Fast immer etwas von Liebe. Kleine Bemerkung zu Bruno Maderna.
Erschienen am 6. September 2009.]
Mit zwölf debütierte er als Dirigent an der Scala. Später, in den 50er und 60er Jahren, wurde er zu einer solchen Schlüsselfigur der Neuen Musik, daß es Wunder nimmt, wie er so vergessen sein kann. Doch bereits in den letzten Jahren seines kurzen Lebens war er als Dirigent bekannter denn als Komponist. Denn er unterwarf sich keiner Doktrin, durchbrach schon früh das serielle Dogma in Richtung Aleatorik, hatte eine musikalische Liebesbeziehung zur tonalen Tradition, synthetisierte - man kann sagen: im guten Sinn ein früher Postmoderner - elektronische und natürliche Klänge, hatte auch nicht die mindeste Scheu vor komponiertem Gefühl. Klangcollagen wie sein Venezianische Tagebuch sind bis heute eine Legende - scheuen Botschaften gleichend, denen keiner allzu laut den Laut geben will. Wer aber mit heutigen Komponisten redet und mit Dirigenten, der wird, kommt die Sprache auf ihn, fast immer etwas von Liebe spüren. Dennoch gibt es neben Dallapicolla, für den etwas Ähnliches gilt, kaum einen so selten aufgeführten Neutöner wie ihn; wer seine Arbeiten kennenlernen will, muß auf CDs zurückgreifen; einiges ist auch als mp3 übers Netz zu bekommen. Man kann das ideologische Naserümpfen direkt spüren, das ihn nach und nach aus dem Musikbetrieb hinausgeschoben hat. Es wäre jetzt seine Zeit – anstelle daß man sich das E-musikalische Kitschbedürfnis esoterisch von Philip Glass zuschmieren läßt. Das hat man bei Ricordi wohl gleichfalls gedacht und die „Grande Aulodia“ als CD wieder zugänglich gemacht – ein in Episoden geradezu erzähltes Konzert für Flöte und Oboe. Der Aulós (αὐλός) war eine Art doppelläufiger Schalmei: kompositorisch ein typischer Rückgriff Madernas, der über die Oboe einen vermeintlich alten Klang mit dem modernen der Querflöte mischt. Das läßt einen bisweilen schwebenden, fast überzeitlichen Ton entstehen, den in manchen „Szenen“ scharfe Perkussionspassagen dramatisieren... keine neue Einspielung, nein, aber die Radioaufnahme von 1970 klingt frisch wie je, frei von jeder Starre und erstaunlich unhistorisch. „Ich hasse es, konsequent zu sein, denn das ist tödlich“, hat Maderna gesagt. Die strengserielle Musik bekam das per Publikumsverdampfung zu spüren. Daß es sich bei Maderna gleich mitverdampfte, war, mit einem Wort, masochistisch.
Grande Aulodia
Ricordi oggi
STR 57010
21. und 22. November 2009.
Bruno Maderna gewidmet.
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