur, man muß sich da nicht wundern. Es ist nur so traurig, wenn man den Umstand ausgerechnet an einer jungen schönen Frau, die Lektorin ist, festmachen muß. Und nicht irgendeine, nein, eine bei einem der größten deutschen Verlage.
Das Lehrstück geht so:
Abends war ich mit einer befreundeten Autorin, deren neuer Roman grad erschienen ist, zu ihrer Lesung verabredet. Es bestand auch gar keine Gefahr, daß ich nicht hingehen würde, denn ich hatte morgens mein Mobilchen in ihrem Auto liegengelassen, mit sämtlichen Terminen, und das sollte ich bei der Gelegenheit wiederbekommen. Bekam ich auch. Wurde auch wieder unentgeltlich in den proppevollen Veranstaltungsort hineingeschmuggelt (wie auch später wieder bei Rowohlt, weil mir tags eine dortige Mitarbeiter die streng geforderte Einladung zugesteckt hatte), saß fast vorne dann und hörte zu. Die junge Autorin... Quatsch, dieses ewige „junge“... hat mich ja selbst jahrelang verfolgt, also: die Dichterin war nervös, es ist ein sehr persönliches Buch, ihre Lektorin war bei ihr, elegant gekleidet, volles blonde Haar, eine rundum angenehme Erscheinung voll Charme im Lachen, kurz: ich fühlte mich wohl. Allerdings war vorweggegangen, daß mir eine andere Autorin eines bereits späteren Jahrgangs, die ich ausgesprochen hochschätze, zumal ihr Urteil zwar scharf, aber nie unbegründet ist.... daß mir diese andere Autorin einen Brief über das neue Buch nun dieser Autorin geschickt hatte, worin sie einer Art Hilflosigkeit Ausdruck verlieh; sie findet es nämlich nicht gut, war aber von meiner Hochschätzung wiederum der Dichterin, die jetzt die Lesung hatte, überhaupt auf sie aufmerksam geworden... ich hatte meiner Freundin davon erzählt, und nun, nach der Lesung, fragte sie mich: „Und wie findest du es?“ „Das ist ein guter Text“, sagte ich, „das ist ein gutes Thema, er gefällt mir... aber ich ahne, was *** gemeint hat. Aber ich muß das Buch erst einmal ganz lesen, ich kenne ja jetzt nur zwanzig Minuten daraus.“ Wir trennten uns für ein kurzes, weil ich draußen einen Cigarillo rauchen wollte; ein anderer junger Autor setzte sich zu mir, wie sprachen übers Gehörte, dann erschienen die Dichterin und ihre Lektorin bei uns, diese in Begleitung ihrerseits eines Freundes. Und nun ging es los.
„Außerdem“, sagte ich (der ich noch gar nicht wußte, daß es sich bei der Begleitung der Dichterin um eine Lektorin handelte), „stimmen die Konjunktive nicht in dem Buch, jedenfalls einige nicht... und vor allem gleich im ersten Absatz auf der ersten Seite. Das geht nicht.“ Und ich setzte, leicht erfahrungsmüde, hinterher: „Aber den Konjunktiv beherrschen heutzutage auch die Lektoren nicht mehr.“ Woraufhin die Lektorin, die sich nun als Lektorin zu erkennen gab: „Es kommt auf korrekte Konjunktive nicht an.“ Ich: „Wie bitte?“ „Man kann das heute schreiben, wie man will.“ „Ja wozu haben wir dann ein Regelwerk der Sprache?“ „Sprache verändert sich, Sprache ist ein lebendiger Organismus.“ „Natürlich verändert sich die Sprache, aber sie verändert sich doch nicht, indem man absichtlich die Grammatik kaputtgehen läßt... jedenfalls ist das keine Veränderung, die in eine Dichtung gehört.“ Ich nahm den Satz vor, zitierte ihn, erklärte: „Bei einem Irrealis muß eine Bedingung folgen, ansonsten verwendet man, wie in der indirekten Rede, den Konjunktiv I.“ Die Lektorin: „Wenn man den Konjunktiv richtig verwendet, wird der Satz hölzern. Ich bin überhaupt eine Gegnerin des Konjunktivs.“ Je nun, dachte ich, das mag ja sein, aber dann muß man den Konjunktiv ja nicht verwenden. Indikativ läßt sich unterdessen einiges sagen, das vor noch zwanzig Jahren den Konjunktiv unbedingt erfordert hätte. So sagte ich: „Dann benutzen Sie den Konjunktiv doch einfach nicht. Aber w e n n Sie ihn verwenden, dann müssen Sie es korrekt tun... in einem Sprachkunstwerk. Klingt das hölzern, dann muß die Dichterin den Konjunktiv s o richtig verwenden, daß er eben nicht mehr hölzern klingt. Sonst versteht sie ihr Handwerk nicht. Aber die meisten Lektoren wissen eben selbst nicht mehr, wie das geht.“ „Die meisten Autoren wissen es auch nicht.“ „Das ist wahr. Ich weiß es aber noch.“ Sie daraufhin, bereits schnippisch: „Wie gut, daß wir Leute wie Sie haben.“ Ich: „Ja, man kann da von mir lernen.“ Sie: „Dann ist es ja gut für die deutsche Literatur.“ Der Ton wurde zunehmend scharf. Ich: „Dafür sind Lektoren doch da, daß sie korrigierend eingreifen, sie supervidieren.“ Sie: „Wenn es nach Ihnen ginge, schrieben wir noch wie zu Luthers Zeiten.“ Ich: „Da gab es noch gar kein grammatisches Regelwerk, das gibt’s >>>> seit etwa 1872.“ Mit dieser Bemerkung war die Lektorin sichtlich überfordert, wie es überhaupt an Bildung zu fehlen schien und sozusagen von der Straße stammt, was da an Sprachgefühl dawar. Ich bin bei sowas ungehalten, zumal ich ja immer noch das innige Vorurteil in mir trage, daß einer schönen Erscheinung auch eine Schönheit der Bildung entspricht. Daß ich das bei Frauen besonders erwarte, liegt an meinem Machismo, das gebe ich zu. Nun aber sprach diese Lektorin den folgenden Satz:„Sie sind ein Sprachfaschist!“Einen Moment lang war ich sprachlos, geschweige daß ich faschistische Regungen in mir gespürt hätte. Sondern ich spürte Trauer und gab ihr auch Ausdruck: „Was verwenden Sie für Begriffe? Was ist denn das für eine Verhöhnung der Opfer?“ Wiederum das ließ die wirklich noch sehr junge Lektorin und ihren nur leicht älteren Begleiter auf eine Weise hämisch lachen, daß es etwas erschreckend Gemeines bekam, etwas von Schenkelschlagen und Gegröle der Seele. Was mich nun wirklich wütend machte, da ich doch weiß, man kann den Leuten das nicht verübeln, denn sie kennen die Kultur gar nicht, sie haben sie nicht mehr. Auch nahm mich die Dichterin nun in den Arm und bat um Mäßigung, „bitte, Alban, nicht jetzt, nicht hier, bitte... ich mag ***, ich möchte keinen solchen Streit.“ Nach dem mir durchaus gewesen wäre, aber ich wiederum mag diese Dichterin... - Also zog das kleine Grüppchen ab, während ich grollend sitzen blieb und schon mal vorab die Quintessenz des Geschehens in mir formulierte: Wer auf Verletzungen der Sprache allergisch reagiert, ist faschistisch. Das paßt erschreckend genau zur >>>> Reaktion auf meinen FREITAG-Artikel. Wer für den deutschen Sprachraum den Kulturverlust beklagt, ist sogleich ein Neurechter. Und wir lernen für einen, der „wegen eines falschgesetzten Kommas eine ganze Zeitungsproduktion“ eingestellt hätte, wie er immer und immer wieder schrieb und wie er immer und immer wieder auf die Zusammenhänge von sprachlicher und moralischer Verschluderung hingewiesen hat, nämlich >>>> Karl Kraus... ---- wir lernen draus:
Bis halb drei Uhr nachts waren UF und ich dann noch unterwegs, aber davon erzähle ich später.
14.56 Uhr:
[Stand der Begegnungen. Halle 5 C227.)
Ich muß der Geschichte mit der Lektorin nun einen g a n z anderen Dreh geben, der jetzt entschieden f ü r sie spricht. Also, ich treffe meine Dichterin wieder, sowas um elf Uhr. Sie: „M u ß t e das gestern sein? Ich hatte *** angekündigt, du kämest, sie sagte, aber der hat doch einen so schlechten Ruf! Ich verteidige dich, sage... - egal, und dann passiert s o w a s!“ „Nun, das 'sowas' sprach nicht gerade für s i e...“ „Ja, aber der Hintergrund ist ganz anders. Beim Lektorat hatte sie mich darauf aufmerksam gemacht, daß der Konjunktiv falsch ist, und ich... ich habe darauf bestanden, daß das so stehenbleibt, wie ich wollte...“ „D u hast den falschen Konjunktiv da reingesetzt???“ „Ja...“ „Dann hat sie dich gestern abend also v e r t e i d i g t.... obwohl sie selbst anderer Meinung war?“ „Ja...“ Ich: „Das spricht jetzt entschieden f ü r sie. Nur das mit dem Sprachfaschismus war dann....“ „Ich weiß, ich weiß, aber ihr habt euch da festgefahren in der Dynamik... Sie hat hinterher fast geweint....“ „Ich, tut mir leid, aber unser Gespräch war die Folge des Gespräches davor...“ „Das wußte sie aber nicht.... S i e hat gedacht: Warum greift der meine Autorin so an? Und hat mich verteidigt.“
Die Dinge liegen oft anders, als sie aussehen. Dennoch, das Lehrstück b l e i bt, auch wenn ich nun selbst ein Teil der dunkleren Seite geworden bin.
albannikolaiherbst - Freitag, 14. März 2008, 09:35- Rubrik: BUCHMESSEN
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