Buchverbot
MEERE. Die Presseerklärung des mare-Verlages vom 12. September 2017: Zur Freigabe der Originalausgabe.
Eine Mauer fällt.
BÜCHERMARKT
16.10 Uhr
(„Noch aber sind meine Lippen versiegelt“
also schreibt's:
>>>> ANH)
>>>> Deutschlandfunks Lifestream
MEERE und die Universitäten. Nachträge.

Daniello, der mein öffentliches Email-Postfach verwaltet, hat mir Ihre Anfrage weitergeleitet. Im Absender finden Sie nun mein direktes Postfach.
Es scheint an den Universitäten derzeit einen Seminar-run auf das Buchverbotsthema zu geben, was ich aus soziologischen Gründen zwar verstehe. Allerdings sehe ich mich rein aus zeitlichen Gründen außerstande, jede Anfrage detailliert zu beantworten. Bislang habe ich solche Anfragen an meinen Anwalt weitergeleitet; doch der Schwemme solcher Anfragen wegen kann ich damit auch ihn nicht weiter belasten.
Prinzipiell einmal, das möchte ich klarstellen, hat es sich bei dem Prozeß um >>>> MEERE nicht um Zensur gehandelt, sondern um einen Konflikt zweier Grundrechte, die zugunsten des einen entschieden worden sind. Das ist etwas anderes als Zensur. Ferner bestehen zwischen Maxim Billers, Michael Lentz’ und meinem Roman allein schon dahingehend Unterschiede, daß es bei Lentz meines Wissens nie zu einem Prozeß gekommen ist und bei Biller, anders als in meinem Fall, auch nach Prozeßende keine Einigung zustandekam. Das mag nicht nur persönliche Gründe haben: hier wäre also zu schauen. In der Tat glaube ich, daß es prizipiell ästhetische Gründe waren, die eine Rolle spielten; daneben gibt es auch sozialpolitisch-ökonomische usw.; all dies ist von den Prozessen nicht abzulösen. Ich habe mich weit mehr als die beiden anderen Autoren zu meinem Buchprozeß öffentlich immer wieder geäußert; das ist vielerorts dokumentiert und nachlesbar.
Nur habe ich mit dem Kläger unterdessen eine Einigung erzielt, die ich nicht brechen will. Selbst wenn ich noch Exemplare der ursprünglichen Fassung haben und selbst wenn ich wollen sollte, was nicht der Fall ist, würde ich keines davon zugänglich machen. Handelte ich anders, bräche ich die Einigung, was schon im Interesse der Verfügbarkeit des Romans >>>> so, wie er jetzt erhältlich ist, nicht liegen kann. Das gilt auch für Auskünfte über die zwischen uns Rechtsparteien vereinbarten Änderungen in der von mir so genannten „persischen Fassung”. Meinerseitige Inhaltsauskünfte über die in der Tat geringen Änderungen kämen einer Rücknahme der Einigung gleich. Das einzige, was ich Ihnen sagen kann, ist, daß die von einem Großteil der Presse als inkriminiert behaupteten „Stellen” des Romans n i c h t aus dem Buch herausgenommen werden mußten. Weder wurden Sexualstellen gemildert, noch hat der Handlungsaufbau des Buches, geschweige seine Ästhetik irgend einen Schaden genommen.
Daß Ihnen der >>>> Mareverlag kein Exemplar der Fassung, um die der verlorene Rechtsstreit ging, zur Verfügung stellen will, liegt auf der Hand; ich wundere mich ein wenig, daß Sie da überhaupt gefragt haben. Eine Zuwiderhandlung zöge unmittelbare Sanktionen nach sich, auch wenn - aber eben v o r der seinerzeitigen Einstweiligen Verfügung - meines Wissens an die 2000 Exemplare bereits verkauft worden waren, nämlich in der ersten Woche nach Erscheinen des Buches.

ANH
>>>> Herbst & Deter Fiktionäre
„Durch die Nähe zur Technik und Industrie ist Forschung Produktivkraftentwicklung geworden.“ Die Moralisierung der Wissenschaft ODER Das Ende des Bacon‘schen Zeitalters (1).
Hier liegen Tretminen. Denn darunter liegt >>>> die Frage nach Gott, die eine danach ist, was moralisch sei. „Wenn die Wissenschaftspolitik bisher die Aufgabe hatte, die Wissenschaft qua Forschung soweit es irgend ging zu fördern, unter der Bedingung knapper Mittel Prioritäten zu setzen und ein innovatives Klima zu schaffen, so geht es jetzt darum, die Forschung zu überwachen, für Forschungsvorhaben Genehmigungsverfahren einzurichten, einen moralischen Konsens über mögliche Forschungen sicherzustellen, die Anwendung von Forschungsergebnissen zu beschränken und zu kanalisieren. Man könnte sagen, es geht um Wissensmanagement, aber das wäre ein zu schwacher Ausdruck. Genauer gesagt geht es darum beständig auszuhandeln, was wir überhaupt wissen wollen und welche Anwendungen von Wissen wir als legitim ansehen. Es geht darum, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden, aufgrund dessen die Erzeugung und Anwendung von Wissen geregelt wird. Diese Verschiebung im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft hat einen Grund in einer Tatsache, die mir Anlass gegeben hat, von einem Ende des Bacon'schen Zeitalters zu sprechen (Böhme 1993): Das Vertrauen, das seit Francis Bacon die Beziehung von Wissenschaft und Gesellschaft getragen hat, ist zerbrochen, nämlich das Vertrauen darauf, dass wissenschaftlicher Fortschritt in jedem Fall zugleich humaner und gesellschaftlicher Fortschritt sein werde.“ Gernot Böhme, 2004.
Weiter >>>> d o r t Abermals, letzten Endes: Wir kommen um den Glauben nicht herum. Im Zeitalter der Globalisierung bedeutet genau das aber - Krieg.
Viele sein, die sich ausschließen ODER Unter Künstlern.
Noch etwas anderes geht mir im Kopf herum: wie man so vieles gleichzeitig und immer mit selbem Recht ist: ich als Familienvater, überhaupt Vater, ich als Liebender, ich als Benutzer von Frauen, also dieses Dominante, das „Erziehungsspiel“ etwa, das die moralischen und genderkorrekt-modernen Regulative nicht nur überschreitet, sondern - für den Zeitraum des „Spiels“ - durchstreicht, ja sie im Wortsinn mit Füßen tritt, aber genau dadurch Traumata aufhebt, nämlich zur Lust bringt; dann wieder ich als der Schriftsteller, als der Träumer, der politische Humanist und und und... all diese einander eigentlich ausschließenden Rollen, die dennoch jede für sich voll erfüllt werden. Was all das für unser anthropologisches Verständnis bedeutet (die Aufhebung des Geheimhaltens, des Privaten usw), darüber will auch einmal einen Aufsatz schreiben. (Daß sich das so auf mich selbst konzentriert, liegt einfach daran, daß ich meine eigene - um es mal s o zu sagen - Versuchsperson bin; ich habe aber durchaus den Eindruck, nicht einzig zu sein, sondern nur etwas offen auszutragen, das andere lieber verbergen.)
Zum Perversen.
Öffentlichkeit und Privatheit.]
„Immer mit selbem Recht“ schreiben Sie. Genau das ist es, was dieses Selbst-Konzept für alle anderen so schwierig macht: Wenn man liebt, will man imstande sein, beim Geliebten eine Art override-Modus aufzurufen, der alle eingespielten Verhaltensweisen außer Kraft setzt. Indem Sie Ihre Beziehungsprozesse öffentlich zugänglich machen, verhindern Sie das. Sie entmachten jene, die davon betroffen sind, sie können nur noch re-agieren. Im künstlerischen Bereich ist das ein spannendes Angebot, bei dem niemand, der darauf einsteigt, das Gesicht verliert - auf intime Zusammenhänge ausgeweitet "funktioniert" es nur für Sie. Weil Sie derjenige mit der Produktion sind. Eine mögliche Schlussfolgerung wäre, auf privater Ebene nur Menschen öffentlich zu machen, die ebenfalls eine Produktion haben, um die Augenhöhe zu gewährleisten.
Seligsprechung & Buchverbot. Wiebke Porombkas Katholizismus bei ANH in der ZEIT.
Wegen des Romans Ende einer Nacht von Olaf Kraemer stand dem jüngst von München nach Berlin umgezogenen Verlag nämlich etwas ins Haus, was sich langsam zur Mode auswächst – man denke nur an Alban Maria Herbst und Maxim Biller (...)
>>> DIE ZEIT online.
David Bennent findet in Berlin neue Liebe, läßt uns Frau Barbara Jänichen für die Morgenpost wissen.
Dabei erlaubt die... nun ja: Journalistin nicht das geringste Rätselraten, >>>> um wen es sich handelt. Außerdem teilt uns Frau Jänichen mit, wo man die beiden besichtigen könne: sicher nicht dauernd, aber bisweilen im >>>> Eschloraque, auf dessen Kontakthof eine Spezies Groupie die Blütchen entfaltet, welche ein Promi dann pflücken kann.
Dennoch. Man muß ihn nicht geschmackvoll finden, diesen Artikel, aber er griff uns ans Herz. Welch ein großes, dachten wir, schlägt selbst in derart kleinen Männern! Denn nimmt sich der Herr Bennent nicht einer Mutter liebend an, die, hat es den Anschein, für drei Kinder ganz alleine sorgt? So etwas ist schwer, wir wissen, wovon wir hier sprechen. Und nimmt sich der armen Kinder also ebenfalls an? Und tut das derart öffentlich? Zwei Suchwörter bei Google getippt, und, jajaja, jeder erfährt's. Das ist groß. Das hat was von Verpflichtung. Das ist die offizielle Bekundung, es möchte hier einer für eine ihm völlig fremde Familie liebesvollste Verläßlichkeit zeigen. Davor ziehn wir den Hut.
[Vielleicht sind, formulierte im >>>> WOLPTERINGER (1993) bereits Dr. Lipom, >>>> solche die besseren Menschen. Schöner Film, übrigens, Ridley Scotts „Legende“.]
Zur Klarstellung. Ich b e g r ü ß e das Buchverbot.
[Billigerweise hätte man von van Gogh verlangen können, seinen Malstil doch ein wenig den Zeitbedürfnissen anzupassen; er habe überhaupt keinen Grund zur Klage, und es sei auch nicht nötig gewesen, derart zu enden. Tatsächlich sind wir heute aber alle sehr froh darüber, daß er sich einem solchen imaginären Einwand nicht gebeugt hat. Letztlich genießen wir mit lustvollem Schauder sein Zwiegespräch mit der Existenz, das ein Kampf gewesen ist. Diesen Ernst holt das Urteil in die Dichtung zurück. In der Kunst ist mir alles suspekt, das auch ebensogut hätte anders aussehen können und nicht der Kunstbewegung, sondern ihr äußeren Motiven folgt, seien die nun sozialer, moralischer, ökonomischer oder sonstiger Art.]
Esra. Zum Urteil gegen Maxim Biller. Erste Heidelberger Vorlesung (8). Aus dem Entwurf ff.
ANH, Erste Heidelberger Vorlesung.
Deutlich wird an >>>> dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, daß sich die Kritik weiterhin an der Darstellung von Sexuellem entzündet, und zwar in erschreckendem, aber auch wohltuendem Maß absolut. Sie verbrennt darin.
- Erschreckend ist das, weil der Umstand nicht mit ins juridische Kalkül genommen wird, daß Sexualität-als-Thema und längst als Erscheinung des Öffentlichen Lebens einen für die neue, sich rapide verändernde und bereits veränderte Anthropologie maßgeblichen Stellenwert bekommen hat. Selbst vormals abartige Spielarten sind längst nicht mehr geeignet, Personen nachhaltig zu desavouieren; outings sind an der Tagesordnung, und kein Bürgermeister stürzt mehr über den Umstand, daß er schwul ist. Es wäre auch kein Kündigungsgrund. Selbes gilt für Neigungen aus dem BDSM-Bereich. Und daß jemand eine Vorliebe für Dildos hat, ist nun schon gar nicht mehr geeignet, ihr oder ihm irgend eine Kompetenz oder gar die Ehre abzustreiten. Insofern ist dieses Urteil wie die Zeitung von gestern je schon von gestern.
- Wohltuend ist das, weil das Urteil deutlich macht, welche Sprengkraft das Sexuelle trotz seiner permanenten und es dabei permanent profanierenden ökonomischen Verfügbarkeit behalten zu haben scheint – welch eine Normen störende, sie zerstörende und damit befreiende Macht ihm nach wie vor eignet. Das Urteil bestätigt deshalb jede literarische Ästhetik, die sich nachdrücklich um Sexuelles kümmert und es poetisch gestaltet. Wohltuend ist das Urteil, weil es zeigt, daß Literatur ihren Stachel behalten hat und einstweilen behalten wird, zumindest in dieser Hinsicht, die vielleicht die einzige ist, das Widerstandspotential von Literatur zu bewahren. Daß jemand, der diesen Stachel öffentlich führt, tatsächlich noch immer eine W a f f e in der Hand hält, ist ein Fakt, das einen mit ästhetischer wie politischer Zuversicht ausstatten kann, auch wenn das Risiko, dabei ökonomisch in die Knie zu gehen, enorm ist. Doch Kämpfer, die nicht ins Risiko laufen, sind keine.
HV 7 <<<<