MEERE, Letzte Fassung.
„...die in der deutschen Gegenwartsliteratur ihresgleichen kaum finden.“ Neuerlich MEERE.
Weitere Meere. Nunmehr in Wien.
Abermals Meere. Aus einem Kontaktforum weitergeführter Dialog im Yahoo-Messenger.
ANH: Seltsam, ich habe so viel auf den Deckel bekommen für dieses Buch, und jetzt tauchen immer mehr, vor allem sind es Frauen, auf, die es langsam gelesen haben. Und mochten.
LS: ich las es nur in kurzen passagen. irgendetwas daran hat mich ganz ruhig gemacht und weich. und zuviel am stück hätte das weniger spürbar gemacht.
ANH: Schreiben Sie etwas dazu? >>>> H i e r wird ja immer noch auf das heftigste diskutiert.
LS: nein, ich möchte mich an dieser diskussion nicht beteiligen. ich erinnere die zusammenhäge kaum. mir bleiben bilder und gefühle. und die reichen mir aus. mehr noch, ich will nicht verbalisieren, nicht argumentieren. man fühlt oder eben nicht.
ANH: Das ist ein gutes Argument. Erklärt auch, weshalb vor allem immer Gegenstimmen laut wu/erden.
LS: absolut. ja.
ANH: Jedenfalls danke ich Ihnen dafür einmal. Als Schriftsteller gesprochen, jetzt mal nicht als "Dom".
LS: *lacht nein! ich danke ihnen für das buch.
... klebt und klebt und klebt und pfeift dabei (schief) und klebt...
Meere im Focus. Schuberausgabe bei marebuch.

MEERE in öffentlichen Lesungen.
Ich notiere eine für mich seltsame Scheu, Passagen >>>> aus diesem Roman öffentlich vorzutragen, und zwar auch dort, wo sie aus Gründen der Lautlichkeit und des Rhythmus eigentlich danach verlangen. Es ist jetzt das dritte Mal, daß ich kurzfristig >>>> ein Leseprogramm von mir aus, ohne jeden äußeren Druck, dahingehend revidiert habe, daß ich etwas völlig anderes las. Dabei geht es nicht darum, daß mir diese Passagen zu intim sind, um sie vorzustellen, sondern ich habe das Gefühl, ich griffe, läse ich sie, ins Intimleben der Zuhörer ein. Weshalb ich zunehmend gewisser glaube, daß MEERE von Lesern allein und je für sich selbst gelesen werden muß. Die Fragen, die das Buch stellt und die Antworten, die es zugleich gibt, sprechen den Leser direkter an, als das in jedem anderen meiner Bücher der Fall ist. D a s, nichts sonst, macht das Buch zu einem Schlüsselroman: aufgeschlossen wird unsere je eigene Haltung, und ich habe nicht das Recht, fühle ich, dies öffentlich anstelle der Leser-selbst f ü r sie vorzunehmen. Es wäre ein unlauterer Übergriff.
Solch eine Rücksicht nahm ich v o r MEERE nie.
Meere. Neu bei marebuch 2009. Nicht verwendeter Textentwurf für das Frühjahrsprogramm.

Ich schrieb wie im Rausch. Ein knappes Jahr zuvor hatte ich die Erzählung eines Mannes skizziert, der seine Frau an das Meer verloren hatte. Jetzt hatte mich das Exposé metaphorisch eingeholt. Ich war von Sinnen und zugleich scharf wach: weil ich wußte, das läßt sich nur über Form halten, über fugenlose, wie eine Fuge, Formung. Und mit Verwandlung in jemanden anderes: daß es andre w i r d. Denn der Schmerz mußte ins Allgemeine. Das Sexuelle ist der Katalysator gewesen, der endlich erzählen ließ, was ich immer nur versteckt erzählt hatte, immer nur hinter vorgehaltenen Fiktionen von falschen Pässen, von Fort-Reisen aus sich selbst, von einer Last, die seit Kindertagen auf mir war und mit etwas zusammenhing, das ich nicht zu verantworten habe: mit deutscher Geschichte. Da ich See brauchte, mußte ein Teil der Erzählung in Polen spielen, weil Polen mit Deutschland aufs Schlimmste verzahnt ist und weil man von dort, von der Küste, in ein Herzstück der deutschen Romantik, dachte ich, schauen könne: zu den Kreidefelsen von Rügen. Ich wollte Caspar David Friedrichs Blick zum Betrachter wenden, weil alle Umdrehung Perversion ist, die für die Erzählung wie für mein Leben notwendig wurde. Confessiones, dachte ich. Es geht ein Weg von Friedrich über Deutschland zu Kiefer: Ich nannte meinen Helden Fichte. Ich gab ihm meine Erfahrung mit Vostell. Ich suchte nach dem geeigneten Ort, fuhr die polnische Küste bis halb hoch nach Rußland ab, fuhr zurück. Stieß bei meinen Wanderungen auf den Bunker von Wisetka. Ja, es gibt ihn. Sofort war alles, alles klar, es hatte nur Kiefers Barjac gebraucht und dieses Kliff, das in Polen zum Leitmotiv wurde. Dann fuhr ich ins Herz des Abendlandes, das am Orient schlägt, fuhr nach Sizilien, ganz in den Süden, nah an Malta, nahe am Matriarchat, fuhr die Costa dell'Ambra ab, ich brauchte etwas Gelbes, weil gelb Fichtes Farbe der Leidenschaft ist – und stieß abermals auf ein Kliff. Dahinter stand eine verfallene Finca. Ich wußte sofort, ich bin angekommen. Auf dem Kliff, in dem Kliff schrieb ich die zweite Fassung des Romans, immer rasender, unverlogen, offen bis unter die Haut. Kipling mußte eine Rolle spielen, formal, weil es von Kipling zwei Gedichte gibt, die auf nirgends sonst erreichte Weise den Rhythmus einer Brandung haben, wie Wagners Tristanvorspiel Meer. Ich reiste mit dem Typoskript im Laptop zu Gerd-Peter Eigner, las es ihm am Stück in seiner olevanesischen Bergklause vor, „geht das so?“, „kann man das so machen?“ - drei Tage lang, unterbrochen nur von nächtlichen Räuschen durch Wein. Dann zurück nach Berlin. Kälte jetzt, Konstruktion jetzt, kein Faden darf herausschauen, alles muß unlösbar ineinander verwoben sein, keinen Wein mehr, nur noch den Tabak, keine Musik mehr, nur noch die des Romans. Bis es getan war.
Handbearbeitete Sonderausgabe im Originaleinband zum Frühjahr 2009 bei >>>> marebuch. Im großformatigen Klappschuber. Mit den Ausgaben von >>>> Volltext und >>>> Dielmann.
Meere, letzte Fassung. Dielmann Verlag 2008.
Diese verklemmten Frauen! Ina Hartwig in der Frankfurter Rundschau. MEERE.
>>>>Nun, vier Jahre später, druckt die Wiener Literaturzeitschrift Volltext den überarbeiteten Roman zur Gänze ab. Das als solches ist ein Ereignis. Ob es literarisch erhebend ist, bleibe dahin gestellt. Da die Fahnen der verbotenen Erstfassung längst im Altpapier landeten, ist ein Vergleich mit der Neufassung im Detail leider ausgeschlossen. Auf den ersten Blick jedoch sind alle memorierten Motive zuverlässig wiederzuerkennen: Ein impulsiver Künstler namens Fichte verfällt einer bildschönen Halbperserin namens Irene, macht sie sexuell abhängig - was weidlich ausgekostet wird -, schwängert sie und verliert sie schließlich.
Die Geschichte, die im Rausch beginnt, endet böse. Das ist nur das psychische Korsett, und es ist dem von Billers Esra doch ziemlich ähnlich.<<<<
...“was weidlich ausgekostet wird“ - was Frau Hartwig (die auf einer Leipziger Literaturkonferenz mit dem USA-Wimpel am Kragen(sic!)spiegel auftrat – imgrunde genug, um zu wissen, mit wem man‘s zu tun hat... aber da Die Dschungel fair sind, vermelden sie >>>> auch Gutes)...also was sie dabei völlig unterschlägt, ist, daß umgekehrt auch Fichte abhängig ist von Irene – er sogar ganz besonders. Dazu gesellt sich Frau Hartwigs fehlerhafte Recherche, aber auch das ist man leider von Literaturjournalisten gewöhnt: „jener der Großneffe von Hitlers Außenminister von Ribbentrop“ - das stimmt genau so wenig (schon, weil Joachim von Ribbentrop in eine zumal ganz andere Familienlinie hineina d o p t i e r t worden ist) wie daß das Buch bereits "vor Erscheinen gestoppt" worden sei; das stimmt einfach nicht; es wurden vor dem Verbot nicht wenige Bücher verkauft. Das Verbot kam erst ungefähr drei Wochen nach Auslieferung. Aber das interessiert Frau Hartwig so wenig, wie sie Rücksicht darauf nimmt, daß die nunmehr Letzte Fassung des Romans ganz bewußt und f o r c i e r t ein als verletzt empfundenes Persönlichkeitsrecht achten will... daß nun also ausgerechnet eine Frau dem ehemaligen Kläger durch einen Hinweis auf seine Identität in den Rücken fällt, läßt Die Dschungel sich vor Verachtung nur noch ekeln. Zur Verklemmung reicht das Wörtchen von der „aufgedonnerten Gier“. Niemals besessen gewesen, gell? Immer fein abgesichert durchs Leben. Ach!
(Über die F o r m dieses Buches, über leitmotivische Verschränkungen, die Einarbeitung von Kipling-Motiven, Rhythmisierungen und überhaupt die Sprache, um von schicksalhafter Verfallenheit ganz zu schweigen - davon alles kein Wort. Sondern: "...dem von Billers Esra doch ziemlich ähnlich." Zeugung mit Delphinen, Verschmelzungen - körperliche - mit einem Kunstwerk - nö, davon nix. Alles Realismus, sowieso, ex und hopp. Was nicht sein s o l l, das i s t dann auch nicht. - Ach Mädchen!)