G a n g a. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 2014. (Auch zu, leider, Fifty Shades of Grey).
Wir hatten uns in der Wohngarage einer Hippie-Gruppe zusammengefunden; ich war durch eine Frau hingebracht worden, die wiederum lockere Freundin eines dort lebenden Literatur-, glaube ich, -wissenschaftlers war. Unsere, der Frau und meine, Gespräche drehten sich aber um ihre Vorliebe für devoten Sex; vielleicht wollte sie auch von mir zur Dienerin abgerichtet werden. Irgend so etwas jedenfalls, die Situation war erotisch ziemlich aufgeladen. Was wir da allerdings bei den vor allem jungen Männern wollten, kann ich im Wachen gar nicht begreifen. Dennoch war diese Bewegung traum/logisch rein, ja organisch vollkommen und vollkommen organisch, dazu hochgradig schwül.
Ich wurde mit dem jungen Literaturwissenschaftler bekannt gemacht, der einiges von meiner Arbeit schon gehört, aber nichts von mir gelesen hatte; allerdings war er positiv präjudiziert und freute sich von deutlich ganzem Herzen, mich kennenzulernen. Auch mit „meiner“ jungen Dame, ich nenn sie mal Mademoiselle Hepburn, hatte ich einige Zeit über Literatur gesprochen und speziell über meine >>>> Melusine Walser, wie besonders darüber, daß mir die Löwin mit Recht ausgeredet hat, diesen Roman als den einer devoten Frau, sondern ihn vielmehr aus der Sicht eines dominanten Mannes zu schreiben: nämlich, was eben d i e s e n treibt, in eine Erzählung zu bringen. Unweigerlich kamen wir auf >>>> E.L.James' gräßliches, weil für die Zusammenhänge billig banales Buch zu sprechen und daß es aber gerade die innere Billigkeit (die nicht den Ladenpreis des Buches meint) sei, was seinen Erfolg begründet hat: Letztlich handelt es sich um eine sehr bewußt auf den Markt zugeschnittene Profanierung, während dominant/submissive Inszenierungen interessanterweise am schärfsten funktionieren, wenn man sie von Kirchenmusik begleiten läßt, etwa Pergolesis Stabat mater, aber auch – O Haupt voll Blut und Wunden - von Bachs Passionen. Will sagen, daß die treibenden und wirkenden Zusammenhänge die Metaphysik nicht nur streifen; ohne sie kann es gar keine Übertretungen g e b e n.
So das, im Traum!, vorhergegangene Gespräch, das sich nun mit dem jungen Literaturwissenschaftler fortsetzte, auch wenn jetzt >>>> Anderswelt ins Zentrum geriet. Um eine Formklammer zu schaffen, wies ich auf >>>> Die Fenster von Sainte Chapelle hin, das der junge Mann – im wachen Nachhinein erinnert er mich ziemlich an einen allerdings sehr bärtigen Brad Pitt, einen, sagen wir, D.H.Lawrence-Pitt –, aber auch nicht kannte. So ging das hin und her. Ich wandte mich wieder der kleinen Audrey Hepburn zu, der junge Mann stand abseits im Gespräch mit seinen Freunden. Irgendwann kam er wieder zu mir. „Ich verstehe gar nicht“, sagte er, „weshalb du so einen schlechten Ruf hast, auch hier, bei meinen Leuten. Das sind alles hochgebildete Menschen, aber sie lassen nicht mit sich reden. Sie mögen >>>> Krausser, sogar >>>> Kunkel, dich aber lehnen sie mit einer Entschiedenheit ab, die mich ganz sprachlos macht.“
So packte ich die Gelegenheit an der Rute und fragte selbst. Die Antwort, die ich bekam, frappiert mich noch jetzt: „Wie flach Sie in Ihrer Erzählung Ganga über Foucault hinweggehen, wie Sie ihn banalisieren, ist einfach grauenhaft.“ Ich war wirklich vor den Kopf gestoßen, denn diese Erzählung hatte ich, wollte ich ausrufen und tat es auch, niemals geschrieben. „Selbstverständlich haben Sie das. Das ist geradezu lächerlich, daß Sie das jetzt leugnen. Sie sind nicht nur ein schlechter Autor, sondern auch noch ein Lügner also und ein Feigling.“
Ich wurde immer verwirrter. Ganga, Ganga, ich konnte mich wirklich nicht erinnern. Aber mir dämmerte etwas, irgend etwas, ein Ungeheures, Schlimmes, ja Böses. Bis in mir eine Art Geständnis aufstieg, ein Selbstgeständnis, diese Erzählung tatsächlich geschrieben zu haben, nur daß ich sie in überhaupt keinen Zusammenhang mit Foucault bringen konnte. Ich hatte auch keine Ahnung mehr, was in der Erzählung eigentlich drinstand, nur, daß sie irgendwann vor Jahren in den >>>> Horen erschienen war, zu >>>> Johann P. Tammens Zeiten natürlich noch.
Ganga. Das mußte ein „indisches“ Sujet gewesen sein, und wenn ich jetzt drüber nachsinne, ist, abgesehen von meinem Bombay-Hörstück und einer vor anderthalb Jahrzehnten tatsächlich in den Horen erschienenen „Bombay-Rhapsody“, welches der Nukleus eines damals geplanten Mumbai-Romanes war, ein solches, aber auch nur indirekt, in der Erstfassung von >>>> Meere tatsächlich realisiert worden, nämlich allein in der Figur Irene Adhanaris. So daß jedenfalls die scharfe Auseinandersetzung, zu dem sich mein Taum nunmehr auswuchs, ganz offenbar abermals seinen Grund in diesem meinem umstrittensten Buch hatte. Aber das kapierte ich im Traum noch nicht, sonst hätte ich anders reagiert, besonnener und eingedenk, daß ich Tabus berührt hatte, deren Verletzung die Menschen mir übelnahmen und nach wie vor -nehmen. Ich wäre denn auf ihre Prägungen zu sprechen gekommen und hätte den politischen Zusammenhang von internalisierter Moral und ökonomischen Interessen deutlich gemacht. So indes, mit „Ganga“, blieb ich hilflos und in einer gegen die Wand gedrückten Verteidigungsstellung verohnmachtet.
Mit diesem lähmenden Gefühl und dem des Abgelehntwerdens und hilflos auch, weil sich der junge Literaturwissenschaftler mit einem Mal in einem Loyalitätskonflikt befand, aus dem er nur durch Rückzug von mir herauskommen konnte, wachte ich auf – hatte aber immer noch die im Traum aufgestiegene Gewißheit, die in ihm strittige Erzählung „Ganga“ tatsächlich geschrieben zu haben. Und daß an ihr etwas objektiv Unrechtes sei, das mich ein- für allemal disqualifiziert habe.
Was ich jetzt, im Wachen, anders sehe. Vielmehr denke ich, „Ganga“ nunmehr schreiben zu müssen. Als wäre es ein Auftrag, den mein Traum mir erteilt hat – etwas, das in meinem Unbewußten eine Forderung stellt, deren Erfüllung es bewußt machen soll. Nicht aber >>>> „Wo Es ist, soll Ich werden“, sondern ein geradezu ichloses Licht ist vonnöten. (Dagegen allerdings Bloch: „Nicht nur Verbrechern ist ja das Dunkel tauglich, auch Liebende wissen mit ihm etwas anzufangen.“)
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Ich wurde mit dem jungen Literaturwissenschaftler bekannt gemacht, der einiges von meiner Arbeit schon gehört, aber nichts von mir gelesen hatte; allerdings war er positiv präjudiziert und freute sich von deutlich ganzem Herzen, mich kennenzulernen. Auch mit „meiner“ jungen Dame, ich nenn sie mal Mademoiselle Hepburn, hatte ich einige Zeit über Literatur gesprochen und speziell über meine >>>> Melusine Walser, wie besonders darüber, daß mir die Löwin mit Recht ausgeredet hat, diesen Roman als den einer devoten Frau, sondern ihn vielmehr aus der Sicht eines dominanten Mannes zu schreiben: nämlich, was eben d i e s e n treibt, in eine Erzählung zu bringen. Unweigerlich kamen wir auf >>>> E.L.James' gräßliches, weil für die Zusammenhänge billig banales Buch zu sprechen und daß es aber gerade die innere Billigkeit (die nicht den Ladenpreis des Buches meint) sei, was seinen Erfolg begründet hat: Letztlich handelt es sich um eine sehr bewußt auf den Markt zugeschnittene Profanierung, während dominant/submissive Inszenierungen interessanterweise am schärfsten funktionieren, wenn man sie von Kirchenmusik begleiten läßt, etwa Pergolesis Stabat mater, aber auch – O Haupt voll Blut und Wunden - von Bachs Passionen. Will sagen, daß die treibenden und wirkenden Zusammenhänge die Metaphysik nicht nur streifen; ohne sie kann es gar keine Übertretungen g e b e n.
So das, im Traum!, vorhergegangene Gespräch, das sich nun mit dem jungen Literaturwissenschaftler fortsetzte, auch wenn jetzt >>>> Anderswelt ins Zentrum geriet. Um eine Formklammer zu schaffen, wies ich auf >>>> Die Fenster von Sainte Chapelle hin, das der junge Mann – im wachen Nachhinein erinnert er mich ziemlich an einen allerdings sehr bärtigen Brad Pitt, einen, sagen wir, D.H.Lawrence-Pitt –, aber auch nicht kannte. So ging das hin und her. Ich wandte mich wieder der kleinen Audrey Hepburn zu, der junge Mann stand abseits im Gespräch mit seinen Freunden. Irgendwann kam er wieder zu mir. „Ich verstehe gar nicht“, sagte er, „weshalb du so einen schlechten Ruf hast, auch hier, bei meinen Leuten. Das sind alles hochgebildete Menschen, aber sie lassen nicht mit sich reden. Sie mögen >>>> Krausser, sogar >>>> Kunkel, dich aber lehnen sie mit einer Entschiedenheit ab, die mich ganz sprachlos macht.“
So packte ich die Gelegenheit an der Rute und fragte selbst. Die Antwort, die ich bekam, frappiert mich noch jetzt: „Wie flach Sie in Ihrer Erzählung Ganga über Foucault hinweggehen, wie Sie ihn banalisieren, ist einfach grauenhaft.“ Ich war wirklich vor den Kopf gestoßen, denn diese Erzählung hatte ich, wollte ich ausrufen und tat es auch, niemals geschrieben. „Selbstverständlich haben Sie das. Das ist geradezu lächerlich, daß Sie das jetzt leugnen. Sie sind nicht nur ein schlechter Autor, sondern auch noch ein Lügner also und ein Feigling.“
Ich wurde immer verwirrter. Ganga, Ganga, ich konnte mich wirklich nicht erinnern. Aber mir dämmerte etwas, irgend etwas, ein Ungeheures, Schlimmes, ja Böses. Bis in mir eine Art Geständnis aufstieg, ein Selbstgeständnis, diese Erzählung tatsächlich geschrieben zu haben, nur daß ich sie in überhaupt keinen Zusammenhang mit Foucault bringen konnte. Ich hatte auch keine Ahnung mehr, was in der Erzählung eigentlich drinstand, nur, daß sie irgendwann vor Jahren in den >>>> Horen erschienen war, zu >>>> Johann P. Tammens Zeiten natürlich noch.
Ganga. Das mußte ein „indisches“ Sujet gewesen sein, und wenn ich jetzt drüber nachsinne, ist, abgesehen von meinem Bombay-Hörstück und einer vor anderthalb Jahrzehnten tatsächlich in den Horen erschienenen „Bombay-Rhapsody“, welches der Nukleus eines damals geplanten Mumbai-Romanes war, ein solches, aber auch nur indirekt, in der Erstfassung von >>>> Meere tatsächlich realisiert worden, nämlich allein in der Figur Irene Adhanaris. So daß jedenfalls die scharfe Auseinandersetzung, zu dem sich mein Taum nunmehr auswuchs, ganz offenbar abermals seinen Grund in diesem meinem umstrittensten Buch hatte. Aber das kapierte ich im Traum noch nicht, sonst hätte ich anders reagiert, besonnener und eingedenk, daß ich Tabus berührt hatte, deren Verletzung die Menschen mir übelnahmen und nach wie vor -nehmen. Ich wäre denn auf ihre Prägungen zu sprechen gekommen und hätte den politischen Zusammenhang von internalisierter Moral und ökonomischen Interessen deutlich gemacht. So indes, mit „Ganga“, blieb ich hilflos und in einer gegen die Wand gedrückten Verteidigungsstellung verohnmachtet.
Mit diesem lähmenden Gefühl und dem des Abgelehntwerdens und hilflos auch, weil sich der junge Literaturwissenschaftler mit einem Mal in einem Loyalitätskonflikt befand, aus dem er nur durch Rückzug von mir herauskommen konnte, wachte ich auf – hatte aber immer noch die im Traum aufgestiegene Gewißheit, die in ihm strittige Erzählung „Ganga“ tatsächlich geschrieben zu haben. Und daß an ihr etwas objektiv Unrechtes sei, das mich ein- für allemal disqualifiziert habe.
Was ich jetzt, im Wachen, anders sehe. Vielmehr denke ich, „Ganga“ nunmehr schreiben zu müssen. Als wäre es ein Auftrag, den mein Traum mir erteilt hat – etwas, das in meinem Unbewußten eine Forderung stellt, deren Erfüllung es bewußt machen soll. Nicht aber >>>> „Wo Es ist, soll Ich werden“, sondern ein geradezu ichloses Licht ist vonnöten. (Dagegen allerdings Bloch: „Nicht nur Verbrechern ist ja das Dunkel tauglich, auch Liebende wissen mit ihm etwas anzufangen.“)
albannikolaiherbst - Samstag, 12. Juli 2014, 09:07- Rubrik: Traumprotokolle
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