Wenn wiederum Günter Berg, Verlagsleiter von Hoffmann & Campe.
In einem Interview, das ebenfalls in der Welt steht, Billers “Esra” und im selben Satz m e i n verbotenes Buch ziemlich direkt mit der BILD vergleicht und dem Urteil, wenn auch mäßigend, zustimmt, so übersieht er, daß das Grundgesetz der Kunstfreiheit eben K u n s t schützt und Kunst sich gerade durch ihre Faktur auszeichnet: w i e - und nicht w a s - ist gestaltet worden? Hierauf kommt es bei Kunst doch zu allererst an. Berg aber stellt auf das ab, was verräterischerweise aus der Unterhaltungsindustrie herkommt und plot heißt. Er offenbart das mit dem Hinweis auf die sexuellen Themen, die in beiden Büchern grundlegend sind. Tatsächlich übersieht ja auch Wittstock in seinem Artikel, daß die BUDDENBROOKS, wäre denn Thomas Mann weniger verklemmt und vor allem in Hinsicht auf seine Homosexualität offener gewesen, d u r c h a u s hätten Gegenstand eines Prozesses und auch verboten werden können. Imgrunde waltet nach wie vor dieselbe Angst, die schon Genet zu spüren bekam: es könne etwas bekanntwerden von uns, das mit unserem tradierten Menschen- und also öffentlichen Selbstbild nicht übereinstimmt. D i e s ist die Richtung, aus der geschossen wird, und zwar n u r dies.
Indessen sind das Pyrrhussiege, denn das Netz ist so viel weiter als jedes Printmedium, und die Wahrheit über uns wird h i e r offenbar. “Ick bin allhier!” ruft der Igel.
[Berg übersieht in seiner vielleicht lieb gemeinten, aber letztlich doch zynischen Einlassung außerdem, daß in der Kunst, wenn sie es denn ist, eine “Therapie” n i e m a l s stattfindet. Für Therapie und Kunst herrschen völlig andere Gesetze, und was ein Autor für sich meinen mag, zergeht in den Zwängen, die ihm die Dichtung auferlegt. Sein Leid und seine Lust sind ihm M a t e r i a l, und zwar rohes. Bearbeitet er es, kommt es deshalb bezüglich ‘realer Vorbilder’ poetisch zu einer Gerechtigkeit, die der Künstler dem angerufenen Vorbild privat meist gar nicht zugesteht – und zwar auch n a c h Fertigstellung des etwas ganz anderes ausdrückenden Werkes noch nicht. So fremd ist ein Kunstwerk dem Künstler, so ganz notwendig nur F o r m.]
Indessen sind das Pyrrhussiege, denn das Netz ist so viel weiter als jedes Printmedium, und die Wahrheit über uns wird h i e r offenbar. “Ick bin allhier!” ruft der Igel.
[Berg übersieht in seiner vielleicht lieb gemeinten, aber letztlich doch zynischen Einlassung außerdem, daß in der Kunst, wenn sie es denn ist, eine “Therapie” n i e m a l s stattfindet. Für Therapie und Kunst herrschen völlig andere Gesetze, und was ein Autor für sich meinen mag, zergeht in den Zwängen, die ihm die Dichtung auferlegt. Sein Leid und seine Lust sind ihm M a t e r i a l, und zwar rohes. Bearbeitet er es, kommt es deshalb bezüglich ‘realer Vorbilder’ poetisch zu einer Gerechtigkeit, die der Künstler dem angerufenen Vorbild privat meist gar nicht zugesteht – und zwar auch n a c h Fertigstellung des etwas ganz anderes ausdrückenden Werkes noch nicht. So fremd ist ein Kunstwerk dem Künstler, so ganz notwendig nur F o r m.]
albannikolaiherbst - Donnerstag, 23. Juni 2005, 13:22- Rubrik: Buchverbot
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