Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Bis Okt. 2017 verboten)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Seit Okt. 2017 wieder frei)
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Travestien

Mein Bac, dein Bac. Unser Adorno. Aus den Archiven des Zeitgeists.

Schon toll, wer Adorno alles gelesen hat! Immerhin hatten zu meiner Zeit 7/5 der philosophischen Hauptfachstudenten unter seiner Lektüre eher gestöhnt, hörten nämlich Led Zeppelin lieber. Als sie der Rausch des Erkenntnisstils griff. Nun verwirrten sie sich quer durch die Mensen. Oh, ich sah sie sich bücken! über die Sätze zurück und zu Boden, wo immer verspätete Reflektion(!)spronomina flusten, die sie aufpflückten, um sie zu sich zu stecken. Woraufhin aus ihnen wirklich was wurde, das muß man sagen, alle hatten Adorno im Schrank, gefleddert fielen aus der Ästhetik die Blätter. Doch Verona Feldbusch erst (to put s.th. to it’s G-spot) bracht es auf den Punkt: „Verweigerung ist geil” hauchte sie und leckte sich bei Kerner den Nagellack trocken. Der Philosoph der Verweigerung, der uns Lesern aus Furcht, wir könnten gemissbraucht werden, alle normativen Sätze entzog, damit wir stundenlang über Schönheiten brüten, die nicht begreifbar sind, - dieser selbstverschworene Gegner, Negativmacher, Ächter der Pops, macht nun seit Feldbusch die Popper an den Büschen naß. Wobei Thea Dorn noch zuerstkam, die Adorno, da war er schon tot, auf das Bett ihres Prokrustesnamens schnallte. Eine Krimiautorin darf nekrophil sein, ich find das pc. Noch ein Stück meiner Leber gefällig? Ein Stück Hinterkopf konnte Thea aber nicht brauchen: „Schöne Stellen“ hieß ein Aufsatz zu Auswahlkonzerten, die vom Leierkastenmann allein die Leier spielen. Classic Radio hat das perfektioniert. „Wenn das nicht Dialektik ist!“ rief mein PD Rohs also aus, 1983, und antezipierte, hätte der Alte gesagt, Motto zu Motte (Dr., 120 bps): „A-Dorn-oh!“, „A-Dorn-oh!“, womit der Doktor Thea aber nicht meinte, sondern Adorno als Tattoo. Und auf den schwarzen Jeans der Love Parade 2004 kein Lovestern länger, Galactica auch nicht, sondern, nun: was? da, auf dem rechten Arschback getragen? Das Design kommt zur Wahrheit, sofern man sich setzt. Und erhebt man sich wieder... ah, Adorno und der Tanga. Das Muster eines geflochtenen Sitzes, Pressing statt Branding im Arschgesicht.
Nun kommt die Sache überhaupt erst ins Rollen, doch Dorn und Feldbusch sei Dank: Adorno als Cocktail (2 oz Fendant Sils Maria und so, 3 oz Cynar, das Ganze mit Cola und Eis zur „Fränkfurt Coketale“ aufgeshaket). Adorno auf Bettzeug bei Woolworth. Adorno für VIPs und Adorno für Prolls, da bleibt kein Auge ohne Splitter. Thomas Steinfeld verfaßt „Adornos nordischer Sozialgermanismus“ und Iris Radisch bekennt „Im Bett mit Adorno“. Harald Schmidt trägt eine Adornomaske, ist sonst aber Latex. Howard Carpendale komponiert „Ein Wiesengrund, Mein Musical“ (Michael Gielen am Pult, die Regie hat Carolin Reiber), und Liebeskind baut das „Adorneum 111“, quasi una judaica, an den Landwehrkanal. Die Einweihung, mit Karaoke, bestreitet Didi Hallervorden (Thomas Anders im Playback: Alternberglieder). Negative Dialektik als Schnittchen wird gereicht, mal mit Lachs, mal mit Nutella. Wochen der Frankfurter Schule selbst bei MacDonalds, das Mega-Spar-Menü für den philosophischen Nachwuchs: Adornonuggets mit Horkheimerdip, dazu gibt es Habermasfritten, Catchup, gebackene Gretes, zusammen 6.99, inklusive Softdrink. Gesamtbeflaggt am 11. September unser Schloß Bellevue: lauter Adornos auf Sternenbannern. „Nur im falschen Leben”, sagt Günther Jauch und gibt sein Mikro an Effenberg weiter, „ist ein wahres möglich.” Der spricht Goldene Toasts in die Runde, bevor man sie röstet. Eduard Zimmermann glänzt im Norbert-Miller-Duett, die Burgers kommen gar nicht mehr nach. Unser Adorno, Adorno als Waffe, Adorno & Ökologie. Wo Brummi war, Adorno soll werden. Adorno trifft auf Pittiplatsch. Der Vorschul-Adorno, Adorno als Sandmann, subversiver als Ulbrich, zumal so rasiert. Schließlich die Handbücher in, das wäre ihm wichtig gewesen, neuer deutscher Rechtschreibung: „Mit Adorno in die Südsee“, „Adorno und Tai Chi“, „Adornos nichtidentische Hausapotheke“, „Adornos Wasser- und Hausgeburt“, sowie „Adorno für das wundernde Fräulein”, von Volker Hage zusammengestellt. - Doch nicht nur Jugend ist bedacht. „Der Adorno des Dritten Lebensalters“, Adorno-Pastillen (Veilchen) dazu und Habermaskugeln. „Adorno”, das Deodorant. Merchandizing & Sockel. Im Stil von Schindler’s List wird sein Leben verfilmt, Robin Williams als „Teddy” Adornerl und Julia Roberts als Gretel. Welch glückliche Sitcom - maximalest Moralia.

(2003, Erstveröffentlichung).

Zaide ohne Mozart. Nun das gesamte Texterl. Mozart in Salzburg (6).

Für Tatjana Markulin.

„Da sind Sie ja endlich.“
„Grüß Sie, Salieri. Und sagen Sie Gangerl zu mir, Herr Gangerl meinethalben. Ich komm mir sonst so denkmalig vor. Dieses Mozart hat sich sowas, lieber Freund, von aufgebläht und kann doch nicht mal pissen... Übrigens schön, daß Sie hier sind.“
„Ich wollte mir das nicht nehmen lassen, Mo… tschuldigung, Gangerl… an Ihrem Jubiläum…“
„… an dessen Datum Sie, geben’S das zu, gern ein wenig mitschuld gewesen wären. Also hörn'S Ihna auf mit dem Sülzen. – Ähm, sieht man uns eigentlich?“
„Sie meinen… die? – Nein, sicher nicht. Und wenn, würden sie’s für deplazierten Mummenschanz nehmen.“
„Beruhigend. Das wär mir unangenehm, sollten die nachher Autogramme wollen. Wer ist denn sonst noch da?
„Wissen Sie, wer Wagner gewesen sein wird?“
„Wagner? Ähm, Sie meinen bei Marlowe?“
„Aber nein! Gluck hat ihn inspiriert – aber das wissen Sie doch…“
„…daß das Ritterle die Recitativerl nicht mochte? Jaja, wenn man’s halt nit beherrscht. Aber Beethoven! Ich komm beim Himmel einfach nicht an ihn ran! Sowas von verklemmt! Vielleicht ist hier…“
„Bitte da entlang. Dort, ja, hinein. Ich hab mir gedacht, es tät Ihnen gefallen, auf einem solchen Schoß…“
„Ah Salieri, Sie sind ein Freund! Welch Katzerl! À propos: Ich hab ganz zu fragen vergessen, ob wir auch…“
„Bitte? - Wieso lachen Sie?“
„Ich würd so gerne…“
„Was?“
„ER hat das auch getan, nur würde ich das Ohr nicht nehmen…“
„Nicht, Mozart, so blasphemisch, bitte...“
„Lassen’s mich, Toni… bin halt ein Sauschwanz, wissen’S doch. Und war so lange nicht mehr da. Außerdem, mal ganz im Ernst, gibt’s wirklich einen besseren Grund, zurück auf die Erde zu kehren.“
„Gangerl, man ehrt Sie!“
„Mit Schokokugeln, gehn’S mir!“
„Sie sind ungerecht.“
„Und lebendiger als Toter noch als die es hier im Leben sind.“
„So hörn Sie doch mit dieser Fingertrommelei auf!“
„Ich muß was tun, Toni! Wissen Sie, was dieser Hundsfott verschleimte von Breitkopf aus meiner Eselmartinsmotett’ hat gmacht? Statt Leckt’s mich im Arsch…“
„Mozart!“
„…hat er laßt froh uns sein hingedruckt, der Sackkastrat. Hätt er wenigstens so ne Stimme! Ah gebt mir dreivier Frolleins, damit wär ich besser geehrt und müßt mich nicht so langweiln gleich. Ich bitt Sie, Salieri! zweihundertdreißig Jahr abstinent oder noch mehr… soviel Dürre im Paradies! Und dann…: ‚Ah da Mozart!’ - ich kann’s nimmer hören! Ja, selbstverständlich bin ich ungerecht! Weiberl schmecken nämlich so. Statt dessen: Immer nur gucken, wenn grad mal weggebetet werden darf… So hab ich mir den Himmel nicht vorgestellt. Himmel Pimmel, das reimt sich, hab ich mir gedacht – wozu sonst hab ich so komponiert?“
„Für die Unsterblichkeit, Mozart, ich habe sie Ihnen immer geneidet.“
„Unsterblichkeit und Schokokugeln… schenk ich Ihnen, wenn Sie wollen.“
„Sie sind dennoch gekommen.“
„Ich hab mir denkt, vielleicht daß man mal wieder an zwei Hinterbacken packt… oder ins Decolletee…“
„La smetta!“
„…greift und so… - (Verkniffen, wie immer…) - Zu unsrer Zeit war die Garderobe fleischlicher, finden Sie nicht? Oder sehn Sie hier noch irgendwelche Laiblein wogen?“
„Darf ich jetzt bitten?“
„Nein nein, warten Sie. Die fangen sowieso noch nicht an. Zaide, ah ja. Und wo steht das Orchester?“
„Sag ich doch: Wagner…“
Was Wagner? Was haben Sie immer mit dem? Wo sitzt der? Ich muß ihn oben übersehen haben.“
„Er wohnt nicht oben.“
„Oh! Ein Komtursgsell? Einer, der brennt?“
„Auch nicht. Er, sagen wir: … pendelt. Die Direktion hat sich nicht einigen können.“
„Nicht?“
„Nein.“
„Und wo sitzt er jetzt hier?“
„Er wollte kommen…“
„Und ist nicht?“
„Er wollte einen Platz, den schon der Herr Verdi, den kennen Sie sicher auch nicht…“
„… klar kenn ich den… der Shakespeare, neulich…“
„…sich vorgebucht hatte. Da war er beleidigt.“
„…hat von dem erzählt und hat furchtbar wegen der Hexen gelacht… ratatatatam, echt schottische Musik…“
„Aber Verdi ist eben eindeutig Himmel.“
„War ein hübscher Abend mit diesen neckischen Engeln… Ärscherln ham die! Aber das ist halt nichts, wenn man da hinlangt und dann doch nur immer hindurchfaßt… zum Fraiskriegen is das! - Ach kuck!, auch das Ditterle gibt sich die Ehre. Schönes Jubiläum! Da versucht man, den Schrägkratzlern im Himmel aus dem Wege zu gehen, und dann ist die oberste Heimleitung so gütig, sie einem zum Geburtstag zu kredenzen. – Gibt’s wenigstens was zu essen danach?“
„Wir können nicht essen…“
„Toni, weshalb vergeß ich das immer? Aber doch anfassen, bitte! Nur wem ein bißchen an der Brustwarze zupfen… Oder komponieren, darf ich wohl das? Wissen Sie, die Zaide, das ist… ich würd da so wahnsinnig gern noch mal ran…“
„Also das nun gar nicht, Mozart.“
„Doch wenigstens die Ouverture! Die Leitung könnt’ es wie beim letzten Mal auf irgend einen Süßmeier schieben…Mehr braucht’s doch nicht. Wem fallt's schon auf?“
„Das war eine Ausnahme damals, Sie…“
„…ob das Katzerl da mich spürt?“
„Mozart!“
Gangerl!“
„Mozart, wo wolln Sie hin? Was haben Sie vor? – Oh nein! – Ach du jeh!“
„Schwere Zeiten, Salieri, was?“
„Oh Sie, Herr von Haydn, schön, daß Sie uns die große Freude … oh nein! was macht er denn jetzt wieder? - Mozart, La prego! – Wie kann er denn nur..? - Lasci stare!“
„Lieber Salieri, das muß Ihnen doch klargewesen…“
„Hörn Sie ihn nur wieder kichern! Würden vielleicht Sie?“
„Es ist Ihr Auftrag, Sie wollten auf ihn aufpassen. Und ich bin mir sicher, Sie wissen schon, weshalb. - Eine alte Schuld vielleicht?“
„Das ist unfair, Herr von Haydn! Außerdem… Sie sind ihm Guida, sein Padre!“
„Nicht mehr, Salieri, nicht mehr…“
„… was macht er denn nun? – Mozart! - Moment eben! -- Mozart, Mozart! Santo cielo! Lassen Sie die Finger da weg! Meine Güte, wir fallen doch auf! Was sollen die denn denken? Oh nein, solch ein Chaos!“
„Ah, che gelida manina!– Upps, ist das da nicht mein großer…“
„…ja, Haydn.“
„Warum grüßt er mich nicht?“
„Er ist ein respekabler Herr. Und hörn Sie, sowieso, das ist ein anständiges Haus.“
„Anständig? Ein Theater?“
„Mo…!“
„Ach du Schreck… mein Vater jetzt auch noch…“
„… ja sicher…“
„Wieso kommt der denn? das hat mir keiner gesagt…“
„Aber das ist doch selbstverständlich!“
„Werd ich den niemals los? Ich meine, das ist nicht gerecht! Auch die Ewigkeit ist einfach nicht gerecht! Wie soll da ich das sein?“
„Du wärst gar nicht drin in der Ewigkeit ohne ihn!“
„Hast du eine Ahnung, wie gern ich tauschte: Geruch, Salieri, GeschmackHaut! – Hat er mich schon gesehen? Ah, nein, ah doch – allein, wie er grüßt!“
„Er meint es nicht böse…“
„Gemeint und geschissen ist zweierlei… - nee, Toni… komm, du hast recht, ich geh mal besser in Deckung. Will sowieso nur von hier weg. Hast du Spielkarten mit?“
„Wolfi, bitte!…“
„Los, komm!“
„Oddio!“
„So, hier ist es sicher, glaub ich… erst mal. Kann er mich noch sehen, Toni?“
„Und wie solln sich die Leute das jetzt bitte mit dem Mieder erklären?“
„Na, gesprungenes Fischbein… Mann, was hasse ich Salzburg!“
„Es hat geschellt, wir müssen rein.“
„Aber doch nicht in Zaide! Mich interessiert Zaide nicht, wenn ich das nicht zuendekomponieren…“
„Benimm dich jetzt endlich!“
„Als von dir Vergifteter benehm ich mich, klar.“
„Hör – jetzt – auf!“
„Aber, hihi, diese Tittchen …“
„Mozart! – Jesses… die schellen schon wieder… - Amadé!“
„Meinst du, ihr Mieder ist wieder gerichtet? Wie schad das wär! Hast du ihr hübsches Brustwarzerl g’sehn? Ich sag dir, das Kätzchen war plötzlich richtig erregt. Ja-und-bevor-ich-nicht-weiß-ob-mein-Vater-weit-genug-wegsitzt, bleib ich sowieso hier.“
„Okay okay, ich geh nachschauen.“
„Aber so, daß er nichts merkt. Bitte, Toni! Nicht heute. Nicht schon wieder. Und dann, ich weiß doch, wie das mit der Ouverture geht, ich könnte das wirklich eben noch schnell… und hätt auch fürs Finale eine Idee… - (Na, dann geh hin. Wenn der Salieri glaubt, ich wart hier auf ihn, hat er sich geschnitten. Sowieso, wenn wir anfangen, uns zu duzen, geht’s immer schief. - Upps, wer kommt denn da? das Katzerl!) -“…
„Sie waren das eben! der… was haben Sie sich dabei gedacht?“
„(Das Katzerl sieht mich!)“
„…aber… Sie… Sie… Ich bin ganz verwirrt… Waren Sie nicht eben…? sind Sie nicht..?“
„Du kannst mich sehen? (Hübsch, wie rot sie werden kann, was ein Weiberl! und hat sich dennoch gerichtet wieder…)“
„Weshalb sollt ich Sie nicht sehen können?“
„Haben Sie Papier dabei?“
„Papier?“
„…ein Notizbücherl, irgendwas… ich… und einen Stift… und weg will ich hier. Hilfst mir heraus?“
„Warten Sie. – Bitte: hier. – Was wolln Sie damit? Und wieso weg?“
„Ich muß nur schnell… und darf ich eben? nur zur Inspiration…“
„Was fällt Ihnen ein? Man kann uns sehen!“
„Noch ein bißchen mehr, noch, bitte… ein Stückerl bis unters Wärzchen: ich kann ohne diesen Anblick nicht schaffen: - das ist mein Schicksal, ich bin getrieben, glauben Sie mir! Retten Sie mich!“
„Ich bitt Sie! Nicht so… nicht in der Öffentlichkeit… meine Mutter…“
„Die sieht mich nicht.“
„Wie: sie sieht Sie nicht? Das wär ja noch schlimmer! Wie steh ich denn alleine dann da?“
„Zier dich nicht so, Henderl, wir haben’s doch alle zwischen den Beinen… Moment… ah, ich hab’s! So geht es, hör nur, wie das klingt: f, wirklich f, lydisch! - Tust mir einen Gefallen?“
„Aber ich muß… Sie…“
„Bring das eben nach vorn… irgendwie… laß es dem Kapellmeister aufs Podestchen fallen… Moment noch… so, ja: das eben noch! – und dann komm wieder her, Schätzerl. Mir ist nach einer Beiz. Du hast so einen niedlichen Arsch.“
„Hörn’S Ihna auf!“
„(Wie rot sie abermals wird… entzückend... man bekommt ein ganz klammes…so warmes…) - Na los, Mäuschen…’s ist nit viel Zeit. Aber komm wieder! - (Wie sie davonrauscht… als wär’s ein Chorälchen: den cantus firmus dabei düster halten, a-moll, darüber Koloraturen in … oh je, Salieri wieder… Was sag ich dem jetzt? Hm, wo steckt das Hühnchen? Die macht’s wirklich! ich werd ihr das Chorälchen widmen, werd’s ihr direkt aufs Leiberl komponiern…)“
„Also, Mozart, dein Vater sitzt in der Seitenloge, du mußt dich wirklich nicht sorgen. Können wir dann wohl gehen?“
„Ich muß aber mal.“
„Wolfi, du kannst nicht müssen.!“
„Nicht essen, nicht müssen, nicht pimpern! Ich will aber pissen, jetzt, gleich… laß es mich wenigstens versuchen, es wäre so – erleichternd!“
„Dio!“
„(- ah das Katzerl..:) Katzerl! (Bloß weg. Wo geht’s lang? Jetzt drängen die aber wirklich…) Hier! (die reinsten Glucksbeglücker – aber was soll ich mit Orden?) schnell’s Pfötchen…na komm!“
„Aber, Herr…“
„Sag Rosenkrantz zu mir… oder Gangerl...“
„A – ma – dééé!“
„Aber doch nicht auf die Herrentoilette…“
„Was nicht? Sucht’s man di dort? Da sucht’s man di nit! Und ich hab Eile.“
„Mozart! Lasci stare! (Jetzt hat er doch wirklich dieses Mädel geschnappt… kaum läßt man ihn raus, geht’s wieder los…) Mo..! (Und das dritte Schellen! Was tu ich nur? Wir verpassen die Aufführung. Ich kann doch aber nicht einfach hinterher und gegen die Klotüre pochen… Na ja, sie müssen ja wieder heraus… Aber wenn nicht? Oh je, da kommt auch schon die Mutter…)“
„Ines! Iiiiiines! - Logenwärter, haben Sie meine Tochter gesehen? Sie ist völlig… von Sinnen, ich versteh das gar nicht… plötzlich war sie… öffnete sie… man faßt es nicht… sprang sie auf und… - Ines!“
„(Wie erklär ich das bloß oben?)“
„Schätzerl, gib mir ein Busserl.“
„Ich trau mich nicht mehr hinaus.“
„Ines!“
„Mozart! Mozart!“
„Busserl.“
„(Per l'amor di dio!)”
“Ines!”
„Wenn ich Sie bitten darf, jetzt die Plätze…“
„Aber Ines, meine..!“
„Bitte, gnädige Frau, Sie müssen schon entscheiden… Vielleicht ist Ihrer Tochter nur… eine Unpäßlichkeit…“
„Sie hat sich enblö..! Sie war oben fast ganz… Hach, wie peinlich!“
„Bitte, ich bitte Sie, nehmen Sie Ihren Platz wieder ein. Das war bestimmt ein Mißgeschick. Oder gehen Sie heim, vielleicht ist das besser, und beruhigen sich. Aber die Vorstellung muß jetzt beginnen.“
„Wir müssen nur warten, Mäuschen. Tut mir leid, es ist ein bißchen eng… ah, und ich würde gerne… ich hab da eine Melodie. Wie heißt du?“
„Lassen Sie mich!“
„Sag deinen Namen, Vögelchen, daß ich ihn mit dir singen kann…“
„Ich bitte Sie! Lassen Sie!“
„Pscht! pchscht… niemand muß uns hören…“
„Ines…“
„Wie du duftest, Ines, hinterm Ohr…(Wie entwischt man von hier? gibt’s da ein Fensterl? Là ci darem la mano, Là mi dirai di sì…)“
“Ich weiß nicht, ob ich…“
„Mo… Gangerl, die fangen an!“
„…Ines…
„…das…“
„(Ich kann jetzt sowieso nichts mehr tun. Wart ich - perdono, Dio! - halt.)“
„..Septimchen…“
„…möchte…“
„(Ah, sie…) Pscht! (…gehen hinein, das war jetzt….) psschscht, Busserle (das letzte Klingeln)…“
.
[Draußen werden die in Saal und Logen führenden Türen geschlossen, und die Toten nehmen auf den Schößen der Lebenden Platz.]
.
„Mozart...“
„… Ines…“
„…- mozarteln.“
„…….- inesseln: ‚Es hüpfen, es hopsen

die wogenden Brüsterl
Sehnend von einem
Seufzer zum andern
Die Zunge von Lippe
Zu Lippe gedeutet
Herzvoll ins Unerlangte hinab.’
[Zieht.]

Mozart in Salzburg 3-5 <<<<

Die Polizei und das Fahrrad. Berlin braucht Geld.

Also.
Berlin braucht Geld. Ich muß es wiederholen.
Klar.
Deshalb nimmt es nicht Wunder, daß als allererste Maßnahme Fahrradrazzien ausgerufen werden. Das macht man so in dieser Stadt. Schon, als die Geliebte und ich den Jungen zur Schule brachten, sahen wir eine Art Miniatur-Aufmärsche von Schutzpolizisten sich beidseits der Schönhauser/Ecke Eberswalder seitlich der Fahrradwege postieren. Auf der Rückfahrt von der Schule war es unterdessen hell geworden, ich hatte meine batteriebetriebene Leuchtanlage abgesteckt und radelte nun frohgemut Richtung Kinderwohnung. Hinterm Übergang Danziger werd ich gestoppt, fünf Polizisten in Gruppe, es nieselt, ich denk mir: so richtig Lust haben die auch nicht, also hell die mal stimmungsmäßig etwas auf.
Es entspinnt sich folgender Dialog (und denken Sie sich bitte die Geräusche des morgendlichen Stoßverkehrs an einer großen Dreierkreuzung mit hochgeführter U-Bahn und mehreren passierenden Trams dazu):
„Ah, guten Morgen. Das hab ich mir schon gedacht, daß Sie mich anhalten werden.“ Ich lächle.
„Wie: Sie haben sich das gedacht? Wieso haben Sie sich das gedacht?“
„Ich hab meinen Jungen zur Schule gebracht, da sah ich Sie schon stehen mit Ihren Kellen und so strahlend weiß in dem Anti-Regen-Plastik. Also bin ich extra hierlang zurückgefahren. Ich wollt mal sehen, ob ich richtig kombiniert habe.“
Er, irritiert: „Und Sie wissen, weshalb wir Sie anhalten?“
„Aber klar. Sie wollen meine Lichtanlage kontrollieren.“
„Und wo ist die?“
„In meiner Manteltasche. Fein, daß ich sie endlich mal zeigen darf.“(„Ich fahr sonst lieber o h n e Licht“ zu sagen, erspar ich mir, obwohl’s ganz vorn auf der Zunge liegt; aber es stimmte nicht und wäre ein rein rhetorischer Spaß gewesen.)
„Aber Sie müssen eine Dynamo-Anlage haben, das wissen Sie.“
„Nö, weiß ich nicht. Ich hab doch eine andere, sehr viel hellere.“
„Das ist egal. Die Dynamo-Anlage ist Vorschrift.“
Damit war der Absurdität jede Pforte geöffnet.
„Aber man sieht mich mit der anderen Anlage viel besser.“
„Darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, daß Sie die Vorschriften befolgen.“
„Aber die Vorschriften sind dazu da, daß man gesehen wird und niemanden gefährdet.“
„Es ist egal, wozu die Vorschriften s i n d. Wichtig ist, daß sie eingehalten werden.“
„Das ist mir nicht nachvollziehbar.“
„Auch darauf kommt es nicht an. H a b e n Sie eine Dynamo-Anlage? Ah ja, Sie haben eine.“
„Schon, aber sie funktioniert nicht. Deshalb hab ich ja die a n d e r e Lichtanlage.“
„Die ist nur genehmigt für den Fall, daß die Dynamo-Anlage ausfällt.“
„Na eben, sie i s t ja ausgefallen. Wollen Sie mal sehen…ähm… n i c h t sehen?“
Immerhin bleibt der Mann genau so freundlich wie ich selbst es bleibe. Alles ist ein morgendlicher pas à deux im Herbstgeniesel. Der Mann hat schlechte Zähne, seh ich, und folgere: Unterschicht, seit dreißig Jahren schiebt der arme Kerl Dienst auf der Straße, also b l e i b e gut zu ihm.
„Sehen Sie, funktioniert nicht.“
„Dann müssen Sie aber jetzt Ihr anderes Licht aufstecken.“
„Aber wieso? Es ist längst hell.“
„Die Morgenzeit gilt als Dämmerung. Auch in der Dämmerung ist eine Lichtanlage einzuschalten.“
„Auch wenn es hell ist?“
„Es ist noch nicht t a g hell.“
„Na gut, das wußte ich nicht, dann schalte ich sie mal ein.“
„Aber Sie müssen auch den Dynamo verwenden.“
„Wie? Der funktioniert doch nicht… also die Glühlampe in der Fahrradleuchte funktioniert nicht.“
„Das ist egal. Sie müssen, das ist Vorschrift, mit dem Dynamo fahren.“
„Auch wenn das nichts bringt?“
„Wenn das nichts bringt, müssen Sie eine zusätzliche Lichtanlage haben.“
„Hab ich ja.“
„Aber auch einschalten.“
„Wenn es hell ist.“
„Während der Dämmerung. Und bei Nacht.“
„Klar, bei Nacht. Aber es ist Tag.“
„Dämmerung.“
„Na gut.“
„Und der Dynamo muß laufen.“
„Auch wenn er kein Licht erzeugt?“
„Auch wenn er kein Licht erzeugt.“
„Das h a t was. Stimmt.“
„Und Sie wissen jederzeit, daß Sie die Dynamo-Anlage reparieren müssen.“
„Da haben Sie ebenfalls recht. Man vergeudet ja nicht gerne Kraft.“
„Eben. Und nun fahren Sie bitte beleuchtet weiter.“
„Gerne, tu ich. Ich wünsch Ihnen einen guten Tag.“
Daß er in unsrem Dialog ganz auf das Verwarnungsgeld vergaß, das er nach Berliner Kassenlage einzutreiben hatte, fällt mir dann erst auf der Weiterfahrt auf, - ob ihm selbst das klargeworden ist, entzieht sich, darob skeptisch, meiner Kenntnis. Aber vielleicht war er bloß, ganz wie ich, gütig gestimmt. So daß wir freundlich Danke sagen.

Der Weise spricht.

Der kluge Baum beugt sich dem Wind. Wie Schilf.

Der Korruption, verstehst du’s nicht?,
steht Lebensklugheit im Gesicht.

Osho Bin Laden. Nach Rilke.

… Ein jeder Erlöser ist schrecklich.
Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf
dunkelen Schluchzens....
 



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