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Kulturtheorie
albannikolaiherbst - Donnerstag, 7. Februar 2008, 21:20- Rubrik: Kulturtheorie
ich schreibe das damit du doch nochmal einen blick auf J.P. wirfst. denn fast alle schwachköpfigen literaturkritiker heute teilen den horror des Irrationalismus vor dem eiskalten verstand und halten die von der Dilthey´schen strukturpsychologie inaugurierten entgegensetzung von gefühl und verstand für geeignet, literarische strömungen zu erfassen, und leisten so der sucht des establishments, die eigene revolutionäre vergangenheit loszuwerden, dadurch vorschub, dass sie die aufklärung verächtlich machen.
es ist ja wahr, dass der westen, abgesehen von der technologie, kaum noch etwas von charisma vorzuweisen hat, das in den augen nicht-westlicher menschen dieser welt noch leuchten würde. und abgesehen von der tatsache, dass auch diese technologie im zuge der gleichschaltung zunehmend outgesorced wird, bekommt er nichts zurück - und ist kaum bereit, etwas zurückzubekommen. die leute werden entweder krank oder resignieren - oder beides. im schlimmsten fall infantilisieren sie oder werden verrückt .
wir leben in regressiven zeiten. und es wundert mich umsomehr, wie wenig man zurückgreift auf die antiklassische tradition der literatur. goethe wollte doch eigentlich nichts weiter als da stehen als der king der sie alle kassiert. männer wie kleist gingen daran kaputt und zahllose ander. J.P. aber hatte eine tiefe antipathie gegen G&S als menschen, gegen diesen pervers narzistischen kult des guten-wahren-und-schönen, der das desaster ideologisch vorbereitete und subventionierte. und ich glaube jeder von uns muss die heute auch haben. unter vergleichbaren umständen. keine sau glaubt mehr an eine autorität, eine koryphäe, einen weisen. things desintegrate. und es gibt keinen weg zurück. ich hab keine ahnung welchen weg du einschlagen wirst. es ist beschämend, über den wittenbergplatz zu gehen rüber ins KDW - und das schild auf dem die KZs der nazis gelistet sind zu lesen. die gleichgültigkeit, das laissez-faire, die ignoranz der masse, in der sich jeder als sein kleiner natural born killer fühlen kann, ohne einen einzigen vasallen - ohne ein einziges prädestiniertes opfer. diese alles umfassende manifestation des banalen, diese konsum- und freiheitsidiotie ist obszön. diese maschine wird von leuten gesteuert die keine kraft und keine ideen mehr haben, die nichts undenkbares mehr denken können, die zusammenbrechen unter ihrer kraftlosigkeit und ihrem fetischismus,
ich jedenfalls werde diesen existentiellen zustand, diese idiotische versessenheit auf den staus quo nicht aus den augen verlieren. das = die sphäre in der wir leben. vielleicht exekutieren wir längst das was in der islamischen sphäre als ornament nobel und bescheiden das eigentliche vertritt - als bloße geste der puren selbstverleugnung.
jeder weiss dass alles egal ist, dass alles verschwindet, dass absolut nichts bleibt - und alles erlaubt ist, alles. Jeder Mensch geht unwiderbringlich verloren. religion war der verzweifelte versuch ein gedächtnis zu konstituieren, das es nicht geben kann. kunst war der versuch, dieses gedächtnis zu verfilmen. wir sind die, die in diesem film leben.
Nur wenigen Glücklichen hat das Schicksal ein reines Verhältnis zum Tun beschieden.
findeiss - Donnerstag, 10. Januar 2008, 00:21- Rubrik: Kulturtheorie
...Ihre Argumentation ist einleuchtend, auch wenn sie mir wiederstrebt, weil ich, wenn ich von "Körper" spreche, die Seele nahezu immer mitmeine - das heißt, ich beuge mich bewußt nicht der ideologischen Trennung. "Body Modification" ist im übrigen heftiger, das reicht bis zu bewußten Verstümmelungen. Auch deshalb zucke ich vor einem solchen Begriff zurück. Schauen Sie sich die entsprechenden Sites einmal an, man findet sie ziemlich einfach unter dem Schlag-Wort.
Eine der spannendsten, auch traumatisierendsten Bearbeitungen des Themas bietet Cronenbergs Verfilmung "Crash" nach dem Roman von Ballard. Holen Sie sich den Film aus der Videothek. Er hat, weit stärker als der Roman selber, viele meiner >>>> Überlegungen zum Thema in Gang gesetzt.
[Poetologie.
Perversion. ]
albannikolaiherbst - Samstag, 8. September 2007, 09:04- Rubrik: Kulturtheorie
Das Eigene, was ist es denn außer der Sprache? Und was ist s i e, die nicht grundlos Muttersprache geheißen, denn mehr als ein K l a n g? Bedeutungen lassen sich lernen, n a c h lernen, Klänge aber öffnen die Seele, formen sie, machen sie berührbar. So ist der Schmerz des Migranten, daß ihm die Berührung fehlt, die bekannte, vertraute, größer oft denn der konkrete erzwungene oder freiwillige Heimatverlust, so bitter der auch immer sei und mit welchen Entbehrungen sonst auch verbunden. Selbst der Verlust sozialer Regeln - eine Form individueller Sicherheit, die einem die verlassene Ethnie, bzw. das „eigene“ Volk gab - reicht an den Klangverlust nicht heran. Politische Organisationen wie Nation, Stadt- und Dorfverwaltungen, die nichts anderes sind als strukturgebende Körperschaften mit definierten geografischen Grenzen, haben immer wieder versucht und versuchen es weiter, den Klangverlust ideologisch aufzuheben. Und scheitern an dem, was das Eigene ist, scheitern an der Sehnsucht des migrierten Menschen – und noch an der seiner Kinder, bisweilen Kindeskinder. Sie scheitern an der Seele.
Wäre nicht das, Umbürgerung wäre ein Leichtes. In der Tat ist die Differenz zwischen, sagen wir, den Handwerkern eines Landes und seinen Intellektuellen größer als die zu Handwerkern eines anderen Landes; aus diesem - wahren - Verhältnis hat sich über den mittelalterlichen Begriff der Stände der moderne der gesellschaftlichen Klasse herausgebildet, aber eben nur auf der e i n e n Seite, der des Kapitals, annähernd erfüllt. Wer reich ist, kann so viel Seele mit auf Reisen nehmen, daß er den Verlust kaum fühlt, zumindest von ihm abzulenken gut versteht. Der Arme aber hat nichts als sie – und steht dann in der Fremde und spricht wie in Leere. Nicht nur, daß e r fremd ist, ist das Problem, sondern daß das Neue auch ihn nicht versteht – nur das Instrumentale versteht, das auf konkrete Handlung zielt. Nicht aber die Seele dahinter. Schon, weil auch sie etwas so Ungefähres ist, wie das Eigene zusammengehörender, zusammengeborener Menschen selbst. Deshalb eignet sie sich nicht für Politik - da sogar, als ein die Handlung leitendes Kriterium, wird sie gefährlich. Auf der Anrufung einer Volksseele reitet immer der Tod... es ist eine H o r d e, eine A r m e e apokalyptischer Reiter, die sich auf sie schwingen, um zu vernichten. Nicht aber die Kunst, auch nicht die eines Volkes, die aus seiner Musik rührt. Sie ö f f n e t. Und sie tut das mit enormer fruchtbarer Kraft.
Ein Merkmal von Kunst - und ihrer praktischen Seite, der Kultur - ist ihre Durchlässigkeit, ihre Bereitschaft, sich mit Fremdem zu verbinden und Fremdes in sich aufzusaugen. Was die soziale Irritation oft aus unbegriffener Angst abwehrt, mit Gründen manchmal, oft ohne, das, scheint es, s u c h t die Kunst. Zeigt sich viel freier, viel unbedeckter als der Mensch, der sie doch schafft, und andere Kunst nimmt sie auf, um gemeinsam mit der fremden n e u e Kunst zu schaffen. Deshalb kann es, politisch, auch und gerade nicht um Bewahrung gehen... Bewahrung hieße, die Kraft und Lust der Kunst, sich zu vereinigen, künstlich zu beschränken und ihr eigenes Bewegungsgesetz, das ein Atmen ist, ihr abzuschnüren. Damit aber a u c h abzuschnüren, was die fruchtbarste Grundlage eines Zusammenlebens Fremder wäre: daß aus dem gemeinsamen Neuen, das sich in Kunst als neuer Kunst herausbildet, ein Verständnis füreinander erwächst, das auf der gemeinsamen Musik, einer gemeinsam möglichen Musik, sich angstfrei niederlegen kann.
albannikolaiherbst - Samstag, 26. Mai 2007, 07:55- Rubrik: Kulturtheorie
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Für Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop,
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Die Dynamik
hatte so etwas. Hab's öfter im Kopf abgespielt....
Bruno Lampe - 2018/01/17 21:27
albannikolaiherbst - 2018/01/17 09:45
Zwischenbemerkung (als Arbeitsjournal). ...
Freundin,
ich bin wieder von der Insel zurück, kam gestern abends an, die Wohnung war kalt, vor allem ... albannikolaiherbst - 2018/01/17 09:38
Sabinenliebe. (Auszug).
(...)
So beobachtete ich sie heimlich für mich. Zum Beispiel sehe ich sie noch heute an dem großen Braunschweiger ... Ritt auf dem Pegasos...
Der Ritt auf dem Pegasos ist nicht ganz ungefährlich,...
werneburg - 2018/01/17 08:24
Pegasoi@findeiss.
Den Pegasus zu reiten, bedeutet, dichterisch tätig...
albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:50
Vom@Lampe Lastwagen fallen.
Eine ähnliche Begegnung hatte ich vor Jahren in...
albannikolaiherbst - 2018/01/17 07:43
findeiss - 2018/01/16 21:06
Pferde
In dieser Nacht träumte ich, dass ich über hügeliges Land ging, mit reifen, dunkelgrünen, im Wind raschelnden ... lies doch das noch mal
dann stimmt auch die zeitrechnung
http://alban nikolaiherbst.twoday.net/s tories/interview-mit-anady omene/
und...
Anna Häusler - 2018/01/14 23:38
lieber alban
sehr bewegend dein abschied von der löwin, der...
Anna Häusler - 2018/01/14 23:27
Bruno Lampe - 2018/01/11 19:30
III, 356 - Merkwürdige Begegnung
Seit einer Woche war die Wasserrechnung fällig und ich somit irgendwie gezwungen, doch noch das Postamt ... Bruno Lampe - 2018/01/07 20:34
III, 355 - … und der Gürtel des Orion
Epifania del Nostro Signore und Apertura Staordinario des einen Supermarkts - Coop. Seit dem ersten Januar ... Bruno Lampe - 2018/01/03 19:44
III, 354 - Neujahrsnacht e dintorni
Das Jahr begann mit einer unvorgesehenen Autofahrt bzw. mit der Gewißheit, mir am Vormittag Zigaretten ... albannikolaiherbst - 2018/01/03 15:16
Isola africana (1). Das Arbeitsjournal ...
[Mâconièrevilla Uno, Terrasse im Vormittagslicht
10.32 Uhr
Britten, Rhapsodie für Streichquartett]
Das ...
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Zuletzt aktualisiert am 2018/01/17 21:27
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