Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop

e   Marlboro. Prosastücke, Postskriptum Hannover 1981   Die Verwirrung des Gemüts. Roman, List München 1983    Die blutige Trauer des Buchhalters Michael Dolfinger. Lamento/Roman, Herodot Göttingen 1986; Ausgabe Zweiter Hand: Dielmann 2000   Die Orgelpfeifen von Flandern, Novelle, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2001   Wolpertinger oder Das Blau. Roman, Dielmann Frankfurtmain 1993, dtv München 2000   Eine Sizilische Reise, Fantastischer Bericht, Diemann Frankfurtmain 1995, dtv München 1997   Der Arndt-Komplex. Novellen, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1997   Thetis. Anderswelt. Fantastischer Roman, Rowohlt Reinbek b. Hamburg 1998 (Erster Band der Anderswelt-Trilogie)   In New York. Manhattan Roman, Schöffling Frankfurtmain 2000   Buenos Aires. Anderswelt. Kybernetischer Roman, Berlin Verlag Berlin 2001 (Zweiter Band der Anderswelt-Trilogie)   Inzest oder Die Entstehung der Welt. Der Anfang eines Romanes in Briefen, zus. mit Barbara Bongartz, Schreibheft Essen 2002   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Bis Okt. 2017 verboten)   Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen. Poetische Features, Elfenbein Berlin 2004   Die Niedertracht der Musik. Dreizehn Erzählungen, tisch7 Köln 2005   Dem Nahsten Orient/Très Proche Orient. Liebesgedichte, deutsch und französisch, Dielmann Frankfurtmain 2007    Meere. Roman, Letzte Fassung. Gesamtabdruck bei Volltext, Wien 2007.

Meere. Roman, „Persische Fassung“, Dielmann Frankfurtmain 2007    Aeolia.Gesang. Gedichtzyklus, mit den Stromboli-Bildern von Harald R. Gratz. Limitierte Auflage ohne ISBN, Galerie Jesse Bielefeld 2008   Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen, Manutius Heidelberg 2008   Der Engel Ordnungen. Gedichte. Dielmann Frankfurtmain 2009   Selzers Singen. Phantastische Geschichten, Kulturmaschinen Berlin 2010   Azreds Buch. Geschichten und Fiktionen, Kulturmaschinen Berlin 2010   Das bleibende Thier. Bamberger Elegien, Elfenbein Verlag Berlin 2011   Die Fenster von Sainte Chapelle. Reiseerzählung, Kulturmaschinen Berlin 2011   Kleine Theorie des Literarischen Bloggens. ETKBooks Bern 2011   Schöne Literatur muß grausam sein. Aufsätze und Reden I, Kulturmaschinen Berlin 2012   Isabella Maria Vergana. Erzählung. Verlag Die Dschungel in der Kindle-Edition Berlin 2013   Der Gräfenberg-Club. Sonderausgabe. Literaturquickie Hamburg 2013   Argo.Anderswelt. Epischer Roman, Elfenbein Berlin 2013 (Dritter Band der Anderswelt-Trilogie)   James Joyce: Giacomo Joyce. Mit den Übertragungen von Helmut Schulze und Alban Nikolai Herbst, etkBooks Bern 2013    Alban Nikolai Herbst: Traumschiff. Roman. mare 2015.   Meere. Roman, Marebuch Hamburg 2003 (Seit Okt. 2017 wieder frei)
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Litblog-THEORIE

Eigensinn Der Dschungel. Von Negt & Kluge. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (90).

“Das ist z.B. auch die Dialektik einer aus Sachzwängen bestehenden Welt gegenüber dem ins Erkenntnismotiv eingegangenen Material des Lustprinzips, das hier, in Der Dschungel, auf seinem Eigensinn beharrt usf. Abwehr der dialektischen Wahrnehmung ist deshalb unter den geschichtlich-kulturellen Verhältnissen wahrscheinlicher als Zuwendung. Die Sinne verhalten sich lieber mythisierend, „feststellend“, als sich einer kurvenreichen, unter Umständen höllischen Bewegung anzuvertrauen, man müßte erst wieder f e s t s t e l l e n, was daran Sicherheit bringt.4"[Alexander Kluge/Oskar Negt, >>>> Geschichte und Eigensinn, S. 713/714.]

"4Also geschieht Denken in Analogie zum Bau der Arche Noah. Der Gegensatz dazu wäre, bei Sintflut ins Meer zurückzukehren, schwimmen zu lernen. Das Bild vom „Schwimmen wie der Fisch im Wasser des Volkes“ stammt ja aus der Kampfsituation von Partisanen. Es ist aber keine Wahrnehmungspraxis in hochindustrialisierten Gesellschaften. Auch wenn sicher ist: jede denkbare Arche Noah geht unter, würde sich die Masse der Wahrnehmungskräfte zunächst mit dem hoffnungslosen Abdichten der Lecks befassen. Hierzu >>>> Kipling: „Wird ein Mensch von einr Kugel getroffen, so fühlt er zuerst nur einen starken Schlag, zehn bis fünfzehn Sekunden vergehen, ehe der Körper die Verstümmelung der Seele meldet.“"

>>>> 91
89 <<<<

Phänomenologie des Netzes (ff). Zugriffs-Hitliste per 8.21 Uhr. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (89): Die Empirie.

1. 24014 Zugriffe: >>>> "Ficken Sie mich, aber fassen Sie mich nicht dabei an!"
2. 7229 Zugriffe: >>>> Bitte um Stellungnahmen.
3. 6878 Zugriffe: >>>> Pornokunst.
4. 4261 Zugriffe: >>>> Birgitt.
5. 3810 Zugriffe: >>>> Das Camp.
6. 3605 Zugriffe: >>>> Wolf v. Ribbentrop.
7. 3577 Zugriffe: >>>> Netzfrauen § 12.
8. 3565 Zugriffe: >>>> Kontaktforen.
9. 3420 Zugriffe: >>>> DTs. (30. Dezember 2004).
10. 3413 Zugriffe: >>>> Mina Harker.
11. 3362 Zugriffe: >>>> Borges und Mäzene.
12. 3176 Zugriffe: >>>> Zunami.
13. 3130 Zugriffe: >>>> Kleine Theorie des literarischen Bloggens (1).
14. 3033 Zugriffe: >>>> MIßBRAUCH & VERZICHT.
15. 2937 Zugriffe: >>>> MEERE ist wieder frei.
16. 2760 Zugriffe: >>>> Der beabsichtigte Skandal.
17. 2753 Zugriffe: >>>> Die Nichtgeborenen.
18. 2727 Zugriffe: >>>> “Ist es denn so schlimm, gewöhnlich zu sein?”
19. 2697 Zugriffe: >>>> “Der hat doch nur das e i n e im Kopf!”
20. 2609 Zugriffe: >>>> Zur Öffentlichkeit Der Dschungel.
21. 2520 Zugriffe: >>>> „Experiment Ficken“ (1).
22. 2482 Zugriffe: >>>> Vaterliebe (1).
23. 2479 Zugriffe: >>>> AF 5.1.06.
24. 2463 Zugriffe: >>>> Es saßen drei Engel beisammen.
25. 2444 Zugriffe: >>>> Masturbation.
[Quelle: twoday-Statistik.]

[Bei allem, was ins Bedeutungsfeld von „ficken“ gehört, war das im Netz so zu erwarten, auch wenn die 24014 Zugriffe des ersten Platzes selbst dann sensationell sind. Nur um so erstaunlicher aber, daß sich etwa >>>> Die Nichtgeborenen mit über zweieinhalbtausend Zugriffen bereits an Platz 17 befinden, auf Platz dreizehn findet sich sogar ein >>>> T h e o r i e - Text mit über dreitausend, ganz zu schweigen von dem >>>> G e d i c h t mit nahezu zweieinhalbtausend Zugriffen. Solche Zahlen belegen um so nachdrücklicher die Relevanz des Netzes für die Dichtung, wenn man sie mit den gängigen Auflagenhöhe von Gedichtbänden vergleicht, die selten 1000 übersteigt. (Höchst rätselhaft ist allerdings der massive Zugriff >>>> dort. Zugleich ist es bezeichnend, wie sich mit Verstreichen der Monate die Wertungen vers c h i eben: Ein Indiz dafür, daß alte Beiträge eben n i c h t in den Blogs verloren sind.)]

>>>> 90
88 <<<<

Links sind.

F ä h r t e n.


(>>>> Aragons Paysan de Paris wiederholt sich, bzw. setzt sich fort:
Natur wird Kybernetik, Surfer sind Scouts: Fallensteller und
Pelzjäger im Cyberraum. Wie sich Landschaft als Stadt wiederholt und in Stadt umgeformt
hat, so fließt nun Stadt in die imaginären, raumlosen Räume des Netzes
ein. Aragons für die Passade de l'Opéra beschriebene neue Mythologie erfaßt
als postmoderne Mythologie die Cyberräume; das ist, vom Mimetischen
abgesehen, keine Funktionalität, entstammt aber der rein funktionalen,
auf 1 und 0 reduzierten, auf Ja und auf Nein begrenzten Intention; entstammt
ihr technisch, nicht ontologisch: Da ist eben diese Funktionalität
selbst ein maskierter Ausdruck ganz anderer Wirkzusammenhänge, nämlich
der natürlichen Evolution. Wenn Aragon sich die Spazierstöcke wie Seegras
sanft hin- und herbewegen läßt, ist dies eben deren Ausdruck und keine
poetisch gesuchte Metapher, sondern evidente Erscheinung, die
den Zusammenhängen ganz nah auf die Haut bläst. Wir erklimmen momentan
nur das nächsthöhere Tableau.
Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (88).)

>>>> 89
87 <<<<

Interessant bei satt.org. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (87).

Hier >>>> ist in meinem eigenen „Fall“ zu schauen, in welcher Weise sich bei wikipedia die als solche bezeichnete Selbstinszenierung darstellt, also: was ich in dem Artikel geändert habe. Das läßt sich ja nach Struktur der wikipedia gut nachvollziehen: nämlich objektiv Unrichtiges, Namensschreibungen, Erscheinungsdaten usw., korrigierend, nicht jedoch den Text-selber in seiner Substanz modifizierend.
Solche „Selbstinszenierung“ hat etwas Nötiges, von dessen Realisierung ein Betroffener allezeit vorher ausgeschlossen war. Sie hat zugleich etwas Offenes, nicht-Insgeheimes, da sie die Genauigkeit der Rechercheure vom präzisen Rang >>>> Frank Fischers bereits vorab mit ins Kalkül nimmt.

>>>> 88
86 <<<<

An und von UF. Das Netz als Herstellung von Öffentlichkeit. Meinung & Macht. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (86).

ANHEs wäre aber gut, wenn >>>> das >>>> d o r t weiterdiskutiert würde... mit Belegen, mit einem Aufzeig rhythmischer Strukturen usw...dann kommt vielleicht eine W e l l e in Gang...UF
wellen auf toten seiten - mit möchtegern-pöten? dann - sorry - lieber auf ner glatze locken drehen...ANH....es geht doch um was ganz anderes: das Netz als Plattform fürs Anschieben von Diskussionen nutzen...egal wo... es wird ja alles "google-isiert", ob einem das nun gefällt oder nicht. Im Zweifel für die Tatsachen - und sie dann nutzen.
[Meere Roman von Alban Nikolai Herbst [Traumbriefe II]

>>>> 87
85 <<<<

Selbstermächtigung. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (85).

>>>> (...), vor allem >>>> Winers Satz von der „Selbstermächtigung“ (Punkt 15), insofern als sich die Subjekte jedes für sich klarmachen, daß sie als gesellschaftliche Funktionen behandelt und bestimmt werden, sich davon kaum lösen können und auch d a s wissen, sich zugleich aber als öffentliche Ichs konturieren, wodurch sie emanzipierten Eigenstand gewinnen. Wie auch >>>> das Persönliche allein dadurch, daß es sich publiziert, auf das deutlichste klarstellt, sozial generiert zu sein – das b e d e u t e t gerade: politisch zu sein. Es generiert sich nämlich jetzt als ein Gesellschaftliches s e l b s t („ein gesellschaftliches Selbst“). >>>> Darüber wurde in Der Dschungel mehrfach geschrieben. Die Vorstellung privater Räume, auf die Gesellschaftliches keine direkte Gewalt habe, betrügt uns; wir wollen betrogen sein und betrügen u n s: genau das wiederum ist etwas, das den Machtzugriff mit am Leben hält, den Machtapparat sozusagen mit Millionen kleiner Energieeinheiten füttert, die, zusammengerechnet, von enormer Massivität und Gewalt sind. Die Veröffentlichung von Privatestem verausgabt nun diese Energieballung dort, wo sie entsteht, sie verschleudert gesellschaftliche Energie und entzieht sich dadurch der Macht. Das ist mit ‚Selbstermächtigung‘ gemeint: Der Blogger steigt - auch und gerade in den Millionen Plauderblogs, die chattend/schwatzend Intimstes verhandeln - aus dem täuschenden Paradigma des Heimlichen aus und wird allein durch seine Selbstpublizierung reflexiv: wenigstens andere können nun Schlüsse daraus ziehen. Hier gilt wie in der Kunst, daß der Urheber selbst gar nicht erfassen (können) muß, was er geschaffen hat; bekanntlich sind Intentions- und Sinnaussagen eines Künstlers über sein Werk nicht relevanter als Sinnaussagen der Rezipienten über ebendieses Werk. Was jetzt >>>> den Bogen zurück zu Mahler und Harnoncourt schlägt

84 <<<<

Emotionen der Argumente. Außerdem die Selbstreferenz. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (83).

Reaktionen >>>> wie die des Netzkritikers sind nicht zu beklagen. Im Gegenteil sind sie eine gängige Erscheinung, die sich im Netz indessen dokumentiert und insofern argumentativen Rang bekommt: als eine Aussage über Motivationen. Psychische Motive sind es ja auch, was den Erkenntnisdrang oft überhaupt erst in Gang bringt – sofern er außerhalb unmittelbarer Notwendigkeiten (Schutz vor Gewalten, Hunger usw.) wirkt. Das tut er nun in der Industriegesellschaft ganz besonders, zumindest scheinbar, als die unmittelbaren Bedrohungen nicht mehr direkt erkennbar sind. Das Literarische und das Politische Weblog sind das am meisten geeignete Medium, solche Prozesse mit aufzuzeichnen.
Aus dieser in schriftlicher Form zu erlebenden Erscheinung emotionaler Einbrüche, Verschiebungen, Unterstellungen - also insgesamt der menschlichen psychischen Abwehrformen – lassen sich Schlüsse auf die Prozesse der Erkenntnisfindung ziehen, freilich andere als solche „zum Thema“. Die Dschungel operieren sogar damit; es ist ebenso ein Teil ihres Wesens, wie daß mit Emotionen mitreagiert wird – daß Emotionen also als ein Teil der Entscheidungsfindung selbst ausgetragen werden. „Die“ Wissenschaft möchte derartiges gerne ausklammern, um methodisch „sauber“ zu bleiben; Die Dschungel meint hingegen, daß gerade d a s methodisch unsauber wäre. Zu einer klaren Methodik gehört eben a u c h, das o f f e n mitwirken zu lassen, was am Rand liegt, aber w i r k t. Wiederum rein biologisch gesprochen, finden wir zu unseren Haltungen eben zum allergeringsten Teil aufgrund logischer Entscheidungen, die von Befindlichkeiten abgekoppelt wären; vielmehr sind gerade s i e es, die einen signifikanten Anteil an den Entscheidungen (Überzeugungen der Moral und/oder des Glaubens, schließlich an Haltungen) haben. Insofern sind Einlassungen wie die des Netzkritikers höchst hilfreich und erhellend; ebenso >>>> Frau Sommers Ausruf "Da wird mir schlecht!" oder meine eigenen emotionalen Ausbrüche. Davon gab es hier ja auch schon einiges. W i e emotional reagiert wird, indiziert die Virulenz eines in Rede stehenden Themas; sie wird davon geradezu unterstrichen. Keine auf methodische Sauberkeit fundierte Methode kann das in auch nur annähernder Weise so darstellen.

Eine Eigenart Der Dschungel ist es, immer auch sich selbst zum Gegenstand der Betrachtung zu machen, d.h. ebenso Kommentare und Kommentatoren wie - vormals im Tagebuch, nunmehr im Arbeitsjournal - e i g e n e Motivationen (etwa emotionale Gründe, bzw. mehr oder minder objektive Anlässe für Gedankengänge).

82 <<<<

Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (76). Öffentliches Tagebuch ff. Aus einer Korrespondenz.

Ein kurzes Wort zum >>>> Tagebuch: Ich weiß, daß >>>> manche Reaktionen auf geöffnetes Innere schmerzhaft sind. Das auszuhalten, gehört aber ganz unbedingt zu einem öffentlichen Tagebuch hinzu, darin liegt sogar seine ureigene Kraft: Persönlichstes wird zu Allgemeinem nicht nur in der Darstellung, sondern auch und gerade in der Diskussion aus den Kommentaren. Eigenes, sich zugebendes Versagen und Versagtes, das man eben n i c h t mehr ins Private versteckt, zeigt den radikal nicht-privaten Character dessen an, was uns privat (persönlich) geschieht: Fatalität.
>>>> 77
75 <<<<
Es wird dringende Zeit, daß sich den bisherigen beiden
männlichen Tagebuchschreibern weitere, vor allem: auch weibliche, beigesellen.
Zugleich ahne ich, daß so etwas völlig unweiblich wäre.

Das Weblog als Stechuhr. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (74).

Nun trägt das Literarische-Weblog-als-Kunstform in einer weiteren Weise etwas zugleich Anarchisches, Widerständiges, ja Utopisches: es vermag nämlich, prinzipiell, normierte Verwertungszusammenhänge zu unterlaufen und aus dem das ‚Endpodukt’ signifikant verteuernden Kreislauf von Produktion, Vermittlung, mehrfacher Weitervermittlung und schließlich Rezeption auszubrechen. Und zwar dies nicht nur, indem künstlerisch d i r e k t kommuniziert wird, sondern indem nicht mehr der Umweg über einen Produktionsprozeß genommen wird, an dem sehr viele andere Geldbeutel mehr verdienen als der Urheber selbst - etwas, das einem aus marktökonomischen Zusammenhängen vom Angestellten über den Arbeiter bis hin zum Pflanzer in der Dritten Welt auf das bitterste vertraut ist. Die Kaffeesorte muß ja erst einmal bekannt gemacht, dann bearbeitet, schließlich vertrieben und angeboten werden. Vielmehr zeigt eine einfache Rechnung, wie einfach sich über das Literarische Weblog sogar die Kunstautonomie bewahren läßt. Es ist nämlich denkbar, daß sich Leser die Filterprozesse einer ästhetischen und moralischen Quasi-Zensur nicht mehr gefallen lassen, die der Kunstbetrieb aus den Lektoraten und bis in die Zeitungsredaktionen willentlich oder unwillentlich und oft um eigenen Machtzuwachs ausübt – und auch in öffentlichen Preisvergaben, deren Jurorschaft sich meist aus ganz denselben Lektoren und Zeitungsredakteuren, bzw. „freien“ Kritikern und Autoren zusammensetzt, die einander gesonnen sind wie die eine Krähe der andren. Sondern daß sie, die Leser, sagen: Wir wollen, daß diese Dichterin, dieser Dichter unbehelligt weiterarbeiten kann; sie/er hat über Jahre gezeigt, w i e sie arbeitet, nicht alles schmeckt uns daran, aber es berührt uns, es läßt uns - auch im Ärger - lebendig sein, und nahezu täglich werden wir mit Neuem, aber künstlerisch Geformtem konfrontiert, das in uns umgeht. Wir wollen nicht, daß das aufhört. Usw. Und daß man dann zur direkten Bezahlung des Künstlers übergeht.
Bei einem arithmetischen Mittel von nur 400 Lesern täglich (sehr viele Weblogs, wenn auch nicht unbedingt mit Kunst befaßte, haben signifikant m e h r Leser; auch Die Dschungel kommen an guten Tagen auf 600/700), und zahlte jeder dieser Leser 10 Euro monatlich (kaum der Preis zweier Schachteln Zigaretten), ergäbe das vor Steuern ein Einkommen von 4000 Euro. Von dem wäre die Mehrwertsteuer in Abrechnung zu bringen, von dem wären die sonstigen Abgaben in Abzug zu bringen, aber es stünde dann immer noch ein Betrag da, mit dem es sich sehr wohl leben läßt, zumal, werden Erlöse aus anderen Produktionsbereichen (Lesungen, Rundfunk etc.) hinzugerechnet. Aber selbst ohne sie wären die Dichterin oder der Dichter dann so weitgehend aus marktwirtschaftlichen Zwängen gelöst, daß sie zumindest nicht mehr bangen müßten.
Das Interessante, das Doppelgesichtige auch, dieser Möglichkeit - und das praktisch werdend Utopische – liegt dann gar nicht mehr ausschließlich im Modernen quasi unendlich kommunizierender Röhren, sondern tatsächlich darin, daß sich die Autonomie der Kunst einlöst, das den Mäzen demokratisiert, aber ohne daß sich der Mäzen-unter-Mäzenen wie ein Wähler von öffentlichen Vertretern repräsentieren lassen muß. Kunstautonomie schlösse sich mit Basisdemokratie zusammen, und zwar über einen - kunsttheoretisch gesehen - Regreß. Der steht dann zugleich gegen ästhetik-ideologischen Machtmißbrauch. Und wäre letzten Endes einem Abonnement vergleichbar, das einem nicht die geringste Werbung ins Haus spült..

Es würde den Künstler selbstverständlich verpflichten, und weitergehend vielleicht, als seine Existenz heutzutage dem Markt verpflichtet ist, nämlich den Lesern. Er hätte tatsächlich ‚seine’ Leser, für sie schriebe er, und sie hätten ein Recht, sich zu äußern, auch über Bücher, die unabhängig von diesem Modell entstünden. Viele täten das wohl auch. Und die Dichterin/der Dichter hätte Rede zu stehen. So entstünde ein Fluß zwischen Dichtung und Leser, wie er bislang rein unbekannt ist. Doch zu einem weiteren verpflichtete der Künstler sich: nämlich zur unentwegten Fortsetzung seiner Arbeit. Das ist gerecht, denn unentwegte Arbeit leisten die Leser zu ihrem eigenen Broterwerb auch. Kein Künstler ist davon freizustellen. Diese Gegenleistung zu überprüfen, dazu diente das Literarische Weblog dann a u c h: Und das >>>> Arbeitsjournal würde zur Stechuhr (in Der Dschungel ist es sowieso schon eine).
[I.
Der Einwand etwaiger „Schreibhemmungen’ oder sonstiger Störungen des Arbeitsprozesses liegt nahe. Dem läßt sich zweierlei entgegnen: 1) Man könnte sie als Ausfallzeit durch Krankheit auffassen; sie wäre insofern zu begründen – und fände die Begründung abermals im Weblog, formulierte sich dort, machte sich ggbf. selber zum Objekt der Gestaltung. Überschritte sie allerdings ein - angemessen locker definertes - Maß, fiele Entlohnung ganz ebenso weg wie bei anderen Freiberuflern, wenn sie ‚ausfallen’. Auch Anwälte bekommen kein Honorar mehr, wenn sie keine Fälle haben. Und der Lebensmittelhändler, wenn er den Laden zumacht, hat ebenfalls keine Enkunft 2) Bei einer ‚Schreibhemmung’ verdienen Autoren so oder so nichts, auch ohne dieses Modell. Es änderte sich also für sie nichts.]
[II
Es ist nicht ausgemacht, ob aus einem solchen Verfahren schließlich nicht sogar die Verlage profitierten; denn Bücher wären für einen ‚Grundabsatz’ kalkulierbar, weshalb sich auch wieder ohne ökonomischen Schaden Bände herausbringen ließen, die auf dem ‚freien’ Markt normalerweise keine Chance haben. Des betrifft vor allem Lyrik oder eine Prosa, deren scheinbare Inkommensurabilität sie der Lyrik gleichrechnen läßt.
>>>> 75
73 <<<<

„Blogger“. Zur Ideologie. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (72).

Es ist nämlich etwas anderes, ob jemand ein Weblog - sei es politischer, sei es ästhetischer Natur – f ü h r t, und zwar mit derselben Gewissenhaftigkeit, die er (sie), sagen wir, seinen Patienten angedeihen läßt (sofern er/sie Arzt ist), ja ob er/sie ein medizinisches Weblog unterhält, worin Diagnosen besprochen und therapeutische Überlegungen diskutiert werden, oder ob jemand „Blogger“ ist. Man kann das gar nicht scharf genug trennen, soll nicht abermals einer jener Vereinfachungen auf den Leim gegangen werden, der die Sachverhalte wie Vögel fängt, um sie dem schnellen Verzehr zuzuführen. Vorbei ist’s dann nämlich mit dem Gezwitscher, der - aus anderer Perspektive - Gesang war. Sehr wahrscheinlich rührt d a h e r mein prinzipielles Unbehagen, das jetzt sogar in meinen Traum ging, also unbewußt weiterarbeitet und dann sogar Bilder findet, um die innere Spannung ausgleichen zu können. Die allzu schnelle Handlichkeit des Begriffs, der das darunter Befaßte ideologisch zurichtet - ganz gleich, ob ablehnend oder zustimmend -, ist von reichlichem Übel. Man ist nicht Blogger, sondern unter anderem damit befaßt, eine Ästhetik zu entwickeln, die traditionelle Literatur (also in Form des Buches oder, weiter, als Printmedium) mit den medialen Möglichkeiten des Netzes verbindet und zugleich über künstlerische Produktivitätsmodi und -notwendigkeiten nachdenkt. (Oder, das betrifft jetzt andere als mich, nämlich politische „Blogger“: man ist sehr bewußt dabei, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen, die sich nicht in die Zwänge der Ökonomie einbinden lassen will und auch nicht die Filter politisch gebundener Chefredaktionen durchlaufen muß - eine für die neuere Zeit sehr wichtige Funktion dieses Mediums, und zwar auf allen Seiten der politischen Spektren. So würde ich den Teufel tun und >>>> Henryk M. Broder, den ich so wenig mag wie ‚seine’ >>>>Achse des Guten“, einen Blogger nennen. Vielmehr ist er ein ernstzunehmender und nicht selten gefährlicher Journalist mit enorm spitzer Feder, der vermittels seiner Netzpräsenzen sehr genau und sehr klug Meinung zu machen versteht (und auch über einiges im klassischen Sinn ‚aufklärt’); ob mir diese Meinung nun gefällt, hat mit der Grundtatsache nichts zu tun. Die ist zu akzeptieren und nicht durch vereinfachende und verkleinernde Begriffsbildungen wie Blogger zu vertuschen.
Tatsächlich läuft in dem Begriff „Blogger“ einiges Unprofessionelle, ja Pubertäres mit: als wären Erstsemester auf Professorenstellen losgelassen. Woran ja etwas ist, aber eben nicht in jedem Fall. Gerade dieses ‚nicht in jedem Fall’ wird im Begriff Blogger egalisiert, so wie schon die Begriffsbildung selbst eine Egalisierung darstellt, die aus dem Web-Logbuch - das sich durchaus als strenge Aufzeichnung darüber verstehen läßt, welche Gedankenkurse einer übers Webmeer kreuzt und wo er welches Land fand; eines der poetischsten Logbücher, übers Unbekannte der französischen Autobahn surfend, >>>> hat Julio Cortázar mit seiner Frau Carol Dunlop geschrieben – etwas achtrangig Amateurhaftes macht, und viele „Blogger“ machen dabei auch mit, ihren persönlichen Wert aus etwas ziehend, das a n s i c h gar nichts ist – so, wie Kreti und Pleti, kaum daß der technische Umstand es hergibt, ihre Gedänkelchen zwischen Buchdeckel pressen lassen, wofür sie gerne Geld bezahlen, eine Art Blutzoll, der Eitelkeit zu entrichten… na gut, solln sie… womit sie aber andererseits die Flußbetten der Literatur verschlammen, und das sollen sie eigentlich n i c h t. Weil nun für den Blutzoll, den das Web erhebt, kaum mehr die Haut geritzt werden muß, ist solche Selbstverlegerei so außerordentlich wohlfeil, und gleichberechtigt stehen wenige Dichterinnen und Dichter, wenige Zeitanalysten und Innen, Außen wie Oben im strömenden Zeitgeist, werden dann allesamt „Blogger“ genannt, und schon ist der an sich revolutionären Entwicklung die Spitze weggebrochen.

>>>> 73
71 <<<<
 



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