Das eingetrocknete Leibnest bricht unterm Absatz, und riesig die Augen vorm Selbstschreck geweitet, Verirrung von Gender, wie alle Correctness. Der abgetriebenen Föten nach Luft Schnappen vor Sehnsucht nach Müttern, die wollen. Ein Lied für die, denen der Kübel der erste und letzte Empfang war! So kußlos verschließt sich der Deckel überm Gewebe, selbst wenn es, das Herzchen, schon pochte. So tut der Geist es mit Kleinem fast immer, bevor es noch, daß es sich weiß, anfängt. Wer fände sich, wer, der nicht Frauenfeind hieße, welch nicht-Religiöser und Mann, die zu beklagen, die starben, bevor sie recht lebten? Verzweifelt ruft er. Die Tochter ruft er. Ihrer gar ist’s, ist die Stimme, jetzt neu, wieder und wieder, regnitzher hochwehend, über den Garten zur Mauer, zu mir? Wehe, so weht's, wehe, ich bin so für ewig hinweggekratzt worden! Du hörst du mich, Vater? Bin nur mehr ein Hauch, eimergeboren zurückentsorgt, Blutfetzchen war ich, Schleimblutungstochter, zersetzt mit dem anderen Abgang stille im Dunklen diskreter Nekrosen. Mein Wo? Frag nicht! Ich sag’s nicht. Ich habe für dich mein Tochter-Erbarmen. Wie wollte ich, Vater, und hofft' ich's: Tochter Dir sein! Autonomie? Sprechen wir davon? Wirft sie denn nicht, als wie die ungewollten Kinder, Liebe zum Kehricht wie ihnen voraus? Uneigentlich läßt sie uns werden und tauscht gegens Es, das es richtet, die Hinrichtung ein durch das Ich, feindlich den Pflanzen und feindlich dem allen, was immer Instinkt in uns war. Raub- und der Rückbau des amazonischen Urwalds der Ganglien: derart begradigen wir, und uns mit, und begraben und jubeln geschlechtsneutralen Befreiungen vor. Hörst du mich, Vater? Paar Blätter, sie stieben vom Kies hoch. Ein Anruf. Auch er nur ein Windlaut. „Wer ist da?“ Wir lauschen nervös. „Ist da wer?“ Wispriges Rauschen.
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albannikolaiherbst - Sonntag, 4. Oktober 2009, 22:07- Rubrik: BambergerElegien
Ihr Gedicht hat mich sehr aufgewühlt. Als ich Kind war, wohnte ich eine Zeit lang mit meiner Mutter in der Nähe von Hannover. Meine Mutter hatte dort eine Cousine, die auch schon 3 Kinder geboren hatte. Wir haben miteinander gespielt. Uns Kindern ging es eigentlich sehr gut. Wir selbst waren in Ulm ausgebomt worden. Meine Tante bewohnte mit den Kindern ein kleines Zimmer in einem Gasthofgebäude, in dem auch amerikanische Soldaten einquartiert waren. Es war immer sehr laut. Ein Kommen und Gehen und Motoren. Daran erinnere ich mich und meine Tante hatte immer kleine Wattebäusche auf ihrem Nachtisch liegen, mit denen sie sich manchmal nachts die Ohren verstopfte. Sie half in der Wirtschaft, ebenso wie meine Mutter. Viele deutsche Männer waren im Krieg geblieben. Auch der Mann meiner Tante, der vor dem Krieg einen Fahrradhandel betrieb. (Ich habe von ihm ein ganz neues einmal geschenkt bekommen.)
Eines Tages wurde meine Tante sehr krank. Sie litt, wurde immer dünner und starb schließlich an einer Infektion, wie es damals hieß. Es war ja ein ziemliches durcheinander. Man tuschelte über sie. Und ich erfuhr erst 20 Jahre später von meiner Mutter, dass sie versucht hatte, selbst ein Kind abzutreiben. Sie hatte ja schon zwei, und die Verhältnisse waren nicht die Besten in dieser Zeit und in dem Ort wurde auch viel geredet. Es war sehr traurig. Am meisten natürlich für die Kinder. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich, als sie gestorben war, zwei von ihren Wattebäuschen in einer Schublade gefunden habe. Da musste ich sehr sehr weinen.
Gut, dass es heute alle Mittel gibt, um solches Unglück zu verhindern.
Ihr Gedicht hat mich daran wieder erinnert.
Ihre geneigte Leserin Ina Laverenz
Finde ich einen unangemessenen Euphemismus, zumal, wenn man bedenkt, daß die Deutschen den Krieg total w o l l t e n. Angemessen ist vielmehr, d a ß sie drin blieben. Wieviele KZ-Insassinnen t r o t z einer Schwangerschaft umkamen, will ich da gar nicht erst zu bedenken geben, wieviele Russinnen und Polinnen möglicherweise von deutschen Soldaten geschwängert wurden, auch nicht: in einem Polenstädtchen undsoweiterundsofort. Daß man den US-Amerikaner, die als Befreier begrüßt wurden, da gerne den einen und/oder anderen Gefallen tat, finde ich dagegen marginal.
Mir ist auch nicht ganz klar, wie sie die in der Elegie geführte Klage mit Ihrer Erzählung schlüssig zusammenschließen wollen; es wird von etwas ganz Anderem erzählt. Aber das wissen Sie ja selbst, liebe Frau Laverenz, ausgesprochen gut.
Ja. Es war eine Freude. Ich spürte, wie der Krieg vorbei war. Ich erinnere mich an meinen ersten Amerikaner, den ich sah. Ich sehe noch, wie einer pitschenass, ganz ganz nass, in einem heftigen Guss in seinem offenen Fahrzeug sitzt. Es regnete und regnet von oben und in sein Auto hinein und auf ihn drauf, der Soldat rührt sich nicht. Ich glaube, es hat sogar einmal geblitzt. Ich glaube, er war ärgerlich und dann war es ihm irgendwie egal. Und dann der Donner.
Meine Großmutter hat zu mir gesagt, der Krieg ist ein großer Vogel, der irgendwo aufsteigt und dann von ganz ganz oben alle gleich macht. Ein Vogel brütet den nächsten aus.
Vielleicht kann er in einem großen Guss nicht fliegen.
Für mich ist das Kriegsende ein starker Regen.
Aber irgendwann kommt ja wieder die Sonne. Und die macht alles warm. So wie damals in dem Frühjahr. Und dann müssen alle lieben. Alle gleich. Die Liebe ist mächtig auf der Straße. Sie tut keinen Gefallen. Sie ist eine Macht. Sie ist die Sonne.
Als es aufgehört hatte, fingen die Tröpfchen an dem Lenkrad und an der Antenne an zu blinken.
Und da stieg der Soldat aus. Und jetzt, das weiß ich noch wie heute, stellte er sich unter ein Vordach! Als es nicht mehr regnete! Da stellte er sich unter.
Da konnte ich etwas riechen. Seine Uniform oder Benzin oder sein Tabak.
Ja, es hat eine Schuld gegeben. Viel Unglück ist geschehen. Aber unter der Sonne muss man lieben. Da kann auch Krieg sein. Aber wir müssen lieben.
Das Leben muss ja weiter gehen. Es ging ja auch weiter. Immer weiter.
Und meistens regnet es nicht.
Meinen sie, dass meine Tante und ihr 4. Kind vielleicht ein Ausgleich war, der etwas wieder gut machen könnte?
Herzlich geneigt, Ina Laverenz.
Es ist schön, dass Sie mich gesehen und gegrüßt haben.. Sie sind so unglaublich flink und hübsch und wunderwunderschön. Ein Mädchen. Ein Fräulein gar schon? Ich könnte sie nie und nimmer fangen. Selbst wenn ich wollte. Sie sind einfach zu flink. Dabei bin ich ganz nah.
Ich kann sehen, wie sie da hinter der Fensterscheibe stehen. Es regnet. Sie schauen hinaus zu dem Soldaten auf die Straße. Sie hatten Recht. Ich fliege nicht bei Regen, ich warte. Es ist ein wenig zu kühl. Keine Thermik.
Ich bin nicht oben, ich bin unten. Direkt bei Ihnen.
Hier. Dicht.
An ihrem Ohr.
Ich weiß, dass Sie wegen ihres Schnabels kein "V" aussprechen können. Aber mein Name ist immer noch Laverenz mit V.
Aber der einzige Vogel, der hier in meiner Nähe sitzt, ist Carl mit C - und das ist mein alter Freund Papagei, der mich wahrscheinlich überleben wird. Das finde ich sehr traurig. Wenn er dann allein sein muss.
Aber ich höre immer was er sagt, und er kann mich auch hören.
Ihre Ina Laverenz
Was halten Sie beide davon, für Die Dschungel einen regelmäßigen und intensiven Briefwechsel zu beginnen und auch darin weiterzuführen? Mein Eindruck ist, daß Sie einander einiges zu sagen haben, und uns, Ihren Lesern. Gerne stellte ich Ihnen dafür eine eigene Rubrik zur Verfügung. Beide könnten Sie einander (und uns) aus den Tiefen Ihrer Erfahrungen und Höhen Ihres Geistes Kenntnisse vermitteln, die uns entweder verloren gingen oder aber, da sie so in der Zukunft liegen, noch überhaupt nicht zugänglich waren. Ich kann mir denken, dies würde sowohl die Klassizität der Briefromane (vielleicht gar ihr Rokoko'es?) erneuern wie, da öffentlich in einem Medium gefährt, das sich von der Dinglichkeit des Printes längst und immer weiter entfernt, Perspektiven einer nächsten Gegenwart eröffnen.
Ich meine dieses in voller Hochachtung ernst.
Ihr
ANH.
Herbst & Deters Fiktionäre.
Ich bedanke mich sehr für das Angebot. Und weiß das auch zu schätzen. Es geniert mich beinahe ein wenig.
Ich bin nur eine einfache Frau, die hier manchmal liest. Hier wird so viel schöner und eleganter geschrieben, da würde ich mich schämen.
Wenn ich Ihnen manchmal eine Karte schicke, wird es noch angehen.
Na, und ich denke, so ein Vogel mag auch mehr die Weiten der Himmel, als einen Ort, an dem er regelmäßig und ausgerechnet für meine alten Geschichten erreichbar wäre. Es scheint ja doch öfter die Sonne.
Aber trotzdem, ich verbleibe geehrt und mit herzlichen Dank als
Ihre Leserin Laverenz
Vor allem meine Leserinnen. Und den Herrn Condor, der, wie ich aus sicherster Quelle weiß, dem Charme älterer Damen, der ihnen diesen bestimmten Eros der Erfahrenen verleiht, sehr erlegen ist und es auch bleiben möchte. Das verstehen wir auch, er mag nicht fliegen wie ein Heliumballon.... immer weiter und weiter zur Sonne und ganz ohne Luft.
Geben Sie sie ihm, ich kann Sie nur bitten.
Ihr
ANH
da hab ich was angerichtet. Es tut mir sehr leid, aber ich kann das nicht mehr veränder, was da steht. Ich hab mit Mühe diesen Satz so hinbekommen und kann den Beitrag jetzt nicht korrigieren. Er steht so da und ich komm nicht mehr hinein. Ach, Herr Herbst, könnten Sie das vielleicht netterweise für mich tun? Ansonsten kommt morgen mein Enkel, vielleicht weiß der Rat. Ich bitte sehr um Verzeihung, was hab ich da nur angerichtet. Ohjeohjeh.
Ich war so im Überschwang, in der Vorfreude auf Frau Leberenz in unserem Verein. Verzeihen Sie, und viel Erfolg für Sie!
ist da jemand? Wollte nur kurz mitteilen, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind.
"wispriges rauschen" gibt's noch in jedem, hören sie, "windlaute" nicht nur im letzten, "geschlechtsneutrale befreiungen" vor allem in diesem "eingetrockneten" jahrhundert.
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