Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Bis Okt. 2017 verboten)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Seit Okt. 2017 wieder frei)
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KYBERREALISM

Die Form als Psychoanalytiker. Erste Heidelberger Vorlesung. (6). Aus der Fortsetzung (ff.).

Die Funktionen der Form lassen sich denen eines Psychoanalytiker vergleichen, der, indem er als Spiegel fungiert, die Möglichkeit herstellt, Türen in die Tiefe zu öffnen. Was wir dabei herausgraben, ist oft unbewußt verschüttetes Erlebnis- und Material eines nicht zugelassenen Begehrens, das auf dem Wege des Verdrängens zu Traumatisierungen geführt hat. Einmal angenommen, daß der Dichter nicht ernstlich erkrankt ist, sondern seinerseits ein Spiegel eines Allgemeinen - er teilt mit den anderen bestimmte, sei es kulturell, sei es aus einer Gruppenerfahrung heraus verdrängte Inhaltsmuster -, kann man sagen, daß er etwas wieder ans Tageslicht holt, von dem seine Zeitgenossen – mehr oder minder unbewußt – gar nicht wollen, daß es ans Tageslicht geholt wird. Übrigens will auch er selber das – persönlich – nicht unbedingt; aber insoweit er „seiner Kunst“ folgt, wird er es zulassen müssen und das Hervorgeholte, um es irgendwie zu verarbeiten, also nicht mehr zu verdrängen, als Material seiner Darstellungen verwenden.

HV 5 <<<<

Poetik & Skype. Erste Heidelberger Vorlesung. (5). Aus einem Briefwechsel. Präsentation im raumlosen Raum.

„ (...)
Es geht also gerade n i c h t um großen technischen Aufwand, sondern darum, bereits existierende und hochfrequentierte Internet-Plattformen und -Technologien zu nutzen, etwa das Kommunikationsprogramm von Skype. Entsprechende Konten werden völlig unentgeltlich zur Verfügung gestellt; was man braucht, ist allein:
1) DSL-Zugang
2) Computer, bzw. Laptop
3) Webcam und Mikrophon
und
4) jemanden, der die Webcam führt; wobei selbst das unnötig ist, wenn man mit einer Stand-Einstellung arbeitet.

Daß die Bilder vergleichsweise langsam sind, ist nicht hinderlich, sondern bestärkt im Gegenteil das ästhetische Moment, worin die neue Technologie zu einer neuen Wahrnehmungsform wird. (Das hat etwas von der Ästhetik der Handkameras, mit der der junge Godard gearbeitet hat). N i c h t will ich hingegen, daß Mitschnitte der Vorlesungen auf die Uni-Homepage gestellt werden; das liefe zum einen völlig wider das mir vorschwebende Modell, und zum anderen liegt es auf der Hand, daß es für so etwas kaum Feedback gibt. Freilich kann jeder mitschneiden, der das will; w i r hingegen sollten das gerade nicht tun. Auf der Uni-Homepage würde völlig der Hinweis auf eine Skype-Übertragung genügen, mit Nennung des entsprechenden Skype-Namens. Ich meinerseits habe sowieso vor, im Moment, da ich die erste Vorlesung beginne, den Text dieser ersten Vorlesung in Die Dschungel zu stellen. Vorangekündigt (in Der Dschungel) wird dann dieses, sowie daß man über Skype live dabeisein, die Vorlesung aber eben auch mitlesen kann.
Ein solches Skype-Konto öffnete man für jedermann; d.h. jeder, der will, kann sich (z.B. in Form einer Konferenzschaltung) in die Übertragung einwählen und sie mitverfolgen. Man muß nur den Namen des Skype-Kontos öffentlich machen.
D a s ist die Idee. S i e ist Internet-gemäß, nicht hingegen wäre das ein Mitschnitt, der als avi- oder mpg-Datei oder als Stream auf eine Homepage gestellt wird. Die Idee selber ist, umgesetzt, eine bildgewordene Zeit-Mitschrift, was bedeutet: Mitschrift ästhetischer Zeitgenossenschaft. Das von mir als "neu" Bezeichnete ist eben n i c h t, daß eine Aufnahme ins Netz gestellt wird - das entspräche ästhetisch dem Unfug, Anthologien ins Netz zu stellen, die ebensogut nur gedruckt erscheinen könnten; das Neue entspricht vielmehr dem auffälligen Umstand, daß etwa Chats, die doch getippt werden, durchaus nicht der Schriftform zugerechnet werden können, sondern eine spezielle, moderne (nämlich "raumlose") Form mündlicher Kommunikation sind.
(...)
Ich will darauf in meiner zweiten Vorlesung eingehen, die sich ja um phantastische Räume dreht. Das Internet ist derzeit d a s Paradigma eines phantastischen Ortes. Die erste Vorlesung wird das Internet dagegen noch gar nicht oder allenfalls am Rande als den poetischen Ort erwähnen, der die poetischen Formen einer möglichen Ästhetik der Nach-Postmoderne vorgibt. Die erste Vorlesung wird in ihrer ästhetischen Tendenz ausgesprochen konservativ sein, die zweite genau das sprengen. Erkenntnis springt aus der Differenz und Vermischung.“
HV 4 <<<<

Katharsis & Amoral. Erste Heidelberger Vorlesung. (4). Aus der weiteren Fortsetzung des Entwurfs.

Kunst wird immer mit Leid geschrieben. Katharsis ist Erschütterungslust, der die Alten die Fähigkeit der Reinigung zuschrieben. Keine Kunstform trägt das so sehr weiter wie die Oper und der Film. Doch in ihren überraschendsten Momenten ereignet sie sich auch in der Dichtung – überraschend, weil sie ja tatsächlich keinen anderen Sinnesapparat affiziert als den des begrifflichen Denkens, der gar kein sinnlicher i s t. Die Sinnlichkeit der Dichtung ist die vermittelste aller Künste.
Erschütterungslust ist pervers. De facto erschüttern wir uns - eine intensive Form des Vergnügens - am Unheil, - an heftigstem Unheil, wenn man sich einmal die antiken Dramen anschaut. Das ist nahezu immer so blutig wie ein Action-Thriller und wie bei diesem war es und ist es immer noch d a s, was untergründig dahinzieht. Wir erbauen uns am Elend anderer aber nicht etwa - oder nicht etwa nur -, weil wir selber geschützt sind oder das zu sein meinen, sondern weil wir ahnen, es letzten Endes eben n i c h t zu sein. Aus dieser Spannung, die sehr wohl etwas von Herbeirufen, Beschwören und Bann sowie davon hat, den Verbotenen Gott anzuschauen, eine letzten Endes heidnische Lockung, bezieht sich die ungemeine Kraft und vor allem amoralische Ausstrahlung, die solche Kunstwerke, solche Dichtung auszeichnet. Und die wieder und wieder, in den verschiedensten Epochen bei den verschiedensartigsten Werken, und bis heute, zu Skandalen geführt hat.
Skandale haben nahezu immer moralische Ursachen – sie geschehen, wenn das Es das Wort gegen das Ich erhoben hat, das deshalb nach dem Über-Ich ruft und ebenso nahezu immer praktisches Recht erhält, ohne doch tatsächlich das Es je in den Griff zu bekommen. Verbotene Kunstwerke scheinen sogar mit einer besonderen Hartnäckigkeit am Leben zu bleiben; vielleicht haben sie sich ein paar Jahrzehnte lang verstecken müssen, aber dann fangen sie wieder und manchmal ganz besonders zu leuchten an. Das hat genau diesen Grund. Alle Kunstwerke, die es s i n d, sprechen aus dem Es; das meint: alle Kunstwerke, die sich nicht vermittels ihrer Intention erklären lassen oder die einen Anteil haben, der sich nicht daraus erklären läßt. Etwas zu erklären bedeutet nämlich immer, es zu identifizieren und dadurch zu desinfizieren.

Es liegt auf der Hand, daß gerade dieser Kunstaspekt - einer ihrer Ontologie - den auf kalkulierbare Vermarktbarkeit ausgerichteten Mechanismen grob zuwiderläuft; überdies verletzt die inhärente Amoral das namentlich demokratische Verlangen nach Anständigkeit.

3 <<<<

Konservatismus und Perversion. Erste Heidelberger Vorlesung. (3). Weiters aus der Fortsetzung des Entwurfs.

„Konservativ“ meint die Form, nicht den Inhalt und also nicht ein realistisches Erzählen, das noch immer an die Kompliziertheit der von der technischen Welt durchbestimmten neuen Realität mit den erzählerischen Waffen einer schon lange überkommenen Welt heranreichen zu können meint, und zusätzlich auch noch mit der grundierenden demokratischen Moral der Anständigkeit. Hiergegen folge ich einem Fluß, der in der deutschsprachigen Literatur zwar lange schon, doch immer schmaler werdend, neben dem gemütlich sanktionierten story telling einhergelaufen ist, aber allmählich und endgültig - als wäre er wieder zur Quelle, einer inversen freilich, deren Wasser umgekehrt fließt, zurückgekehrt - zu versickern scheint. Wobei ich mich auf erzählende Prosa, nicht auf das Gedicht beziehe und außerdem weiß, daß etwa für die US-amerikanische Literatur etwas völlig anderes gilt. Denken Sie an den späten Gaddis und vor allem ein derart radikales Werk wie Pynchons Gravity's Rainbow. Daß vornehmlich die Deutschen so rückschrittliche Prosa-Ideologeme pflegen, hat Gründe, die anderwärtig erörtert werden müssen. Gegen diese setze ich seit meinem >>>> im SCHREIBHEFT publizierten Briefwechsel mit Barbara Bongartz als eine andere Kunstperspektive den Begriff der Perversion in Bewegung. Dazu sei erstmal nur angedeutet, daß ich mit ihm auf alte - kathartische - Kunstauffassungen zurückgreife, die sich mit der Anstrengung um neue, genauer: nach-postmoderne literarische Formen zusammentun. Damit stehe ich nicht allein, aber es sind unserer nicht so arg viele. Ich werde in meinen beiden folgenden Vorlesungen auf den Perversionsbegriff zurückkommen.

HV 2 <<<<
>>>> "Kybernetischer Realismus", das Buch.

Liebe ist nicht lernbar. Erste Heidelberger Vorlesung (2). Aus der Fortsetzung des Entwurfs.

...Bedeutungsh ö f e, die eben nicht definiert, sondern ungefähre sind und insofern musikalischen, nicht technischen Welten verwandt. Indes zeichnet das Ungefähre semantischer Höfe aus, daß sie demjenigen, der sie wahrnehmen kann, ganz ungefähr bleiben und auch bleiben müssen. Ich kann mit semantischen Höfen nicht kalkulieren, da sie eben nicht-definierte s i n d – oder sie verlören ihren Halo, diesen Mondhof des Bedeuteten, der sich jenen Wahrnehmungen vergleichen läßt, die wir am Rande unseres Gesichtsfeldes haben: sie sind unscharf, aber - als eigentlich evolutionsbiologisch entstandene Warnsysteme - unmittelbarer, als wenn wir uns direkt auf etwas konzentrieren. So spürt ein Kämpfer den Angreifer im Rücken eben nicht nur, wenn er mit dem Wind angreift und nach Knoblauch riecht - wie Morgan „Azeem“ Freeman das in >>>> Reynolds „Robin Hood – Prince of Thieves“ völlig richtig bemerkt. Sie kennen das ganz alle: Man muß gar nicht hinschauen, um zu bemerken, daß jemand - oder ein Etwas - in den Raum tritt, der bzw. das mit Ihnen etwas zu schaffen hat. Was hier wahrnehmungspsychologisch gespürt wird, erscheint in der Dichtung als Bedeutungshof.

Es gibt dazu eine sehr schöne Stelle bei Edgar Poe, nämlich in den Morden der Rue Morgue. Da sagt Dupin folgendes, und das ist eine viel mehr poetische als naturwissenschaftliche Erkenntnis, ja ist vielleicht das Z e n t r u m poetischen Denkens (und es hat, in diesem Fall, mit detektivischem Instinkt zu tun):

>>>> (...), and it is possible to make even Venus herself vanish from the firmament by a scrutiny too sustained, too concentrated, or too direct.
Poe, Murders in the Rue Morgue.<<<<

Das ist eine sinnliche Erfahrung, die wir tatsächlich alle machen können und immer wieder machen, die aber, nutzt man sie zur Konstruktion eines Textes, kaum mehr verstanden wird, weil wir verlernen – und, glaube ich, verlernen s o l l e n -, auf solche Höfe zu achten; statt dessen werden wir auf - moralische, soziale, personalpsychologische - Inhalte gelenkt. Man behauptet das gerne als Konzentration, vergißt aber, daß manche Formen der Konzentration den Wahrnehmungen poetischer Wahrheiten ganz abträglich sind, ja die Poesie aus der Dichtung damit geradezu eliminiert wird und damit sie selbst. Das ist der Grund, weshalb bei einer wirklichen Dichtung Bemühungen um Interpretation, die nicht ihrerseits poetischen Characters sind, immer scheitern müssen. Und das ist auch der Grund, weshalb den Jugendlichen auf dem Gymnasium jegliches Verständnis für Dichtung vermittels halbgarer Interpretations-Verlangen so furchtbar ausgetrieben wird, die man zudem noch benotet. Wer unter Ihnen hat n i c h t bis zum Kotzen Kafka interpretieren müssen? Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben, daß keine Klassenarbeit, die Kafka interpretieren sollte, je dazu geeignet war, Ihnen Kafkas Dichtung nahezubringen. Bei Gedichten verschärft sich diese Abschreckung noch. Literarwissenschaftliche Disziplinierung hilft Ihnen nämlich nur dann, wenn ihr eine L i e b e zum Gegenstand vorausgeht, die so groß ist, daß auch staubigste Analyseexerzizien ihr nichts anhaben können. Allein in diesem Fall kann aus dem gymnasialen und später akademischen Staub etwas Organisches werden, das lebensfähig ist und aus Ihnen eine gute Germanistin, einen guten Germanisten, bzw. Literaturwissenschaftler werden läßt - einen guten Dichter freilich immer noch nicht. Keine Universität, kein Institut für Literatur und kein creative writing-Seminar kann das aus Ihnen machen. Einer der intensivsten lyrischen Poeten der Gegenwartsliteratur, Wolfgang Hilbig, war Werkeugmacher. Liebe ist nicht lernbar, und übertragbar nur dann, wenn etwas da ist, auf das eine Übertragung wirken kann.

HV 1 <<<<

Rückkehr zum Mythos, formal, erst d a n n.

Die Gestalten des Mythos leben viele Leben und erleiden viele Tode, anders als die Personen des Romans, die immer nur auf e i n e Handlung festgelegt sind. (...) Wir haben nur dann die Schwelle zum Mythos überschritten, wenn wir plötzlich einen Zusammenhang zwischen dem bemerken, was unvereinbar ist.
Roberto Calasso, >>>> Die Hochzeit von Kadmos und Harmonia.

Seit >>>> DIE VERWIRRUNG DES GEMÜTS ist diese Stoßrichtung, besonders dann im >>>> WOLPERTINGER, Dynamik meiner Romanprosa gewesen; anfangs, ohne es zu wollen; nach >>>> THETIS. ANDERSWELT absichtsvoll strukturbildend; und hier nun eine Erklärung, die mir, zumindest nicht bewußt, nicht gegenwärtig war.
[Notat 150807 auf Usedom.]

Primat des Netzes. An die Redaktion. Offenburger Tagblatt.

Sehr geehrte Frau R.,

José F.A. Oliver bat mich, Ihnen eine kleine Kolumne für den >>>> Hausacher Literaturlenz zu schreiben, was ich gerne für ihn getan habe. Ich füge den Text hier als att. an. Er mag für eine Zeitung ungewöhnlich sein, aber es sollte ja wohl bewußt kein Journalist sein, der ihn schreibt.

Eine Veröffentlichung bitte immer mit Angabe meiner Website: www.albannikolaiherbst.de - im Falle von Platzproblemen lassen Sie einfach den Autorennamen weg und setzen an dessen Stelle die URL. Sollte das Offenburger Tageblatt eine Netzausgabe haben und mein Textchen da mit hineinplazieren, ist Verlinkung auf meine Website obligat.

Ich grüße Sie freundlich und hoffe, daß Ihnen die kleine Arbeit gefällt.

ANH

Wahrlich Blogosphärenklänge!

Du meine Güte, >>>> was für Ideologen! Ist denn die ‚Blogo‘sphäre ‚reiner‘ als eine andere Luft? War je gemeint und intendiert, daß sie‘s sei? Und wenn, von wem denn? Von mir auf keinen Fall. I c h hätte, statt mich aufzuregen, >>>> einen solchen Laptop angenommen, aber im übrigen getan, was ich sonst i m m e r tue und nicht ein Komma an meiner Arbeit verändert. Wissen womöglich >>>> Herren wie Stefan (dort Nr. 13), daß, wären s i e beschenkt, sie nicht nur ein K o m m a änderten? Und wehren das deshalb moralisch tamtammend so ab? Und nehmen ihren zynischen Standpunkt deshalb ein? Vielleicht auch aus Neid?

In eigener Sache. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (81).

Es gibt (im Grunde sehr oberflächliche) Zeitgenossen, die machen sich einen Spass daraus, in Gefilden, die sie eigentlich nicht mögen, in gezielt provokativer Art ein wenig herumzupöbeln. Und verweist man sie des Feldes, was sie nicht wirklich überrascht, aber dennoch unterbewusst kränkt, versuchen sie noch einmal nachzutreten. Natürlich nur so zum Spass: Man kann’s ja mal probieren.
Jener hier Gemeinte sollte zweierlei bedenken: Erstens reichen die übermittelten Daten aus, den Verursacher der hier angesprochenen Attacken eindeutig zu identifizieren und zweitens werden bei wiederholten Vorkommnissen dieser Art zukünftig die entsprechenden ISP’s informiert.
Alle anderen interessierten Leserinnen und Leser dieses Weblogs mögen diesen kurzen und etwas kryptischen Zwischenruf bitte nicht weiter beachten.

>>>> 82
80 <<<<

Das Leben als einen Roman begreifen (5). Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (80).

Diese Dynamik ist selbstverständlich eine der Abwehr, aber auch eine Verarbeitungsform; denn bisweilen ist beides dasselbe: Abwehr a l s Verarbeitung. Einem definitiven Feind, der einem wirklich ans Leder will, läßt es sich nur mit Abwehr begegnen. Ihn ‚anzunehmen‘ und ins Haus zu bitten, hieße, sich selbst in den Rücken zu schießen. An anderer Stelle wurden bereits geschrieben, daß Ghandis gewaltloser Widerstand mindestens so viele, wenn nicht mehr Opfer kostete, wie/als jeder gewalts a m e Aufstand zuvor. Freilich hatte er die Moral auf seiner Seite. Man kam sozusagen "im Recht" um.
In nicht ganz anderem Sinn ist die Offenherzigkeit zu verstehen, mit der Die Dschungel z.B. >>>> über den ökonomischen Offenbarungseid sprechen, der nun ins Haus steht. Davon zu publizieren, ist entweder verteidigender Waffengang oder, wahrscheinlicher, ein Präventivschlag im Sinne einer „Vorneverteidigung“, >>>> wie es 1956/57 vom Kommando der territorialen Verteidigung (KTV) der Bundeswehr so hübsch formuliert worden ist.
Indem nun Privatestes publiziert und dadurch ästhetisiert wird, schlägt es sich der Kunst zu, zumal dann, wenn es in künstlerischem Zusammenhang steht. Dies macht, wie alle Kunst, Elend nicht nur erträglich, sondern gewinnt ihm Lust ab; es ist eine Umgangsform, die sich der Produktivität verschrieben hat, dem - um es mit einem alten Wort zu sagen – Schaffensdrang. Man legt um das eigene Leben einen Rahmen, als ob es einen Sinn, ja sogar eine Logik hätte. Und wie beim stürzenden und/oder scheiternden Helden der Mythen wird der eigene mögliche Sturz kathartisch besetzt: es kommt zumindest „eine schöne Erzählung“ dabei heraus. Dabei spielt gar keine Rolle, ob eine solche schöne Erzählung natur- und sozialhalber beabsichtigt war; das war sie in aller Regel n i c h t. Aber man gibt ihm diese Form. Ob Rahmen und Bühne, in und auf dem sich nunmehr alles vollzieht, „Roman“ heißt oder „Weblog“, ist ganz gleichgültig; in jedem Fall hat man dem Unglück F o r m gegeben und beherrscht es also.
Nun ist diese Art der Vorneverteidigung nicht jedermann möglich. Die Crux dabei ist nämlich, daß ein Leben auch erzählwert sein muß, und das ist es nur, wenn es spürbaren Risiken ausgesetzt ist. Deshalb eignen sich im kathartischen Roman - dessen Rolle unterdessen vor allem der Spielfilm übernommen hat - besonders solche Protagonisten, die in ständiger Bedrohung leben: Geheimagenten, Soldaten, unglücklich Liebende, Wahnsinnige wie Lector usf., während der sogenannte einfache Mensch, dem es auf möglichst viel Ruhe und Sicherheit ankommt, nur dann nicht langweilt (im Roman langweilt, wohlgemerkt), wenn eben diese Ruhe und Sicherheit gefährdet werden. Haben sie sich wieder eingestellt, kam es also zu einem Happy End, dann ist die Ezählung auserzählt und alles, was später dann noch kommt, die gesamte Normalität, läßt den Leser nur noch gähnen. Auch dies, übrigens, gehört zur perversen Bewegung der Kunst.
Die Literatur der Alltagswelt und ähnliche Unternehmungen sind genau an ihr gescheitert, wie sich überhaupt deshalb die deutschsprachige Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere die von Nach-68, genau deshalb so nah an den Rand der Weltliteratur geschrieben hat, daß sie fast schon hinabgestürzt worden und restlos marginalisiert wäre, hätte es nicht immer wieder Gegenbewegungen gegeben, die aus den Künsten selbst entstanden und abermals Existenz als nicht von 42-Stunden-Wochen, sondern als von objektiven, naturhaft fundamentalen Kräften bedrohte in den Blick genommen hätten. Und die damit auf der Seite der Großen Tragödien stehen.
[Poetologie.
Perversion.]

Nota: Bücher wie Joyce‘s Ulisses sind k e i n Gegenbeispiel, da sie vielmehr den Alltag auf der Folie einer Heldensage erzählen. Insofern ist der Ulisses mit Cervantes‘ Don Quixotte viel mehr verwandt als mit, sagen wir, den melancholischen Betrachtungen Wilhelm Genazinos, der die Perspektive >>>> Abschaffels nie ganz verloren hat.

79 <<<<
Das Leben als Roman 4 <<<<
>>>> Das Leben als Roman 6
 



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