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„... >>>> das da, um 15.45 Uhr unten, kann Ihnen, dem orthodox Koscheren, kaum angenehm gewesen sein. Immerhin kennt mein Schlachter den Bauern persönlich, so daß tiergerechte Haltung garantiert ist. In Sachen Ernährung bin sogar ich politisch korrekt.
Was aber die Besprechungen „untereinander“ angeht, seh ich das nicht nur pragmatisch. Es ist keine Hilfe zur Selbsthilfe. Sondern Th. Mann besprach Hesse, Goethe verriß Kleist, den Wieland wiederum lobte... will sagen: Kollegenbesprechungen haben eine sehr, sehr lange Tradition, die gute und eben nicht korrupte Gründe hat, jedenfalls nicht durchweg. Es weiß vielmehr der Romancier vertrauter über den Roman bescheid als irgend ein Journalist. Er kennt die Problemlagen besser und ist sich höchst genau bewußt, was eine Faktur ist. Bei Literaturjournalisten ist dagegen zu beobachten, daß sie oft schrecklich wenig von Formung verstehen und deshalb „plot“orientiert formulieren, wobei sie überdies solche Plots hochschätzen, die zeitlichen Moden entgegenkommen oder ihnen sogar hinterherrennen. Anders ist weder >>>> die Nobilitierung Rowlings in die Hochkultur, noch der feuilletonistische Hype auf Charlotte Roche auch nur irgendwie verständlich. Selbst die FAZ hat, und ausgerechnet >>>> durch eine Frau, das >>>> höchst fragwürdige Buch zur Kunst erhoben. Daß Journalisten objektiver urteilten als untereinander Kollegen, läßt sich also wirklich nicht sagen. Eher ist das Gegenteil der Fall.
Ich persönlich halte es deswegen so: Wenn mir ein Buch gefällt, dann bespreche ich es, egal, ob von einem Bekannten oder nicht. Sofern ich einen Auftrag habe. Doch nur bei Büchern, die ich s e h r gut finde, bemühe ich mich um Aufträge; da kann ich dann kämpfen, und es ist mir dann ebenfalls wurscht, ob ich mit dem Autor befreundet oder lose bekannt bin oder ob eben nicht. Wenn mir das Buch hingegen nicht gefällt, schreibe ich auch nicht. Natürlich tut den mir bekannten Autor:innen auch das weh, doch immerhin nicht öffentlich. Doch überhaupt schreibe ich Verrisse nur dann, wenn ich wirklich wütend bin.
Die eigentlichen, die „wahren“ Rezensionen sind (in philosophischem, bzw. mathematischem Sinn) Diskussionen - ganz so wie >>> die Ihre über meine Kleine Blogtheorie. Deshalb halte ich sie für ebenso ausgezeichnet wie >>>> Keuschnigs (mit dem ich mich gestern leider wieder zoffte, abermals >>>> wegen der Trolls). Sie beide argumentieren gut und durchsichtig – egal, ob ich selbst anderer Meinung bin und dies meinerseits auch begründen kann. Im Gegenteil: eben darauf kommt es an. Ist eine Rezension Anlaß zu einem Gespräch und fällt nicht bloß Urteile, die ihre Gründe nicht ausweisen, ist sie in jedem Fall seriös, auch dann, wenn man einander kennt. Daß einem Dritte dennoch übel nachreden, können wir nicht verhindern. Wir könnten es aber selbst dann nicht, schrieben wir nicht mehr übereinander. Sowieso verfehlt der Vorwurf gegenseitigen Händewaschens sein Ziel – vorausgesetzt, die Rezension i s t eine Diskussion -, weil man sich in diesem kleinen Betrieb auch mit „normalen“ Kritikern, sofern sie uns einmal wohlgesonnen waren und unsere Arbeit weiterschätzen, schnell anfreundet - ja solche Beziehungen sind oft viel enger als unter einander bekannten Kollegen, für die fast immer, naurgemäß geradezu, Konkurrenz eine Rolle spielt. Das betrifft auch s e h r befreundete Autoren. Ihre Verhältnisse sind selten ohne narzisstische Eintrübungen: der eine wird bekannt, der andere nicht, die eine verkauft besser als die andere usw., und zwar nahezu unabhängig von den Qualitätskriterien. Das belastet die Kollegen- und Freundschaften, ob wir das mögen oder nicht. Wenn wir uns dennoch mit Achtung voreinander rezensieren, dann ist das ein menschlicher Sieg. Außerdem meine ich, daß es wichtig ist, gegen die Tendenzen des normalen Literatur-Rezensionsbetriebs anzuschreiben, der mehr an Platzfragen, Betriebs- und also Machtpositionierungen hängt als an tatsächlich literarästhetischen Kriterien und nicht zuletzt auch von Anzeigen-Aufträgen abhängig ist. Dem können wir als genau einander Lesende mit einer anderen Form der Rezension begegnen, die, wenn es gutgeht, ihrerseits zu Kunst wird. Das wäre anzustreben. Jeder Einwand, dann, es sei ja bloß >>>> korrumpelt worden, würde von der Qualität der Arbeit schlichtweg zerpustet – also von der Ernsthaftigkeit dieser Arbeit.“

albannikolaiherbst - Sonntag, 23. Oktober 2011, 08:13- Rubrik: Kulturtheorie
Wie Sie selbst schon andeuten: Bei aller Kenntnis und allem Fachwissen, dass der Literat mit sich bringt, ist sein Blick doch oft genug getrübt oder verengt, durch seine eigene Auffassung von Künstlertum, von Kunst, vom Weg der zu gehen ist: Insofern braucht es Leserkritiken und Journalisten als Gegengewicht.
Prinzipiell haben Sie recht. Das Problem besteht indes in einem Ungleichgewicht, das eines der Macht ist. Denn nicht die Meinung des Journalisten ist es, was auf die Waage gelegt wird, sondern das Ansehen der Zeitung-insgesamt. So kommt es, daß eine Kritik im Spiegel vernichten kann, während die Meinung eines Künstlers von vornherein mit der Einschränkung versehen wird, die Sie formulieren. Der Blick des Journalisten ist nämlich nicht minder getrübt oder verengt, als der des Künstlers; für Leserkritiken gilt das ganz ebenso. Verengtheit trifft auf Verengtheit, aber die des Feuilletons setzt sich - zumindest zu Lebzeiten des Künstlers - durch, weil die Machtmittel ungleich größer sind. Die Meinung eines Journalisten kann, in dem geeigneten Medium vertreten, Existenzen zerstören, die Meinung eines Künstlers, ob über sich selbst oder andere, nicht. Zumal liegt der Verengungsgrund eines Künstlers immer offen da, weil immer seine Ästhetik spricht, die er vermittels seines Werkes vorzeigt; der Verengungsgrund von Journalisten - oft genug nichts als "Quote" und der Wunsch, seine Hypotheken bezahlen zu können, oder aber (hat mir einer selbst mal gesagt) "Frauen zu bekommen" - n i c h t.
Die Macht ist verschieden gewichtet, selbstverständlich, aber noch bevor etwas geschrieben wird: Tut sich der Rezipient nicht leichter Widersprüche neben einander stehen zu lassen? Muss sich der Schaffende nicht viel eher für eine Richtung, einen Stil entscheiden und auch begründen warum er das tut?
Die grundsätzlichen Verengungen sind verschieden: Beim Künstler sind es ästhetische Gründe (und auch manche die denen der Journalisten nicht unähnlich sind: Auch Künstler "müssen" sich verkaufen, sich interessant machen, Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sie taten das auch schon immer), beim Journalisten fachliche (neben denen die Sie schon nannten).
Ich glaube es hat sich im Hinblick auf Journalisten und Zeitungen eine Menge getan: Längst wird nicht alles von den Lesern geschluckt (und das ist durchaus ein Verdienst der Netzwelt).
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albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:43
findeiss - 2018/01/16 21:06
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dann stimmt auch die zeitrechnung
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und...
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