Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Bis Okt. 2017 verboten)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Seit Okt. 2017 wieder frei)
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KYBERREALISM

Desideria, Markus A. Hediger und Die Möglichkeitenpoetik. Dritte Heidelberger Vorlesung (3). Aus den weiteren Skizzen der Fortsetzung.

In der Matrix des Kybernetische Realismus stehen nicht nur faktische Er/Kenntnisse als Komponenten, sondern auch Möglichkeiten; das ist der entscheidende ästhetische Ansatz, daß er kein ausschließendes poetisches Verfahren ist, sondern ein integratives, das kausale Zusammenhänge eben n i c h t festfährt. Für einen Roman bedeutet das, daß dieselben Erzählstränge sich ebenso spalten können wie die erzählten Subjekte und daß diese gespaltenen Erzählstränge jeder zu anderen Weiterhandlungen führen, die parallel miterzählt werden, ohne daß es einen Akzent auf eine bestimmte Weiterhandlung gäbe. Schon insofern ist es unmöglich, einen Roman so zu planen, daß von Anfang an sein Ziel feststeht, auf das dann hingeschrieben wird. Zwar mag ein Ziel intendiert sein, es wird aber praktisch nie oder nur in einem von vielen möglichen Erzählungen über denselben Handlungsgegenstand erreicht. Ich habe, während ich das Verfahren entwickelte – besser: während e s sich entwickelte – auch Leser meiner Arbeiten darin hineingenommen, die auf meine Arbeit reagiert haben; in Der Dschungel ist das ja sehr gut möglich. So schrieb mir am 29. November 2005 ein Kommentator, der sich mimikry nannte, das Folgende in das Literarische Weblog – wozu Sie wissen müssen, daß ich in dieser Zeit intensiv am Dritten Band meiner Anderswelt-Trilogie schrieb und täglich Segmente daraus, die Sie heute noch nachlesen können, in dem Literarischen Weblog veröffentlichte und über sie mit meinen Lesern diskutierte; dabei haben sich drei Leser anerboten, Figuren des Romanes zu werden; eine, Brem genannt, ist heute, nach Abschluß der Erfindungsphase, sogar eine der Hauptpersonen geworden. Jedenfalls schrieb mimikry Folgendes, und Sie müssen jetzt nur noch wissen, daß die genannten Herren Cordes, Herzfeld und Goltz reine Romanfiguren sind, Niam Goldenhaar ist es sowieso und Judith Hediger wiederum ein Hybrid aus erfundener und Real-Person, hingegen die genannten Damen Lilith und Desideria sind „reine“ Realpersonen, die ihrerseits Weblogs betrieben; >>>> Desideria schreibt ihres bis heute. >>>> Hier also mimikrys Kommentar*.
Ich habe diesen Text nahtlos in meinen Roman integriert und bin den gelegten Spuren weitergefolgt, das heißt, ich habe das, was als mögliche Folge einer Romanhandlung von meinem Kommentator mimikry fantasiert worden ist, wie eine Tatsache behandelt – als eine matrische Komponente eben, mit der ich die poetischen Rechenvorgänge als Möglichkeit durchgearbeitet habe, die, und das ist jetzt wichtig, anderen Möglichkeiten durchaus widersprach. Auf diese Weise gelangen Sie zu einem Romanmodell, das sich jeglicher Eineindeutigkeit verweigert und dennoch, je im Hinblick auf einen bestimmten Erzählstrang, sinnlich evident und auf sich bezogen den Gesetzen der Kausalität verpflichtet bleibt. Das entspricht ganz unserer Erfahrung von Wirklichkeit, wenn etwa nach dem Bau des Assuan-Staudamms unliebsame Folgen eintraten, die zuvor nicht absehbar gewesen waren, weil man bestimmte Determinanten, die erst mit dem Bau wirksam wurden, nicht gekannt hat. Prinzipiell gilt, daß der Eingriff in ein Geschehen Auswirkungen auf jedes Einzelelement des gesamten ökologischen Systems hat, also auf jede Komponente der Matrix. Insofern der Kybernetische Realismus sich wie alle vorgängigen Ästhetiken zur Wirklichkeit mimetisch verhält, so eben hier zu einer prozessual verstandenen, also immer in Bewegung befindlichen Wirklichkeit. Daraus ergibt sich, daß ein nach-postmoderner Roman, der nicht regressiv ist, kein bestimmtes Ende haben kann, sondern immer nur verschiedene bestimmte Enden. In WOLPERTINGER ODER DAS BLAU finden Sie diesen Ansatz in den drei einander widersprechenden Epilogen, die das Buch abschließen und geradezu notwendigerweise in ein nächstes Buch hin eingeführt haben: in den ersten Band der Anderswelt-Triologie nämlich, in THETIS. ANDERSWELT. Es handelt sich insgesamt n i c h t um ein hermetisches Erzählprinzip, sondern gerade um das Gegenteil. Daß dennoch oft eine starke Hermetik empfunden wird, liegt daran, daß wir es gewohnt sind, gewohnt gemacht worden sind, die Abschließbarkeit von Handlungsvorgängen vorauszusetzen und sie in einem Roman deshalb zu erwarten, ja sie von ihm zu fordern. Hiergegen stehen meine Arbeit und damit der Kybernetische Realismus völlig quer.


Dritte Vorlesung 2 <<<<

Muster & Allegorie. Dritte Heidelberger Vorlesung (2). Aus den Skizzen der Fortsetzung.

Deshalb habe ich in meiner zweiten Vorlesung gesagt, die phantastische Literatur nehme die Aufklärung zurück; sie ist der Narr, der dem siegreichen Feldherrn im Triumphzug vorherläuft und ihn mit Gründen verspottet. Insofern keine andere Literatur so sehr Sprache der Seele ist wie die phantastische, steht sie neben den Naturwissenschaften als eine der Säulen zeitgenössischer Ästhetik da; sie auch steht ja deutlich mit am Beginn dessen, was moderne Literatur dann geworden ist. In Teilen kann selbst der Ulisses, da auf der Folie eines alten Mythos geschrieben, der phantastischen Literatur zugerechnet werden; er belebt nachdrücklich die Allegorie und damit die Vorstellung, es gebe ewig währende Muster, die sich durch die Individuen hindurch jetzt im Wortsinn: realisieren. Darüber gibt es keine Freiheit, man wird von dem Muster als Träger erkannt und verwendet. Nur daß der Kybernetische Realismus sich des Umstands bewußt ist, daß es sich bei solchen Mustern nie um identische, sondern eben immer nur um ähnliche handelt, die sich wahrscheinlich von Träger zu Träger wandeln.
Schon hier, wenn Sie diesem Instinkt folgen, wird deutlich, worin sich die personale Konzeption einer neuen narrativen Ästhetik von der dinglich-sachlichen Konzeption des herkömmlichen Realismus unterscheidet: Nach-postmoderne Personen einer Erzählung vereinen in sich den Widerspruch einer personalen und akausalen Gesamtheit (die nämlich nennen wir Autonomie) mit dem Umstand, daß sie Träger von Informationen sind, der Muster nämlich, und als solche sind sie Hüllen. Hätten sie nicht Gefühle und überhaupt ein Innenleben, man müßte sie für leer halten. In einer Erzählung des kybernetischen Realismus begründet sich ihre Existenz – das heißt die Tatsache, daß Leser solche Personen emphatisch mitleben können – nicht länger aus der Annahme von Autonomie, sondern aus den Konflikten, die diese Annahme austrägt, wird sie mit den wirkenden Mustern konfrontiert. Walter Benjamins im Ursprung des Deutschen Trauerspiels entwickeltes Allegorie-Konzept steht nicht grundlos ebenfalls am Beginn der Literarischen Moderne, Seite an Seite mit der Entwicklung des Konzepts des Unbewußten, das von der Phantastischen Kunst sinnlich ausgestaltet wurde (und weiterhin wird). Dazu halten in nahezu derselben Zeit die ökologischen Konzepte Ernst Haeckels in die moderne Wissenschaft Einzug: Konzepte vernetzter Systeme. So alt ist der moderne Begriff der Kybernetik, der seinerseits letztlich einer aus der Antike ist. >>>> Darauf hat einer meiner Leser in einem Dschungel-Kommentar völlig zu recht hingewiesen. Wenn Sie sich allein nur diese drei Momente der modernen theoretischen Erfassung von Wirklichkeit simultan vor Augen führen, wird Ihnen mit fühlbarer Evidenz klarwerden, was ich mit zirkulärem Erzählen meine: daß solche Zirkel eben keine ewigen Wiederkünfte, sondern sich durch die Geschichtszeit weiterbewegende Spiralen sind, die nicht, wie es ein Zirkel täte, an ihrem tatsächlichen Ausgangspunkt wieder ankommen, sondern an einem Ausgangspunkt, der sich irreversibel verändert hat. Kein anderer ästhetischer Ansatz als nunmehr der meine trägt diesem wahren Umstand Rechnung. Und kein anderer ästhetischer Ansatz legt so entschieden sein Veto gegen den Satz ein, letztlich verändere sich gar nichts, und wir lebten, wie Kästner sagt, imgrunde weiter auf den Bäumen. Gerade indem ich etwa auf antike Modelle wie das des Schicksals zurückgreife, dem es sich nicht entkommen läßt, gebe ich der Geschichtlichkeit ihren Stellenwert zurück. Denn dieses Schicksal ist nicht länger eines, das Götter bestimmen, sondern ein selbstbewirktes Bewegtes: Autopoeisis.

1 <<<<

Erzählen in Regelkreisen. Dritte Heidelberger Vorlesung (1). Aus der Skizze des Anfangs.

Jetzt also Butter bei die Fische:
Kybernetischer Realismus ist demzufolge eine Poetologie der Spiegelungen und Wechselwirkung. Er ist prinzipiell unabgeschlossen und, wenn man vom anthropologiefernen Begriff der Entropie absieht, unabschließbar. Seine Grundstruktur sind >>>> Regelkreise, daher tendiert eine Erzählung des Kybernetischen Realismus zu Zyklen, und diese, im Verhältnis zueinander, vollführen Sprünge: Der Erzählzyklus führt nicht, wie etwa bei den aus der Science Fiction stammenden Zeitschlaufen, in seinen tatsächlichen Anfang zurück, sondern in etwas, das dem Erzählanfang zwar täuschend gleichsehen mag, aber doch etwas anderes ist: ein Etwas mit der Erfahrung des durchlaufenen zyklischen Weges. Es geht also gerade nicht um eine Ewige Wiederkehr, sondern um etwas, das Muster wiederholt, aber sich in den Metaebenen irreversibel voranbewegt. Kommt der Erzählzyklus wieder an seinem Anfang an, haben sich sämtliche Beteiligten und hat sich auch das Setting verändert. Es ist ungemein wichtig, sich das vor Augen zu halten. Die Erzählung kommt immer wieder auf ihre leitenden Motive zurück, aber wenn sie zurückkommt, sind diese Motive bereits verschoben; Sie können sich das als Perspektivwechsel klarmachen. Sie können es sich aber auch musikalisch klarmachen: Ein Thema wird zwar wiederholt, aber als organische Entwicklung aus den vorhergegangenen Variationen, und selbst wenn es wörtlich/klanglich wiederholt wird, hat doch der Hörer das Vorhergegangene als unmittelbare/mittelbare neue Erfahrung, unter deren Wirkung er die Wiederholung nun a l s Wiederholung wahrnimmt. Das ist selbst bei wortgetreuer Wiederholung von der Rezeptionsseite etwas anderes, als wenn ein Thema/Motiv zum ersten Mal zu Gehör gebracht wird. Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn wir ein- und dasselbe Musikstück zum zweiten, dritten, n-ten Mal hören: Jedes Mal schaffen die Erfahrungen vormaligen Hörens eine ganz neue Erfahrung. Es ist unmöglich, zum zweiten Mal einen ersten Eindruck zu machen: Dieses Axiom, das für jede soziale Kommunikation gilt, gilt in der Poetik ganz genau so und wird im Kybernetischen Realismus als ganz bewußtes Stilmittel eingesetzt.

Körperinneneigen. Raumaußenfremd. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (93).

>>>> Das entindividuierte Netz und die individuelle Ausstrahlung.

[Wäre dem so, es wäre eine so rigorose Trennung von Außen- und Innenwelt, Realität und Imaginationsraum nicht aufrechtzuerhalten, wie sie nach wie vor die Diskussionen bestimmt. Man müßte beginnen, von Schattierungen des Realen zu sprechen, von Abstufungen, die beim materiellen Kern erfahrener Wirklichkeiten beginnen und sich bis in die Glaubensbereiche erstrecken, also bis ins scheinbar unabgelöst Ideenhafte und Ideologische. Wobei Schatten und Licht nur noch in Hinsichten auf kategorisierbar und also in einem Eigentlichen ununterscheidbar wären. Es wären keine Kategorien-an-sich mehr.]

>>>> 94
92 <<<<

"Was nicht ist, kann wirken."


- Erstes Paradox des Kybernetischen Realismus. -


[„Was nicht ist, kann, was werden wird, schaffen.“ Dieses Paradox ist einem „Ersten Hauptsatz“ vergleichbar und bezieht sich sowohl auf allein behauptetes Sein, wie z.B. Gottes und/oder der „Freiheit“, als auch auf denkerische Methodik an sich: Es lassen sich Modelle entwerfen, etwa das des „raumlosen Raumes“, >>>> gegen den einiges mit erkenntnistheoretischem Recht einzuwenden ist, ja die naturwissenschaftlich (empirisch) betrachtet vielleicht nicht einmal Wahrscheinlichkeit haben; werden sie aber mit anderen, ganz ähnlichen oder tatsächlich praktischen (mit materialem Grund erfahrenen) Modellen in Verbindung gebracht und über eine „reine“ Beschreibung hinaus in wechselwirkende Bewegung gesetzt, bekommen sie durch ihre Wirkung Wahrheit insofern, als das, was sie aussagen, sich mit etwas faktisch deckt, das durch sie erst entsteht, bzw. entstanden ist. Die einzige Voraussetzung dafür ist, daß solche Modelle angenommen werden. So ist aus der ursprünglichen Akzeptanz Gottes und den exegetischen Verfahren seiner Erforschung schließlich eine Disziplin entstanden, die einerseits genau diesem (monotheistischen) Gott ausschließend entgegensteht und andererseits die Grundlage der modernen technischen Gesellschaft bildet; zugleich ist er, als Kulturphänomen und damit causa prima, in letzter Konsequenz nicht mehr aus ihr wegzudenken. Ganz Ähnliches gilt für die „Freiheit“ oder gar Konstruktionen wie derjenigen eines „Gesellschaftsvertrages“. Hätten sich die Subjekte der Geschichte nicht praktisch mit ihm durchgesetzt, würden wir seine Setzung ganz ebenso verspotten wie die heidnischen Grundlagen eines Voodoo-Zaubers; er wäre nur ridikül. Denn es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß ein solcher Gesellschaftsvertrag de facto niemals geschlossen wurde, schon gar nicht von autonomen Subjekten.
Der Kybernetische Realismus macht sich diese Erkenntnis zu eigen und verwendet sie bewußt - also: steuernd.*]


*) Hier hinein fällt auch d a s:
„Wer lange genug Genie spielt, wird eins.“ (Dalí).
„Erst kommt der Größenwahn, dann kommt die Größe.“ (>>>> Krausser).

[Kybernetischer Realismus.
Poetologie.
Erkenntnistheorie.]

Heidelberger Poetik-Vorlesungen. HINWEIS.

Wie bereits die erste, so findet sich auch die Zweite Heidelberger Vorlesung von heute an >>>> hier in der eigens >>>> dafür bereitgestellten Rubrik, weil die sehr langen Texte die virile Nervosität der Dschungel-Hauptseite stören. Dort bleiben die Vorlesungstexte vorerst stehen. Ich bin mir allerdings noch nicht sicher, ob ich die Rubrik der Poetik-Dozentur mit deren Abschluß wieder schließen werde, zumal die Texte in Buchform erscheinen sollen. Die Rubrik >>>> Werkstatt wird in jedem Fall geöffnet bleiben.

Träume, Chats, ein Autounfall. Zweite Heidelberger Vorlesung (5). Aus dem Entwurf (ffff).

Der Traum ist ein zweites Leben, >>>> schreibt Nerval. Niemals drang ich ohne Schauder durch diese Pforten aus Elfenbein oder Horn, die uns von der Welt des Unsichtbaren trennen. Die ersten Augenblicke des Schlafes sind das Bild des Todes; ein betäubender Nebel hüllt unser Denken ein, und wir sind außerstande, mit Sicherheit den Augenblick anzugeben, in dem unser Ich in verwandelter Gestalt das Geschäft seines Daseins fortführt. Bereits in dieser romantischen Spaltungsfantasie ist der Charakter des Traums ausgedehnt wie ein Chat, dem modernsten phantastischen Raum, den wir gegenwärtig im Alltag kennen. Wie dieser sind Traumräume null-dimensional: Wer hineintritt, dessen einer F u ß schon füllt den Kopf. Andererseits, nämlich aufgrund seiner zeitlichen Bestimmungen, ist ein phantastischer Raum potentiell unendlich. Zeit weicht seine Grenzen, die gemeinhin als fest empfunden werden, prozessual auf, ja Raum wird zur zeitlichen Bestimmung an sich. Darin berührt er sich mit realen, auf den ersten Blick nicht-phantastischen Grenzerfahrungen. Jeder, der, selbst hinterm Steuerrad, schon einmal einen nicht ganz ungefährlichen Autounfall erlebt hat, weiß, was gedehnte Zeit bedeutet: Langsam, immer langsamer rutscht man dem Baumstamm entgegen.... ja, je näher dran Du bist, um so stärker scheinen sich die Abläufe zu dehnen. Man könnte annehmen, schließlich erreiche der Kühlergrill die Borke nie, indes doch für den Zeugen am Straßenrand alles innerhalb eines Sekundenbruchteils abgeht: Rutschen, durchdrehende Bremsen, schleudernder Wagen, der irre Krach, die zerspringenden Scheiben, und dann das Blut.

Zweite Heidelberger Vorlesung 5 <<<<

Kunst als Perversion. Zweite Heidelberger Vorlesung (4). Aus dem Entwurf (fff).

Die Bildsprache des Phantastischen ist die Bildsprache des Unbewußten. Dessen Sprache wiederum, wird sie laut, ist pervers, da sich in vielen seiner Ghats das Abgewehrte versammelt: solche Wasserstellen sind vergiftete Speicher; man schließt sie wohlweislich ab. Dichtung aber bohrt sie an. In ihr steigt das vergiftete Wasser auf, und fände sie nicht einen Weg, es zu klären und trinkbar zu machen, wäre das katastrophal. Dieser Weg oder besser Filter ist die Perversion. Sie läßt uns, was wirklich Angst macht und objektiv schaden kann - deshalb i s t ja verdrängt worden -, als Lust erleben. Dichtung dreht die Traumata um: pervertere, „umstürzen“, „völlig umwerfen“.
Perversion ist als solche, und zwar selbst in ihrem ausschließlichen, bisweilen sogar tödlichen Extrem, eine Form der psychischen Gegenwehr, sei es tatsächlicher, direkter Bedrohungen, sei es vor Zeiten erlebter, doch latent weiterwirkender, dauerhaft schmerzender Traumatisierungen. Perversion stopft aber nicht weg, sondern trägt aus; insofern ist sie Bearbeitung. Ihre nicht verhärtete, dennoch, so glaube ich, den Eskalationsgesetzten von Kriegen ähnelnde Dynamik soll und, glaube ich, kann das Unheil – um dieses Wort einmal richtig zu verwenden – bannen, nämlich: in feierlicher Rede verbieten. Perversion, so gesehen, ist ein Akt der Beschwörung entweder durch das Wort oder durch ein deshalb meist ritualisiertes Handeln. Der Schmerz, den sie zufügt oder zufügen läßt, setzt der äußeren Gewalt, auf die sich anders kein Einfluß mehr nehmen zu lassen scheint, eine innere, gleichsam autonome entgegen. Das hat etwas von dem Moskowiter, der sein eigenes Haus in Brand steckt, bevor die napoleonischen Soldaten das können. Perversion in diesem Sinn ist eine Umdrehung, die den Verlust in Sieg verkehrt. Kein realer Eroberer kann sich dessen erwehren; die auf ihn ausgeübte symbolische Gewalt hat mindestens den Druck der nicht-symbolischen, die er selbst auf den Feind warf und wirft. Er kann nun seine Greueltaten nur noch übersteigern. Das kennen wir aus Kriegen gut, - auch aus den soeben wieder, im Zeichen von Christentum, Islam und Anti-Terror, geführten.

Zweite Heidelberger Vorlesung 3 <<<<

Von Yahoo! Deutschland. An Yahoo! Deutschland (2). Zweite Heidelberger Vorlesung (3).

DE Messenger schrieb:Lieber Herr Herbst,
vielen Dank fuer Ihre Nachricht an Yahoo! Deutschland.
Entschuldigen Sie bitte vielmals, dass wir nicht früher auf Ihr Anliegen
zurückkommen konnten. Aufgrund eines Systemfehlers wurde Ihre Email falsch geroutet. Fuer die entstandenen Unannehmlichkeiten möchten wir uns bei Ihnen entschuldigen.
Bitte teilen Sie uns mit ob Sie noch weitere Hilfe benötigen.
Bitte teilen Sie uns dies mit, damit wir Ihnen so schnell wie möglich weiter helfen können.
Mit freundlichen Grüssen Rainer
Ihr Yahoo! Customer Support
Yahoo! Deutschland
ANH an DE Messenger:Lieber Rainer,
ich danke Ihnen für Ihre Antwort, die jetzt freilich etwas spät gekommen ist - aber vielleicht nicht zu spät.
Meine Heidelberger Antrittsvorlesung ist bereits am 15. 11. gehalten worden, in der nächsten Woche halte ich am Donnerstag, 13.12. abends, die zweite Vorlesung. Das könnte, um nun gemeinsam noch etwas auf die Beine zu stellen, ein wenig knapp sein. Die erste Vorlesung habe ich über einen eigens eingerichteten Yahoo-Messenger vermittels einer kleinen Webcam ins Netz gegeben. Da hatte es aber die Schwierigkeit, daß sich jeder, der zusehen wollte, eigens anmelden und ich das immer bestätigen mußte. Zwar habe ich die Yahoo-ID für den entsprechenden Messenger auf meiner Webpräsenz publiziert, aber viele Anfragen kamen erst während oder kurz vor der Vorlesung selbst, und ich konnte in den wenigsten Fällen parallel zu meiner Vorlesung reagieren. Es wäre wichtig, einen Messenger zu haben, auf den Hörer/Zuschauer von außen einfach klicken können, so daß sich ihnen das Cambild ohne meine Bestätigung öffnet.
Können Sie so etwas bereitstellen? Vielleicht, wenn der Termin nächsten Donnerstag für Ihren ja doch riesigen Betrieb zu kurzfristig ist, daß wir meine Abschlußvorlesung am 17. Januar per Yahoo übertragen? Dann wäre auch für Sie noch gute Zeit, das Projekt öffentlich zu kommunizieren: je bekannter es wird, desto höher werden die Zugriffszahlen sein, logisch.
Aber ich bin natürlich auch gerne bereit, mit Ihnen gemeinsam schon für die nächste Woche zu improvisieren.

Was ich bräuchte wäre
1) einen öffentlich zugänglichen Messenger, der keine Gegen-Bestätigung und Anmeldeprozeduren braucht, wenn jemand auf Webcam-Bild und -Ton zugreifen will,
2) eine gute Webcam, die auch Panoramabilder befriedigend übertragen kann (Hörsaal),
3) vor allem ein gutes, damit verschaltetes Mikrofon,
4) entsprechende (XP-kompatible) Software
5) evtl. einen leistungsfähigen Laptop.

Wichtig wäre allerdings, daß auch Sie das Projekt entsprechend werblich bekanntmachen; ich meinerseits werde das in meinen ja recht frequentierten Netzpräsenzen ebenfalls tun, und auch die Universität Heidelberg, immerhin die älteste Deutschlands, wird gewiß eine entsprechende Pressemeldung hinausgeben. Für die Veranstaltung am nächsten Donnerstag ist es freilich etwas knapp, wir müßten uns da ziemlich sputen.
Ich grüße Sie unbekannterweise aus Berlin:
ANH
www.albannikolaiherbst.de

An Yahoo! Deutschland 1 (Erste Heidelberger Vorlesung 9) <<<<
Zweite Heidelberger Vorlesung 2 <<<<

Da Ponte: Aufnahme von Einwänden. Zweite Heidelberger Vorlesung (2). Poetologie als Schwamm. Aus dem Entwurf (ff).

Nun kann man einwenden, >>>> die Übertragung einer klassisch/herkömmlichen Kategorie wie derjenigen des Raumes auf Computer und Monitor sei illegitim; ich meine hingegen, daß sie geradezu notwendig ist, weil es um Poetisierung geht, deren Grundlage nichts anderes sein kann als etwas, das der gefühlten Wirklichkeit so nahe kommt, daß sich literarische Bilder daraus gewinnen lassen. In diesem Sinn ist der erste Satz von >>>> William Gibsons Newromancer-Trilogie mit völligem Recht stilbildend gewesen, der die Färbung des Himmels mit dem eines Fernsehbildschirms vergleicht. Hier kehrt sich Mimesis um: Technik, nicht mehr die ihr vorgängige Natur ist nun das Original, mit dem sie, Natur als Nachgängiges, verglichen wird.
[ZITAT NACHTRAGEN UND VERLINKEN.]

Zum Raumbegriff des Virtuellen hat sich eingehend hier >>>> der dem Fraunhofer-Institut zugehörige Peter Zoche geäußert.
Dies sei den Einwänden also erst einmal entgegengehalten, wohl wissend, daß eine Differenz zwischen realem und virtuellem Raum vorerst existent bleibt; sie wird aber als Erleben irrelevant. Ich habe in meiner ersten Vorlesung auf die in ihrer Intensität völlig mit der dinglichen Realität vergleichbare Möglichkeit hingewiesen, sich innerhalb virtueller Räume schwer zu verlieben, und zwar auch dann, wenn die Person der Zuneigung möglicherweise avatarer Natur ist. Dies läßt einen Rückschluß auf reale Verliebtheiten und Lieben zu, der uns wenig angenehm sein kann, den auszuführen es hier allerdings auch nicht der passende Platz ist. Ziehen Sie Ihre Schlußfolgerungen erst einmal selbst.
 



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